Gildorf | Privatwohnung | Slavas ehemalige Wohnung, jetzt Schuras und Valjans Wohnung

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
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Pandora
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Jordan überlegte bereits daran herum, wie man ohne großen technischen Aufwand ein Verdickungsmittel für Kerosin (sofern sie überhaupt an die MiG rankamen) herstellen konnte. Als guter Lausbub hatte sie früher aus allem möglichen Bomben und Brandsätze gebaut, sehr zum Verdruss ihrer Mutter, die ständig Brandflecken in Schürzen und Röcken hatte flicken dürfen. Feuerwanze hatte ihr Bruder sie mal getauft, als ein rotes Kleid besonders hübsch verziert an ihr herunter gehangen war. Der Gedanke ließ ein Schmunzeln auf ihren Lippen aufleuchten, doch es verschwand auch schnell wieder. Auch ihre Familie war nun unerreichbar fern und den Witz begriff hier entsprechend niemand.
Da der Kopf mit derlei Gedanken beschäftigt war, beschloss die Zunge einen Alleingang und sie erwiderte abwesend: "Kyrillisch kann ich lesen, kein Ding." Erst als der Satz über ihr Ohr eine weitere Runde an der Schaltzentrale vorbei drehte, stutzte sie und warf Sokolov einen kurzen Blick zu. Ach Scheiß drauf, war ja schon egal. Sie hatte Schlucha ja schon halb enttarnt und damit auch sich selbst. Ein Heben der Schultern, dann gleich ablenken. "Ich denke, mit dem Kerosin fällt mir was ein. Aber dazu müssten wir es erstmal haben. Ich jedenfalls schwimme wie die bleierne Ente." Was komplett gelogen war: ihre obere Rückenmuskulatur sprach eine andere Sprache, aber nur weil sie regelmäßig schwimmen musste hieß das nicht, dass sie es auch mochte.
Sie war ein Adler, keine Gans.
Jordan blieb stehen und nickte. Ja, so war das doch meistens. Man konnte sich leider nicht aufs Feld stellen und fragen, wer der Herrschaften denn unschuldig war. Bitte vortreten, den Rest ab zur Erschießung. Man hatte immer mit der Melange zu tun und Jordan war oft genug froh, dass sie einfach Koordinaten hatte, auf die sie schießen sollte und sich jemand anderes den Kopf darüber zerbrach, ob das, worauf sie da schoss auch das richtige war. Zweifel durfte sie nicht haben, nicht an ihrem Tun und schon gar nicht an den Entscheidungen ihrer Vorgesetzten. Dann wäre sie am falschen Platz. Dennoch hatte sie manches infrage gestellt, oft genug aus Briefings eine Diskussion gemacht, bis einem Colonel oder General der Kragen geplatzt war. Genausogut hatte sie aber auch den Punkt gekannt, an dem man besser nicht weiter stritt.
Also erstmal nicken. Freunde finden. Ein alter Spruch fiel ihr ein: Bogenschießen, Freunde treffen. Gab es hier wohl Bögen? Automatische Schusswaffen wohl kaum. Wäre sie einen Einsatz geflogen und nicht ein Training, hätte sie wenigstens ein süßes kleines MG dabei gehabt. Für den Hausgebrauch sozusagen. So war sie auf ein Messer zurück geworfen. Apropos...
"Das find' ich schon. Wenn ich mal was von oben gesehen habe, komm ich unten klar.", erwiderte sie zuversichtlich und ging zu ihrem Gepäck, um darin nach dem Messer zu kramen und es sich in den Stiefel zu schieben. Sicher war sicher. Dann stopfte sie alles wieder in den Rucksack und schnallte den G-Suit obenauf. Vielleicht konnte sie den ja irgendwo gegen ein paar Münzen eintauschen. Den Rucksack schwang sie sich wieder auf den Rücken und von irgenwoher hatte sie plötzlich wieder die Fliegerbrille in der Hand. Bedauernd musterte sie diese. "Die fällt wohl auch nicht in die Kategorie 'unauffällig', hm? Ich lass sie hier, dann weißt du, dass ich wiederkomm. Das Ding ist mir wichtig, klar?" Dabei fuchtelte sie mit der Brille vor Sokolovs Nase herum, bevor sie diese auf den Tisch legte. Der Goldrand schimmerte im spärlichen Licht und die verspiegelten Gläser zeigten je zwei Jordans und zwei Sokolovs. Erstere blickte noch einmal in die Augen des sitzenden Mannes, als versuche sie darin irgendwie die Antwort zu finden auf eine ungestellte Frage. Mindestens die, ob sie jetzt salutieren sollte oder nicht. Für Novka hatte sie...
Jordan trat einen Schritt zurück und nahm Haltung an. "Oberst Sokolov. Melde mich ab zum Matratzenhorchdienst." Immerhin der Salut war korrekt, auch wenn sie zwinkerte. "Also dann. Wir sehen uns." Wie bald das sein würde, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Und damit verschwand sie hinaus in die unbekannte Stadt. Oder besser Welt.
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Vyacheslav Sokolov
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Sie konnte kyrillisch lesen. Klar. Mehr als ein hochgezogene Augenbraue gab es aber nicht dafür. Es wunderte ihn nicht.
Was er wirklich wohlwollend registrierte war, dass er wohl wirklich eine Mitstreiterin in Sachen Militärtechnik gefunden hatte.
Er nickte abermals als sie sich verabschiedete und die Brille da ließ. Sonnenbrillen gehörten nicht in Slavas Repertoire. Er mußte nicht einmal einem Versuch widerstehen, sie aufzusetzen. Er würde sie nur wegpacken und nicht anrühren.
"Besser nicht. Es gibt Brillen, die wirst du sicher auch sehen, aber lach dann nicht."
Erläuterte er. Die frühen mittelelterlichen Versionen von Brillen sahen einfach globig und unzweckmäßig aus. Lächerlich.
Er nickte zackig zu ihrem Salut. Mehr aus Reflex.
"Wir sehen uns." Bestätigte er. Blieb aber sitzen. Er würde sich vielleicht noch ins Badehaus verabschieden, oder den eigenen Zuber noch einmal aufwärmen. Er erinnerte sich daran, weshalb er eigentlich nach Hause gekommen war, aber den Rest der Arbeit würde er wohl im Homeoffice erledigen und einen boten losschicken.

Die Türe war lange geschlossen, da saß er noch immer und sah ihr nach.
Und weshalb dachte er jetzt an seine Frau?
Vermisste er sie nun plötzlich? Er hatte sie ein paar mal erwähnt, indirekt. 'Mit einer Ärztin verheiratet gewesen...' Natürlich gehörte immer zwei zum Scheitern einer Ehe. Wann er damals nun genau realisiert hatte, dass sie ihn mit Ruslan betrog wusste er lägst nicht mehr. Er wollte sich gern einreden, dass er es immer schon geahnt hatte und deshalb war auch er nicht treu gewesen - Henne und Ei. Aber auch wenn er der erste gewesen sein solle war es trotzdem in seinen Augen etwas anderes, wenn er sich im Rahmen seiner Berufsausübung abreagierte oder ob sie hinter seinem Rücken eine Beziehung mit seinem besten Freund begonnen hatte.
Ruslan, dessen Leben zu retten er die Welt aus den Angeln gehoben hatte.
Vielleicht hatte es damit begonnen.
War zu einer Obsession geworden.
Er begriff das meiste davon noch immer nicht
Und erst jetzt wagte er darüber nachzudenken, ob Ruslan wirklich nur ein Kamerad für ihn gewesen war. Jetzt... im Rückblick...
Bljad.
Wenigstens konnte er sicher sein, dass Artjom sein Sohn war. Der erste Sohn sah fast immer dem Vater ähnlich, und der Junge hatte zwar nicht seine grünen Augen, aber seinen hellem rotblonden Teint geerbt. Ruslan hatte dunklere Haare gehabt und auf jeden Fall dunklere Haut.
Armer Bursche. Nicht das beste Erbe.
Warum ging er ihm jetzt durch den Kopf?
Weil er die beiden dieser Amerikanerin gegenüber als Argument gebracht hatte?
So lange waren sie ihm Scheißegal gewesen...

Eigentlich hatte er sich den Zuber füllen wollen, aber statt diesen zu leeren und erneut zu füllen machte er sich doch wieder auf den Weg zur Wache. Er wollte keine weitere Zeit verstreichen lassen und direkt mit den Hexern reden - wohl wissend, dass ihm die nächsten Tag kaum eine Pause lassen würden.

<weiter in Kerker>
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Vyacheslav Sokolov
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von: aus dem Kerker zurück zur Wohnung
Datum: Am späten Abend, gegen 21:30 - 14. August 1278, Samstag
betrifft: ggf. Pandora
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Es war spät, als Slava seine Wohnung wieder erreichte.
Müde und abgespannt schloss er auf. Zu viel geschah in zu kurzer Zeit und zuweilen verlor er fast vollständig das Zeitgefühl. Bei manchem hatte er Déjà-vus, anderes strich er fast vollkommen aus seinem Gedächtnis. War er wirklich noch bei vollkommener geistiger Gesundheit oder wurde der Oberst doch langsam wahnsinnig?
Wie auch früher schon konnte er nie ganz sicher sein.
Sein Instinkt warnte ihn zwar, aber ob es seine Paranoia war, die Drogen, Verfolgungswahn oder verkannte Realität oder tatsächlich etwas reales... Jedenfalls blieb beständig der Eindruck, dass er etwas wichtiges übersah.
In der Zone hatte er darauf gehört und lag meist richtig, aber die Zone war anders. Sie vertrug einen Psychopathen und er konnte vieles von dem was er tat mit dem Erfolg rechtfertigen den er zeitigte, da ließ sich selbst sinnloses Verhalten am Ende als beabsichtigt hindrehen. Dafür hatte er ein besonders Talent entwickelt.
Diese Welt war anders. Vielleicht nicht komplexer aber es gab andere Regeln und sie verlangte andere Talente von ihm und deutlich mehr Anstrengung, mehr Konzentration und mehr Sorgfalt.
Und er begriff noch immer so vieles nicht.

Er hatte aufgeschlossen und die Tür hinter sich zugezogen.
Dunkel war es in seiner Wohnung, kühl. Es roch immer noch ein wenig nach Jarels Seife und nach Essen.
Der Ritter war noch keinen ganzen Tag weg und er vermisste ihn schon. wie sollte das noch werden...
Erst einmal setzte er sich einfach im Dunkeln an den Tisch, schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch.
Erst einmal wein wenig abschalten.
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Alexander Lebedew
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Lebenslauf: Schura

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von: Slavas Wohnung
Datum: ca. 22:00 Uhr, 14. August 1278, Samstag
betrifft: Valjan, Slava
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Es dauerte nicht sehr lange, dann klopfte Schura an.
Er hielt sich - was erstaunlich war - nicht einmal lange auf, gab nur einen Bericht ab, holte noch einen PDA mit der Erklärung, er wollt versuchen, das Mesh einzurichten, damit sie wenigstens hier in der Stadt kommunizieren konnte. Das Solarladegerät nahm er auch mit. Slava war nicht ganz einverstanden, aber zu müde um vehementer zu widersprechen. Er hoffte einfach, dass Schura verantwortungsvoll damit umging.
Und er teilte ihm auch in einem sehr kurzen Abriss mit, was sie im Wald beobachtet hatte, versicherte, dass niemand sie gesehen hatte. Dann verschwand er mit einem Grinsen, das viel mehr sagte als jedes Wort.

<bezieht sich darauf und geht hier weiter>
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Was Nachtruhe und Entspannung anging, das war für Slava gelaufen.
Was Schura berichtet hatte brachte diesen Nikolavo ziemlich eindeutig in Verbindung mit einem Überfall auf eine Delegation der Ritter von der Flammenrose... die, das wusste zumindest er, höchst wahrscheinlich zur Eskorte des Hierarchen selbst gehörten.
"Блять! Сука блять иди нахуй!!"
Erlaubte er sich einen wütenden Ausbruch und ein Tonbecher musste es ausbaden und schoss mit Schwung gegen die Wand, allerdings zerschellte er nicht dort sondern erst am Boden. Fachwerkwände waren einfach keine Ziegelwände und auch das ärgerte ihn gerade. Auf Höhe der Treppe war noch immer sein Faustabdruck zu sehen.
Ausgerechnet. Wenn man ihn identifizierte, als Reisenden und bis zu ihm verfolgte... Er konnte nur hoffen, dass man keinen so differenzierten Blick auf diesen Typen geworfen hatte, der sich selbst als 'Dämon' bezeichnete. Er musste mit Kostjunari reden. Was hatte der sich nur gedacht?
Und selbst wenn es einen Grund gab, die Ritter mochten angefangen haben, konnte er sich durchaus vorstellen, dann warf dieser Vorfall alles was er für Anderlinge gegenüber dem Orden erreichen wollte vermutlich um Jahre zurück.
Er fluchte noch einmal und nun war er es, der im Raum auf und ab tigerte. Allerdings eher ein Tiger mit Hospitalismus.
Er brauchte mehr Informationen... Und eine gute Frage, wo war eigentlich Viktor?
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Pandora
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von: Eisvogel ➜ Slavas Heim
Datum: Nacht vom 14. auf den 15. August 1278
betrifft: ggf Slava
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Auch die Straßen waren furchtbar dunkel, so ganz ohne Straßenlaternen. Nur der Mond und die Sternen spendeten der Frau etwas Licht, die durch die einsamen Gassen eilte. Kaum jemand war unterwegs, es war selbst für die letzten Zecher schon zu spät. Jordan schielte auf ihre Uhr - kurz nach 2. Was hieß das wohl an diesem Ort? Sie war verrückt! Sie konnte den Mann doch nicht zu nachtschlafender Stunde aus dem Bett klingeln! Wegen einer Pille.
Jordan blieb stehen, sah sich um. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, dazu kam inzwischen ein unangenehmer Schmerz, fast als bekäme sie eine Grippe. Vielleicht hatte sie sich hier auch einfach nur was gefangen, in diesem Dreckloch... Schlimm nur, dass sie eigentlich genau wusste, was mit ihr los war und sie hatte tatsächlich Angst davor. Nein, sie hatte da keinen Bock drauf. Das hatte sie schon mal durch gemacht - einmal reichte.
Bevor doch irgendjemand, und sei es die Wache, auf die Frau aufmerksam werden konnte, eilte sie weiter, tonlos einen Fluch nach dem anderen murmelnd. Das Haus fand sie schnell, doch auf der Schwelle zögerte sie trotzdem noch einen Moment.
Probierte dann die Tür zu öffnen. Verschlossen. Klar.
Jordan hob die Hand. War sie wirklich so verzweifelt? Alles in ihr schrie JA, nur ihr Stolz hatte noch was dagegen. Den knüppelte allerdings eine Welle aus Übelkeit nieder, die ihr plötzlich das Rückgrat hinauf rollen wollte.
Scheiß drauf! Sie klopfte - mehrfach und eher hektisch.
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Vyacheslav Sokolov
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Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Türe öffnete. Und zwar genauso lange wie es brauchte...

...um aus dem Schlaf heraus zu realisieren, dass unten jemand geklopfte hatte. Wirklich und nicht nur im Traum.
Nun war Slava jemand, der in Bruchteilen von Augenblicken von Schlaf auf Wach umschalten konnte. So war er gedrillt worden, sofort klar denken, klar genug um auch nicht hochzuschrecken. Wie man den Rekruten so etwas beibrachte, darüber schwieg er meist.
Der Traum, den er gehabt hatte war damit allerdings auch zur Gänze weggewischt. Es war etwas angenehmes gewesen, glaubt er sich noch vage zu erinnern während er sich aufsetzte, aber das wars dann auch schon gewesenen.
Was sich allerdings seit damals verändert hatte und zwar gravierend, das war seine körperliche Fitness.
Früher wäre er aufgesprungen und in wenigen Augenblicken auch im Dunkeln die Treppe hinunter gesprintet denn auch wenn er nichts sah, er kannte das Haus mittlerweile, die Treppe, jede Diele.
Heute aber kostete es ihn Überwindung aufzustehen, sich aus dem Sitzen ganz aufzurichten. Das Herz schlug bedrohlich laut und seit dem Infarkt hatte er ein wenig das Vertrauen in diese Pumpe verloren, der Rücken schmerzte und stritt mit der Bauchmuskulatur um die Wette. Meist gab es sich im Laufe des Tages etwas, man gewöhnte sich einfach daran, aber gerade morgens war es am schlimmsten.
Und es war August und noch sehr warm, deshalb hatte er tatsächlich auch nur in Unterhosen geschlafen. Nun musste etwas zum anziehen drüber.
Er griff sich einen Hausmantel, auch wenn das nur wenig repräsentativ war, schlang sich diesen Um die Schultern. In die Ärmel bastelte er sich erst auf dem Weg nach unten ganz hinein.
Hätte er nun Bedienstete, diese würden für ihn nach unten gehen und jeden nächtlichen Besucher abwimmeln, denn Nachts hatte niemand den Freiherrn zu stören. Allerdings wusste er sehr gut, wenn es Nachts klopfte war es meist wichtig.
Dann brachte jemand einen toten Kameraden auf dem Pferd oder die Nachricht dass jemand schwer verletzt war.
Er schluckte. Es gab eine zu große Auswahl an Ereignissen, die eintreffen konnten, die er nicht hören wollte. Nilfgard hatte zum Sturm geblasen... Irgendein größerer Überfall... Jemand mit dem er zu tun hatte war verhaftet worden Oder... War Jarel wieder etwas zugestoßen?
Fuck, hoffentlich nicht.
Den Weg nach unten und die sehr steilen Stufen beleuchtete er mit einem PDA notdürftig, nahm langsam jede Stufe um nicht zu stolpern. Es dauerte so verdammt lange bis er einigermaßen beweglich war. Ein Fuß vor den anderen... Das war schon wie das Scheiß Parkinson seines Großvaters... Fuck, erbte er da auch noch? Nein... wohl doch nur die Verletzungen, reichte schon.
Erst unten am Herd zündete er eine geschlossene Öllampe an. Öl rußte und stank nicht so sehr wie Talg. Wenigstens das konnte ein Freiherr sich leisten, wenn schon kein Personal.
Der Herd, das hatte er mittlerweile gelernt, sollte am besten nie ganz ausgehen. Es war sogar etwas sparsamer, die Glut zu erhalten als ihn auskühlen zu lassen und vollkommen neu anzuzünden. Vor allem wenn man so geschickt war im Feuermachen wie er.
Den PDA steckte er... Verdammt, richtig, normalerweise gab es keine Taschen. Einige seiner Gehröcke waren Maßanfertigungen, der Morgenmantel nicht. Also landete das verräterische Stück Technik in der nicht weniger verräterischen Boxershort versteckt unter dem Mantel. Erst dann, barfuß und wenig repräsentativ öffnete er nun die Türe. Wenigstens waren Haare und Bart kurz genug, dass sich da kaum etwas verlegen konnte.

In etwa so viel Zeit war nun vergangen.
Dass in der Zwischenzeit noch mehrmals und recht hektisch geklopft worden war hatte er registriert und während der Odyssee von oben nach unten einen Besucher nach dem anderen ausgeschlossen. Schura hatte ein eigens Klopfzeichen, ebenso Novka. Selbst Viktor klopfte anders. Die meisten, die er kannte konnte er so ausschließen, sogar die Hexer. Irgendein Wächter kam natürlich immer in Frage. Irgendein Bote schlechter Nachrichten... Oder...
Wie überrascht er nun war, Jordan zu sehen, das zeigte er nicht.
Sicherlich war sie im engeren Kreis aller Möglichkeiten gewesen, aber genauso gut konnte Jarel wieder in etwas Katastrophales geraten sein. Ein aufmerksamer Beobachter konnte vielleicht eine Spur von Erleichterung erkennen, oder es war das Flackern der Öllampe. Einen Moment musterte er sie, vielleicht suchte sein Blick auch die Dunkelheit hinter ihr ab, war ihr jemand gefolgt, Freund oder Feind?
Erst als er sicher war, dass die Straßen leer waren und nicht einmal ein Mutant mit Fotographischem Gedächtnis lauerte, winkte er sie herein, mit einer Hand den Mantel immer wieder zuziehend, ganz verdeckte er nicht was am Tag der Hohe Kragen kaschiert hatte: Die blasse Haut und die Narben, die sich sehr zahlreiche darüber zogen.
Mit der anderen, der linken hob er die Öllampe etwas an um sie genauer zu betrachten. Dass es ihr nicht so richtig gut ging war nicht schwer zu lesen. Den Grund für ihr nächtliches Aufrauchen glaubte er damit auf fast zu kennen. Er hatte ihn neben dem Zuber gefunden, dort allerdings unberührt liegen lassen. Aus gutem Grund.
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Pandora
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"Komm schon... komm schon...", murmelte Jordan durch die Zähne, nachdem sie zum zweiten Mal geklopft hatte und lauschte. Der schlief bestimmt wie ein Stein. Soffen die Russen nicht alle? Und nach dem Saufen schlief man doch steinemäßig, oder? Zumindest war das bei Peach so - wenn der gesoffen hatte, musste sie ihn mitsamt Matratze aus der Koje kicken, um ihn auch nur ansatzweise wach zu bekommen. So ein bisschen Klopfen würde da nicht helfen, also wieso sollte es hier irgendwas bewirken. Jordan sah sich um, zappelte ein wenig auf der Stelle herum und setzte sich dann einfach auf die Schwelle. "Scheiße. Scheiße...", und so weiter. Vielleicht doch noch mal zurück in den Eisvogel und nochmal alles durch gucken? Oder eben bis morgen früh warten.
Warten.
Jordan kratzte sich am Hals.
Wie lange sollte das dauern? Wie spät war es denn, zum Kuckuck? Wieder ein sinnloser Blick auf die Uhr, deren Zeiger nur wenig weiter gerückt waren. Und den Sekundenzeiger bei seiner Reise über die Zahlen beobachten machte es auch nicht besser. Im Gegenteil, es machte sie nervös.
Tick. Tick. Tickeditick.
Bewegte sich da drinnen was? Jordan sprang auf, lauschte an der Tür, klopfte nochmal mit dem Handballen. Zum Glück sah sie sich nicht selber. Erbärmlich war das. Nur dachte sie da grad nicht dran. Sie dachte nur an das schwarze Paket oder besser dessen Inhalt.
Und dann ging die Tür auf und eine Lampe blendete sie, obwohl es nur eine Öllampe war. Draußen ar es so dunkel, dass das Licht ausreichte, damit Jordan die Augen zusammenkniff und abwehrend eine Hand hob. Gleichzeit frohlockte es in ihr und es war schon hart, sich nicht einfach an dem Mann vorbei zu drängeln und auf die Suche nach ihren Tabletten zu gehen. Seine Blicke, sein Gesichtsausdruck, alles nicht so relevant und ohnehin von der Lampe für Jordan verborgen. Sie war deutlich weniger aufmerksam als noch am Nachmittag, spähte unsinniger Weise bereits an ihm vorbei, bevor er den Weg ins Innere freigab.
Sie stolperte auf dem Weg in den Wohnraum fast über die Schuhe im Eingangsbereich, hatte aber nicht den Sinn dafür, dass ihre eigenen eigentlich auch da hin gehörten. Während sie sich mit einer halben Drehung vor einem Sturz bewahrte und dann fahrig die Unordnung zu sortieren versuchte, die sie angerichtet hatte, sagte sie: "Sorry Mann, ist echt spät oder früh - ich weiß, aber ich hab was Wichtiges vergessen oder besser verloren." Sie kam wieder auf die Beine, ging noch einen wippenden Schritt rückwärts, fuhr mit einer Hand durch das kurze, etwas wirre Haar und sah sich mit einer Drehung um sich selbst um. Scheiße, war das dunkel hier! "Kannst du mal Licht machen?"
Der Daumen kratzte die Haut unter dem Ohr.
"Schwarzes Päckchen, etwa so groß" Jordan hielt die Hände vor sich und zeigte damit etwa die Größe, sah sich allerdings schon wieder in Richtung Zuber um. Ungeduldig drehte sie ab und steuerte auf die finstere Ecke zu, auch wenn man dort die Hand nicht vor Augen sehen konnte. "Hatte es kurz ausgepackt und wohl vergessen." Warum machte der denn kein Licht? Mit der Ungeduld kam in ihrem Fall auch schnell eine latente Aggressivität auf. "Scheiße ist das dunkel!", brach sich diese in Form von Wort gewordenen Gedanken Bahn.
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Vyacheslav Sokolov
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Tat sie ihm leid? Er musste überlegen während er ihr zusah. Hektisch und mit Scheuklappen, sah nicht nach links und nicht nach rechts, nur vorwärts. Süchtig.
Irgendwie ja schon. Es war auch nicht so, dass er komplett drüber stand, er kannte das nur zu gut. Wie lang war er der Befriedigung der Sucht nachgejagt, hatte es sogar mit Fisstech versucht, etwas wie Crystal Meth, nur vermutlich noch mit magischer Komponente. Die Folgen unabsehbar. Und er hatte sogar bewusst versucht, die Sucht zu verlagern, aber Arbeit und Zigaretten und Alkohol waren eben auch kein guter gangbarer Weg.
Er hatte das Päckchen natürlich zuvor gesehen, wie auch nicht, Fremdes fiel sofort auf. Dann hatte er nur kurz hineingesehen und die Medikamente entdeckt und sofort alles so liegen gelassen. Vor allem weil er selbst nicht erst in Versuchung geführt werden wollte. Da wäre sicher etwas für ihn dabei gewesen, irgendein starkes Opiat. Aber soweit durfte es gar nicht kommen. Allein Jarel zuliebe.
Er nahm an der Tischkante Platz, sah ihr erst einmal nur zu und ließ sie machen.
Der Entzug würde hart werden, wenn das Zeug aus war. Er hatte Jarel gehabt, und sie? Sollte er für sie da sein? Wer sonst? Valeska?
Fuck.
"Neben dem Zuber." dirigierte er sie, seine Augen war schon einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, andererseits, ehe sie noch irgendwo drüber fiel... Er fischte den PDA aus dem Bund seiner Unterhose. Das würde sie in ihrem Zustand vermutlich gerade eh nicht registrieren, außerdem war er in ihrer Gegenwart irgendwie eher wieder der Soldat, der Stalker, dem all das adelige Getue am Arsch vorbei ging. Rollen konnte er immer schon wechseln wie andere die Socken.
Er wischte es etwas am Hausmantel an und mit dem Display leuchtete er ihr ein wenig, dass sie das Täschchen fand. Vielleicht auch ein kleiner Aufmerksamkeitstest. Wie tief steckte sie schon drin? Prüfend musterte er sie währenddessen.
Fahrige Bewegungen, innere Unruhe, definitiv.
"Was genau nimmst du ein? Und wie lang schon?"
Das klang nun eher nach der Arzt oder Psychologenrolle, die eine, die er nie hatte spielen wollen.
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Pandora
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Was auch immer er da für eine Funzel hatte, sie war nicht wesentlich heller als die Ölfunzel mit der er sie empfangen hatte. Scheiß Welt. Scheiß Dunkelheit. Scheiß Pillen - zeigt euch! Neben dem Zuber. So schlau war sie auch schon gewesen oder zumindest ahnte sie, dass sie das Päckchen da irgendwo liegen gelassen hatte. Ihre Finger glitten über den Boden, nahmen mit einer unangenehmen Deutlichkeit jede Riefe im Holz und jeden Ast wahr, bis sie endlich gegen den vertrauten, groben Stoff stießen. Von da an war jeder Handgriff blinde Routine. Sie musste nicht sehen, um zu wissen, welche Form was war und das Knistern der Verpackung verriet auch dem Hausherrn, dass Jordan fündig geworden war. Nur überlegte sie jetzt, ob sie gleich was nehmen sollte, um wach zu bleiben oder lieber was, dass ihre innere Unruhe nieder kämpfte, damit sie vielleicht noch ein paar Minuten Schlaf fand. Nur störte Sokolov ihre Gedankengänge mit Fragen.
Was faselte der schon wieder? Was sie nahm und seit wann? Klang schon wie ihre Mutter! Nein, die nicht, die hatte keine Ahnung was Jordan zu ihren Bestzeiten so alles einwarf. Klang schon wie... Peach. Ach komm, Weltenwechsel-Portal-Scheißdreck mit Zeitsprung, aber die selbsternannten Kindermädchen wurde sie nicht los? Gott musste sich ja einpissen vor Lachen über seine eigenen blöden Witze.
Gar nichts antworten war aber auch nicht so die feine Art, vor allem, wenn man sich zu nachtschlafener Stunde so mir nichts dir nichts Zugang zu einem fremden Haus verschaffte und den Hausherrn um seinen Schlaf brachte. Jordan drückte allerdings zuerst gleich zwei Pillen aus dem Blister, den sie aus der Tasche gefummelt hatte und warf sie sich in den Mund. Die Handelsnamen benutzte sie meistens nicht, mit der chemischen Bezeichnung war sie zwar vertraut, aber das klang ihr immer zu geschwollen. Unter Kameraden war von Blues die Rede und die gerade unter Kriegsveteranen gerne genommen wurden, um plötzliche Angstzustände zu dämpfen und die Nerven zu beruhigen.
"Nur was zum ruhiger schlafen. Manchmal was zum klarer denken." Und seit wann? Das ging ihn eigentlich einen Scheiß an. Jordan ließ sich auf den Hosenboden fallen, verschränkte ihre zitternden Hände zwischen ihren Knien und versuchte ruhig zu bleiben, bis die Chemie in ihrem Kreislauf übernahm. Für sie ungewöhnlich lange saß sie sehr ruhig da, nur unterbrochen von einem gelegentlichen Zucken einer Hand oder eines Fußes. Die Frequenz wurde größer, die Impulse schwächer, und während sie wartete, überlegte sie. Da war wieder der Zwiespalt. Sie selbst gegen die Soldatin gegen die Patriotin. Eigentlich ein Dreispalt. Persönlich hatte Jordan beschlossen Sokolov zu mögen, beruflich musste sie ihn per se als Feind betrachten und als Amerikanerin sah sie in ihm "den Russen", was auch immer das genau bedeutete. Eben einen von den anderen, dem man misstrauisch begegnen musste, weil sie einen bestimmt übers Ohr hauen wollten.
Wer war sie jetzt gerade?
Ehrlich betrachtet einfach nur eine müde Frau, die schlecht geträumt hatte.
Und wer war er? Ein müder Mann. Soldat wie sie.
Soldat der anderen Seite. Test.
"Seit Vietnam.", gab sie nach. Zum einen, weil sie neugierig war, wie er darauf reagierte und zum anderen weil ein Teil von ihr ziemlich genau wusste, dass sie bald in Schwierigkeiten sein würde. Spätestens am Ende aller Blister. Er war Soldat und sie würde die Packung mitfressen, wenn er nicht genau wusste, worum es hier ging. Vielleicht sogar einen Weg kannte oder Substitute oder was auch immer. Hauptsache nicht runter müssen. Darauf hatte sie echt keinen Bock.
Jordan blinzelte ins Licht der Lampe, welches die Schatten um ihre Augen geisterhaft dunkel machte, während der Rest des Gesichts sehr hell wirkte. Oder was war das für ein Ding? Ein kleiner Bildschirm? Irritiert krauste sie Stirn. So eine kleine Röhre? Oder war das dieses moderne Zeug von dem gerade alle Welt redete? Wie hieß das noch? L-F- L-C... genau Flüssigkristallanzeigen. Bildschirme flach wie Bücher oder Heftchen. Aber die brauchten doch Strom und zumindest so weit war sie wieder klar, dass sie sich erinnerte, dass es hier keinen Strom aus der Steckdose gab. Wie also funktionierte das?
"Was ist das?" Schon war die Neugier wieder da.
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Vyacheslav Sokolov
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Ob ein gewisser Peach oder auch ein Alexej, beide kannte Slava nicht, aber mit beiden wurde er verglichen. Es hätte ihn vermutlich amüsiert, von dem zweiten zu wissen. Dem Kindermädchen. Dabei war es ihm im Prinzip egal, was sie mit ihrer Gesundheit anstellte, aber jemand mit Entzugserscheinungen war nie ungefährlich und erst Recht nicht jemand fremdes. Es war kein Altruismus sondern eher Pragmatismus.
Und es ging ihn vielleicht einen Scheißdreck an, aber irgendwann würde es an relevant gewinnen, dass er davon Kenntnis hatte.
Ruhig schlafen und klarer denken. Sicher doch.
Er hatte auch nur etwas zur Behandlung der Schmerzen genommen.
"Du kannst mir erzählen was du willst und du kannst dich selber belügen aber egal wie, Die Pillen werden nicht ewig reichen und hier gibt es keinen adäquaten Ersatz. Ich war auf Opioiden als ich hier ankam. Seit... ich würde sagen, seit dem Hinterhalt im Getreidesilo, klingt nicht halb so heroisch wie Vietnam. Auf jeden Fall einige Jahre... und es wird nicht leichter."
Vietnam, der Krieg hatte ein paar Jahre gedauert. Keine präzise Angabe, er ging aber nicht davon aus, dass sie erst in den letzten Monaten damit angefangen hatte... so oder so, es waren wohl mehrere Jahre.
"Das einzige, was es hier gibt ist Fisstech, aber das ist wie Crystal Meth... nur noch ein wenig verheerender. Mohnsaft vielleicht noch, aber der ist wiederum nicht stark genug. Wie du es auch drehst, du wirst Schwierigkeiten bekommen. Ich rate dir also, was mir keiner hat raten können: Verwende den Rest den du noch hast zum ausschleichen, das erleichtert dir vieles."
Krampfanfälle und erbrochenes am Boden.
Wobei ihn der ganze Mist andererseits auch Jarel näher gebracht hatte.
Er zuckte mit den Schultern und hielt ihr wortlos den PDA hin.
Kein modernes OLED Display wie bei dem Gerät, das Schura mitgebracht hatte sondern einer der älteren, aber für Pandora dürfte das keine Rolle spielen, das war trotzdem Hightech. Da hatte sich in den letzten 50 Jahren dermaßen viel getan, da konnte einem schwindlig werden.
"Ist wie diese Teile aus Star Trek... man kann damit kommunizieren und Notizen machen und sogar Fotos."
Und Musik war darauf gespeichert.
Die Erwähnung des Internets sparte er sich, aber die Idee mit dem Mesh blieb, er kam nur nicht dazu es endlich umzusetzen.
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Lebenslauf: Pan

Immerwieder erstaunlich, wie schnell der Metabolismus sich den Stoff einverleibte und eine angenehme Ruhe sich breit machte, die erfahrungsgemäß schnell in Müdigkeit überging. Jordan hörte, was der Mann sagte, aber wirklich durch kam er nicht. Wäre ja auch noch schöner, wenn plötzlich irgendein Fremder Zugang bei diesem Thema finden würde, an dem sich vertrautere Menschen schon den Mund fusslig und die Zähne brüchig gelabert hatten. Sie hörte nicht, dass es keine Substitute gab, sie hörte, dass da ein Mittel namens Fizztech existierte, dass Ice ähnelte. Und was? Magisch war? Wow, klang abgefahren - sollte sie vielleicht mal ausprobieren.
"Heroisch war Vietnam für mich leider nicht. Die F-4 ist nich' für den Nahkampf gemacht. Die sind gefallen wie die Fliegen, da konnte man noch so gut sein. Diese scheiß MiGs waren immer besser, schneller, wendiger. Das war wie Magie. Ich hab's erst begriffen, als ich selber eine geflogen bin." Jordan schüttelte den Kopf. Sie merkte nicht mal, dass sie unter den Blues auch wie immer viel zu ehrlich wurde. Es war ihr ab einem gewissen Punkt schlicht egal, was sie so erzählte und ob ihr Ego im Normalbetrieb was dagegen hätte. Ebenso ob sie jemanden beleidigte. "Ein Ivan hat's echt auf mich abgesehen gehabt. Drei Mal haben wir uns über den Dschungel gejagt - ich sag dir, das war heiß, echt. Zwei Mal musste ich zurück stecken. Und beim dritten Date hat der Sack mich getroffen und Vietnam war für uns vorbei." Sie untermalte ihre Worte mit den Händen, vollführte Flugmanöver und schließlich stürzte eine Hand ab.
Sie lachte ein bisschen dümmlich. "Getreidesilo klingt wie 'ne Agenten-Story. Der Schurke wird im Getreidesilo gestellt oder so." Allmählich gerieten ihre Worte schleppend und sie verfiel in Schweigen, nahm das kleine Gerät entgegen, das Sokolov ihr hinhielt. Ihre technische Intuition reichte immerhin, um zu begreifen, dass das Ding wohl irgendwie mit Batterie funktionierte, auch wenn in Jordans bisherigem Weltbild nur Taschenlampen und dergleichen mit Batterien funktionierten. Und das nicht sonderlich lange. Aber dieses Teil sah wie ein echter Stromfresser aus, wobei sie sich zunächst eher für das Gerät an sich als für dessen Inhalt interessierte. Sie drehte und wendete es in den Händen, suchte einen Weg ins Innere, aber die meisten Türchen waren mit winzigen Schrauben verschlossen zu denen ihr das Werkzeug fehlte. Sonst hätte sie das Ding wohl auf der Stelle auseinander genommen, um sein Inneres unter die schlecht beleuchtete Lupe zu nehmen. Also umdrehen und darauf herum drücken. Auch hier half ihre Intuition und zusätzlich der Umstand, dass sie die Begriffe lesen konnte, die auf der Anzeige erschienen.
Während sie spielte, arbeitete ihr Mundwerk schon wieder weiter. "Aber ich denk, für Bilder, die man lieber wieder aus dem Kopf haben will, braucht's keinen Krieg. Da reicht schlechtes Timing beim Betreten des elterlichen Schlafzimmers. Huch..." Der Bildschirm wurde dunkel. Sie schüttelte die Kiste, wie sie es bei einer Taschenlampe tun würde, aber nichts geschah. Hatte sie es kaputt gemacht?
Um es Sokolov zurück zu geben, wollte die Pilotin aufstehen, aber weder ihre Beine noch der Rest von ihr war Willens, diesem Befehl folge zu leisten. Sowas. Befehlsverweigerung im eigenen Gleichgewichtssinn! Oder war der Boden nur puckelig? Jedenfalls kam sie halb hoch, nur um dann wieder hinzuschlagen, halbherzig mit einer Hand am Zuber halt suchend. "Hoppla.", murmelte sie. "Ich muss kurz... ich bleib einfach mal liegen." Sprachs und streckte sich an Ort und Stelle auf dem Boden aus. So viel hatte sie doch nicht genommen. Oder doch? Ihre Gedanken waren so träge. Jordan hob den PDA wieder hoch vor ihr Gesicht, aber der blieb dunkel. "Uh. Braucht neue Batterien." Oder sie hatte ihn unwissentlich runter gefahren. Wie sich selbst.
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Fast hätte Slava gelacht, wäre die Geschichte nicht so bitter gewesen.
"Es war eine Agentenstory. Der Schurke war nur ich... gestellt, das kommt hin. Eine Falle haben sie mir gestellt."
Der böse Oberst Sokolov, als Gauner getarnt hatte er die friedlichen Stalker unterwandert, hatte sich in ihre Reihen geschlichen und ihr Vertrauen gewonnen um sie dann zu auszuliefern. Selbst ihre größten Helden hatte er heimtückisch betrogen und deren Kameradschaft missbraucht sie dann zu verraten. Ein ehrloser Schuft, Verräter, Betrüger... und noch viel schlimmeres hatten sie ihn geheißen.
Oder anders ausgedrückt: Er hatte einen Weg gefunden in einem vermeintlich rechtsfreien Raum die schlimmsten Verbrecher doch der Gerichtsbarkeit zu überantworten. Nicht mehr und nicht weniger. Er war der Arm des Gesetzes. Wobei manchmal auch das Urteil ohne Richter vollstreckt wurde und der Arm vielleicht ab und an eigenmächtig handelte.
Es gab eben kein schwarz oder weiß sondern nur unterschiedlich schmutzige Graustufen, aber dreckig grau waren alle.

Seine Truppe hatte eben im Verglich zu früheren eher halbherzigen Versuchen recht effizient die kleine Fische verwendet um an die großen zu kommen und sie dann oft ganz unkompliziert an Ort und Stelle direkt erledigt. Er hatte eben alles genutzt was die Zone an Werkzeugen bot, denn er kannte sie. Es ging um jede Art von Schmuggel, Waffen, Drogen, Artefakte. Wobei letzteres zum Gefährlicheren zählte und während Waffen und Drogen in der Regel der Beifang waren, richteten die Artefakte draußen einen Schaden an, der kaum zu beziffern war, die galt es vor allem einzudämmen. Und eben dafür war jedes Mittel recht gewesen als es überhand genommen hatte. Und jedes Mittel war eben der eher als Person eher unangenehme Emporkömmling, damals noch Major Sokolov, der Menschen als Schachfiguren sah und jeden zu instrumentalisieren wusste, sich selbst dabei nicht schonte. Das war die Geheimwaffe gewesen und als dann noch sein Rivale, Markin das Spielfeld betrat und die beiden sich einigten und ihre Reviere jeweils abgesteckt hatten funktionierten sie als Team effizient und grausam.

Und eben jenen Sokolov, als Stalker 'Ochotnik' genannt, den hatten einige der Stalker in eine Fall gelockt. Sie hatten damals noch Hilfe von einem Maulwurf gehabt - den würde diese Aktion am Ende auch entlarven, und das wiederum würde man als Erfolg bei der Aktion verbuchen. Kollateralschaden war Slava selbst gewesen - aber an der Stelle würde die Geschichte eindeutig sehr lang werden. Und unangenehm.

"...und es hatte was mit nem Baseballschläger zu tun und endete für mich mit mehr als einem Jahr im Krankenhaus, mehr als vier Monate Langzeitnarkose, danach im Rollstuhl. Überlebt hab ich, offenkundig... aber da hat's das erste mal gedauert, bis ich von dem Scheiß losgekommen bin."
Und es hatte ihn auch verändert. Allerdings nicht nur zum positiven.

"Ich war in Afghanistan und Tschetschenien.... kurz, ging aber auch gegen die Yankees..."
Eine kleine Revanche und er zwinkerte. Wobei ihm die despektierliche Bezeichnung mit 'Iwan' eigentlich egal war. Für ihn waren diese abwertenden Begriffe aus häufigen Namen... oder Lebensmitteln, entlehnt, mehr mit alten Filmen verknüpft als mit der Realität.
'Tommys', das waren die Engländer und 'Krauts' die Deutschen, 'Spaghettis' die Italiener... Und seine Leuten 'Iwans'. Aber eben: nur noch in Filmen.

"...mein längster Einsatz 13 Jahre lang, bis mich das Portal erwischte, war in einem Katastrophengebiet einer Sperrzone, die eingerichtet wurde nachdem ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen ist. Danach wurde es dort irgendwie kompliziert." die knappe Erklärung. Alles zu erzählen hätte sie vermutlich wieder nur überfordert, vor allem, weil sie sich sichtlich entspannte, vermutlich das erste Mal seit dem Absturz.
Nur schien sein Gast nun Schwierigkeiten zu haben, hochzukommen. Er hätte ihr geholfen, reagierte aber zu spät, schließlich entschied sie, liegen zu bleiben.
Der Steinboden war zwar kühl, aber im Sommer nicht zu kalt, warum also nicht.
Langsam und mit bedachten Bewegungen ließ er sich neben sie sinken. Lehnte sich mit dem Rücken an die Zuberwand und zog den Mantel enger um sich.

Wie oft hatte er mit einem der Jungs in der Zone irgendwo gesessen, meist im großen Aufenthaltsraum der Wohnung in Pripyat, in der sie residierten, wo die Server standen und von wo aus sie die Kommunikation ihrer Einheit überwachten, PDAs mit Peilsendern trackten... die ganze Technik war dort aufgehoben und sie waren das Gehirn der Operation 'Nachtwache'... dort saßen sie unter den Panzerglasfenstern an die Wand gelehnt und tranken Vodka oder Cognac oder was es gerade gab. Mit Lew, mit Schura oder Viktor, Valentine... Verdammt.
Amir... zu viele hatten hier schon ihr Leben gelassen, noch mehr zuvor in der Zone.
Wortlos nahm er zwischenzeitlich den PDA und aktivierte ihn wieder. Sie war auf den Knopf gekommen, der das Display deaktivierte.
"Spielt auch Musik." allerdings kaum amerikanische. Ein paar seltsame Rap Songs hatte er gefunden und gleich gelöscht gehabt. Er fand dafür etwas von KINO, irgendwie nahm er an, dass das am wenigsten Kulturschock auslöste. Gitarre und Schlagzeug, kaum Synthesizer und Nachbearbeitung, wie es heute normal war.
Er fand 'группа крови', (Blutgruppe). Zoi sang von der Blutgruppe am Kragen und der Personalnummer, und 'Wünsch mir Glück'. Es war klar, dass es um den Krieg ging. Über das Elterliche Schlafzimmer lachte er.
"Bilder, die ich nicht mehr loswerde hab ich genug für mehrere Leben, auch ganz ohne die Eltern beim Sex gesehen zu haben."
War ihm nie passiert, zum Glück. Vielleicht hatten seine Eltern auch tatsächlich nur ein einziges mal den Beischlaf praktiziert? Aber umgekehrt war es sehr wohl passiert, fast. Der arme Oleg, ein Kollege, hatte ihm einmal erwischt, mit der Sekretärin seines Chefs in deren Vorzimmer. Und es war ihm nicht einmal wirklich peinlich gewesen. Eher...
Wieder einmal drifteten auch seine Gedanken ab. Aber auch er entspannte sich.
Er vermisste die Zeit damals. Es war gefährlich gewesen aber einfacher: Für ihn, der es gewohnt war mit viel Technik zu hantieren, jede Information jederzeit zur Verfügung zu haben, in Echtzeit Nachrichten zu empfangen. Und jetzt saß er hier und war selbst nicht weit davon entfernt, irgendetwas einzuwerfen Notfalls Fisstech, denn es brachte Zuversicht, unnatürliche, aber es war doch auch egal oder? Er schloss selbst kurz die Augen, atmete tief durch und rief sich sein Versprechen Jarel gegenüber wieder ins Gedächtnis. Wobei es eigentlich keine
Der PDA spielte weiterhin etwas blechern Musik, aber bei KINO tat das kaum einen Abbruch.
Als nächstes kam 'Пачка сигарет' (Packung Zigaretten), auch ein Klassiker. Wenigstens nicht Ljube, das war dann doch immer ein wenig zu patriotisch für Ausländer. Valentine hatte immer die Nase gerümpft, während er mit Kino immer gut klar kam.
"Du wurdest also abgeschossen? Wurdest du schwer verletzt?" hakte er ein.
Vielleicht würden sie die ganze Nacht hier sitzen. Vielleicht.
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Pandora
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Lebenslauf: Pan

Jordan rollte sich auf die Seite, den Kopf auf dem angewinkelten Arm, als Sokolov anfing von seiner Agentenstory zu erzählen. Nur schade dass die Realität so selten mit der Fiktion zusammen passte und am Ende der Held tot war. Oder verkrüppelt. Ihre Augen wurden allerdings größer - nicht wegen der Erwähnung von Ländern in denen er gekämpft hatte, sondern wegen des explodierten Atomkraftwerks. Atomkraft war doch sicher und die Errungenschaft der energiehungrigen Menschheit. Hatten diese Hippies mit ihren dauernden Parolen gegen alles doch Recht?
Ihre Augen folgten ihm, als er sich etwas hüftsteif neben ihr nieder ließ und sie überließ ihm das kleine Gerät. Spielt auch Musik - schon fing es an und ihre Gedanken sprangen weg von nuklearen Katastrophen, hin zu der kleinen Dose. Klang... poppig. Sie nahm es zurück, drehte sich wieder auf den Rücken und das Kästchen in den Händen, hielt es sogar ans Ohr. Ganz nebenbei bemerkte sie: "Im linken Fach sind Diaz und Oxys drin. Entspannt auch den Rücken.", während sie mit den Nägeln wieder an dem Gehäuse rum knibbelte. Eine Unart von ihr. Sie demontierte während Briefings auch meistens alle verfügbaren Kugelschreiber. "Ich würd's gern aufmachen...", sinnierte sie dabei in einem Tonfall, der an einen gewissen blauen Doktorfisch aus Jordans cineastischer Zukunft erinnerte. Sie schüttelte die Box, betrachtete dann wieder den Bildschirm.
"Genau genommen bin ich kein Yankee. Ich komme aus Texas.", quittierte sie etwas verspätet seine Retourkutsche. Gedankenverloren wischte sie auf dem Gerät herum und wechselte wohl den Ordner, auf jeden Fall spielte plötzlich ein anderes Lied. Полина Гагарина - Кукушка Sie verstand den Text nur in Teilen.
Liegen wie ein Stein oder brennen wie ein Stern.
Hand. Faust. Verstand.
So viel, was sie nicht übersetzen konnte, aber es war ganz nett anzuhören und bevor sie noch wieder was änderte, legte sie das Gerät zwischen sie beide auf den Boden, wo es weiter dudelte, als säße die Sängerin in einer Blechdose.
"Ausbildung in Lackland - dann Kuba - dann Vietnam.", vervollständigte sie ihre Liste. Ein bisschen wie dieses Kartenspiel, bei dem man sich gegenseitig PS, Hubraum oder sonst was um die Ohren warf und der bessere bekam die Karte des anderen.
Zu den Eltern lachte sie kurz. Es klang belegt, als müsste sie sich mal räuspern, was sie aber nicht tat. Klar war das nur ein dummer Spruch gewesen. Aber sie dachte lieber an vögelnde Eltern als an verbrannte Kinderleichen.
Stopp. Kurz blinzeln. Ein leichtes Zucken des Kopfs.
Zurück zu den Fickern.
Und zum abgeschossen werden.
"Weißt du, die von der Navy, die können wenigstens noch versuchen zu schwimmen. Oder die Army, die laufen wie die Hasen wenn's ihnen zu brenzlig wird. Aber wir, wir können nur fallen. Abspringen und hoffen. Das der Fallschirm aufgeht, das Flugzeug nicht explodiert, unten kein Hai wartet ... oder ein Schlitzauge mit ner Knarre. Ich hab nich' mal ne Knarre, nur ein Messer und meine große Klappe." Zumindest diesmal nicht. Im Einsatz, klar. Acht Schuss und ein gezielter Wurf oder so ähnlich. Sie überlegte kurz. "Die F-4 war 'ne beschissene Entscheidung, das hab ich dem Colonel so oft gesagt. Und dann haben sie sie umgerüstet und aus dem zahnlosen Tiger eine bewaffnete Mastgans gemacht." Ein Thema, über das sie sich normalerweise in Rage reden konnte, aber die chemischen Dämpfer in ihrem Hirn ließen gerade keine Rage zu, ebenso wenig wie das ewige Abwägen, was sie sagen konnte und was nicht.
Jordan verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Ich gehöre zu den besten Piloten der Airforce. Ich war Top Gun Ausbilder und später Ausbilder bei den Red Eagles. Ich kann fliegen. Aber ich weiß auch, was ich nicht kann. Niemand vom Kommando auf diesem scheiß Schiff wollte hören, was ich zu sagen hatte, obwohl das Flugdeck jeden Tag leerer wurde. Dann hat's mich erwischt und sie haben uns aus dem Wasser gefischt und ich hab dem Colonel den Arsch aufgerissen. Er hat mir angedroht mich vors Kriegsgericht zu bringen, aber dann haben sie doch angefangen was zu tun." Die Antwort verborgen im Durcheinander ihrer Erinnerungen: Nein, sie war nicht verletzt worden außer vielleicht in ihrem Stolz. "Viel zu spät."
Sie schnaufte, dann lachte sie wieder auf diese raue Art, das man meinte, sie müsste sich mal räuspern oder husten, was aber wieder nicht passierte. "Ich hab in der Regel mehr Glück als Verstand und jetzt kommt der Witz: was den Krieg für mich beendet hat, war so groß." Sie deutete mit Daumen und Zeigefinger etwa einen Zentimeter an. "In diesem Dschungel will einen einfach alles umbringen. In meinem Fall eine Malariamücke. Ich lag ewig im Krankenhaus, dann Flugtauglichkeit wiederherstellen und trallala." Sie schwieg eine Weile.
"Das beschissene am Abstürzen sind die Flashbacks. Und die tausend Tests mit denen sie einen echt mürbe machen. Ob man noch tauglich ist oder schon durchgeknallt. Wie soll man das bitte überstehen? Jeder nimmt irgendwas, damit er weiter fliegen darf. Immer schön die Karriereleiter hoch." Sie kam von Hölzchen auf Stöckchen, von Arschbacken auf Kuchenbacken, und merkte es nicht mal. "Wie soll man da sonst mithalten." Vor allem als Frau. Sie sprach es nicht aus, aber es klang wohl schon irgendwie mit. Dieser hart schwanzdominierte Militärwelt hatte Jordan so oft psychisch fertig zu machen versucht, dass sie sich manchmal wünschte, die Pimmelträger würden das auch einfach mit einem Baseballschläger lösen. Dann wüsste man wenigstens woran man war. Das war was echtes, aber soviel Respekt zeigten die Männer dem Störenfried mit Titten in ihren Reihen nicht mal.
"So. Und in der Zukunft? Kann man also Tote zum Leben erwecken, wie sie in den Science Fiction Büchern schreiben? Oder wie überlebt man es, gestellt, gefoltert und zerschlagen zu werden? Wie überlebt man ein explodierendes AKW? Ich bin grad bisschen langsamer, sorry." Diesmal drehte sie nur den Kopf und sah Sokolov unter halb geschlossenen Lidern an. Dann grinste sie plötzlich. "Vielleicht bin ich ja abgesoffen und das hier ist sowas wie die Vorhölle."
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Sie bekam beim Atomkraftwerk große Augen.
"War nicht die erste große Havarie. 1986 Chernobyl in der Ukraine, 2011 Fukushima in Japan. Nur bei uns ist noch etwas anderes passiert, schwer zu erklären, außer jetzt mit Magie. Es tauchten Monster auf anderer unerklärlicher Kram. Ganz ähnlich wie hier.... Und nicht jeder Russe heißt 'Iwan' manche heißen auch Alexej oder Sergej." und Slava zwinkerte. Manche Namen häuften sich tatsächlich in erschreckender Weise.
Der PDA spiele 'Kukuschka' in einer neueren Coverversion.
"Nicht aufmachen, sonst ist es hin. Ich habe nicht mehr viele davon. In meiner Zeit sind diese Geräte nicht dafür gemacht geöffnet zu werden. Man sieht eh nichts. Nur Chips und Leiterbahnen. Ich hab aber noch einen der kaputt ist, den kannst du zerlegen."

An den Schwanzvergleich per Trumpfkarten dachte Slava auch. 'Mein Haus, meine Yacht...' Er hielt aber nicht dagegen. Apropos... Er hätte auch viel lieber über spaßigere Themen nachgedacht. Wie lange war es her...
"Vielleicht ein Glück, dass ich zu groß war zum Fliegen... Noch schlimmer ist es nur in den U-Booten."
Er dachte kurz an Lew, ein Cousin von ihm war Kapitän gewesen und umgekommen. Allerdings lange bevor er ihn getroffen hatte. Nur den Namen kannte er damals eben schon aus den Nachrichten und hatte daher nachgefragt.
Und er griff nicht einmal die Vorlage auf, weder zuvor noch jetzt, dass die amerikanischen Bomber, um es vorsichtig auszurücken, nicht das beste waren was der Flugzeugmarkt zu bieten hatte. Weder damals noch heute. Wartungsintensiv, selten einsatzbereit... Andere Inhalte zogen seine Aufmerksamkeit deutlich mehr an.
Dass hinter allem was sie schilderte immer ein '...als Frau und das in dieser Zeit...' stand war Slava überdeutlich bewusst. Seinen Respekt hatte sie jedenfalls, die hatte Nüsse. Sie gefiel ihm immer mehr. Ob sie Beute gewesen war... oder wäre, hätte er nicht Jarel gehabt... wer weiß. Aber er konnte sich gut vorstellen, sie Kamerad zu nennen. Er verstand sie viel zu gut dafür.
"Ich mach dir keinen Vorwurf." Tat er wirklich nicht.
Diazepam und Oxycodon. Letzteres war genau war er gerade wollte. Fuck. Nahuj Bljad.
Er wollte nicht, und wollte doch. Es war kein verdammtes Fisstech, von dem man nie wußte wie die Konzentration gerade ausfiel. Es waren normale Schmerzmittel wie man sie von Arzt bekam. Kontrollierbar...
Und noch während er sich das ganze schön redete nahm er tatsächlich eine Tablette. Irgendwie wanderte sie ganz automatisch in seinen Mund. Nur einmal wieder schmerzfrei schlafen, einmal wieder am nächsten Tag aufstehen und sich nicht fühlen wie 80. Sogar sein alter Vater bewegte sich zuweilen gewandter als er.
"Wem sagst du das. Wenn ich nicht bei der Reha war, dann war ich beim Psychologen. Die können einen fertig machen... dabei..." und wieder grinste er. "...hab ich ja selbst nen Abschluss in Psychologie. Braucht man für meine Laufbahn. Hat mir nicht geholfen, dass sie mich als Psycho abstempeln."
Und während er drauf wartete, dass es sich besser anfühlte.
"In meiner Branche kann man auch nicht einfach weglaufen. Am Anfang Spezialeinheit... du gehst da hin wo die anderen vorher schon getürmt sind um aufzuräumen was sie liegen gelassen haben. Und später Undercover."
Aber die meisten Einsätze taugten auch wieder einmal mehr für die Vita des Schurken als für die des Helden. Kurz überlegte er, ob er von dem Einsatz 2006 erzählen sollte.
Damals hatte es angefangen, er war der einzige überlebende, Befragungen die er nur nicht Verhör nannte, weil er im Training unter der Oberbegriff schon schlimmeres erlebt hatte. Hatte er fahrlässig gehandelt, täuschte er die Amnesie nur vor, klebte an seinen Händen Blut? Das der eigenen Kameraden... damals hatten sie ihm alles zugetraut und dieser Makel war in Form eines Berichtes auch nie aus seiner Personalakte verschwunden.
Bis heute wusste es keiner ganz genau und erst die Hypnose durch Cyron hatte etwas davon ans Licht gebracht, was ihm damals widerfahren war.
15 Jahre zu spät.
Es war zuviel für diesen Abend, ein anderes mal.
Auch seine Gedanken begannen schon friedlich zu plätschern wie ein Bach anstatt wie Strudel der einen immer weiter in die Tiefe zog.
Dann ein Gedankensprung.
Konnte man Tote zum leben erwecken... Er war schon weit weg von seiner Behandlung und in der Zone.
"Tote nicht, aber dort... in der Zone, dort wurden Körper am Leben erhalten, die viel zu schwer verletzt waren um sich noch zu bewegen, das Hirn der Männer war... so gut wie tot bis auf die rudimentären Funktionen. Sie konnten nur noch vorwärts gehen und brüllen und manche konnten noch den Abzug drücken. Man musste sie schon so kaputt machen dass sie sich auch nicht mehr rühren konnten... was das bewirkte hat, eine Strahlungsquelle. Verdammte Zombies hat es aus ihnen gemacht! Es hat auch Kameraden erwischt... Ich habe so verdammt viele Leute verloren."
Es war schon wieder viel zu viel
Wie überlebte man die Explosion... Hatte er doch von 2006 erzählt und es wieder vergessen?
"Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich wirklich überlebt habe."
Oder doch die Folter?
Der PDA spielte mittlerweile "Би-2 — Лётчик" deutlich Elektrolastiker. Es ging um einen abgestürzten Piloten... Irgendwas war mit ihm und der Musik. Es tauchten immer wieder die passenden Songs auf, als versuchte jemand sein Leben mit einem Soundtrack zu versehen. Oder in dem Fall das von Pandora.
"Die Medizin ist weit. Sie haben alles wieder zusammengeschraubt was gebrochen war und irgendwie haben sie mich durchgebracht."
Bis heute war er nicht ganz sicher, ob das gut gewesen war. Sicher, er hing am Leben, aber die Schmerzen... die jetzt langsam wegflossen, er wollte sich noch nicht bewegen, aus Angst es könnte doch nicht wahr sein.
"Vorher... Es sind viele gestorben. Später ist etwas passiert..."
Dann ließ er sich ein wenig weiter an der Zuber wand hinabgleiten und legte sich auch hin. Achtete nicht mehr darauf, dass der Hausmantel wirklich alles verdeckte.
"...aber ein anderes mal, das wird zu viel für heute. Du bist gerade erst in diese Welt gefallen, und ich erschrecke dich mit Horrorgeschichten aus meiner Heimat... Das hier... Das kann Segen oder Fluch sein... ich kann es nicht sagen. Ich habe es mir auch nicht ausgesucht. Man muss das beste draus machen... klingt auch abgedroschen. Ich versuche es, aber... es ist so nervtötend langsam hier, bis man an wichtige Informationen kommt, und die Medizin ist hinterm Mond. Man kann an einem kaputten Zahn sterben weil es keine Antibiotika gibt. Und wenn man versucht etwas zu ändern landet man schnell auf dem Scheiterhaufen. Ich gebe mir Mühe, aber ich kämpfe gegen Windmühlen. Es ist einfach oft so frustrierend... auch wenn ich freundliche Menschen getroffen habe, wie Novka... oder... Jarel... Ich will dir helfen, wirklich... so gut ich kann."
Vielleicht machte ihn das Medikament auch ein wenig rührselig.
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Pandora
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Er machte ihr keinen Vorwurf.
Komisch. Wieso sollte er auch? Was ging sie ihn an? Oder ihre Pillen. War doch ihr Problem, nicht seins. Immerhin kannten sie sich gerade mal einen Tag. Nicht mal. Er war zu dem Thema los geworden, was er los werden musste, sie hatte es mehr oder weniger nachhaltig abgespeichert. Jordan überlegte kurz, ob ihre Worte nach Rechtfertigung geklungen hatten. Naja, ein bisschen vielleicht.
Dafür drückte sie ihm auch keinen Spruch, als der Blister knackte und die Tablette ihren Weg nahm. Er war der, der eben noch meinte, sauber zu sein. Aber mal ehrlich, wer kam von dem Stoff schon jemals ganz weg, wenn ihn nicht irgendwas dazu zwang und wenn es das Fehlen eben dieser Mittel war? Jordan beobachtete Sokolov, während er erzählte und erzählte und gar nicht mehr aufhörte. Und ganz entgegen ihrer Natur schwieg die Pilotin sogar einfach und ließ ihn reden. Hörte sich eh alles an wie Alpträume geschaffen von einem umwölkten Gehirn. Da war sie wieder: die Russen soffen also doch alle ständig und dann kam so ein Zeug dabei raus.
Wenn er nur nicht so überzeugend wäre dabei.
Und was meinte er mit Zombies? Dem Tonfall nach nichts Gutes und die Beschreibung davor klang tatsächlich grausam. Man schießt und die laufen einfach weiter - so oder so ähnlich geisterten diese fremden Wesen kurz durch Jordans Vorstellung. Kameraden. Auf Kameraden hatte sie bisher nie schießen müssen außer im Training. Da machte sie sowas dauernd, aber es war eben Training.
Lebten sie beide nicht mehr und erzählten sich in der Zwischenwelt ihre Geschichten, damit sie später vor dem Richter wieder wussten, wofür man angeklagt wurde?
"Wiegt ein Kamerad schwerer als eine Bauernfamilie?" Sehr leise, über die Musik fast nicht zur hören. Hatte sie überhaupt gesprochen? Nur kurz flackerte das Reisfeld vor ihrem inneren Auge auf, dann spülten die Blues das Bild zuverlässig fort. Jordan blinzelte einmal sehr langsam, wobei sie die Augen so lange schloss, dass es fast wirkte, als wolle sie einschlafen. Komischerweise war sie sehr wach, wenn auch etwas milchig im Kopf. Wie kam sie auf solche Vergleiche? Er hatte nur 'verloren' gesagt, sie hatte selbst den Finger am Abzug gehabt.
Als der Soldat an der Zuberwand hinunter rutschte, stammte Jordan sich erst auf die Arme und dann in eine halbwegs sitzende Position, direkt neben ihm. "Das Fegefeuer hab ich mir immer anders vorgestellt. Heißer und weniger hart.", maulte sie und rutschte etwas herum. Ihre Schulter berührte so gerade eben nicht seine. Sie stellte das ihm abgewandte Beine an und umfasste das Knie mit beiden Händen.
"Ich verrate dir ein Geheimnis.", flüsterte sie mysteriös und kippte den Kopf dabei ein wenig in seine Richtung. "Ich bin kein kleines Mädchen. Man kann mich nicht so leicht erschrecken." Und er hatte Glück, dass sie voll auf Blues war, sonst wäre sie gerade gleich mal ordentlich geplatzt. Er wäre überrascht, wie abgebrüht sie tatsächlich war - oder auch nicht. Was wusste sie schon von dem Typen? So wenig wie er von ihr. Sie sah einen Kerl von den Ivans, Speznas oder schlimmeres und er sah irgendeine Yankee-Frau, die zufällig einen Flugschein hatte. Oder Schlimmeres.
Helfen wollte er ihr. Ach scheiße, langsam lief der Motor ihrer Abwehrmechanismen doch an, wie immer wenn sie das Gefühl hatte, irgendein Typ musste dem Mädchen die Hand halten, weil es sonst in Ohnmacht fiel oder völlig orientierungslos durch sein Leben irrte. Erschreckt. Nicht vergessen.
Fast hätte sie geglaubt, er wär anders. Aber naja, man wurde am wenigsten enttäuscht, wenn man keine Erwartungen hatte. Jordan zog die Nase hoch und dann ihr Matcho-Grinsen an.
"Ich bin schon groß, weißt du, und an Starthilfe mit dem Katapult gewöhnt. Endet schon mal im kalten Wasser, aber - noch ein Geheimnis - ich löse mich nicht auf, fange nicht an zu heulen und schwimme in der Regel. Soll heißen, ich komm schon klar." Sie atmete einmal durch, bremste gedanklich wieder ab ohne wirklich Schwung geholt zu haben. Zu Wort kommen ließ sie ihn allerdings auch nicht. "Novka ist ein nettes Mädchen. Ein bisschen schnell dabei die Probleme anderer zu ihren eigenen zu machen, aber sonst ganz süß. Und wer ist Jarel? Die Frau, die zu diesem Ring gehört? Schläft sie oben und macht uns gleich eine Szene, wenn sie mich hier mit dir erwischt? Ich mein, ich geb mir gern Mühe, aber als Saufkumpel geh ich vermutlich nicht durch.", wechselte sie dezent das Thema. Ihr war langsam auch nicht mehr so richtig nach Trübsal blasen. Erfahrungsgemäß konnte das bei diesen Mittelchen einen ganz schönen Abwärtsstrudel geben.
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Was wog schwerer, Kameraden oder Bauernfamilie?
"Man sollte gar nicht in die Situation kommen den Wert von Leben gegeneinander abzuwiegen."
Er wandte sich ihr mehr zu, den Kopf auch auf den Ellbogen gestützt und beobachtete sie.
Für die Die Veränderung in ihrem Tonfall war er gerade ganz besonders sensibel.
"Und es hat nichts damit zu tun, dass du eine Frau bist... wobei ich mir da nicht einmal ganz sicher bin, jedenfalls hast du dickere Eier als viele Kerle, die ich kenne. Es geht darum, dass du eine Reisende bist aus einer Zeit, die sich von der hier grundlegend unterscheidet und auch was in meiner Welt passiert ist, ist dermaßen fremd, das muss dosiert aufgenommen werden. Und ich habe jedem Fremden aus anderen Welten hier Hilfe angeboten, Elfen, Menschen... Und anderen. Einfach weil ich in der Position bin zu helfen."
Bei 'und anderen' hatte er 'Dämonen' sagen wollen, aber das klang einfach so sehr nach Fantasy.
"Ich trau dir sehr wohl zu, dass du jederzeit auch alleine klar kommst, aber es ist leichter wenn man zusammenhilft. Vielleicht brauche ich ja irgendwann deine Hilfe. Und Ja, Novka will überall dabei sein und alle Probleme lösen... aber das ist besser als die meisten Wächter, die lieber ersteinmal wegsehen wenn jemand ausgeraubt wird oder im Hinterhof massakriert. Da ist sie mir 100mal lieber. Und was die Zone angeht... das ist ein abendfüllender Vortrag und komplex... Das meiste verstehe ich auch nciht und kann es nur beschreiben. Für heute ist das einfach zu viel. Nicht weil ich dir nicht zutraue damit umzugehen, sondern weil es mir für diesen Abend zu viel ist. Ich rede zu viel, oder?"
Er war entspannt, die Schmerzen hatten nachgelassen und er würde sogar alleine und ohne Hilfe aufstehen können. Vielleicht hielt die Wirkung ja lange genug und er würde auch die Begegnung am nächsten morgen mit den Hexern nicht wie ein alter Mann bewerstelligen. Die Hexer frustrierten ihn jedes Mal wenn er mit ihnen zu tun hatte. Beide über 90, angeblich, Geburtsurkunden gab es ja keine, aber sprangen herum wie mitte 30 und wenn auch zerschrammt so waren sie doch topfit. Er spürte jede Verletzung und jede Narbe die er sich zugezogen hatte. Er war körperlich... er musste fast Krüppel sagen. Wenn er etwas einwarf oder magisch unterstützt einen guten Tag hatte konnte auch er wieder ein Lager mit Nifgardern niedermachen, aber ohne diese Hilfe mußte er froh sein wenn er alleine aus dem Bett kam.
Den Gedanken schob er ersteinmal weit weg.
Ein Geheimnis.
"Und ich verrate dir auch etwas. Ich glaub dir. Ich sehe, dass du ordentlich Schnied hast. Die Zone, diese Sperrzone ist ein grausamer Ort und sie macht alle grausam, die darin überleben wollten. Und ich habe sehr sehr lange überlebt. Da ist vieles worauf ich nicht stolz bin. Ich will jetzt einfach nicht darüber reden. Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt. Vielleicht auch nicht."
Auch ihm war klar, dass man sehr schnell in dieses Fahrwasser geriet und gerade er. Er kramte dann alles hoch, wirklich jede wiederliche Tat, die ihn zu einem verachtenswerten Wesen machte. Aber nicht jetzt, nicht hier.
Jarel gegenüberr hatte er schon versucht sich zu demontieren, der kannte alle Details...
Und warum hatte sie nur das Thema Sex in sein Gehirn gepflanzt. Eine unbedachte Äußerung über elterliche Schlafzimmer. Und dann... Machte sie das absichtlich?
Und wie sie so nebeneinander am Boden lagen.
Es hätte romantisch sein können.
"Wir können ja nach oben gehen, dort gibt es ein Bett und auch ein Sofa. Und das Bett ist groß genug, wir müssen uns nicht zu Nahe kommen. Es ist aber sicher bequemer als das Sofa." lenkte er schnell ein, weil er befürchtete, dass sein Gehirn einen Weg finden würde, das, was er dachte auch auf die Zunge zu bringen. Dabei wollte er sie wirklich nicht angraben.
Aber was sprach sie auch von heiß und hart... Das die das Fegefeuer meinte war zunächst ausgeblendet. Er blendete es wieder ein um aus dem Fahrwasser weg zu kommen.
"Ich kenne sogar einen Dämonen... und es gibt so etwas wie Vampire... vermutlich sind wir wirklich in der Vorhölle." lachte er.
"Aber im ernst... gehen wir nach oben, ehe sich doch noch einer von uns verkühlt. Und es gibt keine Frau namens Jarel. Davon kannst du dich auch gerne überzeugen. Ritter Moore ist..."
Fuck, was? Nur ein Kollege...? Wollte er es leugnen? Wollte er wirklich jetzt damit anfangen? Er wollte doch offen dazu stehen.
"Mein Lebensgefährte. Ja, zu ihm gehört der Ring." gab er schließlich zu.
Und musterte sie. Ein Russe und schwul. Bei Maximilien hatte dass für einen akuten Ausbruch von Heiterkeit gesorgt. Er war nun umso mehr gespannt auf ihre Reaktion.
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Pandora
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"Muss man immer. Und wenn es das eigene gegen ein Fremdes ist.", hielt sie dagegen. Dann schlich sich Skepsis in ihren Blick und das Grinsen verlor sich allmählich. Was schaute er jetzt so?
"Analysierst du mich grad?" Sie hatten es ja von den Psychologen gehabt, zu denen er per Studium angeblich gehörte, und auch Jordan hatte schon mit genügend Seelenklempnern zu tun gehabt. Hatte vor Wachsstiften gesessen und IMMER fehlte der schwarze Stift. Der, nach dem niemand fragte, der seinen Job behalten wollte.
Ihre Antwort war kein Ja, sondern eine Einschätzung und Erklärung, mit der er sie tatsächlich etwas besänftigte. Ihre Gedanken wieder auf andere Wege brachte. Er wollte nicht darüber reden, nicht wegen ihr, sondern wegen sich selbst. Gut, sie hatte eigentlich auch nicht gemeint, dass er sein Leben vor ihr ausbreiten sollte. Ihr Einwand war eher grundsätzlicher Natur. Man musste sie nicht vor der Welt beschützen, das hatte Novka auch schon gemeint tun zu müssen. Aber gut, Schwamm drüber. Ein fast zu übersehendes Nicken.
Was anderes denken.
Psycho. So hatte er sich selbst genannt. Verspätet fiel ihr das wieder ein. Sie war grad wirklich langsam im Kopf.
Psycho. Wer dachte da nicht zuerst an einen Duschvorhang und den Schatten eines Messers? Und dann diese Musik. Streicher auf LSD.
Psycho. Und nun feilte er weiter an diesem Bild einer Zone, in der nur überlebte, wer grausam war. Knallhart. Trotzdem machte es für die Pilotin keinen großen Unterschied zum Krieg. Überleben hieß Du oder Ich, um jeden Preis und selbst wenn der die eigene Seele war. Es erschreckte sie nicht. Sie war keinen Deut besser und lebte genauso damit. Sie waren Soldaten, es gehörte einfach zur Jobbeschreibung, moralisches Zwiedenk zu beherrschen. Gerade wenn man wie sie Befehlsempfänger war. Ausführendes Organ. Exekutive mit Flügeln und Maschinengewehr.
Jetzt lächelte sie sogar und grinste dann regelrecht. "Ja Mann, du solltest echt Pastor werden, so viel wie du quatschst." Sie stemmte sich ganz hoch, in eine nahezu sitzende Position. Das sein Angebot, nach oben zu gehen, so zweideutig war, dass es schon wieder eindeutig wurde, störte sie nicht im Mindesten. Sie überging es schlicht für den Moment, obwohl es sogar dafür sorgte, dass sie sich fast wohl fühlte, weil damit irgendwie alles im normalen Bereich angekommen war. Sie war schon so lange Teil einer Männerwelt, dass sie selber andauernd mit dem nicht vorhandenen Schwanz dachte. Witze machte, die eine Lady wie ihre Mom erst erbleichen und dann zornrot anlaufen lassen würden.
"Für unmoralische Angebote bin ich noch nicht stoned genug. Aber die Couch nehm ich gern." Sie lachte, nicht mal verlegen. Zusammenhalten hatte er gesagt. Scheiße, sie dachte echt grad nur an Sauzeug.
Und dann packte er den Hammer des Abends aus. Jarel war keine Frau und oben drauf ein Ritter. DIESE Ritter?, fragte da gleich ein Stimmchen in ihrem Kopf. Die, die hier jeden anzünden, der nicht ins Schema F passte? So Schwule zum Beispiel? Das war von all den Informationen der letzten Stunde wohl die, die am meisten an Jordans Sozialisierung und dem sauber gezimmerten Männerbild ihrer Zeit rüttelte. Oder beidem besser gesagt eine Nase drehte.
Bääääh - damit hast du nicht gerechnet JJ.
Jordan blieb trotzdem ruhig (nichts anderes war noch möglich, so stark war die Dämpfung in ihrem Gehirn gerade). Ruhig und plötzlich wieder versöhnt. Schon komisch. Manchmal begegnete man Leuten und obwohl anfangs alles dagegen sprach, dass man zueinander passte, passte es auf geheimnisvolle Weise trotzdem. Nicht im Sinne einer erotischen oder romantischen Beziehung. Jordan hatte für beides nicht wirklich Sinn oder Motivation, sondern eher auf einer pur menschlichen Ebene. Ich und du, ohne er, sie oder es. Menschen. Lebende Wesen. Zwei mal Verstand, Kopf und Herz, die irgendwie zusammen passten. Gleiche Wellenlänge sagten manche dazu.
Sie sah ihn von oben herunter an, forschend so wie er sie ansah. Seinerseits eher abwartend, was sie nun aus der Information machte. Zumindest nicht lachen, auch nicht angewidert weglaufen oder abwehren. Sie schaute nur gefühlt mehrere Minuten diesen Typen an, der sie irgendwie bewegte und das ganz im Gegensatz zu seinen Gedanken, nicht auf anrüchige Art. Und der etwas los trat. Tief in ihr.
Viel reden. Konnte sie auch, wenn einmal losgelassen von der selbst angelegten Kette.
"Meine Mom gab mir den Namen Mary-Ann, Jordan kam von Dad dazu. Sie hab ich mit meiner Art wahnsinnig gemacht, er hat mir Flügel gegeben. Ich hab vier Brüder, die mich alle irgendwann abgehängt haben. Selbst mein Kleiner. Also hab ich mit 17 meine Papiere gefälscht und mir von irgendeinem Hinterhofstümper Gebärmutter und Eierstöcke entfernen lassen. Die Infektion danach war irgendwie scheiße und nicht geplant, aber zu Hause gibt es ja Antibiotika. So'n Eingriff ändert ne Menge im Kopf und im Körper und so bin ich halt jetzt. Und bis heute der Meinung, dass Gott am Tag meiner Schöpfung die Pimmel ausgegangen sind." Wie so oft zog sie diese Verzweiflungstat mit einer Lächerlichkeit gerade. "Ich nehm auch Steroide für den Muskelaufbau, also pass auf, falls du nochmal an mein Päckchen gehst. Nicht dass dir ein zweiter Schwanz wächst." Pillen, die es hier ebensowenig gab. Ach verdammt.
Jordan zog das andere Bein auch noch an und legte die Ellenbogen auf den Knien ab, die Hände locker baumeln lassend. Selten das sie mal so frei über das Dilemma ihres Lebens sprach. Wieso gerade jetzt und genau mit diesem Kerl war schwer zu sagen. Vielleicht weil man bei Fremden weniger zu verlieren hatte, als bei solchen, für die man schon ein gewisses Bild gezeichnet hatte, welches man nicht zerstören wollte. Zumindest ging es ihr bei den Kameraden so. Da riss man zotige Witze, tanzte in ihrem Fall immer auf der Grenze von Sprüchen unter der Gürtellinie und unvorsichtiger Einladung. War ja gerade schon wieder passiert, aber das war eben so. Sie arrangierte sich damit, wusste im Zweifel wohin treten, wohin stechen und hatte für eine Frau Kräfte, mit denen Mann nicht unbedingt rechnete. Dazu wenig Skrupel diese auch einfach freizusetzen. Zaghaftigkeit war keins ihrer Attribute.
So machte sie sich keine Gedanken, wo das hier enden könnte.
Luft holen, den Kopf an den Zuber lehnen.
"Was ich damit genau bin, keine Ahnung. Meistens hab ich mich an die Konvention gehalten. Die paar Partner, die ich hatte, waren vermutlich eher homosexuell und auf der Suche nach jemandem, der nah genug ran kommt, ohne das es auffliegt. In Texas ist Homosexualität bis heute eine Straftat und wird hart verfolgt. Es gibt diese Bewegung von Frauen: Raus aus dem Wandschrank, raus auf die Straßen. Dagegen rennen die Konservativen Sturm und die Kirchen sowieso. Du sagst, ich hab Schneid, aber nicht bei sowas. Sei du gerne weiter so mutig. Ich lass es einfach sein, leb mein Leben. Fliege. Nicht fragen, nichts sagen. So läuft das bei unserm Militär." Was jetzt nicht mehr ging. Also fliegen. Scheiße.
Die Pilotin drehte den Kopf und sah den Mann neben sich wieder an. "Danke für's Angebot. Das hier ist sowas von ne Traufe, dass mir dazu langsam wirklich die optimistischen Gedanken ausgehen.", lenkte sie letzten Endes also wirklich ein, bevor sie einen Zeigefinger und die Brauen hob. "Wenn auch nicht die dummen Sprüche. Die. Niemals." Die gleiche Hand vollführte eine nachdrückliche Geste.
"Jetzt wissen Sie zu viel, Agent Sokolov." Sie zielte mit zwei gestreckten Fingern einer imaginären Pistole auf ihn und grinste. "Aber ich vermutlich auch.", drehte die Hand und lies die beiden Finger an ihrer Schläfe ruhen. Das sie Profi im Lügen und Vertuschen war, musste er ihr jetzt einfach zutrauen.
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Vyacheslav Sokolov
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"Jemand wie wir wurde dazu dressiert, das eigene Leben für das des Kameraden zu geben, das zählt nicht." er versuchte den Satz mit dem Ausdruck aus der Tierhaltung ironisch zu überziehen, aber genau so war es. Man bekam von Anfang an eingebläut, dass das eigene Leben nur ein Hebel war den man ansetzte und der Notfalls dabei brach, wenn es der Sache diente. Einmal Soldat, immer Soldat.
"Und ich stand auch vor dem Dilemma, dass Zivilisten als lebende Schutzschilde missbraucht wurden, nicht nur einmal. Man kann sich nur falsch entscheiden. Ich habe mehr als einmal getötet um andere zu schützen, auch von Angesicht zu Angesicht."
Man gewöhnte sich dran. Nicht einfach, nicht schnell, aber man gewöhnte sich. Und weil sie bei den Psychologen waren und das auch für ihn der Kontext gewesen war, warf er mit einem Grinsen ein:
"Musstest du mal dein Umfeld als Tiere aufstellen? Das hat einer der Gutachter mit mir gemacht. Plastiktiere, für Freunde, Familie, Partner, Kameraden und Vorgesetzte... so zum repräsentieren."
Er hatte damals alle als Nagetiere aufgestellt und kleine harmlose Wesen, Haustiere... Nur Markin hatte er als Ochsen aufgestellt, aber den Witz hatte nur er selbst verstanden, der Psychologe hatte das heillos überinterpretiert. Und für sich selbst hatte er den Dinosaurier gewählt. Vermutlich hätte er die Schlange genommen, wenn diese im Maßstab zu all den Kaninchen und Mäusen und Eichhörnchen nicht so klein gewesen wäre. Der Raptor schien ihm viel passender. Das hatte ihm aber noch 4 weitere Wochen Reha eingebracht, bis er sich eine unangreifbarere Konstellation ausgedacht gehabt hatte.
Pastor sollte er werden...
"In guter Sowjettradition kommt mein Beruf dem schon recht nahe."
Nicht stoned genug für unmoralisches... Er jedenfalls war entspannt genug um nichts mehr so richtig ernst zu nehmen. Allerdings blieb fast immer ein kleiner Rest Vernunft aktiv, wenn auch nur um meist ignoriert zu werden. Also... würde er mit ihr vögeln, wenn sie Bereitschaft signalisieren würde? Provozieren und Anspielungen machen und schlüpfrige Witze waren das eine. Aber würde er Jarel untreu werden? Wobei ein Fick zum Ablenken nicht gleich Untreue war... sie hatten nie darüber gesprochen... wobei, doch. Jarel hatte erwähnt, wie sehr es ihn immer verletzt hatte, dass dieser Illarion fremdgegangen war, selbst wenn er jedesmal zu ihm zurückkam... Er wollte Jarel nicht verletzen. Er hätte vermutlich eingelenkt. So aber musste er gar nicht.

Auf seine Outing reagierte sie ruhig. Er hatte es ihr recht schonungslos vorgesetzt. Das war manchmal seine Art. Einen derart kapitalen Happen einfach hinknallen und dann zukucken wer sich daran verschluckte und sich amüsieren. Jetzt war er jedoch nicht mehr amüsiert als sie es ihm mit barer Münze zurückgab. Einmal mehr wuchs sein Respekt vor dieser Person.
Dass ein Teil ihrer Ruhe den Medikamenten geschuldet war... er jedenfalls rechnete den Verdienst ihrem Charakter an.
Mit 17 schon...
Die Gebärmutter entfernt... hier schluckte Slava merklich. Damit hatte er nicht gerechnet, nicht mit einer solchen Aktion und nicht mit einer solchen Offenheit. Das war hart.
Und sofort setzte sein analytisches Denken ein. Wenn beides entfernt wurde...
Er war mit einer Ärztin verheiratet gewesen, einer Internistin, und auch wenn er wenig Zeit für die Familie gehabt hatte oder hatte haben wollen, ihren Schilderungen aus beruflicher Sicht hatte er immer aufmerksam zugehört. Aufmerksamer als ihr damals wohl bewusst gewesen war.
Aber er schluckte den nächsten Klugscheißerkommentar runter. Er dachte an Hormonersatztherapie und dass sie bald möglichst einen Alchemisten aufsuchen mussten.
Wieder blieb sein Blick bei ihr hängen. Da war etwas zwischen ihnen, das Freund und Feind verband...
Sein Herz schlug ihm wieder im Hals und kurz dachte er an einen weiteren Infarkt. das war es aber nicht. Er überlegte fieberhaft ob er noch eine weitere Enthüllung drauflegen sollte, eine, die er bisher nur Jarel anvertraut hatte als der ihm durch den Entzug geholfen hatte. Etwas, das er jetzt wieder torpedierte.

"Fuck... das ist übel... Dass es nötig war... Ich wurde etwa im gleichen Alter Opfer einer Vergewaltigung durch Kameraden... ist nicht unüblich in der Armee... Egal wie man es relativierte... Er redete zu viel, eindeutig.
"Scheiß Tragödien Quartett... Das Leben ist beschissen, aber ein anderes gibt es halt nicht..."
Jetzt irgendwie wieder die Kurve bekommen in eine andere Richtung.
"Und ja, eigentlich müsste ich dich jetzt auch erschießen."
Er richtete sich langsam auf, schneller als sonst oft, es war dermaßen befreiend, schmerzfrei zu sein...
"Denk nicht, dass ich in Russland ein Queer-Aktivist gewesen wäre. Ich war auf Linie und habe selbst Homosexuelle, Transsexuelle und alles was nicht eindeutig Mann und Frau war, verfolgt. Auch unsere Politik ächtet so etwas und es gibt Pläne, die solchen Aktivismus als Extremismus stempeln und ebenfalls unter Strafe stellen. Ich habe mich auch angepasst und mir war selbst nicht klar... oder besser, ich habe mich selbst ebenso belogen wie meine Freunde, meine Vorgesetzten und auch meine Frau."
Vielleicht hatte er die Untreue auch deshalb nicht übel genommen... Und wenn er noch zwei Puzzlestücke zusammenbrachte... Dass Oleg ihn erwischt hatte, dass er es war... er wollte es sich die meiste Zeit nicht erlauben dahin zu denken, aber wenn er ehrlich war, dann hatte er an Oleg immer viel größere Interesse gehabt... Fuck auch.

"Diese Welt ist kaum besser. Aber dass ich aus meinem sozialen Geflecht gerissen worden bin hat mich gewissermaßen befreit. Ich habe den Mut gehabt, hier die Partnerschaft einzugehen... die ich brauchte. Aber auch hier wird man verfolgt... nicht zuletzt vom Orden."
Jarel war bereist darüber gefallen. Wie tief, das würde sich noch zeigen, oder ob er einen Hebel fand, den er ansetzen konnte, oder ob er damit riskierte als Verräter gerichtet zu werden.
"Falls ich mal aus politischen Gründen eine Partnerin vorweisen muss, dann weiß ich an wen ich mich wende. Umgekehrt, wenn du mal jemanden zum vorzeigen brauchst..."
Er grinste dabei, aber es war Realität. Über kurz oder lang würde man sein Auftreten bei Empfängen erwarten und er hatte schon überlegt, wen er da vorbringen sollte. Novka sicher nicht. Sie könnte eher seine Tochter geben, oder den Sohn. die Alchemistin vielleicht, oder eben dieses Exemplar hier.
Und er bot ihr die Hand an. Nicht weil sie eine Frau war, sondern als Kamerad.
"Nun komm, gehen wir nach oben. Ich versprech dir auch dich nicht zu erschießen..."
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Dressieren hatte er gesagt.
Dressieren wie einen Hund oder ein Pferd. Jordan glaubte nicht an einen Schnitzer in der Wortwahl, dazu sprach dieser Mensch ein zu sauberes Englisch. Sauberer als ihres jedenfalls. Zwar hatte sie sich in all den Jahren, in denen man mit verschiedensten Leuten aus diversen Bundesstaaten und Ländern zusammenarbeiten und auch über Funk verstanden werden musste, eine ziemlich klare Aussprache angewöhnt, aber hier und jetzt rutschte sie deutlich ins Texanische, wobei sie oft klang als balanciere sie eine heiße Kartoffel auf der Zunge.
Sie zog ihre Hundemarke aus dem Ausschnitt und spielte damit herum. Die eingravierten Zahlen und Buchstaben ihrer Dienstnummer konnte sie im Schlaf herbeten. W18 623.091.
Dressieren also.
Nein, das konnte sie so nicht stehen lassen.
"Mag ja bei euch so sein, aber als Soldat der Vereinigten Staaten von Amerika wird man ausgebildet, die Schwächeren zu verteidigen. Soldaten sterben, aber sie tun es für die Gerechtigkeit und stehen vor denen, die nicht kämpfen können. Freiwillig, weil das unser Job ist und weil Leute sterben, wenn wir den Job nich' richtig machen. Das ist eine Frage der Ehre, keine Dressur, Mann." Nette Gehirnwäsche. Als hätte sie nicht selbst oft genug auf die Vietkong geschossen, die sich unter Dörfern eingegraben hatten und bei denen man die Feinde und die Zivilisten nicht mehr auseinander halten konnte. Wer also "die Schwachen" waren, das definierte die Propaganda und die oberste Heeresleitung. In erster Linie beschützten sie das amerikanische Volk. Zum Beispiel vor Kommunisten mit Atomraketen. Oder solchen, die zu viel redeten.
Aber das Gespräch wanderte schon weiter, hin zu den Psychotests und Jordan lachte ihr raues Lachen, als er von den Tieren anfing. Dressieren. Tiere. Verdammter Zoo hier oder was? Ihr Colonel hatte über einen Haufen Marines, die wegen einer Verlegung auf der Airbase rumlungerten und sich mit Airforce-Leuten angelegt hatten mal gesagt: 'Nicht mein Zoo, nicht meine Affen', als es darum ging, Disziplinarmaßnahmen festzusetzen. Ein ganzer Zoo fiel Jordan also ein, als sie darüber nachdachte, wie sie bei so einer Aufgabe wohl wählen würde. Sofort dachte sie an Peach. Der wäre einer dieser kleinen Affen, die so flink herum hopsten, Sachen klauten und einem in den Finger bissen, wenn man diese wieder haben wollte. Lärmend und bissig und flink, aber irgendwie possierlich. Sie schüttelte den Kopf. "Ich musste immer malen. Und ich kann nicht malen.", und so wirklich umfangreich waren die Tests sowieso nie gewesen. Leicht zu durchschauen, wenn man den Doc kannte. "Kam immer mehr auf die körperliche Fitness an als auf die Psyche. Hauptsache, du kannst dein Gewehr schleppen." Ob du damit dann Amok läufts oder es dir in den Hals schiebst, interessiert im Grunde erst, wenn es passiert ist. Und bis dahin gibt es bunte Pillen. In den Zeiten, in denen Jordan lebte, brauchte das Militär jeden Soldaten und stellte durchaus weniger Fragen als das vielleicht in späteren, friedlicheren Zeiten der Fall war. Manpower war buchstäblich kriegsentscheidend, vor allem wenn man gegen ein Land agierte, das so verflucht viele Ressourcen in die Waagschale werfen konnte. Lebende wie materielle.
Und dann waren sie in dieses Bingo getrudelt - noch einen drauf und noch einen drauf. Hätte der Oberst den Klugscheißer nur raus gelassen... Dann würde sich Jordan wenigstens daran erinnern, dass es die Spritze, die alle paar Monate dafür sorgte, dass sie nicht zu einem migränegeplagten Nervenbündel wurde, hier auch nicht gab, und nicht erst wenn die unweigerlichen Veränderungen einsetzten, die mit dem Ausbleiben der Hormone kamen. Sie würde sich verändern, hier in dieser Welt und noch hatte sie zu viel Angst davor, darüber nachzudenken und noch mehr Angst vor den Fakten als solchen. Schön verdrängen, unter Pillen ersticken, bis es nicht mehr ging. Und dann...
Zeit. Noch war Zeit.
Nötig. War es nötig. Für ihr Seelenheil allemal. Ein Gewaltakt gegen sich selbst, aber wirklich nötig eigentlich nicht. Was wusste man schon als halb depressiver Teenager? Sie hatte eine impulsive Entscheidung getroffen und vergessen darüber nachzudenken, dass es vielleicht auch anders gegangen wäre. Bereute sie? Kein Stück. Dafür war sie zu sehr jemand, der immer nur nach vorne sah, auf das große Ziel. Sie brauchte ein Neues. Unbedingt.
Dann stolperten ihre Gedanken. Der Kerl machte sie echt fertig. Morgen früh würde sie dieses Gespräch bereuen, jetzt aber konnte sie sich nur ergeben. Äußerlich ließ sie den Kopf gegen den Zuber fallen. Der gab ein leises 'Tonk' von sich und Jordan schloss kurz, aber fest die Augen, als hätte Sokolov nach ihrer Nase ausgeholt und sie erwartete den Treffer. "Scheiße.", atmete sie dazu flüsternd aus.
Augen wieder auf und geradeaus auf diesen Typen, der gerade die Hosen runter ließ. Im übertragenen Sinne.
"Full House, Mann." Da konnte sie keinen mehr drauf setzen. Jordan hatte sich nie sexueller Übergriffe erwehren müssen und sich das immer vornerum damit erklärt, dass sie einfach kein Opfer war und sich auch nicht so platzierte. Aber die schnöde Wahrheit war ein Gesetz, das Frauen im Militär gleichstellte und schützte. Sexuelle Belästigungen bis hin zu einer Vergewaltigung waren das Einzige, womit sie ihre Kameraden und Vorgesetzten an den Eiern kriegen konnte und daran direkt vors Militärgericht schleifen. Das Resultat war ein gewisser Schutz vor dieser Form von Gewalt, im Umkehrschluss entstand eine perfide Kreativität, wenn es um andere Formen der Disziplinierung ging, sei es durch Vorgesetzte oder untereinander im Korps. Als Frau musste man viele Hürden nehmen, viele Härten ertragen - nur die eine nicht, die den Männern direkt als Boomerang wieder ins Genick schlug. Konnte man jetzt sehen, wie man wollte - Jordan war recht froh darum, aber sie konnte mit allem anderen auch umgehen. Sie war keine Zuckerblüte.
Die Pilotin blinzelte. Stimmt ja, er hatte Frau und Sohn erwähnt.
Wenn es einen raus riss, wird Man(n) also mutiger? Wie mutig sollte sie denn dann werden? Mutig genug sich ihren Ängsten zu stellen, von denen sie immer gedacht hatte, sie wären tief genug verbuddelt, dass keine davon je wieder auch nur einen Finger nach ihr ausstrecken konnte?
Und dann brachte er sie wieder zum Lachen. Das bekam er außerordentlich gut hin.
"Ich bin mir nicht sicher, ob du dich nicht lieber gleich als Witwer darstellst bevor du dir mich antust.", lachte sie höchst amüsiert bei der Vorstellung wie eines dieser Weiblein draußen auf dem Markt demütig gesenkten Hauptes neben ihm her zu trotten. "Oder ist dir so daran gelegen, dein Ansehen komplett zu ruinieren? Kurz die Fakten: Ich bin laut, rede mindestens so viel wie du und davon die Hälfte dummes Zeug, hab keine Manieren und stolpere im Kleid nach zwei Schritten über den Rock. Das ist verifiziert, auch wenn die Datenlage knappe dreißig Jahre alt ist. Aber sonst, klar. Ich bin 'nen super Flügelmann." Sie nahm die angebotene Hand, aber nicht wie einen Handschlag, sondern als wollte sie Armdrücken. Gekreuzte Daumen, ein fester Griff um seinen Handballen. Die Frau hatte Kraft, auch wenn sie müde war so wie jetzt und wirklich einen gewissen Zug seinerseits brauchte, um auf die Beine zu kommen. Jordan ließ auch nicht sofort los, denn ihr wurde sofort wieder schwindelig. "Heilige Scheiße, ich hätte nicht zwei von den Dingern einwerfen sollen. Mein Gleichgewichtssinn ist schon im Koma." Mit der anderen Hand hielt sie sich am Zuberrand fest. Oben. Na das würde ein Spaß werden, diese steile Treppe rauf...
Sie sah Sokolov wieder in die Augen. Noch vor ein paar Stunden hätte sie ohne zu fragen auf ihn geschossen, ohne Skrupel oder schlechtes Gewissen. Einfach weil er zu denen gehörte, auf die man eben aktuell schoss und dies das Normativ ihrer Gegenwart war.
Vor ein paar Stunden, als noch alles normal gewesen war und sie in der Luft.
Und jetzt.
"Versprich mir lieber, mich rechtzeitig zu erschießen, falls irgendjemand hier auf die Idee kommen sollte, ich tauge als Brennmaterial." Diesmal redete sie kein dummes Zeug, sondern war plötzlich todernst. Sie würde sowas von niemandem verlangen, außer von einem, dem sie es verflucht nochmal auch zutraute.
Sie würde dieses Gespräch morgen (oder besser heute) früh wirklich bereuen. Diese Pillen machten sie einfach immer viel zu ehrlich.
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