
Das Tag hatte ganz Normal gestartet. Ion war aufgestanden und hatte sich angezogen. Er trug eine schwarze Tuchhose und ein schlichtes weißes Hemd mit langen Ärmeln und hochgeschlossenen Kragen. Darüber zog er eine maßgeschneiderte schwarze Robe mit dunkelsilbernen Stickereien an den Ärmeln, am Saum, auf den Schultern und dem oberen viertel des Rückens. Ein Schlitz mittig vorne und hinten gaben ihm die nötige Bewegungsfreiheit, auch mit weit ausholenden Schritten voran zu kommen und auf ein Reittier zu steigen. Seine Füße steckten in Stiefeln, die ebenfalls schwarz waren und bis knapp über die Wade gingen. Das Outfit komplettierte er mit einem grauen Tuch , welches er um den Hals trug und deren Enden unter dem oberen Teil der Rode verschwanden und ein paar ebenfalls schwarzen Handschuhen, an denen die Fingerspitzen frei waren. Zu guter Letzt setzte er seine filigrane silberne Brille auf, die er zum sehen eigentlich nicht mehr brauchte, sie aber aus Gewohnheit des Öfteren trug. In den Stiefel steckte er einen schmalen Dolch von seiner Frau.
Er hatte sich vorgenommen in die Hauptstadt der Elfen zu reisen, um Stoffe einzukaufen. gerade seine Töchter und seine Mutter mochten schöne aufwendige Kleider. In seine Tasche packte er wohl ausgewählte Dinge, Schneideruntensilien, wie Nadeln, Faden, Garnrollen, eine Schere, ein Trennmesser sowie ein Buch, in dem er Skizzen anfertigte und den dazugehörigen Grafitstift. Ein kleines Ledergebundenes Notizbuch fand ebenfalls seinen Platz in der Tasche. Da er nicht vor hatte den ganzen Tag zu verbrauchen, verzichtete er auf Proviant. So nahm er seinen grauen Mantel, warf ihn über die Schulter und ging Richtung Tür. Lediglich einen Apfel nahm er aus einer Schale vom Tisch mit und aß ihn auf den Weg in den Stall.
Im Stall befanden sich mehrere Reitwölfe und Windreiter. Auch ein paar Greifen standen in einem anderen Flügel und in der Scheune lag sein Netherdrache Sharun. Als er an die Tür zur Scheune kam, drehte ihm sein Drache direkt den Rücken zu und gurgelte tief. "Was denn." sagte er und ging zu ihm. Der Drache hob den Kopf und sah auf seinen Gefährten herunter. Liebevoll legte Ion seine Hand unter den Kiefer und seine eigene Stirn an die des Drachen. Beide schlossen einen Moment lang die Augen und der Drache purrte tief und leise, was auch einer viel zu großen Katze entsprungen sein konnte. Dann zog er den Kopf langsam aus der Umarmung und wand sich ab. "Ruh dich aus." sagte Ion liebevoll und ließ seinen Gefährten zurück. Er entschied sich um, seinen Reitworgen zu nehmen und sattelte diesen mit sicherer Hand. Zumindest Noir freute sich offensichtlich sehr über den Ausflug.
Wenig später saß Ion auf dem Rücken des Tiefschwarzen Wolfes und ritt im gemütlichen Tempo durch den Wald der Peständer. Es war trübe an diesem Morgen und eine seltsame Stille hatte sich breit gemacht. Nur wenige Tiere waren zu sehen oder zu hören und die wenigen, die seinen Weg kreuzten, verschwanden schneller als man sie wirklich wahr nehmen konnte. Irgendwo knackte und krachte es im Wald und Ion brachte seinen Wolf zum stehen. Etwas merkwürdiges lag in der Luft, ein Gefühl das man nicht richtig greifen konnte, aber einen kalten Ring um die Brust legte und das atmen erschwerte. Noir knurrte und just krachte ein Baum quer über den Weg. Aufmerksam sah sich der junge Hexenmeister um. Es war still geworden, als hätten alle Tiere und Pflanzen sich vor etwas geduckt. Er wollte Noir weiter treiben, doch der Wolf verspannte sich und wich zurück. "Schttt. Alles gut." sagte er und legte eine Hand auf dessen Schulter. "Da ist nichts." Der Wolf war offensichtlich anderer Meinung und fletschte die Zähne. "Vielleicht ist da doch etwas." Er ließ sich aus dem Sattel gleiten, schob seine Tasche auf den Rücken und hob die Hände, um sich mit einem Zauber gegen einen möglichen Angreifer zur Wehr setzen zu können. Aber es kam kein Angreifer. Das Unterholz brach auseinander und eine Wildsau samt Ferkel rannte als wäre der Teufel hinter ihnen her, quer über die Straße um auf der anderen Seite im Unterholz wieder zu verschwinden. Erschrocken war Ion zusammengezuckt und atmete nun erleichtert auf. "Es waren nur ein paar Schweine." Sein Wolf nahm das allerdings zum Anlass um hinter den Leckerbissen hinterher zu springen. "Noir nein." rief Ion und hob die Hand, als würde das alleine seinen Wolf zum Anhalten bewegen. Aber weit gefehlt. Mit ein paar wuchtigen Sprüngen war das große schwarze Tier verschwunden. Zumindest konnte Ion hören, in welche Richtung er verschwunden war. Er wartete eine Weile darauf, das sein Wolf zurück kehrte, was er aber nicht tat. Als dann in der Ferne ein lautes Aufheulen zu hören war, gefolgt von einem winseln, verließ der Hexer die Straße und bewegte sich durch das Unterholz in die Richtung, in die er seinen Wolf vermutete.
Nicht mehr auf der Straße wurde es noch dunkler und unübersichtlicher und ein seltsamer Druck lag in der Luft. Es war als ob man die Luft scheiden konnte und obwohl es nicht kalt war, konnte er seinen eigenen Atem sehen. Wieder ein Winseln in der Ferne und Ion find an zu laufen, fürchtete er um das Wohlergehen seines Wolfes. Was als nächstes geschah, passierte so schnell und alles gleichzeitig, das er kaum reagieren konnte. Wieder stürzte ein Baum in seine Richtung und nur mit viel Glück konnte er dem Ausweichen und wurde nicht erschlagen, dabei wich er Rückwärts mehrere Schritte zurück und natürlich stolperte er über die Wurzeln eines anderen Baumes. Rücklinks fiel er in gleich mehrere Sträucher und für einen kurzen Moment schien sich das Bild seiner beiden Augen nicht mehr zu einem zusammenfügen zu wollen. Alles verzerrte sich auseinander und verschwamm und ließ sich einfach nicht mehr greifen. Angestrengt schloss er die Augen und doch schien es einen Moment lang noch schlimmer zu werden. Er verlor jegliches Gefühl für sein Gleichgewicht und hatte das Gefühl liegend umzufallen. "Atmen. Einfach nur atmen." sagte er zu sich und tat auch genau das.
Es dauerte eine Weile bis das Drehen und Gefühl des Fallens nachließ und er öffnete vorsichtig die Augen. Noch immer war die Luft dick und stickig und ließ nur wenige Schritt weit Sicht auf sein Umfeld. Mühsam und vorsichtig richtete sich Ion auf und sortierte erst mal seine Kleidung. Schmutzig und der Mantel war an der Seite eingerissen. Zum Glück würde er das Richten können. Er atmete noch einmal durch und sah sich um. "Na toll." sagte er und stellte fest, dass er erfolgreich die Orientierung verloren hatte. Gerade als er weiter gehen wollte stieg eine gewaltige Übelkeit in ihm hoch. Er fuhr herum und übergab sich lauthals im nächsten Busch. Gut das er noch nicht wirklich viel gegessen hatte. Schwer atmend und nun die Übelkeit zurück drängend stütze er sich mit einer Hand an einem Baum ab. "Ich sollte nach Hause zurück kehren." sagte er leise zu sich selber und atmete noch einmal durch.
Dann stolperte er langsam los, gefühlt in die Richtung, aus der er gekommen war. Er fühlte sich ausgelaugt und furchtbar müde und schwach. Den Blick mehr auf den Boden gerichtet als nach vorne ging er einfach drauf los. Es war definitiv zu diesig um sich an der Sonne, wo auch immer sie gerade war, zu orientieren.
Mit mehr Glück als Verstand fand er so etwas wie einen Weg, aber diesen hatte er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen. Erst jetzt sah er auf und betrachtete die Bäume und Sträucher um sich herum und irgendwas war anders. Er konnte es nicht wirklich in Worte fassen, es war mehr ein Gefühl, als etwas konkretes. Und da war noch etwas. Es war als fehlte ihm etwas. Es war nicht die Stille des Waldes oder das fehlen von Leben. Es war etwas Elementareres für ihn, wie Luft zum atmen, aber was wusste er einfach nicht. Er fühlte sich sehend Blind und leer. Alles blinzeln und beruhigend ein und ausatmen half nicht die fehlende Leere verschwinden zu lassen. "geh einfach weiter." sagte er wieder zu sich selber und stolperte langsam weiter, wohin auch immer sein Weg ihn führen würde.