Das Haus der Melitele - inneres Heiligtum

Wyzima war die Hauptstadt von Temerien und einst Herrschersitz von König Foltest. Von hohen Stadtmauern umgeben, liegt sie an den Ufern des Wyzimasees; die Ismena fließt durch Wyzima und mündet in diesen. Das Bier "Wyzimas Gold" wird hier gebraut.
Nach der Ermordung des König streiten nun Herzoge und Barone um de Herrschaft.
Zeitweise war Wyzima der Sitze var Emreis, denn Temerien ist von Nilfgard besetzt.
in Wyzima ist der Orden der Flammenrose strak, inoffiziell regiert hier der Orden.
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Arvijd Kostjunari
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von/nach: die letzten Jahre
Datum: Hochsommer; Juli 1278
(ca. ein dreiviertel Jahr nach der Handlung in Velen/Oxenfurt bzw Jakobs Ankunft
- und 4 Jahre nach Arvijds Ankunft in der Welt)
betrifft: Jarel, Jakob
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Die Jahre waren vergangen, manche schneller als andere. Er hatte die Sprache gelernt, die Gemeinsprache und hatte sich nützlich gemacht. Schon bald hatte er nicht mehr verbergen können, welches medizinische Wissen in ihm schlummerte und auch wenn er sich hatte zurückhalten wollen, in einem Haus der Melitele deren Priesterinnen sich der Heilung verschrieben hatten, war es ihm unmöglich gemacht worden, sich nicht einzubringen.
Und schon bald war er als Arzt und Feldscher in der näheren Umgebung bekannt.

Und ein Arzt wurde dringend gebraucht.
Die Catriona Pest suchte das Land heim, eine aggressive Lungenkrankheit, die die Menschen schwächte, tötetet und obendrein hoch ansteckend war. Vielleicht war er zur rechten Zeit gekommen, denn die Hygienemaßnahmen, die er für den Tempel einführte retteten Leben. Die Atemwege zu bedecken, sich lieber einmal zu oft die Hände zu waschen und die Brunnen nicht neben den Latrinen und den Massengräbern auszuheben, all das war in seiner Welt, seiner Zeit selbstverständlich gewesen, hier rannte man zunächst gegen Mauern. Dennoch rettet er vielleicht gerade mit seiner Sturheit Leben.

Jene Jahre waren schnell vergangen, in denen die Anderlinge in der Stadt um ihre Freiheit gekämpft hatten.
Eichhörnchen waren nicht länger putzige Nager gewesen sondern bis an die Zähne bewaffnete Anderlinge - Anderlinge, so nannten die Menschen hier alle, die eben keine Menschen waren sondern eben etwas anderes. Der Mensch änderte sich wohl nie. Es glich dem Bürgerkrieg, den er bereits erlebt hatte in erschreckender Weise und viel zu routineirt versorgten die damals im Tempel die Opfer.

Auch die Jahre, in denen die Köpfe nur so gerollt waren waren schnell vergangen.
Könige wurden enthauptet, begonnen mit Demawend von Aedirn und nur kurze Zeit später Foltest.
Und je mehr er erfuhr und je tiefer er eintauchte umso grausamer offenbarte diese Welt ihr Gesicht.
Die Tochter Foltests, die zur Strige geworden war und das Zentrum vieler Verschwörungen gewesen sein sollte, die Zunft der Hexer, die eigentlich an jeder passenden und unpassenden Stelle Neutralität gelobten nur um dann doch an vorderster Front mitzumischen, die Magier, die eigentlich nur die Berater der Könige hätten sein sollen und von denen es nun hieß, sie hätten mit ihnen gespielt wie mit Marionetten, und zuletzt die Orden der Weißen Rose und der Flammenrose, die ihr blutiges Schwert nicht nur gegen die Verschwörer schwangen sondern oftmal viel zu weit damit ausholten.
ein heilloses Chaos, das zu durchblicken jedoch zum Glück nicht seine Aufgabe war.
Und schließlich, und hier war es dann unmöglich geworden, sich zurückzuziehen und nur die Verletzten des Bürgerkrieges zu versorgen,
Erneut war der Krieg ins Land gezogen, Nilfgard war bis an den Pontar vorgerückt und Wyzima war nun in der Hand des Feindes. Nun versorgten sie neben den Anerldingen und den eigenen Leuten also auch noch die der schwarzen Armee.
Aber ihm war es letztlich egal, die waren alle nur Menschen.
Und lange Zeit vergaß er darüber sogar, woher er kam.
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Jakob von Nagall
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von/nach: Eine Straße zwischen den Orten --> Das Haus der Melitele in Wyzima
Datum: Hochsommer; Juli 1278
betrifft: Jarel, Arvijd
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Es goss wie aus Eimern, als Jakob mit Jarel im Schlepp Wyzima erreichte. Er hatte aus beiden Mänteln und weiteren Ästen eine Art Schirm gebastelt, damit der Ritter nicht völlig durchnässt wurde. Dafür war er selbst nass bis auf die Haut, aber es war noch immer warm und entsprechend zu ertragen. Das Wappen der Flammenrose und das Wetter sorgten dafür, dass er am Tor keinerlei Schwierigkeiten hatte und so schleppte Mariposa die Trage bald durch die aufgeweichten Straßen.
Dass er nicht zur Komturei ritt, sondern zum Konvent der Melitele, war einfach ein Bauchgefühl. Jakob hatte seinen Ritter über die Monate beobachtet, hatte zugehört und ihn auf seine Art - im übertragenen Sinne - seziert. Etwas sagte ihm, dass er in diesem Zustand lieber unter dem Dach der Allmutter wäre und so klopfte der Knappe nach einigem Suchen dort an die riesige Pforte.
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Arvijd Kostjunari
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Ein Mädchen öffnete die schwere Flügeltüre. Sie mochte etwas jünger sein als Jakob und sie blickte
Kurz erschrocken von dem jungen Mann zu dem auf der improvisierten Trage.
Dann ließ sie ihm einfach die Tür vor der Nase zufallen und rannte wieder nach drinnen ehe er auch nur ein Wort zur Erklärung anbringen konnte.

Ein wenig erinnerte das Haus an eine romanische Kirche von der Erde, eine niedrige Steinmauer umgab sie, darin der Kräutergarten.
Noch vor einigen Jahren waren hier noch tiefe Löcher ausgehoben gewesen die später als Massengräber dienen sollten für die vielen Opfer, die die Catriona Pest gefordert hatte, heute erinnerte kaum mehr etwas daran, außer dem Meer an Kräutern und Blumen die dort nun wuchsen und den Tod wieder in etwas Lebendes verwandelten. Gros war der Garten nicht, immerhin stand das Haus der Melitele hier mitten in der Stadt, doch er bot ein wenig bunte Abwechslung im Graubraun der Stadt.
Das alles konnte man vom Haupttor aus sehen.
Nach einer ganzen Weile öffnete die Türe sich erneut und ein etwas untersetzter Mann mit Glatze und markanter Nase und grauen Augen öffnete. Er hatte sich eben die Hände desinfiziert, man konnte es noch riechen und während er die Türe mit dem Ellbogen aufschob massierte er sich den starken Alkohol noch immer in die Handflächen und zwischen den Fingern ein.
"Es gibt einen Patienten wurde mir gesagt? Was ist denn passiert?" Wollte er wissen, während er zuerst Jake musterte, dann den Mann in der Trag, den er zunächst auch erst einmal nicht erkannte.
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Jakob von Nagall
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Während Jakob gegen den hohen Flügel der Pforte hämmerte, hörte er hinter sich ein unruhiges Wiehern. Mariposa trampelte unruhig von einem Huf auf den anderen, was Jakob dazu brachte, sein Hämmern einzustellen und hastig den Kopf zu wenden. Mariposa war niemals unruhig. NIE!
Angespannt wie er war, machte dieser Umstand ihn dermaßen unruhig, dass er zur Trage eilte und eben nach Jarel sehen wollte, als das Tor von der jungen Priesterin geöffnet wurde. Er hörte das Ächzen der Angeln, sah kurz eine verhüllte Gestalt durch den Regenschleier, die so schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war. Mit einem Schlag fiel das Tor erneut zu und Jakob fluchte unflätig. Ohne sein Vorhaben zu beenden, rannte er mit einem "Wartet!", wieder zum Tor, um erneut zu klopfen.
Mari stampfte wieder und das Spiel begann von vorn. Wieder eilte er an Jarels Seite, grub in Decken und Mantelstoff nach dem Ritter... und wurde erneut vom Knarren des Tores aufgeschreckt. Diesmal war er schneller, sprang auf und eilte dem Mann entgegen.
"Herr... Wir sind von einer Endriage angegriffen worden. Er ist nicht schwer verletzt, aber ich glaube, er hat ihr Gift abbekommen. Er reagiert sehr stark auf Gifte.", beeilte er sich zusammenzufassen. Der junge Mann war sichtlich gebeutelt von der Sorge um seinen Mentor. "Er muss aus dem Regen.", unwichtig vielleicht, aber Jakob unterschied nicht mehr zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen.
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Arvijd Kostjunari
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Die wichtige Information war die Endriage. Eine Spinnen Abart, wenn auch eine gigantische Version, aber im großen und ganzen glich sich ihr Fressverhalten und damit auch das Gift. Zuerst sah er nicht einmal, um wen es sich handelte, er öffnete die Tür zur Gänze, das Mädchen wartete ebenso dahinter, schüchtern, den Blick gesenkt. Sie trug eine weite Robe, nur an der Taille gegürtet und eine Schultertuch mit Kapuze.
"Iola, bereite meinen Behandlungsraum vor." wies er sie an, ruhig aber bestimmt. Sie nickte nur und rannte los.
"Kommt rein, die Pferde müssen aber draußen bleiben." erklärte er. Vermutlich hatte er auch schon erlebt, dass jemand kurzerhand mit dem Pferd hereingekommen war.
Der Innenraum war hoch und weit, einzelne räume gingen von dem weiten Gang ab. Das war tatsächlich lange ein Tempel und seit einigen Jahren wurde es auch als Hospital genutzt. Am Ende des zentralen Ganges stand das Heiligtum der Melitele, drei Frauen mit geöffneten Handflächen, Rücken an Rücken. Eine sehr junge, eine von mittlerem Alter und eine Alte. Alle waren sie nackt und erstaunlich detailliert dargestellt und die Augen schienen dem Betrachter zu folgen.
Weitere Adeptinnen tauchten nun auf, boten an Jake die nassen Sachen abzunehmen.
"Ich bin übrigens Doktor Kostjunari." stellte er sich noch vor, gab ihm aber nicht die Hand. Er kniete neben dem Patienten und schob den Mantel beiseite, fühlte den Puls, die Temperatur und sah sich die Augen an - was sich bei dem schlechten Licht als schwierig erwies, vor allem bei so dunklen Augen.
"Das ist Ritter Jarel... ich kenne ihn." meinte er dann verwundert, dann musterte er Jakob.
"Ihr seid sein Knappe, richtig?" Helft mir, ihn in den Raum zu bringen." Er deutet in die Richtung, die die Iola verschwunden war.
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Jakob von Nagall
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Der Mann reagierte schnell und routiniert. So routiniert, dass er sogar mahnte, die Pferde müssten draußen bleiben. An die hatte Jakob schon nicht mehr gedacht, aber er würde sich später kümmern müssen, dass die Tiere ins Trockene kamen. Wenn Mari neben der Wunde noch eine Lungenentzündung bekam, kochte Jarel aus ihm eine Brühe für das Vieh... Aber erstmal der Ritter. Jakob packte mit an, um dem Arzt zu helfen, die improvisierte Trage ins Innere zu schaffen. Für den Ort und seine Erhabenheit hatte er dabei ersteinmal kein Auge.
Der Arzt stellte sich derweil vor, die helfenden Hände der Mädchen wehrte Jakob ab - er würde ohnehin noch einmal hinaus in den Regen müssen. Kostjunari. Kein Name, der in den hiesigen Landstrichen besonders geläufig klang. Aber er schien Jarel zu kennen und Jakob bejahte die Frage nach seiner Person. Also hatte Jarel von ihm erzählt?
Sein Blick fiel auf die bleichen, fast wächsernen Züge des Ritters, der für seine Verhältnisse fast schon klein in all den Decken und dem Mantelstoff wirkte. Jakob half dem Arzt wie befohlen, packte Jarel unter den Armen, den Kopf des großen Mannes an seinen Oberkörper gelehnt, während der Ältere die Beine nahm. Gemeinsam brachten sie den Ritter in das Behandlungszimmer.

Das Zimmer mutete merkwürdig modern an, wenn man kannte, was hiesige Heiler und sonstige Fleischer als "Behandlungszimmer" titulierten. Selbst das Refugium des Großspittlers in der Komturei war eher rustikal zu nennen. Es hieß zwar, dass die Zauberer weit fortschrittlicher unterwegs waren, wenn es um das Heilen ging, aber Jakob hatte bisher nur gute alte Hausmittel-Rührerei kennen gelernt.
So wie das hier stellte er sich die Universität vor.
Sie hievten Jarel auf einen Behandlungstisch und Jakobs Augen huschten nervös zwischen dem Arzt und dem wie tot daliegenden hin und her, während sich um seine Stiefel das Wasser sammelte.
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Arvijd Kostjunari
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Der Arzt hatte es eher allgemein verstanden, auch wenn er den Ritter kannte, sie hatten zuletzt lange bevor er Jakob gefunden hatte gesprochen. Aber er war durchaus vertraut mit dem Orden und den Gepflogenheiten des Ordens, und er wusste, dass jeder Ritter angehalten war seinen eigenen Nachfolger auszubilden und was hatte der Junge Mann an der Seite des Alten sonst zu bedeuten? Dass es eine ganze Reihe von Verfänglichkeiten gab, die diese Konstellation erklärten, daran dacht der Arzt nicht, er sah die Dinge so wie sie sein sollten.
Und so begann er halbwegs ungeniert den Ritter zu entkleiden, er musste wissen wo die Einstichstelle war und die nasse Kleidung war seiner Genesung ebenfalls abträglich. Allerdings fand er keinen Biss. Die Endriage musste das Gift in die zuvor geschlagene Wunde gespritzt haben... es noch aus dem Blutkreislauf auszusaugen wäre aber ohnehin bereits zu spät gewesen.
Es war Glück, dass man den Mann zu ihm gebracht hatte, aber vermutlich waren sie ohnehin auf dem Weg gewesen.
Das gute am Gift der Endriagen war, dass es das Opfer nur gelähmt war aber am Leben blieb, nur die Skelettmuskulatur war gelähmt sowohl das Herz als auch die Atmung funktionierte auch weiterhin, er würde als nicht sterben. Der Nachteil war, dass das Gift bereits mit der Vorverdauung des Körpers begann, damit die Spinnenartigen das Opfer am Ende nur noch aussaugen mussten.
Die Schwestern der Melitele verfügten über ein gigantische Menge an Wissen über die hiesige Flora und Fauna, vor allem ging es ihnen um den Einsatz zu Heilzwecken, dem Gift der gigantischen Spinnenverwandten sagte man auch Heilkräfte nach, und es war auch nicht ganz von der Hand zu weisen, aber so einfach war es bedauerlicherweise nicht, erst recht nicht im Falle des Ritters.
Arvijd nahm sich lange Zeit ihn gründlich zu untersuchen.
Iola hatte ihm geholfen und nun lag der Ritter bis auf die Hose entkleidet auf dem Tisch und Arvijd hörte mit einem Stethoskop das Herz ab. Es handelte sich um eine frühe Form davon, ein etwa eine Elle langes Hörrohr mit einem Trichter am Ende. Eine Idee seiner Zeit aber hier leicht zu verwirklichen, dennoch passte es nicht in das ausgehende 12te Jahrhundert, bis zu seiner Erfindungen wäre noch einige hundert Jahre ins Land gegangen. Das galt auch für manche seiner anderen Apparaturen wie zum Beispiel eine primitive Version eines Mikroskops, einen einfachen Beatmungsbeutel und einen Maske.
Und nicht zuletzt eine Schale mit Wasser und reinem Alkohol zur Desinfektion auch der Hände zwischen verschiedenen Behandlungsschritte. Und diese Schritte waren etwas dass dem Arzt in Fleisch und Blut übergegangen war.
Für die Schwestern der Melitele, die sich allesamt der Heilung verschrieben hatten waren es Wunder, aber keine machte sich große Gedanken darum, wie er auf die Ideen kam und Iola, die ihm die meiste Zeit assistierte hatte, wie auch ihre Vorgängerin mit dem gleichen Namen ein Schweigegelübde abgelegt - ob das die Inspiration war oder Iola nur ein Spitzname hatte er nicht erfahren - er hatte aber auch nie nachgefragt. Aber sie stellte allein deshalb keine Fragen. Umso mehr hatte er sich angewöhnt von Zeit zu Zeit einfach zu referieren.
Er prüfte auch die Haut, und ihre Beschaffenheit, und murmelte seine Erkenntnisse zur Austrocknung und nahm aus der Wunde eine Blutprobe und besah sie unter dem Mikroskop, auch das kommentierte er leise.
Irgendwann kam er zu seinem Schluss.
Er erklärte Iola kurz, was sie anrühren sollte und sie eilte davon.
"Er wird es überleben. Ich gebe ihm etwas um das Spinnengift zu neutralisieren, denn nichts anderes sind Endriagen, sie gehören zu Gattung der Spinnenartigen. Da Gift bewirkt eine Lähmung der Skelettmuskulatur und im weiteren Verlauf deren extraintestinale Vorverdauung. Er hat aber Glück gehabt, die Hämolyse hat noch nicht eingesetzt, er hat also noch Zeit. Ich gebe ihm etwas um das Gift zu spalten und unschädlich zu machen, und dann werde ich seine Wunde reinigen und nähen. Ab dann kann man nur abwarten, das Gift wird von selbst abgebaut und dann wird er nach und nach wieder in der Lage sein, sich zu bewegen. Ich denke in etwa 3 bis 4 Tage. Er ist auch jetzt bei Bewusstsein oder war es zumindest kurz. Der Schmerzschock hat ihn erneut ohnmächtig werden lassen... Wie schätzt ihr ihn ein? Wäre es ihm lieber für die Dauer der Behandlung narkotisiert... also betäubt zu werden oder will er lieber bei Bewusstsein bleiben?"
Auch Arvijd kannte den Ritter zwar, aber es war so eine Eigenart des Arztes, dass es ihm etwas schwerfiel, solche persönliche Details zu behalten.
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Jakob von Nagall
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Arzt und Schwester – in Jakobs Kopf bekam die Melitele-Priesterin gleich eine passende Position – machten sich über den Verwundeten her und der Knappe fühlte sich auf den Platz eines Statisten und Zuschauers versetzt. Nutzlos, weil hilflos, versuchte er einfach nicht im Weg zu stehen, während die beiden Menschen Jarel routiniert aus seinen Reisekleidern schälten, wobei sie wenig zimperlich waren. Doch es war unumgänglich die nassen Sachen schnell von Jarel zu entfernen – selbst Jakob spürte, wie die Nässe seinen Körper auszukühlen versuchte. Eben noch erhitzt von dem eiligen Ritt hierher war ihm nicht aufgefallen, dass im Heiligtum eine Kühle herrschte, wie sie Gotteshäusern mit ihren dicken Mauern oft anhaftete.
Aber er wagte nicht, von Jarels Seite zu weichen oder auch der des Arztes – vielleicht musste er ja noch etwas wissen. Die Pferde konnten warten und er ebenso. Da er also nicht helfen konnte, beobachtete er. Die Werkzeuge und Methoden dieses Doktor Kostjunari wirkten wie aus der Welt gefallen, je länger der junge Mann zusah. All die Dinge waren ihm vertraut – antiquarisch auf einer Seite, aber vertraut – und doch hatte er solcherlei Instrumente auf dem Kontinent noch nie gesehen. Gut, er war auch noch nicht wirklich weit aus Nowigrad raus gekommen, kannte nur das kleine Hospital am Tempel und die fahrenden Bader, bei denen man schon beim Blick in den Wagen schlagartig wieder gesund wurde.
Und der hier desinfizierte sich sogar die Hände. Immer wieder. Jakob sah fast schon fasziniert zu, denn die wenigsten Menschen in dieser Welt begriffen den Zusammenhang von unsauberen Fingern und Infektionen, so schien es ihm oft. Die Zauberer vielleicht, aber er hatte nie einen gesehen.
Die stille Priesterin eilte davon und der Medicus begann zu sprechen. Jakob hatte die Gemeinsprache im Tempel des Ewigen Feuers gelernt und glaubte eigentlich inzwischen über ein recht umfangreiches Vokabular zu verfügen, aber wenn man sich nur unter Schwertkämpfern und Klerikern aufhielt, lernte man eben auch nur deren Begrifflichkeiten. Entsprechend fiel es ihm schwer, komplett zu folgen, als Kostjunari von einem Fachwort zum nächsten sprang. Doch es wurde schnell wieder geläufiger, als er von reinigen und nähen und drei bis vier Tagen Ruhe sprach. Und das Jarel bei Bewusstsein war oder es bisher gewesen war, bevor er dieses vom Schmerz verloren hatte.
Die Vorstellung behagte ihm nicht. Gefangen in sich selbst, gelähmt von einem Gift, aber trotzdem bei Verstand. Wie schrecklich dieses zur Reglosigkeit-verdammt-Sein war, wusste der Knappe, den sein eigener Leidensweg lange genug mit Verbänden und Seilen an ein Bett gefesselt hatte. Langsam kam er wieder näher an den Behandlungstisch, betrachtete das stille Gesicht.
Bis der Arzt eine Frage an ihn richtete, die ihn wie angestochen aufblicken ließ. „Nein.“, kam es wie aus der Pistole geschossen, „Keine Drogen.“ Er wollte eigentlich so etwas klug klingendes wie ‚Narkotika‘ sagen oder ‚Betäubungsmittel‘, aber beide Wörter waren ihm entweder entfallen oder nie da gewesen. War dann jetzt auch egal, wie das klingen oder aussehen mochte. Er presste die Lippen aufeinander, weil es ihm im gleichen Moment um Jarels Willen Leid tat, aber er hatte damals nicht gefragt, weil er es nicht hatte wissen wollen – das was und wieviel. Wie sollte er nun einschätzen, wo die Grenze war? Bei welchen Rauschmitteln oder Narkotika. Paradoxerweise wusste er das bei Slava, den er seit Monaten nicht gesehen hatte und nie leiden konnte besser, als bei seinem eigenen Mentor.
Ein leichtes Kopfschütteln. „Es muss so gehen.“, schien er sich selbst Bestätigung geben zu müssen.
Jakobs Blick fiel wieder auf Jarel, huschte über die frische Wunde und die vielen alten Narben, blieben an einer hängen. Musste der Arzt das wissen? Leicht krauste er die Stirn, suchte wieder nach den richtigen Vokabeln, wies dann auf die Narbe. „Er hat hier… etwas Fremdes… also. Er nimmt ein Medikament, damit das Immunsystem es nicht angreift.“ Beim Licht, er kam sich wieder vor wie am ersten Tag seiner Ankunft hier.
Seine Augen kehrten endlich zu Doktor Kostjunari zurück – während der ganzen Zeit schien er nicht einmal geblinzelt zu haben.
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Arvijd Kostjunari
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Auf die Blicke des Knappen und wie er die Ausrüstung taxierte achtete der Arzt nicht. Solche Details entgingen ihm in der Regel.
Die Vehemenz allerdings, mit der der junge Mann verneinte fiel ihm doch auf. Richtig, er erinnerte sich, der Mann war ein trockener Alkoholiker.
"Ach richtig. Ich weiß schon... er hatte es erzählt.." erwiderte er noch, etwas gedankenverloren, denn die nächsten Erklärungsversuche des Knappen ließen den Arzt aufmerken. Etwas fremdes... Eine umständliche Erklärung für etwas in dieser Welt unerklärliches.
Der Junge schon nicht der allerklügste zu sein, nahm man seine Wortwahl als Maßstab.
Er hatte wohl Mühe, seinen Erklärungen zu folgen und noch mehr zu erklären, was der Mann im Leib trug.
Er selbst hätte nur zu gerne versucht, Augen zu transplangieren, am Menschen, aber dazu war es nicht mehr gekommen. Ivan Faslan, Emyjas Vater. Hätte er ihm erlaubte, diese operation durchzuführen, er wäre wohl nciht in den Flammen seines eigenen Hauses umgekommen.
Aber ein Organtransplantat? In diesem Fall also eine Leber... das war selbst für sein dafürhalten unglaublich. Die vielen Blutgefäße, so ein stark durchblutetes Organ starb innerhalb kürzester Zeit ab.
"Unglaublich... Ein Transplantat?" entfuhr es ihm, er dachte längst nicht mehr darüber nach, dass ein Mensch dieser Zeit die recht holperige Erklärung wohl kaum richtig interpretieren konnte. Vermutlich hätte ein Arzt dieser Welt eher an einen Parasiten gedacht und bisher waren auch seine fortschrittlichen Ideen und Apparate nie hinterfragt worden, nie war jemand misstrauisch geworden. War man nicht schon aus anderen Gründen damit konfrontiert gewesen, weshalb sollte man sonst auf die Idee kommen, ausgerechnet einen Fremden von einer anderen Welt vor sich zu haben? Deshalb verschwendete er kaum einen Gedanken an Geheimhaltung.
Und er nahm Immunsuppressiva...
Eine Weile musterte der ältere Arzt den jungen Mann über eine imaginäre Brille hinweg.
"Dir ist klar, was du mir da sagst, oder?"
Seine Worte klangen wohl scharfsinniger als beabsichtigt. Er ahnte derzeit nicht, dass er einen Reisenden vor sich hatte, viel mehr vermutetete er einfach eine medizinische Sensation, die ihn faszinierte. Wer konnte schon wissen was diese Hinterwäldler dieser Welt so vollbrachten.
An mancher Stelle waren sie heillos rückständig, gruben Brunnen neben Latrinen und schrieben Infektionen bestenfalls Miasmen zu, an anderer Stelle verspleißten sie Gene verschiedenartiger Wesen mit denen eines Menschen. Ja, auch davon hatte er schon gehört.
Aber das war vermutlich die Kluft die zwischen dem Wirken der Magier herrschte und der Unterschicht.
Und den hier hatte er bislang nur schwer einordnen können. Er wirkte und benahm sich oft eher wie einer der letzteren, dennoch. Ein trockener Alkoholiker, das war hier die Ausnahme, hier sah man eine Sucht in der Regel nicht als Krankheit. Man soff sich zu Tode oder bis etwas anderes einen am trinken hinderte.
Er aber war trocken geworden. Und er spielte Flöte, und damit meinte er nicht, dass er dem eigenen Geschlecht zugeneigt war, sondern tatsächlich das Instrument. Dass auch das andere zutraf, darauf wäre der Arzt im Leben nie gekommen.
Sie hatten auch schon zusammen musiziert. Er selbst hatte seit seiner Ankunft begonnen Laute zu spielen. Mehr schlecht als recht seiner Ansicht nach, aber immerhin, ein wenig Zeitvertreib und Entspannung wenn sich düstere Gedanken einstellen wollten.
Und was an dem Patienten ebenfalls interessant war, obwohl er dem Orden angehörte verehrte privat wohl viel mehr die Melitele, die Muttergöttin und Göttin der Heiler. Sie hatten während seiner vierteljährlichen Besuche immer viel gesprochen und philosophiert. Er hatte vom Krieg erzählt und dass er seine Familie zurückgelassen hatte. Schicksale wie viele andere in dieser Welt. Hatte er den Krieg ja selbst gesehen, den Überfall der Nilfgarder.
Aber der Ritter konnte lesen und schrieben, wirkte durchaus gebildet. Wo also hatte er einmal hingehört?
Er hatte gemutmaßt, dass der Mann der Oberschicht angehört hatte und dass ein schweres Schicksal ihn zum Trinker hatte werden lassen, aber seine Erziehung hatte ihm einen Weg hinaus gezeigt.
Die Lebertransplantation passt jedoch nicht ins Bild, das galt auch in seiner Welt als unmöglich, ein derart stark durchblutetes Organ konnte nciht verpflanzt werden, unmöglich, und doch erzählte der Junge genau das.
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Jakob von Nagall
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Jakob hatte das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Einen unverzeihlichen. Innerlich wie äußerlich zog er sich daher schnell auf das Terrain zurück, was ihm seit jeher am vertrautesten war: abweisende Gleichgültigkeit. Er redete sich zu, er habe genug gesagt und zuckte daher auf die Frage nur mit den Schultern, merkte sich aber für alle Fälle die Vokabel, die wohl 'Transplantat' bedeutete. Jetzt wo der Arzt sie verwendete, erinnerte er sich, dass auch Jarel dieses Wort schon verwendet hatte. Aber sie redeten einfach meistens über andere Dinge, was andere Worte brauchte, die ihm daher geläufiger waren.
Jakob erwiderte den Blick des Arztes und zuckte wieder mit den Schultern. "Das, worüber ich denke, das Ihr es wissen müsst. Um ihn zu behandeln.", hielt er sich auf sicherem Terrain. Es war lange her, dass er einem anderen Reisenden begegnet war und daher kam er zunächst nicht auf die Idee, die klugen kleinen Helfer des Arztes und dessen fortschrittlich erscheinendes Verhalten könnten aus einer anderen Zeit stammen. Erst langsam sickerte diese Möglichkeit zu ihm durch und er sah sich noch einmal genauer um. Stand da ein Mikroskop?! Ja... der Arzt hatte vorhin die Blutprobe darunter angesehen und dann von Hämo... irgendwas geredet. Mit Hämo- ging in der Älteren Rede das meiste los, was mit Blut zu tun hatte. Allmählich wurde Jakob ruhiger und entsprechend nahm auch sein Kopf die Arbeit wieder auf. Wenn dieser Arzt die Ältere Rede benutzte, dann hatte er vielleicht wirklich einfach nur an der Universität studiert und von dort all die Gerätschaften mitgebracht.
Trotzdem. Ein fader Beigeschmack blieb bei dieser Erklärung.
Die Schwester kehrte mit den bestellten Salben und Pasten zurück, sodass die Unterhaltung vorerst beendet schien, denn es würde weiter gehen. Jakob stand noch einen Moment unschlüssig am Kopfende des Tischs, wirkend, als würde er dem älteren Mann jeden Moment sanft die Hand auf den Kopf legen. Doch er rührte sich nicht. Er fühlte sich schuldig, weil der Endriage nicht mehr entgegen gesetzt hatte. Und das nur, weil er mit Sauerbraten nicht vernünftig umgehen konnte. Der Gedanke brachte ihn zu zwei Dingen: 1. sein Ehrgeiz meldete sich und 2. die Pferde standen noch immer im Regen.
"Braucht Ihr meine Hilfe noch? Die Pferde müssen versorgt werden und das Gepäck...", wandte er sich an den Arzt. Dieser wirkte, als sei er schon wieder ganz versunken in seine Arbeit und entließ ihn knapp.

Draußen waren die Sturzbachartigen Regenfälle in einen Dauerniesel über gegangen, den Mariposa und Sauerbraten mit hängenden Ohren ebenso über sich ergehen ließen. Jakob brachte sie in einen Mietstall, in dem die Pilger, die zum großen Tempel des Ewigen Feuers und zum Tempel der Melitele kamen, ihre Tiere unterbringen konnten. Irgendwie wollte er nicht zum Ordenshaus - dafür wäre auch später noch Zeit. Er nahm beiden Tieren Sattel und Zaumzeug ab, rieb sie trocken und ließ sich vom Wirt Pechsalbe geben, um Maris Bein zu verarzten. Er wies den Mann außerdem an, einen Sattler zu beauftragen, um die Schäden an Mariposas Sattel zu beheben. Das Wappen der Flammenrose, welches allgegenwärtig auf seinem Gambeson und den Lederarbeiten war, verbarg Jakob so gut es ging, damit der Mann nicht misstrauisch wurde und am Ende fragte, weshalb er nicht in die Komturei ging. Doch der freute sich über das Geschäft und zog seiner Wege, nachdem er beiden Pferden noch einen Futtersack umgeschnallt hatte.
Jakob prüfte noch einmal, dass auch frisches Wasser da war, dann tätschelte er Sauerbraten, kraulte Maris Stirn und eilte beladen mit ihrem Gepäck wieder zurück in den Tempel. Dort wies ihm eine der Schwestern ein kleines Gästezimmer.
Ein Zimmer. Für ihn allein.
Dabei war es ganz egal, dass der Raum die Größe eines Kleiderschranks hatte und zusammen mit Bett, Waschtisch und dem Gepäck gepresst voll war. Es waren vier Wände und nur er. Nicht dreißig andere Knappen, die des nächtens - und auch bei Tag - alle möglichen Geräusche und Gerüche produzierten. Es gab sogar ein winziges Fenster, dessen Laden allerdings gegen den Regen geschlossen war. Erhellt wurde das kleine Refugium von einem Talglicht.
Lange blieb Jakob allerdings nicht, um die neu gewonnene Privatssphäre zu feiern. Er zog sich trockene Kleider an und eilte wieder in den Tempel hinaus, um nach Doktor Kostjunari und Jarel zu suchen.
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Jarel Moore
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Er fand den Arzt über Jarel gebeugt. Mit halb geöffneten Augen murmelte der Ritter unverständliches, rollte mit den Augen und warf den Kopf hin und her.
Immerhin. Den konnte er schon wieder bewegen. Kostjunari hatte ihm versichert er überlebt.
Das es einfach werden würde, davon war nicht die Rede gewesen.
Noch ehe Jakob es zum Bett geschafft hatte, fielen dem Verletzen die Augen schon wieder zu.
Viel ruhiger wurde er jedoch nicht. Unter den von Schweiß glänzenden Liedern rollten die Augen wild, er murmelte, stöhnte und ächzte weiter.
Offensichtlich ein wirklich, wirklich böser Traum…
***
Jemand schüttelte ihn an den Schultern, weckte ihn energisch.
„Mein Augenstern, wach auf!“
Er blinzelte und sah in die graugrünen Augen über sich. Die Augen seiner Mutter, deren wunderhübsches, von wilden goldenen Locken umkränztes Gesicht immer aussah, als würde es wie unter einem Heiligenschein leuchten.
„Steh auf. Die Stadt wird angegriffen. Wir müssen fliehen!“
Wiederwillig schob er die Beine vom Bettrand und lies sie in der Luft baumeln, war noch immer weder ganz wach, noch in der Lage zu erfassen, was um ihn geschah. Er gähnte und rieb sich die Augen mit den Fäusten.
Blinzelnd sah er sich in seinem Zimmer um.
Seine Mutter war zu seinem Kleiderschrank gehetzt und suchte hektisch etwas.
Es war Nacht. Trotzdem drang durch die beiden hohen Bundglasfenster flackerndes Licht.
Das war nicht die einzige Beleuchtung. Ein Lüster, in deren geschmiedeten Fassungen mehrere magische Kristalle befestigt waren tauchte **sein** Zimmer in bläuliches Licht.
**Sein** Zimmer mit all **seinen** Sachen.
Die Wände waren teils bunt bemalt, teils mit blauem Stoff bespannt. Dem Bett gegenüber eine eigene Feuerstelle, die Glut darin verloschen.
Der Raum war regelrecht vollgestopft mit Schätzen und Habseligkeiten, bei denen so manches Kind gedacht hätte, genau so müsse der Himmel aussehen.
Bögen in unterschiedlichen Ausführungen, alle auf seine Größe angepasst und jeweils einem passenden Köcher mit dutzenden bunt befiederten Pfeilen. Sogar eine Armbrust prangte an der mit farbigen Tuch bespannten Wand. Schwerter in Kindergröße, zwei passende Schilde mit einem goldenen Löwenkopf auf silbernem, poliertem Metall, unzählige Bücher, ein Schaukelpferd, eine geschnitzte Miniaturburg mit passenden Figuren und Pferden. An der Wand ein gemaltes Portrait von ihm auf einem Pony. Seinem Pony.
Langsam sickerten auch die Geräusche in sein Bewusstsein. Schreie, Lärm, Knistern und Knacken.
„Mutter?“, fragte er unsicher mit einer Stimme, die nur noch einige Jahre vom Stimmbruch entfernt war.
Sie kam zurück zu ihm, seine Halbstiefel in den Händen, den Winterumhang über dem Arm.
„Es ist die Geißel Schatz. Papa wartet unten, wir müssen weg.“
Eine Detonation erschütterte das Gebäude, rüttelte an den Mauern, beförderte Staub aus den Ritzen, der herunter rieselte wie feiner Schnee. Er liebte Schnee.
Und endlich war er richtig wach. Kaum fähig zu sprechen und nicht in der Lage sich zu rühren sah er zu, wie seine Mutter ihm die Stiefel anzog und spürte, wie sie ihm den Umhang umlegte und die Fibel vor seinem Hals schoss.
Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie sich dabei in den Finger stach.
„Ich will nicht gehen…“, maulte er nun doch mit heller Stimme, die noch einiges vom Stimmbruch entfernt war.
„Wir müssen.“
Sie griff seine Hand und zerrte ihn vom Bett. Er stolperte hinter ihm her, durch den Flur. Hier waren der Lärm und die Schreie noch besser zu hören. Grässliche Schreie. So etwas hatte er noch nie gehört.
Sie zerrte ihn weiter, die Treppe hinunter, durch die Küche der Taverne zur Hintertür. Dort wartete sein Vater. Er trug einen Teil seiner uralten Rüstung und sein Schwert. Er war so stark! Er würde sie Beschützen!
„Wir könne los, Frederic.“ Der Mann kniete sich vor ihm, legte ihm zwei handschuhbewehrte Hände auf die Schultern. Er war breitschultrig und hatte ein gutmütiges Gesicht mit warmen, immer lächelnden braunen Augen, die von bernsteinfarbenen Sprenkeln durchzogen waren. Das schwarze Haar trug er zum Pferdeschwanz.
Doch jetzt lächelten die Augen nicht. Jetzt lag Furcht darin. „Du bleibst immer bei deiner Mutter und mir, hörst du Junge?“, sagte er scharf und äußerst eindringlich. Er war schon immer der strengere gewesen. Oft hatten seine Eltern sich darüber gestritten, dass Mutter ihn zu sehr verhätschelte.
Dieses Mal wiedersprach seine Mutter nicht, als er noch einmal schneidend scharf die Stimme erhob.
„Du bleibst **um jeden Preis** bei uns!“
Er nickte nun. Sein Vater zog blank, nahm seine rechte Hand und seine Mutter seine linke.
Sie traten durch den Hintereingang in den Innenhof. Hier war es noch ruhig, aber das Gebäude gegenüber stand in hellen Flammen. Oder besser, die Reste des Gebäudes. Etwas hatte es getroffen und zur Hälfte einstürzen lassen.
Er gab einen erschrockenen Laut von sich. Dort wohnte sein bester Freund. Wo war er? Wo war Thomeas?
Er wollte seine Eltern danach fragen, doch da erschütterte die nächste Detonation den Boden. Seine Ohren klingelten. Vor Angst handlungsunfähig ließ er sich weiter zerren, auf die Hauptstraße.
Noch gestern war dies eine der schönsten Straßen der Stadt gewesen. Mehrstöckige Gebäude mit schmucken Fassaden, großen Fenstern hinter Bögen aus Sandstein und Auslagen feinster Waren, geschmückten Türen und bunten Fenstern in den Obergeschossen.
Jetzt brannte alles. Menschen flohen, einige versuchten ihr Hab und gut zu retten. Vergeblich.
Er sah einen Reiter auf einem riesigen Worg nahen. Kein Mensch. Ein Orc. Ein massiges, grundhässliches, muskelstrotzendes, grünhäutiges Wesen, eine riesiges Schwert schwingend, an dessen Spitze sich ein ausladender, von roter Flüssigkeit tropfender Haken befand.
Mehr sah er nicht. Seine Mutter drückte ihn in eine Nische und sein Vater stellte sich vor sie.
Aber er hörte es. Das Kreischen, das Schreien, das grässliche Geräusch, wenn die Klinge traf und Körper zerriss. Er hörte das Ersterben der Schreie und das Aufschlagen der toten Körper. Dann war der Orc fort.
Seine Vater trat zurück auf die Straße, seine Mutter zerrte ihn mit.
Überall Tod, die Luft stank nach Blut und Schwefel. Und nach noch etwas. Nach Verwesung.
Die Familie floh. Nicht in Richtung Haupttor. Soviel begriff er. Und er ahnte auch, wohin es gehen würde. Oft hatte er sich mit Thomaes dort aus der Stadt geschlichen.
Seine Eltern zerrten ihn auf die andere Straßenseite, durch die Scharen von Fliehenden und Verletzen um etwas auszuweichen, das hier nicht hingehörte. Einen großen, eisernen Kessel aus dem giftig grünlich leuchtender Nebel schwappte.
„Komm dem niemals zu nahe Junge!“, schrie ihm sein Vater warnend entgegen, den Kampfeslärm und die Kakophonie des Grauen übertönend, die sie umgab.
Er stolperte über abgerissenen Körperteile, umrundete Leichen.
Das war das furchtbarste, was er in seinem behüteten Leben gesehen hatte. Und doch würden diese Bilder bald um ein hundertfaches von schlimmeren Grauen überdeckt werden.
Eine weitere Detonation trieb sie voran, doch sie kamen nur mühsam weiter. Kaum einen Straßenzug weiter drängte seine Mutter ihn wieder an eine Wand. Dieses Mal war es kein Orc, der ihr Angst machte.
Es war ein Mensch mit einer bizarren Keule in der Hand, der ihnen gurgelnd und grunzend entgegenkam. Den Blick dieses Menschen würde der Junge niemals vergessen. Dachte er zumindest in diesem Augenblick.
Es war ein erwachsener Mann, wohl einmal muskulös und kräftig. Schwankend kam er auf sie zu, den Mund halb offenstehend, der Unterkiefer seitlich verschoben. Sein Schritt war schwerfällig und schlurfend, was seinem Vater genug Zeit gab sich bereit zu machen.
Dass, was er in der rechten Hand wie eine Keule schwang war sein eigener linker Arm, abgerissen an der Schulter, aus der noch gesplitterte Knochen ragten.
Das schlimmste jedoch war der Blick, den der Junge erhaschen konnte. Leere. Seelenlosigkeit, verlassen von allem was gut und heilig war. Der Tot höchst selbst sah ihn an. Nein, durch ihn hindurch.
Sein Vater erledigte das Monstrum mit einem einzigen gezielten Schwertstreich.
Ohne Arm hatte es überlebt. Ohne Kopf fiel es zusammen wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren.
Wieder ging es weiter, abermals die Straßenseite wechselnd um einem weiteren der Kessel ausweichend, als hinter ihnen die Schreie wieder lauter wurden.
Ein weiterer Orc – vielleicht auch derselbe – durchpflügte die Menschen wie ein Schar den Acker.
Und dann…
…hielt niemand mehr seine linke Hand. „Mutter!“, kreischte der Junge in höchster Panik und erweckte die Aufmerksamkeit seines Vaters damit.
Seine Frau war nicht zu sehen. Sofort wand der Mann sich vollständig um. „Mirina!“, brüllte er und schob ihn zurück bis zu einem im Rauch der Feuerschwaden halb verborgenen Hauseinganges.
„Du bleibst hier.“, erklärte ihm sein Vater und zog ihm die Kapuze über. „Rühr dich nicht vom Fleck, verstanden?“ Er nickte. Und sein Vater war fort.
Auf der Straße fielen die Leute wie Fliegen. Und standen wieder auf, um sich die Überlebenden vorzunehmen. Sein Verstand hakte zum größten Teil aus. Wie gerne wäre er jetzt einer von den Männern gewesen, die im Schatten verschwanden und in ihm wandeln konnten. Ein Schattenläufer! Das wollte er jetzt sein. In der Lage einfach an all dem vorbeizugehen und es hinter sich zu lassen.
Wie durch fremde Augen betrachtete er unter der schützenden Kapuze hinweg das Grauen auf der Straße. Tod, Fallen, Auferstehen, Tod.
Und plötzlich abermals eine Hand. Sein Vater! Und er hatte seine Mutter gerettet!
Jetzt würde alles gut werden. Alles würde gut werden!
Sie flohen weiter. Sein Vater tötete Wiedergänger, zerrte sie voran. Seine Mutter blieb bleich und still hinter ihm.
Eine gefühlte Ewigkeit später erreichten sie den Ort von dem er nicht gewusst hatte, dass auch sein Vater ich kannte. Ein überwuchertes Stück der Außenmauer, ein verrostetes, vergessenes Gitter, unter dem einmal ein längst ausgetrockneter Bach durchgeflossen war.
Dann waren sie draußen. Sie liefen über eines der angrenzende Felder in Richtung der Berge. Sie hatten es geschafft! Sie lebten! Sie waren gerettet!

Wie sehr er sich da irrte.
Sie rannten und rannten, doch seine Mutter blieb immer wieder zurück.
„Frederic…ich kann nicht mehr. Lauft ohne mich…“
Sein Vater schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. Natürlich nicht! Sie würden Mutter niemals zurücklassen!
Er blickte zurück. Die Stadt brannte. Über die Stadtmauern sah er eine Glocke aus Rauch, Feuerschein und grünlichen Leuchten. Lordaeron war gefallen.
Unweit von ihnen tauchten im Licht der Sterne einige Gebäude auf. Eine Windmühle, Ein Haus, eine Scheune. Ihr Vater zerrte sie in die Scheune, verriegelte die klapprige Tür hinter innen.
Neben der Tür steckte eine Fackel in einer Halterung, die sein Vater umständlich entzündete.
Zeit durchzuatmen. Zeit auszuruhen. Im vorderen Bereich der Scheune standen Säcke mit Getreide, anderen mit Mehl. Und weiter hinten lag ein einladender Haufen Stroh, zu dem sein Vater seine Mutter führte. „Ruh dich aus, Mirina. Wir passen an der Tür auf. Im Morgengrauen werden wir in die Berge fliehen.“
Er war auch müde. Er wollte auch schlafen und sich neben seiner Mutter ausstrecken!
Doch sein Vater zog ihn wieder nach vorne, zur Tür.
Schwer amtend kniete er sich neben vor ihn und sah ihn ernst an. „Du hast die gesehen, die Tod waren und wieder aufgestanden sind.“
Er nickte. Wie hätte er das übersehen sollen?
„Das sind Verlassene. Man kann sie nur töten, wenn man sie verbrennt oder ihnen den Kopf abschlägt.“
Sein Vater presste beim Anblick des verstörten Gesichtes vor ihm die Zähne zusammen.
„Wiederhole das!“
„Kopf abschlagen und Feuer.“, hörte er sich selber sagen.
Sein Vater nahm die Fackel aus der Halterung und drückte ihm sie in die Hand.
„Ich gehe draußen nachsehen. Sollte irgendetwas hereinkommen, das nicht ich ist, verbrenne es.“
Er nickte mechanisch, nicht begreifend, was sein Vater da verlangte.
Er ging. Er ließ sie alleine.
Zitternd stand er an der Tür und hielt die Fackel so verkrampft in den Händen das es schmerzte.
Das Zeitgefühl war ihm längst abhandengekommen.
Eine Ewigkeit später öffnete sich die Tür wieder. Er hob die Fackel und machte sich bereit.
„Ich bins.“, erklärte sein Vater und trat ein. Hinter den beiden regte sich etwas.
Mutter war wieder aufgestanden. „Miri. Gut. Bist du kräftig genug wieder…“
Weiter kam er nicht, denn seine Mutter trat in den Schein der Fackel.
Leere, seelenlose Augen, schleppender Gang hob sie die Hände, ging auf seinen Vater zu. Dieser hauchte nur „…nein…“ und erstarrte voller Grauen. Er zog nicht das Schwert, lief nicht fort.
Das Gesicht im hilflosen Grauen erstarrt ließ er zu, dass die Liebe seines Lebens und Mutter seines Sohnes ihre Hände um seinen Hals legte und in Zeitlupe zudrückte. Erst da erwachte der Mann zum Leben und versuchte in Panik die Hände um seinen Hals zu lösen. „Mi….grk…“
Das Schwert zu ziehen kam nicht in Frage. Niemals würde er…
Langsam ging er in die Knie und ohne den Hauch eines Gefühls in den Augen sah der Wiedergänger ihm dabei zu.
Und keine drei Schritt weiter stand er, die Fackel in der Hand.
Etwas zerbrach in ihm, starb lautlos, machte Platz für etwas anderes. Als würde er neben sich stehen sah er sich selbst hinter seine Mutter treten. Ausfallschritt. Stoß.
Er rammte die Fackel der Frau die ihn geboren hatte von hinten in den Rücken. Die die Klauen um die Kehle seines Vaters öffnete und sich ihm zuwandte. Er schritt zitternd zurück.
Erst dann registrierte die Untote das sie brannte und versuchte mit irrsinnigen Drehungen und linkischen Bewegungen die Flammen zu löschen, geriet ins Stroh.
Die Flammen fanden schnell Nahrung und nur Sekunden später war die Fackel nicht mehr das einzige, was den Raum erhellte.
Wie ferngesteuert ging er zu seinem Vater und zerrte ihn auf die Beine, zog ihn nach draußen.
Als er die Tür des Schuppens von draußen verriegelt zerfiel seine Kindheit zu Asche, gemeinsam mit seiner Unschuld.

***
Jarel war nur mit Mühe in der Lage, seine Augen zu öffnen. Er erkannte die Gesichter über sich nicht, noch immer irrte sein Blick unstet umher.
Was vom Traum blieb war das tiefe Gefühl erdrückend schwerer Schuld und das Gefühl, verlassen worden zu sein.
Nicht ganz hier, nicht ganz dort wechselte das Bild des Traumes, wie es nur in der Welt des Unterbewussten logisch war.
Zwei Männer, ein Fenster, der Schein einer Kerze, Nähe, Sehnsucht, Geborgenheit.
Und während er endlich hinab glitt in einen schwarzen, traumlosen Schlaf murmelte der Ritter etwas, kaum mehr als ein Hauch, wild zusammengewürfelt aus Sprachen, die für die Anwesenden zum Teil unverständlich waren. „Geh nicht, nîn Faron. Bleib bei mir Slava... “ Der Rest des Satzes war zu unverständlich um noch etwas heraushören zu können.
Und endlich lag er still. Und schlief, während sein Atem sich beruhigte und der Schweiß langsam auf seinem Gesicht trocknete.
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Jakob von Nagall
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Der Doktor kam und ging, Jarel fieberte, schwitzte und war immernoch totenbleich. Das er sich dabei bis auf das ein oder andere unkontrollierte Muskelzucken kaum regte, war geisterhaft. Zwischendurch schien er wach zu werden, gab Laute von sich, rollte mit den Augen unter den geschlossenen Lidern, doch schlug er sie nicht auf. Als die erste Muskelkontrolle zurück kam, ruckte nur sein Kopf mal zur einen, mal zur anderen Seite.
Jakob hatte sich einen Stuhl an Jarels Bett gerückt und beschäftigte seine Hände, indem er dem Verwundeten mit kühlem Wasser den Schweiß von Gesicht, Hals und Brust wusch. Manchmal saß er auch einfach nur da und fühlte sich hilflos. Der Arzt hatte versprochen, dass Jarel überleben würde, aber jedesmal, wenn dieser in seinen Träumen zuckte und herumfuhr, schoss dem Knappen eiskalter Schrecken durch die Glieder.
Die erste Nacht dehnte sich schier endlos.
Es war noch weit vor Morgengrauen, als Jarel ruhiger wurde. Seine Lider flatterten und öffneten sich halb. Jakob, der mit den Armen auf dem Tisch mit der Waschschüssel und dem Kopf auf eben diesen Armen eingedöst war, war sofort wach und beugte sich über ihn. „Jarel?“
Die Lippen des Ritters bewegten sich schwach, der Blick unter den halb geschlossenen Lidern war unstet. Fantasierte er? Jakob schob dem Älteren behutsam die Hand in den Nacken, wie dieser es ihm beigebracht hatte, doch er fühlte sich nicht mehr so erhitzt an wie noch zu Beginn der Nacht.
Angestrengt versuchte er aus den gehauchten Satzfetzen etwas heraus zu hören. Es war ein Kauderwelsch aus wohl allen Sprachen, die der Mann beherrschte. Er verstand etwas wie ‚Faron‘ und ‚Geh nicht‘. Und er verstand einen Namen, den er seit vielen Monaten nicht mehr gehört, ja nicht einmal mehr gedacht hatte.
Jakob krauste die Stirn. „Slava? Was ist mit ihm, Jarel?“, flüsterte er seinem Mentor zu, doch dieser glitt wieder in die Schatten der Umnachtung und lag still. Sein Knappe blieb nachdenklich zurück, wischte ihm noch einmal über die Stirn und deckte ihn dann besser zu.
Für den Rest der Nacht saß er im Halbdunkel und grübelte.

Jarel erholte sich zusehends, sodass Jakob sich erlaubte, ihn stundenweise zu verlassen. Da waren die Melitelepriesterinnen und der Arzt, die sich emsig um ihn bemühten. Teils war er ganz froh, dass er sich nicht um so Dinge wie Füttern und Waschen kümmern musste und irgendwie hatte er das Gefühl, dass es Jarel auch lieber war, wenn sein Knappe ihm nicht bei derlei würdelosen Dingen helfen musste. Also strich Jakob die ersten Tage im Tempel und dem angrenzenden Garten herum, ließ sich einfach treiben und genoss die Stille.
Er ging jeden Morgen zu Mariposa und Sauerbraten, kümmerte sich um die Wunde der Stute und sah danach, dass die Knechte die beiden Tiere ordentlich versorgten. Er kraulte sie, redete sogar auf Mari ein, dass es Jarel bald wieder besser gehen würde, auch wenn es wohl eher zu seiner eigenen Beruhigung war. Dann kehrte er in den Tempel zurück, um sich zu reinigen und in die Tracht zu kleiden, die er hier angefangen hatte zu tragen: eher lose geschnittenes Hemd und Hose, beides gehalten mit einem Streifen dunklen Leinengewebes als Gürtel. Die Füße mit Stoffbandagen umwickelt und die Wicklung bis über die Hosen auf Mitte der Unterschenkel hinauf geführt. Über die Schultern einen Überwurf, wie er eigentlich zu den Kutten der Mönche gehörte: er reichte bis auf die Oberarme und hatte eine Kapuze. In seiner Welt hätte er ein recht gutes Bild eines Zen-Mönchs abgegeben und diese Erinnerung war es auch, die ihn dazu bewog.
Sensei Yahuro.
Er hatte viel Zeit hier zum Denken, zum Erinnern und in sich selbst einkehren. Im Vergleich zur Komturei, wo immer jemand laut war, immer irgendwo Pferde wieherten oder Stahl auf Stahl klang, wo Mönche sangen und die Stundenglocke schlug, war es in diesem Tempel herrlich friedlich. Fast schon langweilig still. Manche der Schwestern hatten ein Schweigegelübde abgelegt, doch auch die anderen waren ruhige Geister und so war er oft allein mit seinen Gedanken.
Am zweiten Abend nach ihrer Ankunft hier hatte er mit den Meditationsübungen begonnen – zur gleichen Zeit, da die Priesterinnen zur Abendandacht ihrer Göttin huldigten. Jakob saß im Garten, die Beine unter geschlagen, die Hände auf den Knien und versuchte sich die Stimme Yahuros ins Gedächtnis zu rufen. Jene Stunden in Flagstaff, die selbst den damals so wild wütenden Jakob, zu innerer Ruhe verholfen hatten.
Ein Gong und eine Stimme. Das Plätschern von Wasser.
Auch hier plätscherte ein kleiner Brunnen, aus dem Tempel klangen die Stimmen der Frauen und die Worte Yahuros sickerten allmählich aus Jakobs Erinnerung herauf. Einatmen. Fließen lassen. Ich und Es zusammen holen, um sie dann voneinander zu trennen.
Die einzige Waffe der Templer, die sie den Vampiren entgegen setzen konnten: für deren Sinne zu verschwinden. Nicht für Geruch und Gehör, dafür brauchte es andere Praktiken, die denen eines gewöhnlichen Jägers nicht unähnlich waren. Aber für ihr Gespür für Existenzen. Vampire fühlten mit einem sechsten Sinn – Yahuro nannte es das ES – andere nannten es eine Aura des Lebens. Jenes Ding, was auch Menschen dazu brachte, sich umzuwenden, wenn sie einen anderen Menschen hinter sich wähnten. Nicht greifbar, aber doch spürbar. Und der Sensei lehrte sie, diese Aura in sich hinein zu ziehen und für das Gespür der Vampire unsichtbar zu werden. Selbst bei Menschen funktionierte es – man verschwand aus dem Aufmerksamkeitsbereich, als sei man gar nicht wirklich da.
Jakob hatte sich dieser Methode hier bereits einmal bedient, in der ersten Nacht seiner Ankunft und vermutlich hatte das die Ghoule von ihm fern gehalten, die sie später attackiert hatten. Scheinbar funktionierte es also bei vielen Wesen. Doch seither war das Wissen in Vergessenheit geraten. Hier im Friede des Tempels fand er wieder nah genug an sich heran, dass er sich dessen erinnerte und wieder begann, das Talent zu trainieren.
Viele der älteren Ritter beherrschten die Zentrierung des Es auch ohne Meditation, aber Jakob war so weit nie gekommen. Er brauchte immer eine Weile, bis er sich so weit beruhigt und versenkt hatte, dass er Ich und Es trennen und das Eine im Anderen verbergen konnte. Aber er wurde schnell wieder geübter, brauchte immer weniger Meditationszeit.

Wenn er sich nicht bei den Pferden herum trieb, meditierte oder bei Jarel saß, betete er. Auch das hatte er hier gefunden: genügend Ruhe zur Andacht. Auch wenn es das Bildnis der dreifaltigen Melitele war. Es kam ihm keine Sekunde falsch vor, ihr für Jarels Genesung zu danken. Selbst der Gott der Christen fächerte sich in eine Dreieinigkeit auf und die Heilige Maria saß bei ihm am Himmelsthron. Wieso sollte er sich also auf die Ewige Flamme beschränken? Er würde mit Jarel darüber reden, sobald dieser wieder auf den Beinen war. Über das und so einiges mehr.
So vergingen die Tage, Jarel heilte und Jakob verwandelte sich vom stets angespannten Knurrhahn in einen zwar noch immer ruhigen, aber sichtlich in sich ruhenden jungen Menschen.
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Jarel Moore
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An diesem Morgen war das Fieber des Patienten bereits deutlich zurückgegangen. Auch wenn er beinahe wieder Kontrolle über seine Arme und Beine zurückgewonnen hatte, so hatte ihn ein Fieber, das mit der Wundheilung einher ging doch noch geschwächt.
Jakob befand sich gerade nicht im Raum. Vermutlich versorgte er die Pferde oder genoss die Ruhe.
Als Arvijd nun jedoch nach Jarel sah wirkte er wach, die Haut hatte den wächsernen Glanz verloren.
"Mir scheint, du bist auf dem Weg der Besserung?“
Die Stimme, die ihm antwortete war schwach. Aber klar und verständlich.
"Arvijd?" Jarel rang sich ein Lächeln ab. "Schön dich zu sehen. Durftest du meinen Knappen schon kennenlernen? Geht es Jakob gut?" Die wenigen Worte reichten schon, um ihn zu einer Atempause zu zwingen.
Noch bevor der Heiler antwortete, versuchte Jarel den gesunden Arm zu heben und mit den Fingern zu spielen. Es gelang. Schwach. Unkoordiniert, aber es gelang.
"Deinem Knappen geht es gut, den Pferden ebenso. Dem Jungen tut die Auszeit gut." Der Arzt musterte seinen Patienten als reiche das schon um die Frage zu beantworten, die ihm schon seit dem Tag ihrer Ankunft auf der Seele brannte.
Trotzdem, ein paar Dinge gab es vorher noch zu klären.
"Bewegung den Arm nicht, er heilt. Das Endriagengift hat dir ordentlich zugesetzt."
Um dem Nachdruck zu verleihen nahm er neben Jarel Platz und hielt den verletzten Arm fest. Aber diese Geste stellte auch Nähe her.
"Dein Knappe hat mit auch von deinem Lebertransplantat erzählt..." keine Frage, eine Bemerkung, wie reagierte der Ritter, der über die Jahre vielleicht auch ein Freund geworden war.
Jarel presste die Zähne zusammen. Auch er hatte schon länger einen Verdacht…
"Ja. Ich trage einen Teil der Leber eines anderen in mir. Und ich muss täglich ein Medikament dafür einnehmen, damit es nicht abgestoßen wird."
Er wusste sehr wohl, dass sich mehr hinter der Frage verbarg. Doch wenn er sich schon offenbaren würde, dann wenigstens nach einer konkreten Frage.
Arvijd nickte nur. In der Theorie wusste er, dass das nötig sein konnte. Der Körper wehrte sich gegen fremdes Gewebe. Ob es Möglichkeiten gab, das zu umgehen - vielleicht gab es ja passendere und weniger passende Spender. Bei den Augen konnte man die eines Schweines nehmen, aber die Leber... er vermutetet, je näher es sich am Zentrum des Körper sbefand umso schwieriger wurde es, vielleicht war es auch wie sehr es einwachsen musste. Ein Auge war deutlich abgeschlossener.
"Wie war das möglich, Jarel, mein Freund... wir beide wissen doch, dass die Medizinier hier oft nicht einmal in der Lage sind eine Platzwunde steril zu versorgen... geschweige denn ein ganzes Organ zu verpflanzen..." Was ihm auch noch zu denken gab, woher bekam er das Medikament?
Jarel nickte. "Die Heiler hier verpflanzen keine Organe." Der Ritter wartete einen Moment, bis sein Gegenüber das verdaut hatte."
"Die Heiler hier besitzen auch keine Mikroskope und Wissen um den Zusammenhang von Hygiene und Infektionen."
Er sah dem Mediziner direkt in die Augen. Ob er immer noch darüber reden wollte?
Der Ton des Ritters war leise, freundlich und verständig. Kein Drohen. Eher eine kleine Verschwörung unter Freunden,
Arvijd nickte. Diese Unterhaltung war wohl überfällig. Vielleicht hatten sie es auch beide schon längst geahnt, die Sprache war das eine, manche Verhaltensweisen, sie versuchten sich anzupassen, sich einzugliedern, doch das Fremde blieb. "Dann müssen wir nicht mehr um den heißen Brei reden." Er lächelte, dem Ritter hatte er immer vertraut, irgendwie. Auch wenn die Flammenrose auf seiner Brust prangte - wenn auch nicht jetzt gerade - er hatte das Herz immer am rechten Fleck gehabt. Wobei das die Menschen in Wyzima oft anders sahen, sicher von Aldersberg war ein durchgedrehter Spinner gewesen, aber die Massaker begonnen hatten die Anderlinge und die Flammenrose hatte sie beendet. Ob die Wahrheit dazwischen lag wusste er nicht.
"Ich komme aus einer Welt, die wir Ataris nannten.... Und du ahnst es vielleicht schon, unser Wissensstand war deutlich höher als der der Menschen hier, vor allem was die Medizin anging."
Der Ritter sah sich kurz um, so weit er konnte. Sie waren allein. Zeit für ein offenes, entspanntes Gespräch.
"Wie kamst du her?", fragte Jarel neugierig. "Und wie lange bist du schon hier? Warst du dort Medizinier? Oder in der Forschung?"
Arvijd lachte. Es war niemand da, er hatte Iola weggeschickt, Besorgungen zu machen, sie waren alleine. Soviel Umsicht konnte er durchaus an den Tag legen. "Ich bin vor allem Chirurg. Aber ich habe auch geforscht, sehr lange sogar." Er überlegte wie schockierend es wohl sein mochte, dass er schon seit weit über 300 Jahren lebte.
"Ich kann nicht genau sagen, wie ich hierher gekommen bin. Ich gestehe, nach einigen... Rückschlägen und Verlusten war ich so weit, meinem Leben ein Ende zu setzen. Und dann kam ich im See von Wyzima zu mir." Nicht die ganze Wahrheit, allerdings verriet das verschmitzte Lächeln beinahe den Rest. So sprach keiner über den Selbstmord, der ernsthaft damit rechnen musste tot zu bleiben. Er hatte sich längst daran gewöhnt, dass er jedesmal wiederkam. Wobei er für das Leben hier nun einen Rest an Zweifel hatte, nämlich, ob er rden Fluch tatsächlich mit hier her gebracht hatte, daher behielt er das lieber für sich.
Der Ritter kam ins Stocken. Einen Moment stolperte sein Puls. "Die wollen dich im Jenseits noch nicht.", frotzelte er freundlich, obwohl eine Hand um seinen Magen seine Betroffenheit durchaus spürbar machte.
"Ich stamme aus Azeroth.", begann Jarel im Plauderton. "In meiner Welt ist Magie allgegenwärtig. Die Wissenschaft weniger. Aber die Heiler sind in der Lage, abgetrennte Extremitäten binnen Sekunden wieder anwachsen zu lassen und sogar die Toten zurück ins Leben zu holen. Wenn zur rechten Zeit vollständig ins Leben zurückgeholt. Und wenn es zu spät ist...mit weniger Puls als vorher."
Wie phobisch er auf Verlassene reagierte, erwähnte er nicht. Allein die Gänsehaut auf dem nicht verbundenem Arm zeigte schon, wie sehr er sie fürchtete.
"Ich kam vor sechszehn Jahren hierher. Fiel dem Großkomtur regelrecht vor die Füße. Und bleib beim Orden."
Das wichtigste war gesagt. Ob er auch wusste, dass Jakob nicht von hier war?
gestern um 09:32 Uhr
Dass der Ritter regelrecht Reisende um sich scharte ahnte der Arzt nicht. Auch nicht, dass der Ritter einem Mann den auch er bestens kannte bereits begegnet war. Er nickte nur bei dessen Erklärungen. "Auch bei uns gab es die Magie, aber nicht jeder ist dazu in der Lage, sie auch einzusetzen. Mir blieb es leider verwehrt, aber ich kann dennoch helfen, ich kann mit der Kraft meiner Hände abgetrennte Glieder annähen und Organe verpflanzen und auch ein Herz wieder zum Schlagen bringen, wenn es noch nicht zu lange still steht." Was es ihn alles gekostet hatte, und was er alles nicht hatte retten können... das stand auf einem anderen Blatt.
"Es gäbe sicher eine schönere Gelegenheit, zu plaudern... gerade darüber." Bei einem Tee oder in seinem Fall einem kräftigen Rotwein. "...aber wir sind nun einmal hier. Kennst du noch andere?"
Jarel nickte abermals. "Ja. Irgendwie findet man sich. Nicht viele. Aber ja."
Der Ritter befeuchtete sich die Lippen. "Wann denkst du, kann ich wieder aufstehen?"
"Aufstehen kannst du wenn du deine Muskeln kontrollieren kannst. Deine Beine waren nicht verletzt, nur der Arm, den solltest du schonen..." antwortete er sofort routiniert, aber es war etwas anderes, dass ihn beschäftigte. "...woher kommen diese anderen? Aus welchen Welten? Wo sind sie?"
"Die, die ich näher kenne, komme weder aus deiner noch aus meiner Welt. Sie kommen von der Erde." Er überlegte. Die Namen würde er nicht preisgeben. Aber das ging auch anders.
"Dort sind sie geschätzte 900 Jahre weiter. Die Technologie ist beeindruckend. Wenn du einen von ihnen kennenlernen möchtest, kann ich ihnen deinen Namen nennen. Ich lege für jeden von ihnen meine Hand ins Feuer." Ja. Und das war nicht nur ein Spruch. für den einen hatte er es getan.
900 Jahre mehr an Entwicklung, 900 Jahre Forschung... All das Wissen. Für ihn lag diese Welt etwa 400 Jahre zurück, mehr als sein ganzes Leben.
"Ich würde gerne andere treffen, die sind wie wir. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch mehr gibt..."und es macht ihn sogar ein wenig wehmütig. Daran, dass es für ihn ei en Weg zurück geben könnte dachte er nicht und er legte es eohl such nicht darauf an. Dort woher er kam hatte er nun tatsächlich alle verloren, die ihm etwas bedeuten. "Bist du freiwillig hergekommen?"
Jarel schüttelte den Kopf und wackelte konzentriert mit den Zehen. Es funktionierte! Es ging voran! Doch die Hoffnung, dass er zum pissen aufstehen konnte, war utopisch.
"Ich war auf der Suche nach jemandem. Verirrte mich in einem Nebel...und kam in einer Welt zu mir, die völlig fremd war." Kurz ging er in Gedanken all das durch, was er danach durchgemacht hatte.
"Fremde Sprache, Fremde Sterne, Fremde Bräuche....und doch so viel Gemeinsames. Die alte Sprache hier, wird auch bei mir gesprochen. Auf Azeroth heißt es Thalassisch. Die Sprache der Elfen. Zu meinem Vorteil spreche ich sie fließend. Gab es auch bei dir Gemeinsamkeiten?"
Etwas verdrossen kaute er auf seiner Unterlippe. Verdammt, wie sollte man in so einer Situation NICHT ans pinkeln denken?
Was dem Ritter neben der Sprache noch durch den Kopf ging ahnte der Arzt nicht, auch wenn es vielleicht naheliegend gewesen wäre.
"Auf meiner Welt gibt es keine Elfen, und es gab auch keine Gemeinsamkeiten... deshalb gab ich auch vor, an einer Amnesie zu leiden, das machte es leichter für die anderen... Und ich dachte immer, ich wäre der einzige..."

"Ich kenne sogar jemanden, der sich der Suche nach einem Rückweg verschrieben hat. Und der sogar schon auf der anderen Seite mit dieser Forschung begonnen hat." Kurz schloss Jarel die Augen, treib die Sehnsucht zurück in die Truhe in der er sie einsperren konnte, räusperte sich und öffnete die Augen wieder. "Gibt es nicht die Möglichkeit, doch schon aufzustehen?"
"Versuch es..." Der Arzt stand daneben, bereit, den Patienten aufzufangen. Der Mensch Arvijd dachte über das gehörte nach. Ein Rückweg? Wollte er das? Noch einmal neu anfangen? Wieder erklären wer er war, sich eine neue Legende zuzulegen... Wollte er das? Das Krankenhaus lief mittlerweile auch ohne ihn und hier war er mehr als nützlich und niemand stellte Fragen.
"Ich würde gerne mit anderen reden, mit dem der forscht... aber ich denke, zurück würde ich nicht gehen, selbst wenn es einen Weg gäbe... dort wartet nichts auf mich, niemand. Würdest du denn gehen?"
"Nein. Nicht nach fünfzehn Jahren. Meine Kinder werden über mein Verschwinden hinweggekommen sein. Meine bessere Hälfte auch. Ich habe mein Leben hier."
Der Ritter versuchte tatsächlich aufzustehen. Und floss Richtung Boden wie ein guter Schluck flüssiges Kautschuk.
"Kacke...", murrte er. Würde nix werden damit zum Abort zu gehen. "Arvijd...ich muss pissen."
Der Arzt war zwar ein wenig kleiner als der Ritter aber selbst etwas stäimmig gebaut und durchaus kräftig. Er griff dem anderen beherzt unter die Arme und zog ihn auf dir Beine. "Ein wenig wirst du schon mithelfen müssen." Er musste an Nikolavo denken, der sich wohl ähnlich ausgedrückt hätte... Sein Ziehsohn, er war wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Emiya war verschwunden nachdem ihr Kind nicht überlebt hatte... er wäre Großvater geworden, so sein Empfinden. Aber alle waren sie aus seinem Leben verschwunden. Den Ritter zu halten lenkte ihn jedoch ausreichend ab.
Jarel murrte, motze und fluchte, dass dem Mediziner die Ohren rot anliefen. Er mühte ich ab, doch richtig auf die Beine kam er nicht.Stattdessen begann er zu schwitzen.
Und noch schlimmer zu fluchen. Ganz schön unanständig für einen Glaubensbruder.
Was er wohl drüben gewesen war? "Wen hast du hinter dir lassen müssen, Arv?", versuchte er von seinem hilflosen Geschlenker abzulenken.
Arvijd hinter den Ritter zurück in sein Bett und gab ihm eine spezielle geformte Blechflasche. "Dann wirst du das Austreten dahinein erledigen müssen." Das Gefluche störte ihn offenbar kaum. Nikolavo hätte er wohl gerügt, aber so lächelte er nur.
"Ich habe auch dort schon kein geradliniges Leben geführt... ich habe länger gelebt als jeder Mensch... ich hatte eine Familie, eine Frau uns einen Sohn...dann später... mehr als ein Jahrhundert später lernte ich eine andere kennen... wir hatten nicht viel Zeit, aber sie hinterließ mir ihren kleinen Sohn, den zig ich groß wie meinen eigenen, und von dem könntest such du noch ein paar Flüche lernen. Und auch er wurde erwachsen, fand eine Frau... sie hätten eine Tochter gehabt, aber sie starb bei der Geburt. Danach... Es waren schlimme Zeiten... Beide zogen sich zurück. Dort gibt es niemanden mehr."
"Du hast viel hinter dir gelassen." Jarel nahm sich murrend die Flasche.
Warum war das jetzt beschämend für ihn? War doch eine ganz natürliche Sache....Ach scheiß doch drauf. Besser als sich einzunässen.
Trotzdem bekam er hektische rote Flecken im Gesicht und war heilfroh als die Flasche außer Sicht geriet.
"Vermisst du sie sehr?"
"Ja... meinen Ziehsohn... vor allem. Ich habe mich schon daran gewöhnt gehabt dass alle anderen vor mir sterben werden, aber er sollte ebenso mit einem langen Leben gesegnet sein." Er seufzte. Die Ablenkung hatte funktioniert, der Ritter hatte unbeachtet pinkeln können. "Aber ich rede nur von mir. Entschuldige."
"Hätte ich es nicht hören wollen, hätte ich nicht gefragt." Der Ritter atmete durch und lümmelte sich zurück in die Laken.
"Ich habe eine Ziehtochter und einen Sohn zurückgelassen. Sie sollten beide schon erwachsen sein. Alystin und Clay. Ich wüsste zu gerne, wie es ihnen geht."
Und natürlich Ilarion. Auch dieses Messer schnitt noch, wenngleich lange nicht mehr so tief wie vor fünfzehn Jahren.
Arvijd nickte wieder, er war deutlich nachdenklicher als sonst. Sie hatten beide viel zurücklassen müssen und für Jarel lag 3s bereits 15 Jahre zurück... "Es ist nicht leicht, neu anzufangen... aber ich denke ich kann hier viel gutes bewirken. Dort habe ich mein Anwesen zu einem Krankenhaus ausgebaut aber das lief am Ende quch ohne mich... nun kann ich es hier versuchen. Ich kann den Menschen hier helfen, sie über Hygiene aufklären... vielleicht auch Reisenden helfen, die hier stranden... Eine Sprachschule vielleicht..." Der Arzt war, so alt er sein mochte, immer wieder voller Idealismus.
Bewundernd sah Jarel sein gegenüber an. Große Pläne. Idealistische Pläne. Der Mann war definitiv ein Philanthrop. Er selber hatte sich vor der neuen Welt zu verstecken versucht und sein eigenes Süppchen gekocht. Als Ritter hatte er zwar auch versucht zu helfen, aber eher um seine vergangenen Sünden zu sühnen, als aus reiner Herzensgüte.
Jarel nickte. "Wenn ich dich dabei irgendwie unterstützen kann..."
Der Arzt überlegte. "Ich bin mir nicht sicher ob Wyzima der richtige Ort ist, aber der Tempel war ein guter Anfang. Du würdest mir schon helfen, wenn du mich mit den anderen bekannt machst... und wenn du weitere triffst... sag ihnen, dass ich ihnen helfen kann." Vielleicht war es auch für den Arzt der Versuch zu sühnen. Bisher hatte er nicht gewagt zu überprüfen , ob der Fluch noch Bestand hatte, aber nun lebte er tatsächlich als wäre es das letzte mal.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob war, wie an jeden Morgen seit sie in Wyzima residierten, bei den Pferden gewesen und hatte sich dann der Andacht der Schwestern angeschlossen. Still und unauffällig wie er war, machten sich diese nichts aus seiner Anwesenheit – er war fast so etwas wie ein steter Geist im Tempel geworden. Ein Geist mit einem paar kräftiger Hände, die Wassereimer schleppten oder Holz hackten. Ein Geist, der nicht viel redete und niemanden belästigte.
Nach der Andacht hatte er wie immer im Garten meditiert und beim Plätschern des Brunnens das Es gesucht. Zen. Das absolute Gleichgewicht. Heute gelang es ausnehmend gut – vielleicht lag es am milden Sonnenschein, der nach den trüben Tagen, die auf den Gewitterguss gefolgt waren, nun endlich wieder durch die Wolken brach. Der Garten dampfte, Insekten summten und wurden von zierlichen Vögeln elegant verfolgt.
Noch angefüllt von dieser Ruhe und Harmonie machte er sich nach seinen Übungen auf den Weg zu Jarel, hielt allerdings an der angelehnten Tür inne, da er von drinnen Arvijds Stimme vernahm.
Vielleicht war es ein Feldversuch, vielleicht stumpfe Neugier. Noch in Balance war es ganz einfach, das Es wieder zu sich zu holen und weg zu schließen. Auch wenn er außerhalb des Raums war, so wusste er doch, dass Jarel überaus aufmerksam sein konnte. Es war manchmal geradezu unheimlich. Daher versuchte er sich „unsichtbar“ zu machen (68/16) und lauschte. Die beiden Männer schienen ihn tatsächlich absolut nicht zu bemerken. Außerdem waren sie zusätzlich damit beschäftigt, Jarels Motorik auszuprobieren – woran dieser kläglich scheiterte. Er konnte einem schon Leid tun, aber es war ja temporär. Zumal Jakobs Aufmerksamkeit viel mehr am Gespräch fest hing.
Und staunte nicht schlecht. Jetzt erklärte sich ihm so einiges – das Hörrohr, das Mikroskop, das sterile Arbeiten… Der Arzt war ein Reisender! Und was er noch erzählte, ließ Jakob den Rücken gegen die Wand neben der Tür pressen und stocksteif werden. Länger gelebt als jeder Mensch? Was zum…! Was war er? Jakob atmete flach, bemüht um Ruhe… Jarel schien ganz entspannt, also sollte er vielleicht auf sein Urteil vertrauen? Aber konnte er das? Da nagte schon eine Weile etwas an diesem Vertrauen, was er noch nicht ganz mit Händen greifen konnte und es deswegen immer wieder beiseite schob.
Plötzlich näherten sich Schritte und Jakob richtete sich auf. Er wollte nicht beim Lauschen ertappt werden, also klopfte er rasch an die Tür und schob sich dann nahtlos in Jarels Krankenzimmer.
“Guten Morgen, Jarel – Doktor. Entschuldigt, ich wollte nicht stören.“, schon machte er Anstalten, wieder gehen zu wollen.
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Jarel Moore
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„Warte, Jakob!“ Jarel versuchte seinen Knappen am Gehen zu hindern.
Du störst nicht. Komm doch zu uns und unterhalte dich ein wenig. Wie geht es dir hier? Bekommst du genug auf die Gabel?“
Der Ritter wollte gerade versuchen, sich zumindest auf die Ellenbogen aufzurichten, besann sich aber eines Besseren.
Wie ein Schluck Wasser wollte er aber auch nicht da liegen. Nicht vor dem Jungen.
Sitzen sollte klappen.
Er mühte sich ab, die Beine aus dem Bett zu schwingen und sich aufzusetzen, doch so recht wollte ihm das nicht gelingen (40/100),
Jarel presste die Lippen zusammen und murrte. Wie peinlich. Zumindest war Jakob bei den anderen Sachen nicht zugegen.
Es könnte immer noch schlimmer kommen.
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Arvijd Kostjunari
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Arvijd warf dem jungen Knappen nur einen kurzen Blick zu. Er hatte die letzten Tage nur mitbekommen, dass er geholfen hatte wo er konnte und Iola, aus irgendeinem Grund hatte sie ab und zu jemand die 'Dritte' genannt, hing sehr an ihm, wann immer sie konnte suchte sie seine Nähe. Aber weshalb, das erfuhr niemand.
"Guten Morgen Jakob. Ihr stört nicht. Habt ihr Fragen, kann ich irgendetwas für euch tun?"
Er hatte nicht die geringste Ahnung was er gehört haben mochte, er kam nicht einmal auf die Idee, dass. Der Arzt war mit der aktuellen Situation ausreichend beschäftigt gewesen, meist bekam er außen herum wenig mit.
Jarel hatte ihn versichert, dass sein Knapp intelligent und aufmerksam war, aber so schweigsam und zurückhaltend, wie sich der Junge die meiste Zeit gab, dermaßen introvertiert, er machte immer ein wenig den Eindruck, er sei zurückgeblieben. Aber der Arzt vertraute dem Urteil des Ritters.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob hielt inne, wandte sich gehorsam wieder um und schloss die Tür - von innen. Dann trat er an Jarels Bett, an dem er so viele Stunden sitzend verbracht hatte und gehofft, dass der Mann endlich die Augen aufmachte und die Welt um sich wieder wahrnahm. Ihn nun fast sitzend zu sehen, tat schon schmerzhaft gut und tatsächlich stahl sich ein hauchfeines Lächeln auf seine Lippen. Jarel hatte Farbe, auch seine Flüche waren durchaus farbenfroh und Leben war in seinen Augen. Der Doktor hatte Wort gehalten und Jakob stellte fest, dass er unendlich erleichtert war. Gleichzeitig hoffte er, dass der Doktor schief gelegen hatte, was das Bewusstsein Jarels während der ersten Stunden nach der Vergiftung anging. Seinen emotionalen Ausbruch nachdem er den Ritter fälschlicherweise für tot gehalten hatte, wollte er lieber für sich behalten. Zu daneben.
"Es freut mich, dass du so munter bist. Gut siehst du aus.", erwiderte er mit ruhiger Stimme. "Klemmt nur noch etwas mit dem Strammstehen, hm?", wagte er dann einen milden Spott. Doch ja, er war gottfroh. Kurz flackerte sein Blick zum Doktor - ein Reisender, nach eigener Aussage sehr alt - dann kehrte seine Aufmerksamkeit zu Jarel zurück, nur um wieder zum Arzt zu flirren. "Nein, dass heißt Ja." Hin, her. Nein, doch nicht. "Wann bist du wieder auf den Beinen? Also was meint Ihr, Doktor?" Er klang schon wieder wie ein Idiot, senkte kurz den Blick, sah dann den Ritter wieder an. "Ich hab schon das Gefühl, Mari schaut vorwurfsvoll, weil ich dich wieder nicht mitbringe.", zog er sich auf Belanglosigkeiten zurück.
Die Sache mit dem Essen schlich er aus - er neigte hier tatsächlich oft dazu, es zu vergessen. Wäre nicht die stille Iola, der hätte wohl seit Tagen gefastet, ohne es wirklich zu merken.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Der Ritter versuchte auf Jakobs Flachsererein und den kleinen Seitenhieb nicht zu reagieren. Aber sein Knappe kannte ihn zu gut. Das gutmütige Funken in den Augen und das winzige Hochzucken der Mundwinkel. Jarel unterdrückte ein Lachen. Der Humor seines Knappen traf genau seinen Nerv. Und es tat so gut, ihn gesund und munter zu sehen. Er wirkte einerseits entspannt und seltsam ruhig, andererseits waren seine Augen beschattet. Und mehr auf den Rippen konnte er auch vertragen. Ob er aus lauter Sorge das Essen vergas? „Arvijd, bist du so gut und lässt uns ein paar Minuten alleine?“ Der heiler nickte und ging ohne weitere Fragen. Als sie die Tür schloss überlegte Jarel noch einmal einen Versuch zu starten, sich aufzusetzen. Aber darin zu versagen wäre noch peinlicher als es nicht zu versuchen. Er musterte Jakob noch einmal vielsagend. „Wie fühlst du dich?“

Jarel entließ den Arzt, ohne dass dieser auch nur auf eine Frage geantwortet hätte. Ärzte. So sehr sie ihm auch geholfen haben mochten, er konnte sie nicht leiden. Taten immer, als wüssten sie alles besser und hielten sich für unfehlbar. Und wenn man ihnen dann bewies, dass sie sich in ihrer Einschätzung geirrt hatten, taten sie auch noch so, als freuten sie sich über eine medizinische Sensation. Ärzte. Jakobs Blick folgte Arvijd hinaus, dann kehrte er zu Jarel zurück. Das leichte Zucken der Lippen und das Funkeln in den braunen Augen war ihm nicht entgangen - er kannte Jarel inzwischen zu gut. Er war nicht immer leicht zu lesen, aber gerade machte er den Eindruck, er freue sich so sehr ihn zu sehen, wie umgekehrt. Auch wenn es Jakob nicht behagte, ihn so schlaff in den Kissen hängen zu sehen. Es würde vorbei gehen. Bald. "Sollte nicht ich diese Frage stellen?" Er zog sich den Stuhl heran, der ihm für seine Wache gute Dienste geleistet hatte und setzte sich neben Jarels Bett.

"Es ist angenehm hier. Still."

„Die Ruhe ist einer der Gründe, warum ich so gern hier bin. Und weil es mir hilft…“ Er stockte kurz, lächelte verschmitzt. „Dazu kommen wir später.“ Erst einmal galt es Jakobs Fragen zu beantworten. „Die Kontrolle über meinen Körper bekomme ich langsam wieder. Nur richtig gehorchen will er nicht.“ Jarel zuckte kurz mit der heilen Schulter. „Stramm stehen ist noch nicht, da hast du Recht. Ich habe heute versucht, ein paar Schritte zu gehen.“ Zum Abort verdammt. Kein Bergsteigen, kein Marathon, und selbst da hatte er – hatte sein Körper – versagt. „Hat nicht funktioniert. Morgen versuchen wir es wieder.“ Wie unangenehm es dem Ritter war sich vollständig versorgen zu lassen, verschwieg er. Es war ihm schon immer zuwider gewesen, etwas nicht selber zu können. Und NICHTS selber zu können… Aber das war seinem Knappen wahrscheinlich ohnehin klar. „Ich denke, in zwei- drei Tagen bin ich so weit auf den Beinen, am Leben wieder teilnehmen zu können.“ Er nickte zuversichtlich. „Ich nehme nicht an, dass du dich schon freiwillig zum Dienst im Waisenhaus gemeldet hast, hm?“, fragte Jarel in einem Ton, der wohl rügend klingen sollte. Sollte. Aber nicht tat. Der Junge hatte genug hinter sich als sich auch noch ohne Rückendeckung seinem Erzfeind – einer Bande Rotzgören - zu stellen.

Jakob lümmelte auf seinem Stuhl und lauschte. Jarel spielte gut, aber nicht gut genug. Dazu wusste der junge Mann viel zu genau, wie es sich anfühlte - gehoben, gewaschen, gewendet, angezogen, Beuteltausch, Bett rauf, Bett runter, jeder Schritt nur an der Hand eines Helfers, die sich so brutal in das eigene Fleisch grub, weil sie damit rechnen mussten, dass die Beine ihres Pfleglings versagten. Er schwieg, bekundete kein Mitleid. Für ihn hatte es das nur immer schlimmer gemacht. Also nickte er ebenso. "Klar." Mal wieder. Das Universalwort, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte. Dann rutschte er auf seinem Stuhl etwas höher, kratzte sich am Hals. "Nicht direkt. Ich hab' den Schwestern hier geholfen. Holz gehackt und so.", murmelte er etwas kleinlaut. Das Waisenhaus hatte er über all die Vorgänge völlig vergessen und es wäre ihm auch lieber gewesen, wenn es Jarel ebenso gegangen wäre. Aber zumindest dessen Gedächtnis funktionierte einwandfrei. Leider. Jakob musterte seine Knie. "Ich hab - viel gebetet. Und meditiert." Er tanzte auf seinen eigenen Eiern herum, so kam es ihm vor.

Jarel schmunzelte. „Wir werden nicht drum herumkommen, Knappe.“, erklärte er gespielt ernst. Dann wechselte sein Ton wieder. „Aber wir lassen uns damit noch ein paar Tage Zeit.“, raunte er verschwörerisch. „Ich freue mich, dass du dich einbringst. Das Meditieren ist auch einer der Gründe, warum ich die Reise hier her angestrebt habe. Es geht um die Frage, die ich dir vor der der Abreise gestellt habe. Das wandeln im Schatten. Solltest du dich dafür entscheiden, ist dies der richtige Ort, um mit den Übungen zu beginnen.“ Das ließ er so stehen. Wenn Jakob sich wirklich dafür entscheiden würde ihm auch auf diesem Wege zu folgen, würde er ihm das schon sagen. Damit war für den Älteren das Thema beendet. Nun galt es herauszufinden, ob Jakob sich als Reisender zu erkennen geben wollte oder nicht. Also galt es das Gespräch dorthin zu lenken. Dass sein Knappe bereits alles wusste, was er ihm nun offenbaren wollte, ahnte er nicht. Der Ritter verdrehte den Kopf um sich die Ausrüstung auf den Tischen genauer anzusehen. Und natürlich um Jakobs Blick dorthin zu lenken. „Arvijd hat eine interessante Ausrüstung, nicht wahr?“ Der Ritter behielt seinen Knappen im Blick und versuchte seine Reaktion einzuschätzen.

"Hab's befürchtet.", maulte er und damit war wieder so eine Gelegenheit durch seine Finger geschlüpft. Eine, etwas anzusprechen, was ihn umtrieb und dann war der Moment vorbei und Jarel sprach vom Meditieren. Das Schattenlaufen... auch das hatte Jakob zu den Hintergrundprozessen geschoben und noch hatte er keine Antwort, also blieb er eine Erwiderung schuldig.

Er folgte Jarels Blick zur Ausrüstung des Arztes, die ihm museal vorkam, aber jedem Mensch von hier wohl wie Hightech. Vermutlich standen im seine Gedanken auf die Stirn geschrieben.

Jarel nickte. "Der Doktore ist auch nicht von hier." Das ließ er einen Moment wirken. "Er weiß auch, daß ich ein Reisender bin... War... Und er möchte gerne andere Reisende kennenlernen. Wenn du mit m reden möchtest..." Eine weitere Pause. "Ich vertraue ihm."

"Ich fürchte, daran bin ich schuld. Ich hab ihm von deinem Transplantat erzählt." erwiderte er zerknirscht. Er hatte es prompt als Vorwurf aufgefasst. Aber dem Arzt vertrauen? Er vertraute sich ja selbst nicht zu Gänze. (Bearbeitet)

Der Ritter schüttelte lächelnd den Kopf. "Wir kennen und schon einige Zeit. Er hatte mich im Verdacht und ich ihn. Deine Bemerkung hat uns nur dazu gebracht, es dem anderen zu bestätigen. Nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen müsstest." Er zögerte kurz. "Du hast etwas auf dem Herzen, nicht wahr, Jakob?"

"Du kommst öfter her, oder?" Jakob wandte sich Jarel wieder zu

Er nickte. "Hier kann ich zu mir finden. Meine innere Ruhe zurück gewinnen. Und... zur Muttergöttin beten." Er machte keinen Hehl daraus, zumindest nicht Jake gegenüber. "Die Gespräche mit den Priesterinnen sind durchaus erhellend. Die Gärten.. Und die Bibliothek... ich werde Arvjid fragen, ob er dich mitnimmt. Du wirst begeistert sein." Obwohl ans Bett gebunden, klang Jarel regelrecht euphorisch.

Trotzdem sah der Ritter seinen Knappen erwartungsvoll an. Versuchte er schon wieder eine Frage unter den Tisch fallen zu lassen?

Bibliothek und begeistert - die Gemeinsamkeit war der Anfangsbuchstabe, aber damit hatte es sich. Doch Jakob nickte, fast schon mechanisch. Die Begeisterung für das geschriebene Wort, welche alle halbwegs gebildeten Leute hier teilten, war auf Jakob bisher noch nicht über gesprungen, zumal er noch immer mit der Schrift kämpfte und verschiedene Handschriften es nicht leichter machten. Aber Jarel sah ihn sofort wieder SO an. Ablenkungsmanöver misslungen, wollte dieser Blick sagen. Jakob zögerte und raffte sich dann doch auf. "Ich hab dir erzählt, dass die Christen einen Gott verehren. Aber eigentlich verehren sie seine Dreiheit - Gottvater, Sohn und heiligen Geist. Es gibt eine Geschichte, nach der der Heilige Geist zur Jungfrau Maria kam und ihr Gottes Sohn in den Schoß legte. Die Heilige Maria ist nicht weniger wichtig als die Heilige Dreifaltigkeit. Ihr sind ganze Kirchen geweiht - sie ist so etwas wie Meliteles Mitte. Die Mutter." Er verstummte einen Moment, schien zu überlegen, dann zog er das kleine Familiensiegel aus dem Ausschnitt und öffnete die Kette, um es Jarel zu reichen. Das Wappen seiner Familie zeigte auf dem zweigeteilten Schild Kreuz und brennendes Herz. Er war sich nicht sicher, ob er es Jarel je gezeigt hatte. "Mein Familienwappen. Die Dreifaltigkeit und das brennende Herz Mariä. Nebeneinander." Er ließ es einsickern, krauste leicht die Stirn. "Wie steht der Orden dazu, dass du eine Gottheit neben der Ewigen Flamme verehrst?" Doch eigentlich kannte er die Antwort.

Der Ritter nahm das Schmuckstück ehrfürchtig mit einer Hand entgegen und betrachtete es mit seltsam verklärtem Blick. "Ein Herz in Flammen. Jakob. Ich weiß du glaubst nicht an Vorsehung und Schicksal, aber ein deutlicheres Zeichen konnte man dir nicht mit hierhergeben." Im Gegensatz zu Jakob war Jarel völlig aus dem Häuschen. Eine gefühlte Ewigkeit später schloss der Ritter die Augen, atmete durch, berührte mit dem Anhänger seine Stirn und gab es Jakob auf der flachen Hand zurück. "Ich habe nie daran gezweifelt, dass du da bist, wo du hin gehörst. Zweifelst du etwa noch?" "Unter Wenzel von Herrenloh wird mein Glaube akzeptiert. Naja...eher toleriert. Oder einfach verschwiegen. Unter de Aldersberg hab ich es tunlichst verschwiegen. Seine Ansichten waren da...du kennst die Geschichten, nicht wahr?" Natürlich kannte er sie. Das Jarel sie nicht nur aus Erzählungen kannte, hatte er nie erwähnt.

Da war etwas seltsam in Jarels Stimme, als er den Namen des verschiedenen Großmeisters nannte. Nicht für jeden erkennbar. Für den aufmerksamen Jakob schon. Etwas...befremdliches...kaltes... Etwas, dass eine Gänsehaut verursachte.

"Ich denke viel darüber nach.", gab er zu und beinahe hätte er noch etwas weiter erzählt. Von seiner Verzweiflung, damals am Ende seines anderen Lebens, welches kein Ende werden sollte. Weil Gott es anders gewollt hatte? Oder die Mutter? Beinahe... Und wie so oft, kniff er. Schwieg. Statt dessen beobachtete er wie Jarel das Siegel behandelte und nahm es dann zurück, um es wieder im Hemd verschwinden zu lassen. Das Gold war warm von der Hand des Ritters. Dessen Stimme nahm einen unangenehmen Klang an, als er vom ersten Großmeister sprach und der Ton ließ Jakob aufmerksamer werden. Er kannte natürlich die jüngere Ordensgeschichte, aber das hier machte fast den Eindruck, als sei es persönlich. "Sicher. Aber ich bin die nächste Generation. Auch die Templer haben viele Verbrechen begangen, die einem das Herz gefrieren lassen wollen. Im Kontext ihrer Zeit und ihrer Moralvorstellungen sicher nicht böse - aus heutiger Sicht schlicht Morde an Unschuldigen. Der Orden wächst daran und wird die Fehler nicht wiederholen. Das hoffe ich jedenfalls immer." Offenkundig hatte er im Geschichtsunterricht besser aufgepasst als in Religion. Erstaunlich viele Worte, aber er hatte auch lange gespart. "Meliteles Frieden ist so ein Kontrast zur Ewigen Flamme, und dabei eine Ergänzung. Ich weiß nicht. Ich habe diesen Aspekt vermisst, glaube ich." Er blickte sinnend zum Fenster.

Der Ritter ließ ihn diesen Moment der Andacht, bevor er den Gedanken aufgriff. "Ich sehe keinen Grund, warum der Glaube an die Ewige Flamme der an Meliteles Güte widersprechen sollte." "Sicherlich wäre es gefährlich, dies im Orden offen zu bekunden. Es gibt immer noch genug Fanatiker in unseren Reihen. Aber vielleicht...in der nächsten Generation...." Wieder beobachtete der Ritter seinen Knappen aufmerksam. Verstehen würde er, was sein Schwertherr damit sagen wollte. Aber wie würde er darauf reagieren?

Nein, er wollte nicht verstehen. Er ließ es auf sich beruhen - für derlei Ambitionen war er viel zu kaputt im Kopf, entschied Jakob. Er atmete durch. "Jedenfalls beschwert sie sich nicht über das Ave Maria. Und die Äbtissin sagt, sie mag die Melodie." Auch wenn Jakob weit davon entfernt war, eine klangvolle Knabenstimme zu haben. Sein Tenor war ganz passabel. Er zwang sich zur Bewegung, rutschte auf dem Stuhl zurecht. "Ich bring dir nachher was zu essen. Brea kocht Fischsuppe. Ich hab den Fisch geschuppt - also wenn du Schuppen findest, weißt du, wo du dich beschweren kannst." Er wollte geradezu verzweifelt weg von diesem Thema. (Bearbeitet)

Jarel legte den Kopf etwas schief. "Fisch. Hervorragend." Das war ein Wink mit mehr als nur einem Zaunpfahl. "Ich hätte zwei Wünsche an dich, Jakob." Damit war klar, er akzeptierte, dass Jakob das Thema abschlug. Vorerst. "Bevor wir heimkehren, höre ich dich singen." Das klang weniger nach Wunsch, sondern eher nach Befehl. "Und zweitens...teilst du mir deine Entscheidung mit, ob du dich Doktor Kostjunari offenbaren möchtest." Der Ton traf das Konzept eines Wunsches viel eher. Er war wohl zu forsch vorgegangen. Vielleicht ein andern mal. Vielleicht später. Geduld. Er hatte genug Zeit.

Jakobs Lippen lächelten wie immer nicht, aber seine Augen taten es doch, als er erwiderte: "Komm auf die Füße und zur Andacht.", provozierte er seicht. "Besorg mir ein Cello und ich spiele noch die Begleitung." Dann kehrte der Ernst in seinen Blick zurück und er nickte. "Ich denk drüber nach." Ein Ding mehr auf der langen Liste.

"Cello....Du kannst spielen?" Das sein Junge musikalisch sein könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen. Wie klang wohl Cello gemeinsam mit einer Flöte? Cello....gab es das hier? Und wenn ja, wie würde er eine herbekommen. Diese Herausforderung nahm er an. Mit Freuden!

Jakob zuckte mit den Schultern. "Reiches Kind aus gutem Hause. Schon vergessen?" Er sah skeptisch zu seinem Mentor. Diesen Blick mochte er gar nicht.

"Klavier, Violine, Flöte. Hab einen meiner Privatlehrer mal dazu gebracht, die Violine im Kamin zu zerschlagen, so wütend war er über mein Unvermögen." Er hob seine heile Hand, spielte mit den Fingern. "Ungeeignet. Vollkommen ungeeignet."

Nun schmunzelte der Knappe doch. Irgendwie vergaß er immer, dass auch Jarel mal jung und wild gewesen war. Er entspannte sich sichtlich wieder, lehnte sich zurück und betrachtete seine Rechte. "Ich war sogar ziemlich gut." Dank seines Ehrgeizes. "Zum Glück greife ich links ab und streiche mit rechts, sonst wäre es das gewesen. Meine Schwester spielte Piano." Sein Blick nahm etwas verträumtes an. Miriam war wundervoll am Flügel gewesen...

Seine Schwester. Über die er nie redete. Bis auf das eine Mal, nach der Vereidigung. "Wie war sie?", fragte er, leise und vorsichtig. Der Junge schnappte schneller zu als eine Bärenfalle, wenn er zu forsch vordrang.

Die hellen Augen überzogen sich mit den Schatten des nie ganz verheilten Schmerzes einer Wunde, die der Hym wieder tief aufgerissen hatte. Doch er sah nicht weg - diesmal nicht. "Ein Engel. Mein Gegenstück. Wie ein Teil meiner Seele." Tonlos. Und noch so viel mehr, für das er keine Worte hatte. Seine größte Schande. Er schluckte. "Sie spielte virtuos. Wir improvisierten manchmal stundenlang. Sie liebte Menschen, wollte Krankenschwester werden. Sie sagte immer, um Medizin zu studieren sei sie nicht kaltblütig genug." Noch ein Durchatmen. Er hatte sich wieder gefasst. "Miriam. Sie hieß Miriam."

"Ein klangvoller Name.". Vorsichtig. Ganz vorsichtig. So weit hatte er sich noch nie geöffnet. "Zwei Seelen im Einklang. Zwei Seelen als eine. Eine wundervolle Vorstellung. Du vermisst sie..."

Er ließ den Satz offen stehen. Gab ihm die Möglichkeit das Gespräch zu beenden, sich jederzeit zurückzuziehen.

"Jeden Tag. Und ich frage mich, wieso Gott sie genommen hat und nicht mich. Ihre Seele war rein. Sie hatte mit all dem Scheiß nicht mal etwas zu tun." Plötzlich war die Wut da, wie aus heiterem Himmel. Jakob sprang geradezu auf und lief zum Fenster, obwohl man durch das trübe Butzenglas bestenfalls Schemen erkennen konnte. Zu nah, er stand zu nah an den Instrumenten des Doktors. In dieser Stimmung war er unberechenbar und das wusste er sogar. Er wandte sich wieder um, wirkte plötzlich als wisse er nicht, was er hier eigentlich suchte. "Ich komme später nochmal, ich..." Ja, was? Er starrte einen Moment, murmelte dann: "Tut mir Leid." Und entwischte. Schamlos ausnutzend, dass Jarel ihm nicht nachlaufen konnte

Der Ritter legte den Kopf zurück und starrte an die Decke. So viel Wut. So viel Verzweiflung. Armer Junge. Wenn er wieder auf dem Damm war....der Ritter überlegte, was zu tun war. Vielleicht konnte er Rat bei den Priesterinnen einholen. Vielleicht... Eine Weile grübelte er noch, bis seine Gedanken ihm zerfaserten und durch die Finger glitten wir staubiger Sand.
Einen Moment dachte er darüber nach Arvjid zu bitten Jakob jemanden nachzuschicken.
Er wirkte so aufgebracht.
Aber nein. Das wäre ein Vertrauensbruch gewesen.
Während er noch versuchte darüber nachzudenken, drohte ihn der Schlaf einzuholen.
Kurz bevor er wegdriftete, trieb einer von Jakobs Sätzen an seinem Verstand vorbei.
‚Sie hatte mit all dem Scheiß nicht mal etwas zu tun.‘
Etwas daran hätte ihm aufmerken lassen sollen, aber der Gedanke ersoff ihm wie ein in den See geworfener Stein.
Und er schlief ein.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob lief zunächst etwas planlos durch den Tempel, dann in den Garten, aber er würde jetzt weder für Andacht noch Meditation Ruhe finden. Es brodelte in ihm. Dieses schreckliche Druckgefühl, der Wunsch etwas zu zerschlagen - am liebsten sich selbst. Es brannte in seinen Eingeweiden wie ein unseliges Feuer und es war wohl pures Glück, dass ihm niemand begegnete.
Raus aus dem Tempel. Weg.
Er trat wuchtig nach einem Stein, der im hohen Bogen über die Straße und gegen eine Wand flog. Normalerweise würde er sich jetzt auf sein Motorrad setzen und erst Ruhe geben, wenn in der Kurve an der Kapelle nach dem Knie auch noch der Ellenbogen den Asphalt kitzelte. Auf die Physik scheißen. Das Schicksal anbrüllen, gemeinsam mit dem elfhunderter Twin und der Termignoni-Anlage. Und hier? Was sollte er hier schon machen? Sauerbraten war ein lausiger Ersatz und vermutlich hätte Jakob einen schnellen Galopp auf dem Pferderücken nicht lange durchgehalten. Was also? Was? Was was?
Seine Gedanken drehten sich wüst um alles Mögliche, zeichneten verrückte Bilder von zerschlagenen Scheiben, einem improvisierten Schirm für ein ebenso improvisiertes Kiteboard oder gleich einen Drachen um sich damit von irgendeinem Turm zu stürzen. Er wollte fallen, den Rausch von Tempo spüren oder wenigstens etwas zerstören, aber nichts davon war realistisch. Und so trieb es ihn durch den Tempelbezirk, rastlos, ziellos und voller düsterer Gedanken.
Wie er in die Spelunke geraten war, konnte er im Nachhinein nicht mehr sagen, jedenfalls fand er sich irgendwann an einem schmutzigen Tresen und fand es eine ausgezeichnete Idee, seine Schmerz auf die einzige Art zu betäuben, die es hier zu geben schien. Lange war er seinen Schwüren treu gewesen, selbst bei seiner Vereidigung hatte er keinen Tropfen Wein getrunken, aber jetzt war es ihm scheißegal. Er hatte die Wahl zwischen dem Ausleben seiner Wut oder dessen Betäubung, und letzteres schadete wenigstens nur ihm - so reflektiert war er inzwischen sogar.
Das Bier schmeckte seltsam, von den Männern am Tresen sprach ihn schließlich einer an, schien sich nicht an Jakobs Schweigsamkeit zu stören und gab ihm sogar einen aus. Einen Kurzen, dann noch einen. Auf leeren Magen und mit keinerlei Erfahrung mit Alkohol, stieg dieser dem jungen Mann schnell zu Kopf, was ihn zwar nicht redseliger, aber noch melancholischer und düsterer werden ließ. Aber er zahlte die nächste eine Runde, aus dem Säckel, das seinen ganzen Monatsunterhalt enthielt. Sein neuer Saufkumpan bemerkte vor allem letzteres und beschwatzte ihn, die Örtlichkeit zu wechseln, da er einen Ort kenne, an dem es ganz besondere Frohmacher gebe. Jakob wehrte sich nur kurz. Sein Kopf schwirrte, seine Beine fühlten sich an, als gehörten sie nicht mehr zu seinem Körper oder seien nur lose mit diesen verknüpft.
Auf den Weg durch die Gassen übergab er sich schon das erste Mal. Sein Begleiter lachte nur gutmütig, stützte ihn und bugsierte ihn einen Treppenabgang hinunter. Wieder schummriges Licht, wieder ein Tresen, hinter dem eine vollbusige Frau stand und ihn mit einer riesigen Zahnlücke anlächelte. Sie schenkte eine grünliche Flüssigkeit aus, die am Glasrand einen bunt schillernden Film hinterließ und auf der sie Zucker in einem speziellen Löffel entzündete. Das Zeug war fürchterlich scharf, der Zucker im Vergleich schmerzhaft süß. Doch nach dreien davon, war es zu ertragen.
Vor Jakobs Augen waberte die Gestalt der Bardame, wurde zu einem Schreckgespenst, zu einer Schlange, zu einer grinsenden Frau. Der fremde Mann, der ihn her geführt hatte, redete weiter, vom Krieg von der Armut von seinen Sorgen, Jakob versank immer tiefer in Schwermut, verlor alle Lust am Gespräch und trank was man ihm hin stellte. In manchem schwammen Dinge, wie kleine Läuse, die in der Kehle prickelten, bei anderem musste man eine Winzigkeit des Alkohols erst anzünden, dann den Dampf inhalieren, bevor man den Rest trank. Die Mischung war wild, seine Sinne längst taub und sein Verstand still.
Und er zahlte.
Manchmal tauchte er ab, hinein in eine Welt voller schauriger Trugbilder, manchmal in eine Art Schlaf, dann redete sein Begleiter wieder, schleppte ihn weiter. Zeit verlor an Bedeutung, Raum wurde relativ. Manchmal war ihm, er läge auf dem Boden, dabei stand er und andermal wankten die Wände, dabei lag er auf schmutzig stinkenden Fetzen von Stoff und Stroh.
Und irgendwann gab sein Körper nach, brach einfach die Stromversorgung zusammen und er blieb im Nichts zwischen Zeit und Raum hängen.

Im Tempel brachte nicht Jakob sondern Brea selbst die Suppe an Jarels Bett, was diesen nach dem Abgang seines Knappen aber nicht weiter verwunderte. Doch auch die Morgenandacht verpasste er, tauchte nicht zum Mittagessen auf und auch am Nachmittag nicht, an dem die Äbtissin auf ein weiteres Ave Maria gehofft hatte. Die Knechte im Mietstall wunderten sich, dass der stille, aber pedantisch ihre Arbeit kontrollierende junge Mann fern blieb und selbst die beiden Pferde schienen Ausschau zu halten.
Am späten Nachmittag verließ eine der Schwestern schließlich den Tempel...
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ERZÄHLER
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Lebenslauf:

Iola trug gewöhnliche Kleidung, einen Rock und eine Bluse, nicht die im Tempel übliche Robe.
Sie eilte durch die Gassen der Stadt, direkt an ihrer „Wahlheimat“, dem Tempel der Melitle, angrenzend.
In den letzten Tagen war mehr in ihrem Leben passiert als die Jahre zuvor.
Mehr als seitdem vor beinahe elf Jahren hergekommen war. Oder besser: Hergebracht wurde.
Sie erinnerte sich nicht mehr richtig daran was vorher gewesen war, erinnerte sich nicht mehr an die Gesichter ihrer Eltern, ihrer Schwester, ihres Bruders.
An was sie sich erinnerte war die Truhe, aus der sie ein Ritter gezogen hatte. Eine Truhe, in der sie sich versteckt hatte, nachdem Banditen diese geplündert hatten und als wertlos stehen ließen.
Sie erinnerte sich an die riesigen Hände, den traurigen Blick aus den braunen Pupillen mit den seltsamen Flecken. Daran, dass er ihr die Augen mit einem schwarzen Leinentuch verband. Daran, dass er sie an sich gedrückt trug und weggebrachte. Daran, dass er mit ihr durch sengende Hitze und seltsam nach Braten riechenden Rauch rannte. Daran, dass er ihr die Augenbinde erst abnahm, als er sie auf ein Pferd groß wie ein Elefant setzte.
Sie erinnerte sich daran, dass er kein Wort gesagt hatte. Erst an der Tür des Tempels hörte sie seine Stimme das erste Mal, als dieser um Einlass bat.
Und sie erinnerte sich daran, dass der Mann mit den riesigen Händen von nun an regelmäßig besucht hatte. Die Priesterinnen erklären ihr, dass er sie gerettet hatte. Nur sie.
Nicht ihre Geschwister, nicht ihre Eltern, nicht den jungen Knecht, den ihr Vater gerade erst eingestellt hatte, nicht die Tiere, nicht ihr Zuhause. Nur sie.
Und die Truhe, die er ihr an einem der nächsten Tage brachte.
Er hatte ihr nie vollständig erzählt, was geschehen war. Nur dass sie die Einzige war, die überlebt hatte. Sie sollte dankbar sein, hatten die Schwestern ihr gesagt. Sie war dankbar. Aber manchmal fiel es ihr schwer. Sehr schwer.
Vor zwei Tagen war dann eben dieser Ritter von seinem Knappen hergebracht worden. Mehr tot als am Leben. Iola war natürlich zur Stelle. Half, pflegte, stand dem Knappen zur Seite, der wirklich an seinem Ritter zu hängen schien. Sie traf ihn immer wieder, auch bei dem riesigen Pferd, welches auch einige Kratzer abbekommen hatte.
Und schon bald bemerkte sie, dass der Junge sie interessierte. Mehr als nur das. Er verbarg seine Intelligenz zwar, aber die Schwester erkannte es in seinem Handeln, seinen Gesten, seinen wachen Augen. Er war gut zu ihr, freundlich zu den Schwestern, hilfsbereit, zuvorkommend.
Und so hübsch.
Nicht lange, und ihr Herz klopfte schneller, sobald sie ihn sah. Und all das in so kurzer Zeit.
Doch heute…war er verschwunden. Er war nicht zur Morgenandacht erschienen, hatte sich nicht um die Pferde gekümmert, das Mittagessen verpasst. War nirgendwo zu finden.
Sein Ritter – IHR Ritter - hatte sie zu sich gebeten. Sie gebeten ihn zu suchen. Diskret, ohne es an die große Glocke zu hängen. Beschrieb ihr seine Sorge, der Junge könnte in Schwierigkeiten stecken, wollte aber nicht sagen warum.
Ihn suchen…Wie hätte sie ihm DAS abschlagen sollen?

Es war später Nachmittag, als sie ihn fand.
Erst hatte sie es für ein Bündel Lumpen gehalten, was dort in der Gosse lag. In der Pisse der Pferde, der Männer, von den Bürgern ignoriert, von den Kindern verspottet.
Sie lief zu ihm untersuchte ihn hektisch, den elenden Gestank komplett ignorierend. Er lebte!
Sie schüttelte ihn an den Schultern, hätte beinahe ihr Gelübde gebrochen, versuchte ihn wach zu bekommen.
Zuletzt geändert von ERZÄHLER am Samstag 20. August 2022, 09:07, insgesamt 1-mal geändert.
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