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von:
Friedhof
Datum: Nachmittag 10. August 1278
betrifft: niemanden
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Wie man sich täuschen konnte…
Aber Crehwill musste es trotzdem wissen und lenkte Rekin in die Stadt - mitten rein. Gut erkennbar als das was er war. Die Tage oder besser dieser Nachmittag mit Sarray war so nett gewesen, beinahe idyllisch. Die Freundlichkeit, die ihr entgegen kam und deren Blase er sich fast normal bewegen konnte. Personen, die ihn plötzlich nicht mehr nur mit Widerwillen ansahen. Er hatte sich bei den Gedanken ertappt, dass es sich vielleicht lohnt für Sarrays Heimat zu kämpfen statt den Krieg Krieg sein zu lassen. Aber Jarels Erzählungen, seine so tief sitzende Befürchtung nicht der sein zu dürfen, der er war. Das war nicht nur Angst, dass irgendein Hexer zufällig von seinem Fluch erfuhr und beim Entzaubern doch zerhacktstückte. Da war so viel mehr Niedergeschlagenheit. Der Junge musste eine Menge mitgemacht haben in den letzten Tagen, die er selbst verschlafen hat. Er kam schon aus dem Haus der Alchemistin wie ein begossener Pudel undseine Reaktion zu Sokolov konnte er noch nicht ganz einordnen. Er musste sich diese Stadt jetzt selbst ansehen.
Während der Hexer im gemächlichen Schritt auf das Stadttor zu ritt wurde ihm langsam klar, dass er bisher nur die Teile der Stadt gesehen hatte, die Sarray ihm hatte zeigen
wollte.
Ob die quirlige Zwergin das bewusst getan hatte? Vielleicht hatte sie ihm nur eine Freude machen wollen. Oder aber es war reiner Selbstschutz. Je näher er der umgrenzende Mauer kam, desto mehr festigte sich die letzte Annahme.
Während Rekins beschlagene Hufe gemächlich auf dem Holz der Brücke dröhnten musste er einer Schlange aus Wartenden ausweichen, die von den Stadtwachen aufgehalten, kontrolliert und schikaniert wurden. Besonders auffällig wurde, dass es definitiv komplizierter und langsamer voranging, wenn man nicht dem Schema ‚Mensch‘ und ‚reich‘ entsprach.
Mehr noch, er musste sogar beobachten, wie ein sogar gut gekleideter Elf allein aus dem Grund unter Schlägen und Stößen abgeführt wurde, weil irgendein Siegel auf irgendeinem Papier fehlte. Ein Papier, dass während der Kontrolle in den Untiefen der Taschen einer der prüfenden Wachen schlicht verschwand. Und niemand protestierte, niemand ergriff Partei für den flehenden und zeternden Elfen, niemand sah genauer hin.
Näher an den Bögen, die die Stadtmauer zu einem anscheinend unüberwindlichem Ring zusammenfügten war Crehwill gezwungen abzusteigen. Die Mitte der Brücke wurde von Wachen und Wartenden blockiert und am Rande…baumelten Gehängte, schon im gut duftenden, fermentierten Zustand, denen man nicht zu nahe kommen wollte.
Endlich in der Stadt angekommen hatte der Hexer die Muße der Architektur der Stadt zu bewundern. Und die hatte wirklich einiges zu bieten. Mehrstöckige, mit Tonziegeln gedeckte Häuser, Fachwerk, unzählige aufwändige Bögen, Butzen- und Buntglasfenster, hohe Speicher mit spitzen Fenstern, Läden mit bunten Auslagen, Schlachtereien, Marktstände, pittoresk bepflanzte Beete, gepflasterte Wege, verzierte Brunnen, einladende Terrassen vor den gut besuchten Tavernen.
Eine schöne Stadt. Wenn man in die Richtige Richtung sah. Sah man jedoch in die Schatten und Ecken, ergab sich ein anderes Bild.
Die Straßen glänzten vor gelben Pfützen, obwohl es seit Tagen nicht geregnet hatte. Kaum bekleidete Männer mit pergamentartiger, von Unreinheiten überzogener weißer Haut, unvollständigem oder vollständig fehlendem Gebiss taumelten mit leerem Blick durch die Straßen und erleichtern sich sowohl vorne als auch hinten an den Wänden der Gebäude.
Betrunkene pöbeln an, wer auch immer ihnen in den Weg tritt. Bis zur Unkenntlichkeit vermummte Personen erleichterten jeden, der unachtsam – oder betrunken – genug war um das wenige, was er noch hatte. Heruntergekommene Huren warfen sich allen Männern an den Hals, die mehr als nur Lumpen am Körper trugen.
Und selbst all der Gestank und Dreck war nicht das, was am die tiefsitzenden Eindrücke hervorrief.
Das Schlimmste an dieser Stadt war die Repräsentation von Recht und Ordnung auf den Plätzen, Prediger, die jeden verdammten die anders waren, gegen Anderlinge hetzen und mit einer unglaublichen Hingabe alles als falsch und verwerflich betitelten, was nicht ihrem Weltbild entsprach und zu guter Letzt… die Scheiterhaufen.
Allein drei auf dem Platz des Hierarchen. Der linke einige Tage alt, heruntergebrannt und kalt, der am Pfahl fixierte Kadaver klein, ein Zwerg aller Wahrscheinlichkeit nach, vielleicht ein Gnom, so gut waren die Überreste nicht zuzuordnen.
In der Mitte auf einem breiteren Grund ein munteres Feuer aus Büchern, dass gerade von jemandem mit frischer Nahrung versorgt wurde, dessen Kleidung die Zugehörigkeit zum Glauben zeigte. Die ach so oft verbreitete brennende Rose.
Der Scheiterhaufen ganz rechts wurde gerade aufgeschichtet. Sicherlich war der dazu gehörende Delinquent bereits gefangen und verurteilt. Und man konnte davon ausgehen, dass er spitze Ohren oder eine magische Begabung trug. Oder gar beides.
Neben Wachen und Rittern der Flammenrose befeuerte noch eine dritte Gruppe Personen die bedrückende Stimmung, die zwischen den bunten und ausgelassenen Szenen blitzen: Hexenjäger, mit hohem Lederkragen und typischer Maskierung, wobei nicht immer klar war, wo die Tempelwache aufhörte und die Hexenjagd begann.
In dieser Stadt konnte man Spaß haben. Wenn man sich in der passenden Gegend befand, Geld hatte und vor allem oder auch nur wenn … man ein Mensch war.
Und Crehwill hatte weder Geld noch war er ein Mensch, zumindest nicht Mensch genug wie er heute wieder hören konnte. Abschaum, Mutant, Anderling. Na ja, ein paar der Gestalten waren froh gewesen, dass sie jemanden gefunden hatten, auf den selbst sie herabblicken konnten, weshalb er meist nett zurück lächelte. Nur bei den Flammenrosenrittern ließ er das schnell bleiben. Lächeln konnten die gar nicht ab. Der eine Blonde wurde richtig unfreundlich, zitierte Crehwill vom Pferd und kam energisch auf ihn zu. Der Hexer musste sich Mühe geben nicht auszuweichen, als er einen ordentlich Schlag mit der flachen Hand auf die Schulter bekam, nur um ein bisschen herumgeschubst zu werden. Möglicherweise wäre es mehr eskaliert, wenn sich keine Wache eingemischt hätte.
Sieh an, der Kleine hatte Dich doch verhaftet.