Das Haus der Melitele - Quartiere

Wyzima war die Hauptstadt von Temerien und einst Herrschersitz von König Foltest. Von hohen Stadtmauern umgeben, liegt sie an den Ufern des Wyzimasees; die Ismena fließt durch Wyzima und mündet in diesen. Das Bier "Wyzimas Gold" wird hier gebraut.
Nach der Ermordung des König streiten nun Herzoge und Barone um de Herrschaft.
Zeitweise war Wyzima der Sitze var Emreis, denn Temerien ist von Nilfgard besetzt.
in Wyzima ist der Orden der Flammenrose strak, inoffiziell regiert hier der Orden.
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Jarel Moore
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Jarel atmete durch, versuchte sich halbwegs aufrecht hinzusetzen, zupfte die Decke zu Recht, was eher ein Akt des Zeitschindens war als einer der Ordentlichkeit, schluckte und sah Lothar nachdenklich an. Jetzt, wo er zur Ruhe kam und zum Nachdenken, hallten die Bilder des Traumes nach, aus dem Lothar ihn geweckt hatte. Er erinnerte sich kaum, doch das ausgelöste Gefühl schwappte nun langsam nach oben. Verlust. Endgültigkeit. Schwärze.
Was suchte dieses irrationale Gefühl in dieser Situation? Und warum ließ es sich nicht abschütteln. Es war doch nur ein Traum gewesen…oder?
Was zurück blieb war das Gefühl, nicht weiter abstürzen zu können, zusammen mit einer gewissen Gleichgültigkeit.
„Nicht nur besoffen.“, gab Jarel mit einer seltsamen Nüchternheit zu.
„Und ja. Ich habe den Orden verraten.“
In aller Seelenruhe griff Jarel nach der Tasse auf dem Tischchen und nahm einen Schluck kalten gesüßten Tee. Er deutete Lothar, sich die zweite Tasse zu nehmen und einzuschenken, bevor er zu berichten begann.
„Als ich vor einem Jahr auf der Suche nach einem Knappen Jacob fand, stieß ich unter anderem auf einen Mann. Vyacheslav Sokolov. Gerissener Soldat, hervorragend ausgebildet. Wir reisten nach Nowigrad. Jakob wurde mein Knappe. Der Mann trat in den Dienst des Regenten.“
Weit ausgeholt und verflucht viel ausgelassen. Sicher wusste Lothar das alles bereits. Als Großmeister hatte er schließlich auch auf jedem Baum ein Vögelchen.
„Vor Kurzem erreichte uns die Information, das Nilfgard einen Angriff auf die Stadt plante. Infiltration, Terrorismus, die Stadt von innen heraus zermürben und dann vernichten. Wir schlossen uns zusammen, rekrutierten Hexer, Söldner, Soldaten, tauschten Informationen aus. Auch Ordensinterna. Sowohl der Regent als auch der Großkomtur wussten von der Zusammenarbeit.“
Nun…der eine früher, der andere später.
Wir schleiften die Lager, eroberten ein verlorenes Schiff zurück, retteten die Stadt für diesen Moment.“
Nun senkte der Schattenläufer doch den Blick, atmete noch einmal durch.
„Alles war längst vorbei, als von Herrenloh mich des Verrats bezichtigte. Er verurteilte mich nicht zum Tode, obwohl dies dem Protokoll entsprochen hätte. Zwölf Stockhiebe, vor dem ganzen Orden, selbst durchgeführt. Degradierung.“
Jarel verschränkte die Finger auf dem Schoß. Das klang selbst in dieser stark verkürzten Fassung haarsträubend, warum fehlte jetzt das eigentlich dazu gehörende Entsetzen? Das Gefühl der Demütigung? Die Trauer? Die Enttäuschung? Die Wut?
Warum auch immer. Es war gerade recht praktisch. Warum also damit hadern?
„Ich musste aus der Situation raus. Einen klaren Kopf bekommen. Sobald ich dazu in der Lage war, brach ich hierher auf.“ Oder auch früher als das, zumindest wenn man den Fieberschüben während des Ritts nicht außer Acht ließ.
„Hier angekommen war ich destabilisiert und ein Fünkchen reichte um..“
Er nahm noch einen Schluck Tee. Seine Kehle war staubtrocken.
„Ich stürzte ab. Besoff mich, schluckte Drogen, nahm an Käfigkämpfen teil. Mir war mein Leben ...egal...Alles innerhalb einer Nacht. Jakob fand mich in diesem Zustand und brachte mich in eine Fischerhütte, damit niemand mit ansehen musste, wie sich ein Flammenrosenritter durch den Entzug schleppt. Es ging schief. Erst stolpernden wir über eine weitere Reisende, verletzt, dann ging es mir schlechter.
Ob es der Entzug war oder das Oberstübchen zu viele Schläge einstecken musste weiß ich nicht.
Jakob holte Hilfe und brachte uns in den Tempel.“

Etwas unsicher stellte Jarel die Tasse zurück. Wie ging es dem Mädchen mit den leuchtenden Augen eigentlich? Er würde nach ihr fragen, sobald Varelia wieder nach ihm sah. Oder Iola.
Warum hatte er gerade das Gefühl, keinen von beiden wiederzusehen?
„Hier wurde es noch einmal…kritisch…“ Genauer gesagt war er gestorben und von Slava, Jacob, Avarion und Varelia zurückgeholt worden, aber dies zuzugeben würde zu viele Fragen aufwerfen. Fragen, die ihn – wenn richtig gestellt – ordentlich in die Bredouille bringen würde.
„Das Ergebnis siehst du hier.“ Der Ritter öffnete erklärend die Arme.
„Verzeih Jacob seine Verschwiegenheit. Er wollte mich bei all dem nicht reinreiten.“
Jacob…irgendwas war…mit Jacob….
„Hast du ihn in den letzten Stunden gesehen?“
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Lothar von Tretogor
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Lothar war während Jarels Worten aufgestanden und zum kleinen Fenster getreten. Die Hände verschränkt über den Steiß sah er nach draußen. Jarel kannte das, der Großmeister konnte nicht lange still sitzen, musste beim Denken, Reden und Zuhören sich bewegen. Die Flammendienste waren in dem Sinne durchaus eine Übung in Selbstdisziplin und erst gestern hatte er dabei versagt, um spontan eine Predigt zu halten (aber das waren eh immer die Besten). Und nun? Lothar merkte wie er sich Wenzel Gemütszustand näherte: Wut und Enttäuschung.
Sein Freund erzählte ihm irgendwas oder Unbedeutendes, sich ein paar Nilfgaarder mit eher unkonventionellen Mittel entledigen. Wenzel war pragmatisch genug, wenn es darum ging die Stadt zu halten. Schließlich stand dort ebenfalls der Tempel und seine Macht. Es gab keinen Grund das zu verlieren. Dafür Klingenmeister Moore zu opfern. Der Großmeister atmete schwer ein, eine Chance gab er ihm noch:

„Ich habe in drei Kriegen Truppen geführt.“ Er sprach leise, aber deutlich und blickte weiter aus dem Fenster. „Erfolgreich. Mal Kleine. Mal Große. Veteranen. Rekruten. Milzen. Männer. Auch Frauen. Mitten auf dem Schlachtfeld. Hinter der Front. Im Ansicht magischer Auswüchse. Gegen eine Übermacht. Für den König, für die Freiheit, für Alles und… zuletzt… in eine Niederlage.“ Bitter, aber wahr. „Es war mir wichtig, so viele wie möglich durchzubekommen, sie lebend wieder Nachhause zu schicken. Entscheidungen zu treffen, Befehle zu geben, die Erfolg versprachen. Aber das konnte ich nur, wenn ich wusste wie die Situation war. Mir nutzten keine Berichte, die nur das enthielten was ich gerne hörte. Ich brauche die Wahrheit, Jarel. Jedes Detail, so scheiße es auch sein mag, um eine Entscheidung zu treffen zu können. Gerade von Dir, gerade über Dich.“
Seine Worten waren lauter geworden und er hatte sich umdreht, deutete auf den Mann im Bett. Er hatte beim Reden selbst gemerkt, wie schwer es ihm fiel ruhig zu bleiben. Wie sehr es ihn ankotzen würde, wenn auch dieser Mann ihn im Stich lässt.
„Erzähl mir nicht, dass ein bisschen gemeinsames Gemetzel zu so einem Verhalten Wenzels führt. Dass Du ihn nicht beim Vornamen nennst. Du warst wie ein Sohn für ihn! Der degradiert Dich nicht, der schlägt Dich nicht, der lässt Dich nicht fallen, weil Du mit ein paar Hexern und andren dreckigen Mietschwertern ein paar feindliche Soldat*innen abmurkst!“ Ja, er hat gegendert: eine nilfgaarder Offizierin musste ihm da einen Floh ins Ohr gesetzt haben. Die ungewöhnliche Mehrzahl bei Hexer hingegen wird ihm erst später auf fallen.

„Was bei der Flamme erzählst Du mir nicht?“ Nun konnte man dem Großmeister die Wut und Enttäuschung auch ansehen und er musste sich bemühen nicht noch lauter zu brüllen: „Entweder beichtest Du jetzt oder Du gehst! Heuchler hab ich genug um mich herum. Und Nein, Deinen Knappen kannst Du mitnehmen. Schade, hätte viel aus ihm werden können. Der Glaube in ihm scheint ehrlich, aber seine Loyalität gehört Dir, allein Dir.“
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Jarel Moore
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Gehen.
Lothar misstraute ihm so weit, dass er ihn „gehen“ lassen wollte. Was auch immer dieses Wort in dem Zusammenhang bedeutete. Er setze ihn unter Druck. Das hatte mit Freundschaft nichts mehr zu tun. Nichts mit Vertrauen. Zu gern wäre er jetzt tatsächlich „gegangen“. Allzu gern.
Doch da war Jacob.
Was sollte er also erzählen? Das es einen Anschlag auf das Lebens des Großkomturs gegeben hatte, den er nur mit Mühe hatte abwenden können? Das von Herrenloh ihm ein halbmagisches Spielzeug zur Beobachtung auf den Hals gehetzt hatte, weil er ihm misstraute?
Nein, er war vielleicht gefallen und verstoßen worden, aber verraten würde er den Mann, den er so lange verehrt hatte nicht.
Und Slava? Sollte er ihn verraten? Sich selber verraten? So oft hatte sein Verlobter ihn gerügt, dass er nicht die Klappe halten konnte. Und Recht hatte er gehabt dabei. Damit war jetzt Schluss. Er würde kein Vertrauen mehr schenken. Niemanden.
Lothar trieb ihn gerade wie Vieh in eine Ecke und nutze Jacob als Druckmittel. Was für ein erbärmlicher Trick.
„Jacobs Loyalität gehört dem Orden. Er kommt ohne mich bestens klar. Ich würde sogar sagen, er ist bereit für den Ritterschlag.“, antwortete Jarel nach einigen Momenten und schwang die Beine über die Bettkannte. Diesen Disput würde er nicht im Liegen führen. Etwas in ihm bebte unter der gefühlskargen Oberfläche auf unangenehm intensive Art und drohte entweder zer- oder durchzubrechen. Er schaffte es aufzustehen, die geballten Fäuste links und rechts neben sich, das Kinn erhoben, die Schultern zurückgenommen, wie ein Hahn, der gleich mit Krallen und Schnabel auf einen Eindringling losgehen wollte.
Er ging nicht auf von Tretogor zu, sondern bleib am Bett stehen. Allein schon der Tatsache geschuldet, dass er sich heimlich an das Bettgestell lehnte, um überhaupt diese Haltung einnehmen zu können.
Er sah dem Großmeister mit einer Kälte ins Gesicht, die der Ordensführer noch nie bei seiner ehemaligen Leibwache gesehen hatte. Selbst auf dem Schlachtfeld nicht, während sein Untergebener ein Leben nach dem anderen nahm, bis zu den Knöcheln in noch warmen Blut und den nächsten feind bereits im Visier.
„Du ziehst meinen Jungen mit rein, benutzt ihn als Druckmittel, eine Seele, die der Flamme nicht treuer ergeben sein könnte. Das sind keine Führungsqualitäten. Das ist eine Schande.“
Jarels Stimme war leise, dunkel, rau, doch ohne ein Zittern, sondern stattdessen schneidend kalt.
Du hast Recht. Ich habe persönliche Verfehlungen begangen. Dafür wurde ich bestraft. Dafür bin ich bereit zu gehen.“ So viel zu Varelias Idee, zu Slavas Plänen. So viel zu seiner Zukunft. Kacke.
„Um deiner eigenen Ehre wegen. Halt Jakob da raus. Du strafst einen Unschuldigen. Das ist nicht der Ritter, dessen Schatten ich so lange war, für den ich und der für mich sein Leben riskiert hat. Gerechtigkeit war dir immer wichtig, Ehre, Zusammenhalt. Und wenn sich das nicht geändert hat, lasse den Jungen aus dieser Angelegenheit raus. Er hat Talent. Und er ist ein guter Junge. Er hat sich die Zukunft verdient, die er sich wünscht. Als Ritter. Im Orden.“
Der angeschlagene Ritter atmete tief durch. Nur nicht zittern, nicht stöhnen, nicht zeigen, wie nah er daran war auf mehr als eine Art zusammenzuklappen.
„Er hat den Orden nicht verraten. Das war allein ich.“
Er hielt Lothars Blick stand, so voll Adrenalin das er nicht erkannte, dass er gerade wie ein Stier auf ein rotes Tuch zustürmte. Eines, hinter dem ein gehässiger Torero einen Abgrund verbarg.
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Lothar von Tretogor
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Dafür ging Lothar den Schritt auf Jarel zu. Mit gemischten Gefühlen betrachtete er seinen Leibwächter, diesen trotzigen Dickkopf, der ihn gerade zur Weißglut trieb.

„Ja! Er hat den Ritterschlag wahrlich verdient. Ich geb’ ihn ihm persönlich, wenn Du mich darum bittest. Er ist verdammt gut mit dem Schwert, hat mich zum Schwitzen gebracht, mir gezeigt was für ein alter Mann ich bin. Er hat seinen Kopf, sein Herz und auch seine Eier am richtigen Ort. Scheiß auf seine Herkunft von sonst wo. Aber ich kann niemanden brauchen, der mich an der Nase herum führt! Der jedes Wort so dreht, dass es ihm passt. Der eine gereichte Hand ausschlägt und mir stattdessen eine Finte ins Gesicht haut. Den man um Hilfe bittet, aber sie einem verwehrt wird.
Ich brauche Vertraute, Jarel und die gehen mir zunehmend aus. Warum versteckst Du Dich? Ich hatte gehofft Dich Wyzima zu finden, bevor Du abstürzt. Ich bin gekommen sobald ich zu Dir durfte. Statt im Tempel darauf zu warten, dass Du zur Flamme kriechst!“


Leise konnte er nicht mehr reden. Dennoch schielte ein Auge, eine Hand darauf, Jarel zu stützen sollte er kippen. Die Anspannung war kaum merklich. Diese Würde wollte er ihm gerne lassen, aber doch verhindern, dass er sich mehr tut als nötig.

„Denn ja, wo ist die Ehre, die Gerechtigkeit, der Zusammenhalt, das Vertrauen zwischen uns? Wie soll ich Dir vertrauen, wenn Du es nicht tust? Ich kann nicht mehr als Dir anzubieten, es zwischen uns beiden zu klären. Nicht zwischen Großmeister und... Ritter. Halten wir Jakob raus. Gerne.“ Nein, kein Abgrund. Der Torero nahm das rote Tuch runter, legte es zusammen, warf es weg. Atmete selbst schwer durch.
„Was sind Deine Verfehlungen? Wenzel hat sie mir nicht genannt, nur dass ich über Dein Schicksal entscheiden soll. Aber niemand sagt mir, was Du verdammt nochmal angestellt hast. Was zwischen Dir und Wenzel schief gelaufen ist und wichtiger warum? Was hat euer Vertrauen so erschüttert? Was hast Du getan? Dass es soweit gekommen ist.“

Eigentlich konnte er sich kaum etwas vorstellen. Jarel war ein Killer, aber das wusste auch Wenzel. „Aber nein, ich weiß nicht, wo Jakob ist. Mir sagt doch keiner was. Ich dachte er geht nach dem Training hier ins Waisenhaus und ist er nicht hier?“ Da war der Anflug von Sorge in der Stimme, sie hielt sich noch zurück, denn der Knappe war häufiger unentschuldigt unterwegs und konnte doch ganz gut auf sich aufpassen.

Die Erleichterung wurde größer je länger er diesen Worten Jarels lauschte: „Gibst du mir dein Ehrenwort, dass kein Schatten auf Jakob fällt, wenn ich gestehe? Dass er sein Leben weiterleben, seine Karriere weiter verfolgen kann, egal was mit mir geschieht? Dein Ehrenwort, Lothar. Nicht als Großmeister. Als der der du warst, als wir uns das erste Mal begegnet sind? Als...Freund?“

Lothars Hände legten sich auf Jarels Schultern, kräftig und sanft zugleich: „Ja, Frederic, Du bekommst mein Wort. Ich kümmere mich um Deinen Jungen, als Großmeister und als Dein Freund. Bitte vertrau Dich mir an, es wird zwischen uns bleiben.“ Dunkelblauen Augen suchten diese unendlich Schwarzen.
„Aber setzen wir uns… ich werd alt.“ Zumindest er nahm wieder Platz. Sollte Jarel sich wieder auf sein Bett setzen, würde er die Schultern vielleicht einen Tick zu lange halten, aber das musste verdammt nochmal weh tun.
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Jarel Moore
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„So lange du nur Jakob da raus hälts.“
Jarel begann zu zittern und nahm endlich wieder auf der Bettkante Platz, neben Lothar, wesentlich weniger elegant als vor Minuten der Kniefall. Der Großmeister konnte die steigende Hitze spüren, die von seinem ehemaligen Leibwächter aus ging.
„Ich…ermittle seid einiger Zeit.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Auf eigene Faust, niemand im Orden hat damit zu tun.“ Der Ritter atmete durch, senkte die Arme wieder und krallte sich regelrecht an der Bettkante fest.
Er riskierte damit mehr als das, was er bereits verloren hatte. Wenn er sich abermals mit seinem Vorgesetzen…mit seinem Freund… verschätzte, landete er auf dem Scheiterhaufen.
Trotzdem gab es jetzt kein Zurück mehr.
„Ich ermittelte gegen Hemmelfart. Gegen den Hierarchen. Gegen unser aller geistliches Oberhaupt. Und ich habe Dinge herausgefunden…“
Jarel verzog angewidert das Gesicht. „Und glaub mir, was ich herausgefunden habe, ist mehr als nur ein kleiner Skandal. Hemmelfart…setzte die Forschungen von de Aldersberg fort, Lothar. Und eines seiner Experimente stellte er nach meiner Zusammenarbeit mit der Krone Wenzel zur Seite um mich auszuspionieren.“
Der Ekel in Jarels Blick schlug einen Moment in Entsetzen um, dann in Trauer.
„Wenzel fand es heraus. Er fand heraus, dass ich gegen die Person ermittelte, nach dessen Schriften und Worten er den Orden führte. Die Person, die für ihm dem Göttlichen am nächsten kam.
Und er fand heraus, dass ich die gewonnen Informationen mit Dijkstra geteilt habe, dass ich vor hatten gegen Hemmelfart zu handeln. Das nennt sich Hochverrat.“

Mit einer hektischen Bewegung wischte sich der Schattenläufer den Schweiß von der Stirn.
„Und ich fand heraus, dass er mich ausspionieren ließ. Ich konfrontierte ihn damit. Es…eskalierte. Er hat mich nicht hinrichten lassen, warum auch immer, aber er demütigte mich vor dem ganzen Orden. Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so schwer treffen würde. Die Blicke der anderen. Das plötzliche Misstrauen. Ich habe an diesem Tag nicht nur mein Vorbild, meinen väterlichen Freund verloren, sondern auch die Gemeinschaft in dessen Mitte ich Zuhause war. Scheiß was auf meinen Rang.“…nun…das entsprach nicht ganz der Wahrheit… „Scheiß was auf den Sold. Scheiß was auf die Privilegien. Ich verlor meine Familie innerhalb eines Tages. Mein Zuhause. Und hör auf damit, dass ich dafür dankbar sein sollte, noch am Leben sein zu dürfen.“
Jarel versagte die Stimme und es dauerte eine geraume Zeit, bis er in der Lage war weiterzusprechen.
„Ich hab das alles nicht verkraftet. Und hier angekommen bin ich mit meiner negativen Einstellung mit Jakob aneinander gerasselt.“
Seine Stimme wurde leiser und sein Blick wanderte immer tiefer.
„Mein Leben war mir nichts mehr wert. Ich hab ganz bewusst gesoffen. Ganz bewusst Drogen genommen. Jakob allein ist zu verdanken, dass ich noch auf dieser Welt weile. Er hat mich an den Ohren da rausgezogen.“
Verschämt sah der Reisende zur Seite, weg von Lothar.
„Zufrieden mit dieser Wahrheit? Reicht es jetzt?“, brummte er mit aus Notwehr erwachsenem Trotz.
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Lothar von Tretogor
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Diese Wahrheit… gibt es mehr Wahrheiten?
Irgendwie passte es alles nicht ganz zusammen. Wenzel war schließlich fröhlich mit dabei den Orden durcheinander zu werfen. Dass Hemmelfahrt auf der Liste der Verdächtigen steht ist gewagt. Aber die Tage der Armee und die Kriege haben ihm oft genug gezeigt, dass niemand unfehlbar ist - je mächtiger sie werden. Für einen Moment schloss der Großmeister die Augen. Eigentlich wollte er im Orden endlich Ruhe finden. Was gäbe er darum auf dem Schlachtfeld zu stehen als auf diesem Haufen Politikscheiße, die ihm zunehmend die Vertrauten entriss.

„Ich weiß nicht, ob es reicht.“ Lothar rutschte an die Wand hinter dem Bett und streckte die Beine aus. Viel von einer erhabenen Exzellenz war da nicht mehr, neben dem Lümmeln wirkte er müde.
„Du musst wissen ob es reicht. Ob Du noch etwas auf dem Herzen hast, was ich lieber durch Deine Zunge erfahre als durch eine Andere.“ Freundschaftlich klopfte eine Hand auf Jarels Oberschenkel. Seine Augen fielen auf das geschnitztes Bildnis der Göttin, die Greisin, die Mutter, die Tochter. Auf Letzterer blieben sie länger. Er musste schmunzeln. Das saßen sie die beiden Ritter der Flammenrose. „Im Angesicht Meliteles.“
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Jarel Moore
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Der angeschlagene Ritter drehte den Kopf mühsam zu seinem Großmeister und sah ihn entgeistert an.
Hochverrat. Selbstmordabsichten. Und er fragte nach mehr?
Diese beiden Geständnisse hatten ihm viel gekostet, seine Kraftreserven, einen großen Teil seiner Selbstbeherrschung und Lothar tat es ab als hätte er gestanden, einen Teller Grütze in der Küche gestohlen zu haben. Er erschrak nicht einmal. Er war vollkommen ruhig. Zu ruhig.
Langsam verengte sich Jarels nicht zugeschwollenes Auge und er musterte den Ordensoberen mit einer Mischung aus Erschöpfung, Unverständnis und Ratlosigkeit.
Was wusste von Tretogor? Spielte er mit ihm? Hatte ihm Wenzel längst alle Informationen zukommen lassen? War dies eine Art Vertrauenstest? Sollte er gestehen? Wenn ja, was? Das der Auftrag Hemmelfart ins Visier zu nehmen vom Großkomtur selber gekommen war? Seine Beziehung? Jakobs Beziehung?
Nein. Selbst wenn Wenzel ihn noch weiter verraten hatte als er bis zu diesem Moment annahm, er würde nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Er hatte nicht mehr viel, aber den Stolz, kein Verräter zu sein, würde er sich nicht nehmen lassen.
Was sollte diese Scharade? Was steckte dahinter?
Die nervliche und körperliche Erschöpfung, die das Geständnis ausgelöst hatte wurde von einem anderen Gefühl zurückgedrängt.
Misstrauen.
Er hatte für Lothar freundschaftliche Gefühle gehegt wie auch für Wenzel.
Hatte auch der Großmeister vor ihn zu verraten? Hatte er das schon längst? Hatte er sich abermals getäuscht? Dem falschen Vertraut?
„Du hast genug gegen mich in der Hand, um mich mehrfach vierteilen und die Reste auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu lassen. Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst. Wenn du etwas wissen willst, frag konkret.“
Der Reisende verstand die Welt nicht mehr. Mit allem hatte er gerechnet. Aber nicht mit…
…ja, mit was eigentlich…
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Lothar von Tretogor
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„Welchen Nutzen habe ich davon, wenn Du brennst?“ Vielleicht war der Großmeister zu lange Soldat gewesen, um Fanatismus zu viel Raum zu geben. Oder hatte schlicht zu viele Leben gesehen, die einfach so ausgehaucht wurden. Oder war dem Hierarchen zum ersten Mal begegnet, als er unter ihm während der Parade in Nowigrad vorbeiritt. Beim Frieden von Cintra, nach dem Gemetzel bei Altenpuppen. Oder er saß hier wirklich als Freund statt als Großmeister.

„Bevor ich Dich auf den Scheiterhaufen bringe, in wie vielen Stücken auch immer, schreibe ich Mutter Varelia einen Brief, dass sie dafür sorgen soll, dass Du verschwindest ohne dass ich weiß wohin.“ Er sprach leise den Blick auf das Bildnis der Göttin gerichtet „Du wirst aus dem gleichen Gründen nicht brennen, die Wenzel hatte, diesen letzten Schritt nicht zu gehen. Um der alten Zeiten willen.“
Zuletzt geändert von Lothar von Tretogor am Samstag 30. Dezember 2023, 10:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Der Schattenläufer versuchte sich ebenfalls an die Wand zu lümmeln, an der sein Bett stand, was ihm mehr schlecht als recht gelang. Er war viel zu verkrampft und das nicht nur körperlich. Zu viel ging ihm im Kopf um, nicht zuletzt dieses Dängen nach vorn, das Pochen zwischen den Schläfen, das Ziehen am Geist, wenn man ahnte, dass einem etwas Wichtiges – etwas Essentielles – entgangen war, aber man nicht darauf kam, was. Was war das? Der Schwarze? Wollte er nach vorn? Ausbrechen?
Es war….nicht greifbar, wie ein unsichtbares Schwert, das über einem hing und jederzeit herabstürzen konnte. Er wollte sich darauf konzentrieren, um dieses Gefühl zu ergründen, aber er schaffte es nicht.
Lothar würde ihn also nicht vierteilen, verbrennen oder anderweitig hinrichten lassen. Er erklärte sich sogar bereit, Verrat für ihm zu begehen.
Irritiert beobachtete der Schattenläufer seinen Chef. Das war nun wahrlich anders gelaufen als gedacht.
Und da war da noch Varelias Idee….
Angestrengt rieb sich der Ritter den Teil der Stirn, der keine blauen Flecken aufwies und schwieg eine Weile. Atem schöpfen. Zu Verstand kommen.
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Lothar von Tretogor
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Man hörte den Großmeister die Luft einatmen, er schloss die Augen und er lehnte sich an die Wand. Offenbar wartete er ab, wie sein ehemaliger Leibwächter diese Nachricht auffasste. Innerlich wusste Lothar nicht so recht weiter. Irgendwo hatte er sich mehr von dem alten Freund erhofft. So genau konnte er es aber nicht greifen.

Er brauchte sicher die Berichte aus Nowigrad, aber die Details würde ihm Jarel schon noch liefern, sobald es ihm besser ging.
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Jarel Moore
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Da saßen sie nun, die beiden alten Männer die versuchten die jugendlichen Lümmel zu spielen und schweigen sich an. Der eine misstrauisch, enttäuscht und verwirrt wie der andere, keiner lieferte dem zweiten die erwünschte Antwort was zur Folge hatte, dass von der langjährigen Freundschaft nicht viel mehr übrig war als zwei düster wabernde Fragezeichen über beider Herren Köpfen.
Fast konnten einem die zwei leidtun. Aber nur fast.
Im Grunde wollte der Schattenläufer nichts mehr als allein sein, schlafen, dieses seltsame Gefühl ergründen, was ihm seit dem letzten Traum wie ein Joch im Nacken hing, aber das kam nicht in Frage. Vielleicht verstand er die ganze Situation auch einfach nur falsch.
Und vielleicht brachte eine kleine Plauderei weiter.
Also riss der angeschlagene Ritter sich zusammen, versuchte sich irgendwie bequemer hinzusetzen und schlug einen Plauderton an.
„Wie kam es zu der neuen Kinnfrisur? Hast du deinen Barbier verärgert?“
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