Tempelinsel | Der Orden der Flammenrose | die Komturei in Nowigrad

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob verspannte sich kurz, als Jarel kurzerhand seine Beine über die eigenen legte. Auch dem jungen Menschen war körperliche Nähe immer schwer gefallen. Distanz zu allem und jedem war ihm normalerweise lieber, aber die Atmosphäre, die sich augenblicklich aufbaute, war nicht unangenehm. Und so entspannte er sich wieder etwas, pickte ein Stück Käse und hörte zu.
Der Knappe unterbrach den Ritter nicht einmal ansatzweise, lauschte aufmerksam und sog die Informationen auf, um sie erst einmal zu bewerten und abzulegen. So war sein Naturell. Beobachten, lauschen, Schlüsse ziehen und dann, nach reiflicher Überlegung vielleicht kommentieren - oder eben nicht. Und es gab viel, was er neu einsortieren musste. Schatten und das sich bewegen darin kam ihm einerseits wie der Plot aus einem Mittelklasse-Fantasystreifen vor, doch andererseits hatte er den Effekt bereits mehr als einmal gesehen. Das wovon Jarel sprach war etwas Wirkliches, Erlernbares und je mehr er berichtete, desto kälter wurde es Jakob. Sie bitten, sich darin kleiden und verbergen. Darin eintauchen und wieder hervor treten. Unwillkürlich fröstelte er trotz der stickigen Wärme in der kleinen Kammer. Die Hand, mit der er sich noch immer aufstützte, furchte das Laken, als er die Finger hinein grub.
Unvermittelt fragte er sich, was der Ursprung dieser Lehre war. Kam das, was die Vampire seiner Welt praktizierten aus Jarels Welt? Oder hatten sie es umgekehrt in seine gebracht? Hatte es überhaupt etwas miteinander zu tun? War der Schritt in die Schatten zwangsläufig mit etwas Dunklem verbunden - einer Abkehr vom Licht der Flamme und der Heiligen Mutter? Doch Jarel glaubte an Melitele, verehrte sie fast mehr als den Glauben, dessen Wappen er trug... Ging es also gar nicht um den Schatten an sich, sondern um das, was man aus dem Dunkel heraus anrichtete? Ob man Essen schmuggelte oder hinterrücks einen Menschen nieder stach...
So kamen auch Jakobs Gedanken da an, wo Jarels Rede endete und der Blick des Knappen fiel wie magnetisch angezogen wieder auf den Dolch, sodass sein Rittervater im tiefsten Inneren sofort wusste, was er gleich zu hören bekommen würde. Der junge Mann zog die Beine nun doch zurück und schlug sie ungeachtet des Zerrens und Reißens in seinem Rücken unter.
"Ich sitze an einem Lagerfeuer, würfele. Iola ist an einen Baum gefesselt und ein Mann - ich glaube mein Kommandant - will sich gerade... mit ihr befassen. Ich springe auf, aber komme nur einen Schritt weit, dann steht jemand vor mir. Ein Mann, ganz in Schwarz." Jakob nahm den Dolch wieder in die Hand, spielt damit, doch sein Blick fixiert nun doch wieder Jarel. "Ich ziehe ein Messer aus dem Stiefel, der Angreifer zögert kurz, rammt mir dann so eine Klinge hier hin." Er tippte sich mit der scharfen Spitze gegen die Halsseite, knapp oberhalb des Schlüsselbeins. "Ich erwische ihn mit dem Messer an der Seite, das Tuch, das er vor dem Gesicht trägt, verrutscht... Es ist dein Gesicht. Totenblass, aber deins." Leiser und leiser war seine Stimme geworden, bis sie gegen Ende fast versandete. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, aber er wich dem Blick seines Ritters nicht noch einmal aus.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

„Die Verbindung wird in dem Moment gefährlich, in dem man die eigene und die Empfindungen und Wahrnehmungen nicht mehr von denen des anderen Unterscheiden kann. Wenn man unkontrolliert etwas übermittelt. Oder empfängt.“
Der Schattenläufer rutschte etwas zur Kante des Bettes, nestelte an seinem Hemd und zog es hoch. Noch sah man nichts, denn die Lederhose des Ritters war ungewöhnlich hoch tailliert. In Jakobs Augen vielleicht altmodisch. Für Jarel jedoch essenziell für die Bewegungsfreiheit.
In der Rolle des Ritters war es nicht mehr nötig, mit dem Kopf nach unten an den Kniekehlen an einem Vorsprung zu hängen und Schlösser zu knacken. Die Angewohnheit die hierfür passende Kleidung zu tragen wurde er jedoch nicht mehr los.
Den Bund der Hose ein Stück herunter gezogen war es sogar im schlechten Licht des winzigen Raumes gut zu sehen. Eine Narbe, verheilt, aber noch rot leuchtend, umkränzt von einem Kranz dunkler Blutergüsse.
Jarel drehte sich passend, damit Jakob die verheilte Wunde sehen konnte und schwieg.
Einerseits war er nun sicher, die Verbindung zu ‚seinem‘ Jungen war nicht nur möglich, sondern bereits Existent.
Andererseits würde Jakob so nun erfahren, was er getan hatte. Das er ein Mörder und Meuchler war. Dass er Leben auslöschte, ohne dass sein Gewissen ihn niederdrückte.
Und doch ließ er es ihn sehen. Wenn Jake neben seinem Knappen nun auch sein Bruder im Schatten sein wollte erschien es ihm Unrecht ihn dahingehend zu belügen, was er aus dieser Berufung anstellte.
Der Schattenläufer hielt vor Anspannung die Luft an, hielt dem Blick Jakobs stand, ohne seine Gefühle zu zeigen.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Jakob hatte ihm zugehört.
Mit jedem Satz hatte das Gesicht des Jungen eine andere Emotion gezeigt. Unglaube. Entsetzen…
Jarel schluckte, zog seine Kleidung zu Recht, wartete ab. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, doch dann platze es aus dem Knappen heraus.
„Wer war ich?“, fragte der Knappe, eher tonlos und eher abwesend, doch noch sah er ihm dabei in die Augen, hatte vielleicht noch nicht verarbeitet, was sich gerade wie ein glühendes Messer in seinen Verstand fraß.
„Ein Mitglied einer nilfgardischen Spezialeinheit, die durch Zerstörung von Innen das Einrücken der Armee in Novigrad möglich machen sollte.“ Auch Jarel bemühte sich keine Emotionen zu zeigen.
Die Leben die er genommen hatte bedrückte ihn nicht besonders. Dass er im Begriff war, Jakobs Zuneigung zu verlieren, zerriss ihm das Herz.
Die nächste Frage unterstrich diesen Eindruck, nicht nur der leisen, monotonen Stimme wegen, sondern auch dem Ausdruck des Verstehens, dass sich in den Blick des Jungen schlich.
„Ist er wirklich tot?“

Jarel nickte langsam „Ja. Er ist tot. Sie sind alle tot. Das Mädchen war aber nicht Iola, es war Reuvens Kleine. Ihr geht es gut.“
Wie in Zeitlupe verlor Jakobs Blick den von Jarel und wanderte nach unten, versandete im Nichts.
Wieder wartete Jarel ab. Lange warten musste er nicht.
Ohne aufzusehen, ohne seinen Blick zu suchen, flüsterte Jakob tonlos er „Geh. Lass mich allein.“
Der Ritter erhob sich, ließ das Stilett im Stiefel verschwinden, trat an die Tür.
Dort blieb er stehen und sah er über die Schulter zurück.
War es die richtige Entscheidung gewesen? Hätte er schweigen sollen? Oder Lügen?
Nein. Darauf wollte er keine gemeinsame Zukunft aufbauen.
Obwohl nicht klar war, ob es überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft gab.

Der Schattenläufer sah wieder zur Tür, schloss die Augen, lauschte.
Als er sicher war, dass sich niemand auf dem Flur befand verschwand er. Ohne ein Wort, doch mit einem schweren Stein dort an der Stelle, an der sich noch vor Minuten noch sein Herz befunden hatte.
Zuletzt geändert von Jarel Moore am Dienstag 13. Dezember 2022, 12:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob blieb in einem Scherbenhaufen zurück, den Blick noch eine Weile gesenkt, weil er nicht wollte, dass Jarel die Tränen sah, die ihm haltlos aus den Augen drückten. Der Alptraum war Realität geworden, die Illusion der gottgefälligen Ritterschaft im Dienste der Menschen einmal mehr geplatzt. Ansich wusste Jakob, dass es so etwas einfaches wie Schwarz und Weiß niemals und nirgends gab, aber gerade ertränkten Enttäuschung und Wut die Ratio. So vieles hatte er bis hier hingenommen, akzeptiert, sogar verteidigt.
Seine Schultern begannen zu zittern.
Etwas quoll tief aus seinem Inneren hervor, drückte von innen gegen seine Haut. Etwas, das er lange nicht gespürt hatte. Jenes Gefühl, zerspringen zu müssen, wenn er nicht vorher selbst etwas zerschlug, die Energie entlud, die sich unweigerlich Bahn brechen würde. Eine dunkle, alles verschlingende Welle, die er glaubte, hinter sich gelassen zu haben.
Fort war die Vorsicht, weg die schonende Bedachtheit in jeder Bewegung. Jakob sprang fast schon auf, packte das erste, was ihm in die Finger kam - und das einzige im Raum, was leicht genug war - und schleuderte es mit aller Kraft Richtung Tür. Es war der Schemel. Er prallte gegen das Holz, während sich alles, was darauf gelegen und gestanden hatte, auf dem Boden verteilte. Der Laut, der Jakob dabei entkam, sprach von seiner Wut und der Ohnmacht dagegen.
Der Knappe warf sich dem Schemel hinterher ebenfalls gegen die Tür und rutschte dann daran hinab, den beißenden Schmerz im Rücken dankbar empfangend, als das mit Salbe und Schorf verbackene Leinen von den heilenden Wunden abriss. Am Boden sitzend, ließ er den Kopf erst hängen und schlug dann damit gegen das Holz, vergrub anschließend das Gesicht in den Händen.
Das Schlimmste war, dass er hier drin gefangen war und sich nicht abreagieren konnte. An nichts, außer sich selbst und der kargen Einrichtung. Einen Moment hockte er da an der Tür, dann war er wieder auf den Beinen, gab dem Schemel noch einen Tritt und begann dann wie von Sinnen mit den Fäusten auf das grobe Mauerwerk einzuprügeln.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Mit einer fließenden Bewegung löste sich Jarel von der Tür.
Er hatte gehen wollen, bereits im Schatten verborgen hörte er etwas an der Tür detonieren, war stehen geblieben, umgekehrt.
Während Jakob innen tobte, hatte Jarel die Stirn an das rauhe, massive Holz gelegt, direkt daneben die Fläche der rechten Hand, hatte den Knappen drinnen gehört, ihn gespürt. Und verstanden. Zumindest meinte er den Sinn der Worte in der ihm nicht bekannten Sprache zu verstehen. Der anklagende Ton, die unglaubliche Wut, die tiefgehende, erschütternde Enttäuschung. Er hörte Jakob auf die Wände einschlagen. Mit bloßen Fäusten. Es wäre Jarel lieber gewesen, er hätte auf etwas anderes eingeschlagen. Doch er würde nicht wieder hinein gehen. Der Schattenläufer hatte sich entschieden.
Erst als es ruhiger wurde drinnen und als einziges Geräusch ein Schluchzen zurückblieb, trat der Schattenläufer zurück. Gerade rechtzeitig, denn es waren Schritte um Flur zu hören.
Zeit zu gehen. Mit einer tänzelnden Bewegung wich er dem Bruder aus, der ihm entgegenkam.
Hatte dieser Jakobs Anfall bemerkt? Würde er die Tür öffnen? Würde er die hineingeschmuggelten Lebensmittel sehen? Würde Jakob in seiner Wut herausschreien, wer diesen Regelverstoß begannen hatte?
Und…spielte das eine Rolle? Es schmerzte ihn mehr, jetzt nicht an Jakobs Seite zu sein und ihm beistehen zu können als der Gedanke, der Junge könnte in seiner Wut etwas Unbedachtes tun.
Er hatte ihn gebrochen. Und nun war er nicht da ihm zu helfen, ihn aufzufangen und ihn in seiner Entscheidung zu unterstützen, egal wie diese ausfiel.
In traumwandlerischer Sicherheit ging er seinen Brüdern aus dem Weg, die er in diesem Moment mit ganz anderen Augen sah. Und das lag nicht einzig an der geänderten Sicht, der überzogenen Schärfe und dem erhöhten Kontrast, den die Sicht aus dem Schatten mit sich brachte. Etwas im Schattenläufer hatte sich verschoben, war in eine andere Schiene gesprungen.
Während er einen weiteren Knappen umschlich horchte er in sich. Bereute er, seinem…nein…halt..
Bereute er dem Knappen gegenüber so schonungslos gewesen zu sein? Nein. Das tat er nicht.
Er bereute nur den Zeitpunkt. Doch das war nicht mehr zu ändern. Es war geschehen. Gab es dafür einen richtigen Zeitpunkt?
Jakob hasste ihn. Trotzdem hätte er es wieder getan. Er war nicht nur der Ritter der Flammenrose. Ein Teil von ihm war im Laufe der Zeit dazu geworden. Ein Teil von ihm stand zwar nicht hinter allen Grundsätzen des Ordens, aber er stand hinter seinen Brüdern, Wenzel von Herrenloh allen voran.
Er stand hinter dem Kampf gegen das Böse, einzig seine Einteilung von ‚Gut‘ und ‚Böse‘ unterschied sich wesentlich.
Aber er war nicht nur Ritter. Ein Teil von ihm war noch immer Schattenläufer, Schurke, Assassine.
Die vorletzte Nacht hatte es ihm mehr als deutlich gezeigt. Es gab ihn noch, den gedungenen Mörder, den Tod im Schatten, den ‚Dae´draug‘.
Unbemerkt gelangte er zu seiner Unterkunft, wartete, bis er ungesehen eintreten konnte, schlüpfte hinein, schob die Tür zu. Erst in dem kleinen Gebäude, dass sein Zuhause geworden war, trat er wieder aus dem Schatten, sah sich abwesend um.
Er hatte seinen Knappen verloren. Weil er die Wahrheit gesagt und mit offenen Karten gespielt hatte.
Immer noch gedankenverloren und etwas steif begann er sich zu entkleiden, seiner täglichen Routine nachzugehen. Waschen, Medikamenteneinnahme. Und dann weitersehen.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Irgendwann musste er aufhören, weil seine Hände aufgerissen waren und von innen heraus schmerzten. Mit derlei Ausbrüchen hatte er sich früher schon Mittelhandknochen gebrochen, aber für dergleichen Reflexion war er zu aufgebracht und wünschte den Schmerz zu sehr herbei. Während der kurzen Pausen verwünschte er den HERRN, klagte ihn an für diesen ihm beschiedenen Weg, den er einfach nicht begriff. Immer wenn er glaubte, richtig zu gehen, das gefunden zu haben, was er suchte, bekam er von Gottes allmächtiger Hand wieder einen Schlag in den Nacken. Er wollte, wollte so vieles.
Mit einer letzten wütenden Frage, die doch niemals beantwortet würde, hieb er mit den flachen Händen gegen den Stein, bis auch die Innenseiten schmerzten.
Was willst du von mir?
Was war sein Daseinszweck? Der wahre Weg, der richtige? Wie sollte er das je verstehen?
In den Trümmern stehend, die er verursacht hatte, atmete Jakob zittrig durch, ließ die Tränen einfach laufen. Er war allein, würde es noch für Tage sein. Langsam sank er auf die Knie.
Er hatte das vage Gefühl, dass Jarel noch hinter der Tür war - dass er sie nur öffnen brauchte und sich ihm wieder gegenüber sehen würde. Es zerrte an ihm, doch er blieb stur, ignorierte es, bis der Eindruck verschwand. Sein Blick irrte derweil über die verstreuten Lebensmittel und blieb an der süßlich riechenden Pfütze hängen, neben der die Steingutflasche lag. Nichts davon durften die Guten Brüder sehen, fuhr es ihm durch die Gedanken, denn dann würden sie fragen, woher das Zeug kam und damit fing es an, kompliziert zu werden.
Und als könnte es nicht schlimmer werden, hörte er tatsächlich Schritte vor der Tür. Der Knappe erlaubte dem Guten Bruder nicht, die Tür auch nur ansatzweise zu öffnen und die noch unzufriedenstellend los gewordene Aggression entlud sich einmal mehr. Wie eine gespannte Feder, die man los ließ, schnellte er auf die Füße und warf sich gegen das Holz. Der Aufschrei von der anderen Seite sprach von einem Treffer - Stirn, Nase, Finger, egal. Davon, dass man solche Zellen so auslegte, dass man sie von innen nicht verkeilen konnte, hatte hier noch nie jemand gehört und so tat Jakob genau das.
Der ohnehin in Mitleidenschaft gezogene Schemel musste eines der drei Beine lassen. Geschickterweise gezapft und entsprechend zur Sitzfläche hin sich verjüngend, konnte Jakob es zwischen den gestampften Boden und Türspalt rammen und mit den Resten des Schemels weit genug hinein prügeln, dass es schon etwas mehr Anstrengung brauchen würde, um die Tür von außen wieder zu öffnen. Jarel dachte schon ganz richtig, dass sein Junge Dummheiten machen könnte, aber die Richtung stimmte nicht. Der hatte sich ganz andere Sachen in den Kopf gesetzt, als seinen Ritter in Erklärungsnöte zu bringen.
Das Klopfen ignorierte er. Hörte er schon nicht mehr.
Mit den schmerzenden Händen sammelte er die Lebensmittel auf und sortierte sie auf dem Tuch am Fußende des Bettes zusammen. Die Flasche hob er auf und schwenkte sie ein wenig. Ein kleiner Rest war noch zu spüren - er stellte sie zu den anderen Sachen. Zum Schluss trat er mit seltsam ausdruckslosem Gesicht auf die Feuerschale zu. Kurz betrachtete er die Flammen, dann verzog sich das jugendliche Gesicht zu einer wütenden Grimasse und er packte mit beiden Händen die Pfanne, riss daran, in dem Bestreben, sie von der Wand zu reißen. Er verbrannte sich die Finger an Öl und Metall und sie gab auch nicht sofort nach, doch drehte sie sich und das Öl floss in einem flammenden Strahl auf den Boden. Jakob sprang zurück, riss das Hemd vom Körper und warf es auf die brennende Pfütze. Zwei, drei Tritte später herrschte Dunkelheit.
Noch lange stand er zitternd in der Schwärze, bevor er sich auf das Bett setzte und die geschundenen Finger in seinem Haar vergrub.
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ERZÄHLER
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Lebenslauf:

Die Zelle des Knappen war zu einer nachtschwarzen Gruft geworden, die Tür so verkeilt, dass der Bruder Kebal, der gegen Abend die übliche Ration Wasser und Brot bringen wollte, sie keinen Millimeter bewegen konnte. Auch das nicht wie sonst das Licht der Flamme durch die Ritzen schien, ließ den Ordensbruder stutzig werden. Er stellte seine Fracht ab und klopfte gegen die Tür, erst nur ein wenig, dann heftiger. Schließlich stemmte er sich mit der Schulter gegen das Holz, doch der Keil, den Jakob innen angebracht hatte, wirkte ausgezeichnet.
"Bruder Jakob, so macht doch auf!", rief er mit den Lippen fast das Holz berührend, doch er erhielt keine Antwort. Noch einmal klopfte er, doch es antwortete ihm nur Schweigen. Unschlüssig trat Kebal von einem Fuß auf den anderen, ließ Krug und Schale schließlich bei der Tür stehen und eilte wieder aus dem Tempel hinaus.
Es war noch hell, aber die Sonne stand schon tief über der westlichen Mauer. Bruder Kebal eilte zu den Häusern der Ritterschaft, denn der erste, den um Hilfe zu bitten ihm eingefallen war, war natürlich Klingenmeister Moore, der Ritter des jungen Mannes. Er ahnte ja nicht, dass das letzte Gespräch der beiden zu dieser Lage geführt hatte, die den Guten Bruder Kebal nun so nervös machte und so fand er sich schnell vor Jarels Tür ein und klopfte auch heftig gegen diese.
"Klingenmeister Moore? Seid Ihr da?" Er konnte Licht durch das kleine Fenster sehen, doch niemand antwortete auf das Klopfen. Bruder Kebal legte das Ohr an die Tür. Es war still, zu still, vom gelegentlichen Knacken des fast vollständig herunter gebrannten Feuers abgesehen.
Vorsichtig legte er die Hand auf den Knauf und drückte - nicht abgeschlossen.
Kaum hatte er die Tür geöffnet bestätigte sich der Verdacht, dass hier etwas nicht stimmte.
Es roch sauer, krank, nach Erbrochenem?
Jarel lag auf der Seite, die Beine ausgestreckt, eingehüllt in einen riesigen schwarzen Umhang, die Kapuze tief im Gesicht. So wie das aussah, hatte er gesessen und war dann umgekippt.
Und der Geruch…kam definitiv von ihm.
Bruder Kebal eilte zu dem Mann, der wie leblos dort lag und fasste ihn bei den Schultern. Ihm zitterten die Hände, aber er war sich dennoch sicher, dass der Klingenmeister nicht mehr atmete. Kebal gab einen kläglichen Laut von sich und sah sich um, als müsste hier irgendwo jemand oder etwas sein, was ihm weiter helfen könnte. Er war keiner, der mit Kranken umgehen konnte - er war Illustrator. Der Geruch bereitete ihm jetzt schon Übelkeit und er fühlte sich absolut hilflos, daher rannte er wieder nach draußen und in langen Sätzen in Richtung Spital.

Der Großspittler machte sich gerade fertig für die Abendandacht, als man ihm die Nachricht brachte, ein ziemlich aufgewühlter Guter Bruder hätte berichtet, der Klingenmeister sei tot. Welfenberg war allerdings niemand, der gleich Totenscheine ausstellte, ohne noch einmal einen Blick auf die fragliche Leiche geworfen zu haben. Er packte eine stets bereit stehende Tasche und hieß Bruder Kebal, ihn zum Haus des Ritters zu begleiten.
Geruch und Anblick an Ort und Stelle schienen dem altgedienten Arzt und Feldscher absolut nicht zu schrecken. Er verzog keine Miene, ging neben Jarel in die Knie und begann routiniert die Lebenszeichen zu prüfen.
"Lauf zum Großkomtur. Sag ihm, er soll her kommen.", brummte Bertrand, während er die Lider des bewusstlosen Ritters empor zog und mit einer Lampe in die Augen leuchtete. Das leichte Krausen der hohen Stirn sah Bruder Kebal nicht mehr, er war bereits unterwegs, froh dem Geruch und der Atmosphäre zu entkommen.

Wenzel von Herrenloh befand sich in einer Unterredung mit dem Großmarschall, als der Gute Bruder zur Tür herein platzte, dicht gefolgt von einem protestierenden Ealco Helbel. Die beiden Ritter wandten die Köpfe und Wenzel bedeutete dem Mönch zu sprechen, wo er nun schon einmal im Raum stand.
"Der Klingenmeister, Herr Großkomtur. Es geht ihm nicht gut, ich glaubte, er sei tot - der Herr Großspittler ist schon da und bittet Euch zu kommen."
Wenzel war schon bei den ersten Worten auf den Beinen. "Entschuldigt mich, Robert, aber Ihr versteht dies ist dringend." - "Sicher, sicher. Der Segen der Flamme mit Eurem Schwertbruder, Herr." Der Großmarschall hatte sich ebenfalls erhoben und sah den beiden Männern nach, die eilig die Amtsstube verließen.

Im Dunkel einer doppelten Wand hob eine untersetzte Gestalt den Kopf. Bis hier hin war das Gespräch nach seinen Wünschen gelaufen, die Unterbrechung versprach allerdings auch vielversprechend zu werden. Mit leisen, doch eiligen Schritten folgte der Lauscher dem schmalen Gang, der sich nach einer Weile abwärts neigte und vor einem Gitter endete, dass jedoch schnell geöffnet war. Aus dem so erreichten Keller führte eine Stiege in die Küche und von dort war es nur ein Katzensprung in den Hof, über den Wenzel und Bruder Kebal schritten.

"Was wolltest du überhaupt bei ihm, Bruder?"
"Sein Knappe - er macht die Tür nicht mehr auf."
"Und dann? Erzähl!"
"Ich lief zum Haus des Klingenmeisters, klopfte, aber niemand öffnete. Da Licht war, versuchte ich die Tür und sie war nicht abgesperrt und da lag er. Was mach' ich jetzt mit dem Burschen?"
Wenzel brummte ungehalten. "Anders lösen. Moore wird dir jetzt gerade nicht helfen. Geh.", erwiderte er barsch und ließ den Guten Bruder auf halbem Wege stehen, denn dessen weinerlicher Ton sägte an seinen ohnehin schon bis zum Zerreißen gespannten Nerven. Mit langen Schritten ging er zwischen den Häusern seiner Ritterbrüder hindurch, bis er schließlich bei Jarels angelangte. Die Tür war nur angelehnt, dennoch klopfte er, bevor er eintrat. Gemessen, ohne Hast, wie immer, obwohl ihm mehr danach war, einfach hektisch herein zu platzen wie es der Gute Bruder in seinem Arbeitszimmer getan hatte.
Wenzels Augen überflogen die Szenerie. Der Ofen schwelte noch, Bertrand saß auf einem Schemel vor dem Bett, hatte Jarels Arm in der Hand und schien zu zählen. Jarel selbst, bleich wie der Tod, lag auf dem Bett auf der Seite, unter dem Kopf ein zusammengeknülltes, schwarzes Etwas. Es roch sauer im Raum, ungesund und daher ungewöhnlich in der sonst so akurat und sauberen Umgebung.
"Bertrand...", begann er leise, doch dieser hob nur die Hand und hieß Wenzel damit Schweigen. Am Bett eines Kranken tauschten Komtur und Spittler sehr einfach die Ränge. Hier und jetzt hatte Welfenberg das Sagen. Es vergingen noch einige Sekunden, dann legte Der Arzt Jarels Arm sorgsam wieder ab und hob den Blick.
"Ich weiß noch nichts genaues. Hat sich erbrochen - lag zu seinem Glück auf der Seite dabei. Lebenszeichen sind schwach aber stabil. Er scheint seine Medikation genommen zu haben, aber der Effekt ist anders, als ich ihn von damals kenne. Und schau..." Er winkte Wenzel heran, nahm die Lampe und hob erneut eines von Jarels Lidern. Pupille und Iris waren kaum voneinander zu unterscheiden, so schwarz durchfärbt waren beide.
"Beim Feuer...", murmelte der Großkomtur und setzte sich zu Jarel auf die Bettkante. "Wird er wieder?"
Welfenberg zog in jener Art die Brauen hoch, mit der er ein Schulterzucken kaschierte - er hob niemals die Schultern, weil es zu ratlos wirkte, wie er sagte, und die Leute wollten nicht, dass ein Arzt ratlos wirkte. Also hatte er diese Geste entwickelt, die für Wenzel aber genau das gleiche bedeutete.
"Du weißt ja selbst, dass es mit ihm speziell ist. Im Moment macht er einen recht stabilen Eindruck, aber er sollte unter Beobachtung bleiben. Ich habe versucht ihm etwas Wasser einzuflößen - auch das sollten wir weiterhin tun. Der Blutdruck ist verdammt niedrig."
"Er wurde vor zwei Tagen verwundet, mag noch davon kommen."
Bertrand verzog ungenädig die Lippen. "Und war nicht bei mir. Typisch. Wie soll ich euch Helden helfen, wenn ich nicht weiß, was ihr so alles anstellt? Ich brauche solche Informationen, so..."
Wenzel hob die Hand, die Rollen verschoben sich ein weiteres Mal und rutschen wieder an ihren vorherigen Platz. "Ich weiß, Bertrand, lass gut sein. Ich bleibe bei ihm. Der Bewahrer soll die Messe lesen."
Welfenberg brummte. "Wenn er sich wieder erbricht oder anfängt zu fiebern, lass mich sofort rufen."
Wenzel nickte nur, den Blick auf das Gesicht seines Freundes ruhend. So direkt hatte er sich das mit dem irgendwann nicht wieder kommen dann doch nicht vorgestellt. Aber die Erinnerung rief Jarels Worte wach und er hielt den Großspittler noch einmal auf.
"Bruder Kebal soll Lebenstein aus der Klausur entlassen. Soll der versuchen mit Nagall zu reden.", wies er an. Welfenberg verstand zwar nur die Hälfte, aber war genug Befehlsempfänger, um die Worte einfach an den Guten Bruder weiter zu tragen. Der würde schon was damit anzufangen wissen.

In den länger werdenden Schatten zwischen den Häusern duckte sich eine rundliche Gestalt zusammen und beobachtete den Großspittler, wie er zurück zum Tempel schritt.
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Vyacheslav Sokolov
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Registriert: Freitag 29. Oktober 2021, 16:58
Lebenslauf: Slava

Spontan hatte er sich schon als Bekannter Jakobs ausgeben wollen, was vielleicht auch nicht falsch gewesen wäre, aber es konnte durchaus den Jungen in Schwierigkeiten bringen und allein um Jarels willen wollte er den nicht noch tiefer reinreiten.
Die Ungeduld war dem Mann praktisch anzumerken.
"Nein, der bin ich nicht. Ihr sehr tatsächlich nicht aus wie einer der Ritter, entschuldigt, das sollte nicht respektlos klingen. Man sagte mir nur, das wäre sein Haus."
Unpässlich. Und jemand, der um Medikamente geschickt worden war. Verdammt.
"Ich bin... Freiherr von Sokolov..." das 'Oberst' klang immer noch geläufiger, aber hier war eine gute Gelegenheit, mit dem neuen Titel zu spielen.
"Und mit wem habe ich es zu tun?"
Dann räusperte er sich.
"Ich habe seit heute Morgen einige Häretiker in meiner Gewalt und man legte mir nahe mir bei der Befragung den Beistand des Ordens zu holen. Dazu nannte man mir den Klingenmeister als Kontakt. Wenn er allerdings derzeit... 'unpässilich' ist, werde ich vielleicht besser auf solcherart Beistand verzichten."
Das 'unpässlich' sprach er so aus als würde er schwer davon ausgehen, der Kerl sei nur Hackdicht und den Rest ließ er so klingen als habe er nun eine lästige Pflicht erfüllt, der Ritter war nicht da, er konnte wieder zu Tagesgeschäft übergehen. Und zwischen den Worten klang etwas wie 'vielleicht lass ich die auch einfach frei, das habt ihr nun davon.
Die Razzia hatte sich sicher im Laufe eines ganzen Tage auch bis hier oben herumgesprochen und auch wer dafür verantwortlich war.
"Sie können ihm ja ausrichten, dass man sich nach ihm erkundigt hat, und dass er das nächste mal weniger 'unpässlich' sein sollte."
All das mit einem Tonfall aus Verachtung und Arroganz vorgetragen.
'Entschuldige, Jascha...' wollte er flüstern, aber er verzog keine Mine, war bereit sich umzuwenden und wieder zu gehen.
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ERZÄHLER
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Lebenslauf:

Heinrich „Holzhammer“ Holtmann war kein schlechter Arzt. Ganz im Gegenteil. In seinem asymmetrisch verschobenen Schädel arbeitete ein enorm analytischer Verstand und trotz seines für sein Fachgebiet jungen 43 Jahre hatte er eine bemerkenswerte Menge an Fachwissen angesammelt.
Zwei Dinge jedoch verhinderten, dass er auch außerhalb des Ordens als Koryphäe seines Fachs bekannt wurde:
Primus das komplette fehlen von Empathie des Medikus. Hatte er eine – meist treffende – Diagnose erstellt, so bekam der Patient diese auch augenblicklich zu hören. Egal wie schrecklich, egal in welcher Situation. Eine Eigenschaft, die ihm den Spitznamen „Holzhammer“ eingebrachte. Seine Welt drehte sich ausschließlich um ihn selber. Die Gefühle der anderen waren für den Arzt ein Buch mit sieben Siegeln.
Secundus fehlte ihm eine weitere Fähigkeit, die Personen sympathisch erscheinen ließ: Es lag völlig außerhalb seiner Möglichkeiten, seinen Patienten Gesichter zuzuordnen. Das Fehlen dieser den meisten Personen naturgegebenen Fähigkeit störte ihn selber jedoch nicht. Er wusste jede Krankenakte auswendig, kannte jede Narbe, jede Diagnose. Wenn er auch das Gesicht nicht erkannte, gab es für ihn genug Möglichkeiten in Erfahrung zu bringen, wen er vor sich hatte.
Slava war dieses Phänomen als „Gesichtsblindheit“ bekannt. In dieser Welt jedoch kannte man den Begriff nicht. Und selbst wenn, hätte es niemanden gekümmert, denn als Arzt funktionierte Holtmann ganz hervorragend.
Als der Mann mit dem verschobenen Äußeren ihn abermals musterte fiel dem Spion auf, dass der Glaubensbruder ein besonderes Augenmerk auf die Körpermerkmale seines Gegenübers warf. Ein Verhalten, dass er schon des Öfteren gesehen hatte. Besonders war ihm ein Moment vor einer gefühlten Ewigkeit im Gedächtnis geblieben, als ein gewisser Ritter – wegen dem er jetzt dieses enorme Risiko auf sich nahm herzukommen – ihn das erste Mal ansah.
Holtmanns Augen huschten mit seltsam intensivem Blick an Slava hinab und hinauf.
"Medicus Holtmann.", stellte er sich zackig und kurz angebunden vor.
Soso. Der Mann suchte also den Folterknecht des Ordens. Das implizierte im seltsam funktionierenden Verstand des Medikus immerhin, dass der Mann mit dem seltsamen Namen Sockenoff wusste, um was und wen es hier ging. Kein völlig Fremder also.
Nur Slavas Anspielung, Jarel könnte besoffen in der Ecke liegen verstand er vollkommen falsch.
Er bezog die Bemerkung – natürlich – auf sich. Hielt dieser Freiherr ihn für unfähig, einen Bruder auf die Beine zu bringen? Er kannte Klingenmeister Moore. In- und auswendig. Doch eben dieser Mann war für ihn ein wandelndes Rätsel. Man hatte ihm berichtet, Meister Moore habe im Gefecht eine Verletzung erlitten, die die Funktion der Leber einschränkte und wegen der er ein Medikament nehmen musste, dessen Einnahme für so manch einen anderen das Ende bedeuten würde.
Ein für ihn natürlich besonders interessanter Fall, als der Großspittler nach ihm schickte hatte er sich regelrecht darum gerissen, Moore zu versorgen. Zeit allein mit ihm zu verbringen, zudem mit der aus der tiefen Bewusstlosigkeit des Patienten hervorgehenden Möglichkeit ihn unauffällig eingehender zu untersuchen, hatten seinem Forscherdrang regelrecht unter Dampf gesetzt.
Nur…weiter kam er einfach nicht. Die Körperfunktionen des schwarzhaarigen mit den breiten Schultern, der einfach nicht altern wollte, gaben ihm immer noch mehr Rätsel auf als dass sie Erkenntnisse brachten. Wer weiß…vielleicht überlebte der Klingenmeister das nicht, Dann hatte er noch ganz andere Möglichkeiten zur Untersuchung.

Und jetzt auch noch das. Einer von Außerhalb kritisierte seine Fähigkeiten.
Holtmann verstand falsch. Und tat doch genau das, was Slava beabsichtigt hatte. Er schob die Tür auf und gab den Blick in den Raum frei.
Jemand hatte den kleinen Esstisch direkt neben das Bett gestellt, darauf alle möglichen und unmöglichen medizinischen Gerätschaften, zusammen mit mehreren Schiefertafeln, alles ordentlich aufgereiht und an der Tischkante ausgerichtet. Im Raum war es warm, beinahe schon stickig und trotzdem Holtmann oberflächlich versucht hatte jegliche Sauerei zu beseitigen, roch es nach saurem Schweiß und Erbrochenem.
Doch all das fing nicht Slavas Blick. Sein Blick blieb auf der Person hängen, deren Gesichtsfarbe sich nur deswegen vom weiß der Laken unterschied, weil es von Natur aus eine gewisse Sonnenbräune aufwies. Doch wirkte es – trotz des aus dem Ofen rötlichem Lichtschien – eher auf unheimliche Art grau.
Auf dem an der linken Wand aufgestellten Bett lag der reglose Jarel, ausgestreckt auf der linken Seite, mit dem Rücken zur Wand. Sein rechtes Bein war angewinkelt und als Stütze zum Bett hin gekippt, seine rechte Hand unter der Wange platziert, der Kopf leicht nach hinten gebogen.
Die sichere Seitenlage kannte man also auch hier.
Eine bis zur Taille hochgezogene Decke verbarg den Rest.
„Wenn ich unpässlich sage, meine ich unpässlich.“ Holtmann hob und streckte das Kinn, presste die Lippen zu einem Strich zusammen und starrte Slava herausfordernd an.
„Ihr werdet auf den Klingenmeister verzichten müssen. Tut mir sehr leid.“ Und dieses ‚tut mir sehr leid‘ klang wie ein kleiner Junge, der ihm frech die Zunge rausstreckte.
Trotzdem harrte der Medikus auf die Erwiderung des Fremden. Er erwartete er eine Entschuldigung, unterstrichen vielleicht von ein wenig Katzbuckelei. Schließlich war der Arzt in dieser Situation die überlegene Persönlichkeit. Zumindest in seinen Augen und in seiner Welt.
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Vyacheslav Sokolov
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Lebenslauf: Slava

Nur einen Moment glaubte er erneut, das Herz würde ihm aussetzen, aber Jarel lebte. Es fiel ihm nicht leicht, den verächtlichen Ausdruck beizubehalten.
Er hatte 100te an Fragen, aber er durfte sich nicht weiter interessieren.
Dieser Ritter ging ihn einfach nichts an, nicht offiziell und dass wollte ihn innerlich zerreißen. Er wollte jetzt neben ihm sitzen, seinen Kopf halten, ihn wärmen. Ihm die Haare aus dem Gesicht streichen.
Natürlich nahm er den Geruch von erbrochenem wahr und den von ungesundem Schweiß, aber er wollte für ihn da sein, auch in schlechten Zeiten.
War es nun schon so weit? Homo-Ehe? Fuck.
Liebe war etwas furchtbares und stellte grausame Dinge mit einem an.
Deshalb hatte er sich nie binden wollen, und nun...
Ihn diesem Typen zu überlassen, dessen Blick auch zu einem Dr. Frankenstein gepasst hätte behagte ihm gar nicht.
Aber er musste es schlucken. Und es gelang ihm. Der Ausbildung sei Dank.
Er zog nur eine Augenbraue hoch, zuckte mit den Schultern und ignorierte alles was in ihm vorging.
Der Kerl, der da drinnen lag war ihm vollständig egal, genau das schaffte er zu vermitteln.
Nicht einmal egal, er kannte ihn nicht.
"Ich nahm an, unpässlich sei der Code für 'stockbesoffen'."
Es war kein 'tut mir leid' so etwas würde ihm nie über die Lippen kommen, nicht in dieser Rolle.
Er atmete tief durch und tat tatsächlich was das vernünftigste war. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort mit dem er nur sich und vor allem den Ritter tief in die Scheiße geritten hätte um und hoffte auf Jarels Selbstheilungskräfte.
Er hoffte, Jarel hätte vielleicht nur sein Medikament eingeworfen, auch wenn dabei eigentlich niemand von der Komturei aufmerksam werden dürfte, denn immerhin kannten sie ihn seit 15 Jahren nicht anders. Er ignorierte die Beklemmung die ihn bei dem Gedanken befiel und verschob sie auf später.
Und ihm ging so verdammt viel im Kopf um...
Aber er drehte sich einfach um und ging.

<weiter hier>
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Der Weg zurück ins Bewusst-sein war ein langer, und steiniger.
Der Ritter brauchte ungewöhnlich lange, als wäre sein Hirn mit Treibsand gefüllt, in dem jeder Gedanke nach wenigen Schritten in die Tiefe gezogen wurde und verschwand.
Er öffnete die Lieder ein kleines Stück.
Scheiße. Ihm war speiübel und sein Schädel dröhnte, als hätte man ihn in eine Kirchenglocke gesteckt und diese von außen mit dem Vorschlaghammer malträtiert.
Hatte er gesoffen? Auch die Gedanken an die Zeit vor dem „einschlafen“ schafften ihren Weg nicht zu Ende, sondern ersoffen kläglich zappelnd und zeternd im Treibsand.
Mit immer noch geschlossenen Augen lauschte er. In sich hinein und...in den Raum.
Waren da Stimmen?
Zuletzt geändert von Jarel Moore am Samstag 17. Dezember 2022, 15:15, insgesamt 1-mal geändert.
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ERZÄHLER
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Lebenslauf:

Wenzel hatte Jarel letztlich in der Obhut von Welfenberg und seinen Medici gelassen und war seinen Pflichten nachgekommen. Bis spät in die Nacht hatte er sich mit Korrespondenzen beschäftigt, dabei ein Glas Wein getrunken, doch so recht bei der Sache war er nicht. Irgendwann war er zu Bett gegangen, doch Schlaf fand er nur einige Stunden, dann trieb es ihn wieder hinaus. Vor der Feuerschale, die das Privileg seiner Gemächer war, sprach er ein langes Gebet, dann kleidete er sich in eine einfache Hose und ein leinernes Hemd, zog die weichen Stiefel über, die er gern trug, wenn es nicht offiziell war und warf sich einen Reitmantel über - das einzige Kleidungsstück, an dem man mit etwas Wissen erkennen konnte, wer er war. Denn die flammende Rose auf all seinen offiziellen Kleidern hatte eine zusätzliche Banderole ähnlich wie beim Großmeister, nur war der Schriftzug ein anderer. Der Komtur schloss seine Gemächer ab und schritt durch den dunklen Gang bis zu einer schmalen Tür, hinter der das Zimmer Ealcos lag. Es war weit vor Sonnenaufgang, dennoch klopfte er kräftig und wartete.
Erstaunlich an seinem Adjutant war, dass der es bei jeder Tages- und Nachtzeit schaffte, aufmerksam zu erscheinen und die Gedanken zusammen zu raffen, selbst wann man ihn so unfreundlich aus dem Bett warf. Zwar trug Ealco nur ein Nachthemd und auf dem Kopf etwas, was auch als Vogelnest durchgegangen wäre, aber seine wie immer äußerste Seriösität zur Schau tragende Miene zeugte von äußerster Dienstbeflissenheit und ließ den Aufzug hintenanstehen.
"Herr?", wollte der Mann wissen, hatte dabei die Hände im Rücken verschränkt und wartete auf Anweisung, als wäre es das normalste von der Welt vor der dritten Glocke aus dem Bett getreten zu werden.
"Ealco, lass Bewahrer Zhelin ausrichten, er möge die Morgenandacht halten. Ich gehe noch einmal zu Klingenmeister Moore."
"Herr, mit Verlaub, findet Ihr des klug, Eure Pflicht wegen eines Ritters...", weiter kam Ealco nicht, denn Wenzel schnitt ihm das Wort ab.
"Nicht irgendein Ritter, Helbel. Dieser Mann war mein Knappe und ist mein Schwertbruder. Der Schild zu meiner Rechten." Der Adjutant hob leicht die Brauen, was in seinem aristokratischen Gesicht immer arrogant wirkte, aber eigentlich nur bedeutete, dass er einen Sachverhalt nicht verstand. Wenzel lächelte knapp. "Ihr wart nie im Krieg, Helbel. Sonst wüsstet Ihr, wovon ich rede."
"Ein Freund also?", versuchte sich der steife Buchhalter.
Der Komtur winkte halbherzig ab und wandte sich endlich zum Gehen. "Tut einfach, was ich Euch sage.", damit steuerte er auf die Treppe zu.
"Ja, Herr. Wie Ihr wünscht.", hörte er den Adjutant noch murmeln.
Von Herrenloh verließ das Hauptgebäude der Komturei und ging in großen Schritten über den Hof. Den Mantel hatte er offen gelassen, die Nächte waren noch immer Lau. Er hing seinen Gedanken nach. Beschrieb das Wort 'Freund' hinreichend, was er dem jungen Adjutanten hatte sagen wollen? Das Vertrauen, dass dieser Mann von Wenzel genoss, reichte weit tiefer, als er es bei einer Freundschaft suchen würde, aber vielleicht dachte er auch zu sehr in den Begriffen der Ritterschaft und des Kriegshandwerks. Wem man seine rechte Flanke anvertraute, wollte gut gewählt sein.
Die Ankunft an Jarels Haus beendete vorerst diese Gedanken. Wenzel zögerte nicht lange, klopfte und trat einfach ein.
"Medicus Holtmann, wie geht es ihm?"
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Dunkel. Es war endlich dunkel.
Wie sehr die ständig brennende Schale im Raum an seinen Nerven gekratzt hatte, merkte er erst wirklich, als sie endlich erloschen war. Und auch wenn es noch lange dauerte, bis er sein aufgewühltes Inneres beruhigt hatte, so fiel er doch das erste Mal hier drin wirklich in tiefen Schlaf. Nicht lang, doch weit effektiver, als alles vorher. Als er erwachte, brauchte er einen Moment, um sich zu orientieren und seine Gedanken zu sortieren. Die Erinnerung war schnell wieder da, doch diesmal konnte er ihr etwas ruhiger begegnen. Mit der gleichen stoischen Ruhe, begann er sich das Leinen, das die Wunden sauber und die Salbe an Ort und Stelle hielt, von seinem Rücken zu schälen, wobei er wie so oft recht gnadenlos mit sich umging. Seine Gedanken kreisten um das gestrige Gespräch, seine Hände zogen und zerrten, rissen Schorf und Hautfetzen mit klebrigen Salbenresten ab. Das schmutzige Tuch knüllte er zusammen und warf es grob in eine Richtung, in der er eine Ecke erahnte. Dann rutschte er von dem schmalen, harten Bett und legte sich ungeachtet von Ölresten und Apfelsaft in Büßerhaltung auf den kühlen Boden. Erst murmelte er Gebete, manche aus dem Christentum, andere von diesem seinem neuen Glauben, dann verfiel er irgendwann in Schweigen.
Kalt war es von unten.
Das war gut. Das hielt ihn wach. Hielt ihn am Denken.
Was war vorhin passiert? Er versuchte sich Jarels Worte in Erinnerung zu rufen, doch immer, wenn er glaubte, soweit zu sein, sah er wieder die Narbe vor sich - frisch verheilt und genau an der Stelle, in die er im Traum ein Messer gerammt hatte. Ein traum, der nur zum Teil einer war. Dann presste er die Lider fester aufeinander und begann von vorn. Er kannte Jarels Vergangenheit, wusste um viele blutige Details aus dem Leben des ehemaligen Schattenläufers, doch beim Feuer, er hatte sich vorgemacht, Jarel habe damit abgeschlossen. Mit dem Krieg, mit dem Meucheln. Sei hier im Orden zu etwas anderem geworden, etwas oder besser jemand, zu dem man aufsehen konnte. Konnte er das jetzt noch? Wieder das Gefühl der Klinge. Wieder von vorn.
Jemand klopfte. Rief. Rüttelte an der Tür. Jakob ignorierte ihn und begann von neuem die Gesprächsfetzen durchzugehen, die ihm im Gedächtnis geblieben waren. Eine Verbindung, der Schatten, der Traum. Eine Verbindung, die sich richtig angefühlt hatte, die er aber nun nicht mehr finden konnte. Und wenn er sie je wiederfand, wie konnte er wissen, was Wahrheit war und was Täuschung? Und wenn er sie fand, den Weg, den zu gehen er sich entschlossen hatte weiter ging... entschieden, bevor er wusste... wusste... Doch konnte man die Waffe verurteilen für das, was die Hand, die sie führte damit anrichtete? Ein Küchenmesser konnte zum Kochen benutzt werden oder zum Morden. Und die Schatten? Weiter.... weiter... Nilfgaard. Es waren Nilfgaarder gewesen, hatte Jarel gesagt. Ein Vorposten, der die Stadttore öffnen sollte - wie auch immer. Das Leben von wenigen gegen das Leben von vielen. Diskussionen, die er zur Genüge kannte, Entscheidung, die er gottlob niemals hatte fällen müssen. Gut, er konnte die Entscheidung akzeptieren. Doch wieso so, wieso nicht offen und wie es hier nun einmal üblich war, Mann gegen Mann? Schwert gegen Schild? Wieso am Lagerfeuer und aus dem Nichts heraus? Warum nicht am Besten noch beim Scheißen?
Schnitt.
War er weg gedämmert? Seine Muskeln waren kalt und steif, seine Haut klamm, doch er blieb liegen. Er kannte das. Kirchenböden waren nicht weniger kalt, dafür härter. Er murmelte das nächste Gebet, fing dann wieder an zu Grübeln, doch weit kam er nicht mit seinen Gedanken, da klopfte es erneut. Bereit auch diesmal wieder alles zu ignorieren, was von draußen herein drang, fokussierte er sich nach innen...
"Jakob? He, Jakob, mach die Tür auf!"
War das Henselt? Wieso zum Geier lungerte der vor seiner Tür rum und wieso durfte der überhaupt schon wieder raus? Jakob biss die Zähne aufeinander und schwieg.
"Jakob!!" Es klopfte und klopfte.
"Verschwinde!", bellte Jakob schließlich nach schier endlosem Rufen und Klopfen zurück. Seine Stimme war rau als hätte er gezecht und schmerzte in der Kehle. Dabei konnte er sich nicht erinnern viel herum geschrien zu haben. Aber so war es manchmal. An besonders schlimme Ausbrüche erinnerte er sich nur bruchstückhaft.
"Erst, wenn du die Tür aufmachst!", antwortete Henselt prompt.
"Nein, hau ab. Du störst meine Meditation.", war das Letzte, was Henselt vorerst von Jakob hören sollte. Der verfiel wieder in Grübeleien, diesmal über den Sinn seines Daseins. Die Frage, was der HERR oder auch das Feuer mit ihm vorhatten. Über den Weg, den zu gehen man für ihn vorgesehen hatte und wieso er scheinbar immer die falschen Abzweige wählte. Ihre Prüfungen, die er nicht verstand und wohl nie verstehen würde. Er versuchte seine Ziele neu zu definieren und während all dem rief und redete Henselt, bis er schließlich irgendwann proklamierte, sich jetzt hier vor die Tür zu setzen und nicht eher zu gehen, bevor Jakob nicht aufmachte. Dieser antwortete weiterhin nicht, sondern lag im Dunkel und taumelte zwischen Trance und Wachsein.
Ein Geräusch weckte ihn. Ein Geräusch, dass ihm wie immer bis ins Mark stieß und dafür sorgte, dass er sich fluchend auf die Füße kämpfte: das Knirschen und Knacken von Zähnen. Hektisch zerrte er an dem Stuhlbein herum, das unter die Tür geklemmt war und für dessen Herauslösen er eine gefühlte Ewigkeit brauchte. Dann war die Tür endlich frei und er riss sie auf...
...nur um sich einem grinsenden Henselt mit einer Kerze gegenüber zu sehen, der den überraschten Jakob einfach rückwärts in seine Zelle drängte und die Tür wieder schloss.
"Bastard.", war das einzige, was Jakob hervor brachte - wütend, darauf herein gefallen zu sein.
"Oh glaub mir, mein Freund, meine Ahnreihe ist tadellos. Es freut mich auch, dich wohlauf zu sehen. Dunkel hast du's hier. Bist du des Lichts unseres Ewigen Feuers überdrüssig?", plauderte Henselt munter drauf los.
Jakob schnaubte nur und setzte sich auf seine Pritsche. Die Kerze, die Henselt mitgebracht hatte, warf für seine seit Stunden an die Schwärze gewöhnten Augen, grelles Licht. Der andere Knappe sah sich um, entdeckte die von Jarel herein geschmuggelten Lebensmittel und stieß einen seltsam quietschenden Laut aus. "Schinken? Käse??"
"Bedien' dich, aber untersteh dich, hier rein zu kotzen.", murrte Jakob, der widerwillig eingestehen musste, dass er sich doch über die unverhoffte Gesellschaft freute. Henselt hockte sich zu Jakob auf die Pritsche und pickte eine Scheibe Schinken von dem Tuch. Seelig kaute er daran herum. "Warum hafft denn ffugeffperrt?"
Jakob verdrehte die Augen. Seine Kinderstube beinhaltete das Kauen mit geschlossenem Mund und das Reden, wenn nichts zwischen den Zähnen einweichte. Hierzulande war das durchaus schon mal anders, aber er konnte es dennoch nicht leiden. Henselt wusste das, aber er provozierte gern. Da Jakob ihm allerdings nicht antwortete, sondern nur mit auf den Knien abgestützten Armen da saß und einen Punkt tief unter der Erde betrachtete, wurde auch der andere Knappe etwas ernster, schluckte und streckte die Beine aus. "Red' schon." Er knuffte ihn mit einem angedeuteten Tritt gegen den Oberschenkel.
"Ich war wütend."
"Klar. Auf was diesmal?" Als Jakob wieder nur schnaubte, hob Henselt die Hände. "Schon gut. Was also?"
Zögerlich und unter Auslassung vieler Details umriss Jakob knapp seine Ansicht, dass sein Ritter nicht all die Grundsätze des Ordens befolgte, indem er auch Menschen nicht verschonte und dabei äußerst hinterhältig vorging. Er blieb dabei sehr vage. Zwar vertraute er Henselt und würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass er nichts weiter erzählte, aber Jarel in Schwierigkeiten bringen wollte er auch nicht.
Henselt pickte unterdes weiter am Essen. "Sei doch froh, deiner nimmt wenigstens nur das Schwert aus Stahl für seine Umtriebigkeiten. Meiner kommt dauernd mit Liebesmalen aus der Stadt zurück und versucht sie mit Kragen und Kapuze zu verstecken. Als ob ich ihm nicht beim Ankleiden helfen müsste und nicht wüsste, was ich sehe. Sogar auf der Glatze!"
Jakob schwieg, denn genaugenommen trieb sich Jarel mit beiden Schwertern um, aber das würde er Henselt ganz sicher nicht auf die Nase binden.
"Ich hab mir wohl zu viel versprochen, von all der ehrenhaften Ritterschaft.", murmelte er stattdessen.
Henselt warf sich ein Stück Käse in den Mund, war so gnädig erst zu kauen und dann zu antworten: "Ach weißt du, ich seh's so - diese alten Männer sind dazu da, uns bis zum Ritterschlag zu bringen. Was wir dann aus dem Rittersein machen, liegt an uns. Nur weil Dampfhammer in der Stadt rumhurt, muss ich das ja nicht auch machen. Obwohl... Au!" Jakob hatte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf versetzt. Aber er lächelte dabei schon fast wieder.
"Durchhalten bis zur Ritterschaft also?"
"Klar." Henselt grinste. "Und dann selbst die schönsten Mädchen... also für sie singen und so."
"Gedichte schreiben."
"Ja, ja ja, genau."
Plötzlich lachten sie. Jakob war nicht gerade bedeutend leichter ums Herz, aber mit Henselt ließ sich alles irgendwie anders sehen. Er wusste natürlich, dass die Beziehung von Tannenfels zu Henselt bei weitem nicht so eng war wie die zwischen Jarel und ihm, aber der Ansatz war ausbaufähig. Er musste sein Leben, seine Ideale von denen Jarels trennen, sonst würde er niemals weiter kommen, sondern immer hinter ihm her trotten. Seine eigenen Werte und seine Moral festigen, dabei die Waffen entgegen nehmen, die Jarel ihm geben konnte. Und sie klug gebrauchen - vielleicht klüger. Und vielleicht gehörte auch dazu, ihm die Stirn zu bieten, statt sich zurück zu ziehen wie er es im Grunde schon immer tat. Hinein in körperliche Ausbrüche gegen sich und die Welt, anstatt in Konfrontation. Bei Alexej war es so gewesen und nun im Grunde auch bei Jarel. Er hatte ihn raus geworfen und gewütet, anstatt in Diskurs zu gehen. Ob er das konnte? Es lernen konnte? Er konnte es nur versuchen. Entweder es eskalierte, weil er sich wieder nicht im Griff hatte oder es - wurde etwas daraus. Irgendetwas.
"Danke Henselt. Und jetzt verschwinde, bevor das Kalb hier auftaucht."
"Bruder Kebal?" Henselt verzog das Gesicht und immitierte Kebals Überbiss, was Jakob wieder zum Grinsen brachte. Dann sprang er auf, stahl den Rest Käse und verschwand.
Die Tür blockierte Jakob nicht wieder.
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Jarel Moore
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Von hier.

Auf dem Weg zur Küche horchte Jarel in sich. Es ging ihm wesentlich besser. Ja, seine Knie bestanden noch immer zu einem Großteil aus Pudding und er schnaufte bei der kleinsten Anstrengung, aber er war auf den Beinen. Hätte schlimmer kommen können.
Wortkarg wie üblich fing er Bruder Kebal ab, bevor er das armselige Mahl in das innerste des Gebäude trug, den zur Abendmesse eilenden Brüder großzügig auswich und sich schnurstracks auf dem Weg zu den Zellen machte.
Es war ruhig hier und zwischen den spärlich verteilten Fackeln waren sogar die Gänge dunkel.
Dem Schattenläufer war das recht. Wenn ihn niemand sah, musste er sich auch nicht unterhalten.
Und nach unterhalten war ihm nicht. Sein Kopf war unangenehm leer und seine Stimmung angespannt.
Er rechnete mit dem schlimmsten, als er an die Tür trat, das Tablett auf der linken balancierend anklopfte. Es war alles möglich, von zerschnittenem Fleisch, gebrochenen Handknochen bis hin zu geöffneten Adern.
Nach dem Eintreten sog er den sich ihm präsentierenden Eindruck ein wie ein Verdurstender.
Es war fast stockduster von dem kargen Schein der weit hinter ihm im Flur angebrachten Fackel abgesehen. Die Feuerschale lag im Raum in einer Ecke, der Inhalt ebenso verstreut wie die Reste des Schemels.
Den dazu gehörenden Wutanfall hatte er mit angehört. Fest biss Jarel die Zähne aufeinander, gab keinen Laut von sich, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
Ohne die Sinne des Schwarzen wäre es nun endgültig nicht in der Lage gewesen etwas zu erkennen.
Jakob kniete mitten in dem winzigen Raum. Wie lange wohl schon?
Der Schattenläufer sagte nichts, sondern setze das Tablett auf dem Boden ab. Er wusste ohnehin nicht, was er sagen sollte.
Immer noch lautlos kniete er sich hinter Jakob und betrachtete den malträtierten Rücken.
Das Leinen war entfernt worden und wie es aussah, ohne Rücksicht oder Sorgfalt. Vermutlich von Jakob selber. So würde das nie heilen.
Jarel zog das Holztiegelchen mit der schmerzstillenden Wundsalbe hervor. Das Schaben des gedrechselten Gewindes war das erste Geräusch, das er hier in der Düsternis erzeugte.
Er heilt den Tiegel in der linken, nahm eine angemessene Menge des Zeugs auf Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand - im Gegensatz zu den Düften hier im Raum roch das Zeug immer noch angenehm – und begann es so vorsichtig wie es ihm möglich war auf Jakobs Rücken aufzubringen.

Wäre genug Licht im Raum gewesen, man hätte die Kiefermuskulatur scharf unter der Haut arbeiten sehen können, die Trauer in seinem Blick, die Leere in seinen Augen. Man sah jedoch nichts. Und hörte nichts. Nicht einmal, als der Ritter schluckte.
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Jakob von Nagall
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Nachdem Henselt gegangen war, hatte Jakob erst etwas ausgeruht und sich dann auf den Boden gekniet, um zu meditieren. Sein Zeitgefühl war ohnehin inzwischen völlig hinüber und die immer gleiche Ration Brot und Wasser machte es auch unmöglich, zu unterscheiden, ob es morgens oder abends war. Wie lange er also schon so da kniete, die Hände locker auf den Oberschenkeln liegend, die Augen trotz der Dunkelheit geschlossen, hätte er nicht beantworten können. Lange genug, dass sein Geist leer und sein Ich in ihm zerflossen war. Das er das Klopfen ignorierte war daher nicht einmal wirklich beabsichtigt und als es in seinem Bewusstsein angekommen war, sagte er sich, dass es sicher Bruder Kebal oder ein anderer der Guten Brüder wäre und rührte sich nicht. Doch in die Meditation fand er auch nicht mehr zurück, etwas hinderte ihn. Etwas störte. Er kam erst in dem Moment darauf, als das leise Schaben zu vernehmen war, mit dem der Deckel einer Dose abgenommen wurde: es war das Fehlen aller anderer Geräusche. Schritte. Atemzüge.
Als warme Finger seinen Rücken berührten, fuhr er zwar nicht völlig erschrocken zusammen aber er hob den Kopf und öffnete endlich die Augen. Es war so dunkel wie zuvor. Undurchdringliche Schwärze umgab ihn noch immer, dennoch hatte sein Besucher ihn oder besser seinen Rücken gefunden. Sherlock Holmes musste er daher nicht sein, um richtig zu kombinieren.
Sein erster Impuls war sofort auszuweichen - da er nicht fliehen konnte, in eine Abwehrhaltung zu wechseln.
Dann holte sein Verstand auf und Jakob zwang sich, zunächst still zu halten und daran zu denken, was er noch vor wenigen Stunden mit Henselt diskutiert hatte. Betont langsam holte er Luft durch die Nase und bereute es im nächsten Moment. Der stechende Geruch der Salbe, gepaart mit einem Hauch von Parfum und fadenscheinig darunter etwas unangenehm Säuerlichem kitzelte seine Schleimhäute und fast hätte er niesen müssen, bekam sich aber gerade noch so eben in die Gewalt. Gerade die dezenteste Note erinnerte ihn an Wyzima.
"Jarel?" Eine leise Frage und ein ebenso leises, sehr tiefes Brummen war die Antwort. "Was glaubst du, warum sind wir hier? Warum hat deine Göttin dich in die Arme des Ordens fallen lassen und nicht zum Regenten geschickt?" Der Ritter begann wohl zu ahnen, in welche Richtung das gehen sollte, aber Jakob schwenkte bereits ab. "Warum hat mein Gott mir eine zweite Chance gegeben? Warum hier? Warum nicht in Nilfgaard?" Er zuckte zusammen, als Jarel eine Stelle berührte, die er kurz zuvor frisch aufgerissen hatte und sog Luft mitsamt all den Gerüchen durch die Nase in den Bauch, bevor er weiter sprach. "Oder sind diese Dinge anderswo genau so passiert und im Traum schauen wir hinüber." Die Stimme des Knappen war bei all dem sehr leise und fast schon müde, sodass der Eindruck entstand, er fantasiere oder sei gar nicht wirklicht aus der Meditation erwacht.
Doch Jakob war hellwach.
"Was ist dieser Orden für dich, Jarel? Das Feuer?" Er ließ ihn allerdings nicht antworten. "Ich sag dir, was all das für mich ist. Leuchtfeuer, Orientierung, Rahmen und Ziel. Nicht die Scheiterhaufen und der Fanatismus, aber der gute Kern und die Ehre der Ritterschaft. Ich will daran glauben, ich will das leben und ich will alles lernen, was ich dafür brauche. Aber was ich damit mache, will ich selbst entscheiden."
Jarel hatte sein Werk an Jakobs Rücken beendet und dieser merkte bereits, wie eine leichte Taubheit über seine Haut kroch. Er setzte sich auf die Seite und seine Augen irrten durch die Dunkelheit, auf der unsinnigen Suche nach dem Vertrauten Gesicht. "Ehre, Jarel, bedeutet für mich, auch dem Gegner die Chance zu geben, der Bessere zu sein. Ich achte dich, für deine Klugheit und dein Können, aber...", Jakob konnte nicht verhindern, dass ihm wieder Tränen in die Augen stiegen, die auch seine Stimme verfärbten, "...ich weigere mich zu akzeptieren, dass du wieder der Assassine wirst. Du bist mehr als das." Die letzten Worte waren nur noch ein nachdrückliches Zischen. Er konnte ihn jetzt einen unverbesserlichen Idealisten schimpfen oder der Einfachheit halber einen naiven Schwachkopf, aber für Resignation im Angesicht der Realität war Jakob einfach noch zu jung.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Er hatte ihn gleich erkannt. Und kaum angesprochen, stellte er Fragen.
Tiefgehende Fragen. Essentielle Fragen. Sogar die Multiversumstheorie darunter. Doch das wichtigste von allen war: Er redete noch mit ihm.
In der Dunkelheit lächelte der Schattenläufer. Selbst der scharfe Ton des Vorwurfs schmälerte seine Freude nicht.
Es dauerte etwas, bis er antwortete. Erst einmal legte er ein frisches Leinentuch auf das verletze Fleisch und danach – wo auch immer er diese her hatte, eine Decke um die Schultern des Jungen.
Die Salbe betäubte, entspannte und wärmte.
„Ich hab längst aufgegeben mich zu fragen, warum ich dort bin, wo ich jetzt stehe.
Ich frage mich nicht mehr warum meine Heimat fiel, warum ich ein ums andere Mal alles verloren habe um neu anzufangen. Ich frage mich nicht mehr, wer woran Schuld trägt und was ich hätte anders machen müssen um es zu verhindern.“

Ein wenig wunderte er sich selber, wie fest seine Stimme klang. Die Schwäche des Morgens konnte er beinahe einwandfrei verbergen.
„Ich frage mich nicht mehr wo ich wäre, wenn ich zu einem früheren Zeitpunkt eine andere Entscheidung getroffen hätte und auch nicht mehr ob es irgendwo eine Welt gibt, an der wir alle an den Punkten stehen, an die uns eben diese Entscheidungen gebracht hätten.“
Jarel legte die Hände auf den Oberschenkeln ab und atmete durch.
„Der Orden ist für mich der Ort, an dessen Strand mich das Schicksal gespült hat, nachdem mein Schiff sank. Hier habe ich eine Heimat, Freunde, Familie.“ Vor allem meinte er Jakob, wenn er Familie sagte. Aber das musste er nicht betonen.
„Die ewige Flamme ist für mich ein Symbol. Ein Symbol für das Gute, das Reine, dem ich versuche zu folgen. Eine Orientierung, die mich auf den Weg zurückholt, von dem ich immer wieder abkomme.“
Er schluckte.
„Aber auch das bin ich. Der Weg, für den ich mich entscheide ist nicht immer der im Licht. Zu behaupten es wäre meine Natur wäre müßig. Denn die Natur einer Person wird bestimmt durch deren Entscheidungen, nicht die Entscheidungen durch die Natur. Ich entscheide über meine Natur. Und du über deine.“
Tief atmete er durch.
„Ein Teil von mir wird immer Assassine sein. Nicht aus Freude am Töten, sondern weil ich das Leben liebe. Mein Leben. Nenn es Egoismus, aber hätte ich den fairen Kampf gewählt, von Auge zu Auge, wäre ich jetzt nicht hier. Meine Fähigkeiten und ich sind Mittel zum Zweck. Werkzeug.“
Jarel spürte Jakobs Tränen im dessen Worten. Wie gerne hätte er ihn in die Arme genommen und ihm gesagt, dass alles gut werden würde. Dass er ab diesem Zeitpunkt nur noch ehrenhaft und im Licht kämpfen würde.
Aber das wäre eine Lüge. Dann lieber ein Ende mit Schrecken.
„Und wenn es darum geht zu überleben, werde ich dieses Werkzeug wieder wählen.“ In Zeitlupe legte er beide Hände auf Jakobs Schultern.
„Wenn du das nicht akzeptieren kannst, verstehe ich das. Wir finden einen besseren Rittervater für dich. Einen ehrbaren, der dem Licht so folgt, dass du dich ihm von ganzen Herzen anschließen kannst. Ich werde trotzdem immer für dich da sein, wenn du mich brauchst.“
Nun zitterte seine Stimme doch. Trotzdem bleiben seine Hände dort, wo er sie abgelegt hatte.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

"Ich habe noch nicht aufgehört.", murmelte er tonlos, aber sein Weg war auch noch nicht so lang und bei weitem nicht so steinig gewesen. Und was bedeutete es, wenn man aufhörte, die eigenen Entscheidungen und ihre Konsequenzen zu hinterfragen? Sich in die Hand des Schicksals begeben? Kampflos? Der junge Mensch weigerte sich dagegen, so dermaßen machtlos zu sein im Angesicht der Vorhersehung.
Er lauschte, schwieg und fühlte heftige Sehnsucht, als Jarel von Heimat, Freundschaft und Familie sprach. Er hatte irgendwann beschlossen, dass nichts davon für ihn bestimmt war, hatte sich herum reichen lassen und sich von allem und jedem distanziert. Es war einfacher gewesen, niemanden zu mögen. Mit niemandem mehr als das Nötigste zu sprechen. Einfacher als dies hier. Aber auch einsamer. Hohler. Dieser Ort, dieser Glaube und die Menschen hier füllten ihn mit etwas aus und es war gut.
Jarels ehrliche Worte waren entwaffnend und er musste wieder an Henselt denken, dessen Ansicht zu der ganzen Knappensache deutlich leichtfertiger war als seine eigene. Aber teilweise könnte er sich dem wohl fügen und aufhören nach der idealen Welt zu suchen. Auch wenn er in seinem jugendlichen Idealismus weiterhin für sich selbst den ehrenhaften Weg dem der Heimtücke vorziehen würde, auch wenn es heißen könnte, den kürzeren zu ziehen. Es war nicht sein Naturell, aber seine Entscheidung. Und wenn er dadurch nicht alt würde, war auch das Schicksal.
Das Leben lieben. Welch seltsamer Gedanke...
Als Jarels Hände sich auf seine Schultern legten, vibrierten diese vor Spannung. Die Decke konnte die Kälte nicht vertreiben, die ihn plötzlich befiel. Sicher, die hilflose Wut kochte noch immer irgendwo tief in seinem Kern und er wollte noch immer nicht wahrhaben, was sein Rittervater ihm so gnadenlos ehrlich mitteilte, aber wollte auch keinen anderen. Gleichzeitig wollte er ihn verfluchen und von sich stoßen, dafür, dass er einfach nichts kapierte oder es ihm egal war. Und dann wieder schalt er sich einen Idioten - er wollte sich für niemanden ändern, wieso sollten es andere für ihn tun? Jarel sagte es selbst: er traf Entscheidungen und Jakob ebenso, jeder nach seinem Wissen, Gefühl und auch seiner Moral.
Sein Herz machte einen Satz in seine Kehle.
"Ich will keinen anderen Rittervater, Jarel. Ich will gar keinen mehr. Ich will diese Ausbildung abschließen und zwar so gut und so schnell es geht. Und dann will ich ein Ordensbruder sein, wie ich ihn mir vorstelle und nicht mehr irgendwem nacheifern, der... ich will auf Augenhöhe sein, Seite an Seite. Mit dir und den anderen. Aber dahin kannst nur du mich führen. Mich hält doch sonst keiner lange aus." Er ließ die Tränen einfach weiter fließen, doch seine Stimme war erstaunlich fest dabei. Seine Augen huschten herum und er wünschte sich mit einem Mal heftig, Jarels Gesicht sehen zu können, durch diese undurchdringliche Nachtschwärze.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Jakob hörte Jarel einen tiefen, ruckartigen Atemzug nehmen.
Die Hände seines Rittervaters verschwanden von seinen schmalen Schultern. Er konnte nicht hören, aber spüren wie Jarel ihn umrundete und riechen, dass er nun vor ihm statt hinter ihn kniete.
Jarel zögerte. Jakob würde es nicht wollen. Vielleicht kassierte er nun eine Ohrfeige. Oder Prügel.
Und wenn, dann würde er es hinnehmen. Verdient hinnehmen.
Immer noch vorsichtig legte er seine rechte Hand auf Jakobs linke Schulter. Um aller Schatten willen, der Junge vibrierte vor Anspannung.
„Wir sind längst auf Augenhöhe.“ Etwas unsicher legte sich Jarels linke in Jakobs Nacken. Umarmen kam nicht in Frage. Dafür war der Rücken des Knappen zu malträtiert.
„Du wirst ein großartiger Ritter.“, erklärte er im Brustton der Überzeugung.
Damit war seine Wortgewandtheit für diesen Tag aufgebraucht. Zu gerne würde er jetzt die passenden Worte finden um den Jungen zu beruhigen, zu trösten und ihm die Verzweiflung zu nehmen, die er ausstrahlte wie ein Feuer die Wärme.
Nur…wie?
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Die Hand an seinem Nacken war warm und irgendwie tröstlich. Jakob schloss einen Moment die Augen und schluckte die Tränen hinunter. Zögerlich legte er seine schmerzenden Finger darüber.
"Das Christentum lehrt Vergebung. Ich muss deine Entscheidungen nicht gut heißen, aber ich kann vergeben. Du hast mich durch das Feuer zu dir geholt und ich folge dir weiter - im Licht und auch in die Schatten. Ans Ende der Welt, aber niemals über Leichen.", sagte er kaum hörbar, bevor er die Augen halb wieder öffnete, ohne sie auf etwas Bestimmtes zu richten.
Jakob schluckte schwer und schüttelte gleichzeitig den Kopf zu Jarels Worten.
"Erst wenn ich den Wappenrock tragen darf und keine Latrinen mehr putzen muss. Aber ich werde hart dafür arbeiten - ich will es endlich schaffen. Ich bin schon so lange Knappe." Er ließ die Hand sinken, tastete nach der Decke, um sie enger um sich zu ziehen, doch die Bewegung der Finger erinnerte ihn, dass auch die ziemlich malträtiert waren. Er streckte beide Hände zwischen ihnen aus oder zumindest grob in die Richtung, in der er seinen Rittervater vermutete.
"Hast du noch was von der Salbe für meine Hände?"
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Jarel stutze. Vergebung…
Um Vergebung hatte er nie gebeten. Sein Knappe vergab IHM seine Entscheidungen. Sicherlich, er gehörte nicht zu denen, die dem ewigen Feuer als leuchtende Vorbild folgten. Er war ein Mörder, ein Assassine und so manch eine seiner Erscheinungen war mehr als nur fragwürdig.
Aber….Vergebung? Sicherlich war das von seinem Knappen nicht so gemeint, wie es bei ihm ankam. Ver-ge-bung? Das musste er erst einmal verarbeiten.

Jarel nahm den Tiegel wieder auf und begann Jakobs Hände vorsichtig mit Salbe zu versehen. Und stockte, atmete tief ein, bevor er den Tiegel auf den Boden stellte und sich die verletze Linke des Jungen genauer anzusehen. Verbrennungen an den Handflächen und…Scheiße…
„Gebrochen nehme ich an.“ Der Schattenläufer glaubte zu wissen, wann das passiert war. Er hätte nicht gehen dürfen. Eine weitere schlechte Entscheidung. Er seufzte, nahm den Tiegel wieder auf und versuchte möglichst ohne Druck auch Jakobs Hände zu versorgen.
„Ich werde mit von Herrenloh reden. Sicher lässt er dich die Prüfung vorziehen.“
Der Ritter verschloss den Tiegel wieder und betrachtete seinen Knappen, dessen Blick in der Dunkelheit versuchte ihn zu fixieren. „Wann hast du das letzte Mal etwas getrunken?“, fragte er nach einigen langen Sekunden. Der Junge brach sich die Finger, verbrannte sich. Strafte er sich noch weiter? Mit Hunger und Durst?
Was würde geschehen, wann man ihm jetzt eine Siebenschwänzige gab?
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