Tempelinsel | Der Orden der Flammenrose | die Komturei in Nowigrad

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
Benutzeravatar
ERZÄHLER
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 592
Registriert: Samstag 6. November 2021, 15:47
Lebenslauf:

Die Daumen in den Schwertgurt gehakt, die grauen Augen auf Jarel gerichtet, hörte Wenzel dem Bericht zu. Seine Aufmerksamkeit allerdings galt weniger den Worten, als den vielen kleinen Gesten, Muskelbewegungen und dem Timbre in der Stimme des anderen Mannes. Mit den Jahren hatte er gelernt, dass der menschliche Körper in mehr Sprachen als nur der der Zunge sprach. Wenzel würde zwar nie von sich behaupten besonders gut darin zu sein, diese andere Sprache zu deuten, aber bei einem Menschen wie Jarel kam hinzu, dass sie sich seit vielen Jahren kannten. Die Geschichte als solche war eine, wie er sie vielleicht nicht täglich aber doch mehr als einmal im Monat zu hören bekam. Wenn er jedes Mal marzialischen Strafen verhängte, wenn einer seiner Ritter einen Fehler wie diesen beging, hätte er inzwischen arge Lücken in seinen Reihen. Er hob also leicht die Brauen, unterbrach seinen Klingenmeister aber nicht. Etwas anderes zupfte an ihm, etwas, was nichts mit Dämonen oder Portalen zu tun hatte. Sicherlich interessierte ihn beides, aber er speicherte es für später.
"Sicher ist er dir weg gelaufen. So wie du aussiehst, warst du mehr damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass sein Junge nicht in die Schusslinie gerät, als deine Pflicht zu tun." Doch der Tadel fiel milde aus. Wenzel war natürlich nicht verborgen gebieben, wie sich die Beziehung zwischen Ritter und Knappe entwickelt hatte. Und Jarel konnte so dornig tun wie er wollte, Wenzel kannte ihn zu gut. Er krauste leicht die Stirn. "Jeconte ist die Hexe davon gesprungen, erinnere dich." Auch da war es bei einer Rüge geblieben. Wenzel kratzte sich sinnierend den säuberlich gestutzten Kinnbart. "Vielleicht sollte ich ihm den Hemmelfart-Bastard ans Knie binden. Quasi als rückwirkende Bestrafung." So sprach der Großkomtur tatsächlich nur im Kreis von Vertrauten. Doch er wurde schnell wieder ernst und fasste Jarel erneut ins Auge.
"Deswegen kommst du aber nicht zu mir. Dich beschäftigt etwas anderes, nicht wahr?", ließ er sich noch immer in mildem Ton vernehmen. Die Lüge hatte er klaglos hingenommen, sie nicht als solche erkannt. Er war viel mehr auf den Menschen Jarel fokussier, der in seiner ganzen Körpersprache hinaus schrie, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war - ob nun gewollt oder ungewollt.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Kacke.
Von wegen gut im Lügen.
Und nun? Da half nur die Wahrheit. Zumindest, um von seinen eigentlichen Gedanken abzulenken.
Davon, dass er seinen Freund belog. Davon, dass er befürchtete den Verstand zu verlieren. Und von…nein…daran würde er jetzt nicht denken.
„Es war genau anders herum.“ Jarel seufzte. Die Erinnerung daran, dass Jakob die Endriage besiegt hatte und nicht er, nagte noch immer an ihm. Oder besser….das fehlen der Erinnerung.
Auf dem Hinweg hat uns eine Endriage überrascht. Es war Jakob, der ihr den Gar ausgemacht hat.
Und…der Dämon….“

Er grinste schief. „… ohne den Jungen hätten wir ihn nicht festsetzen können.“
Der Ritter schaute zerknirscht.
„Ich werde alt.“
Benutzeravatar
ERZÄHLER
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 592
Registriert: Samstag 6. November 2021, 15:47
Lebenslauf:

Wenzel von Herrenloh gehörte normalerweise nicht zu den Leuten, die eine einmal aufgenommene Spur so leicht verloren - dazu war zu lange Bluthund im Rudel des Hierarchen. Aber wenn es um seine engsten Berater und Vertraute ging, tendierte er zuweilen dazu, Augen und Ohren zu schließen. Die Ablenkung glückte, der Großkomtur hob sichtlich erstaunt die Brauen. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass der junge Mann, der hier mehr Ärger als Nutzen zu bringen schien, doch einen zweiten Blick wert war. Vielleicht... nein, dazu ließ sein Verhalten den Ritterbrüdern gegenüber eindeutig noch zu wünschen übrig. Er behielt den Gedanken für sich und lächelte versöhnlich.
"Nun, irgendwann müssen wir alle einsehen, dass die Jugend uns körperlich überholt. Dann bleibt uns nur noch die Weisheit und Erfahrung, die wir ihnen voraus haben." Noch einmal blieben die hellgrauen Augen auf Jarel hängen und es wirkte, als wolle der Großkomtur doch noch einmal nachhaken... dann wandte er sich sichtlich innerlich ab von diesem Punkt. Ihn beschäftigten dringlichere Dinge.
"Wenn du glaubst, er ist inzwischen so weit, dass du ihn als Anwärter auf die Ritterschaft mit auf Fahrt nehmen kannst, dann nimm ihn doch mit. Soll er sich seine Sporen verdienen." zwei Vorteile: er brachte ihm nicht Unruhe in die Komturei und vielleicht zeigte sich tatsächlich, dass er bereit war für die Prüfung und den Ritterschlag. Für Wenzel schien das Gespräch damit beendet. Er marschierte federnd wie immer zu seinem Schreibtisch, überflog mit den Augen die Stapel an Papieren darauf.
"Schick mir Ealco, wenn du gehst.", sagte er noch, ohne aufzusehen.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Das Poltern, als der riesige und tonnenschwere Stein ihm vom Herzen fiel, hätte eigentlich ein Erdbeben auslösen müssen.
„Danke. Werde ich. Ich werde zwei Tage brauchen, um die Vorbereitungen zur Jagt auf die Hexe vorzubereiten.“, kein Zittern in der dunklen Stimme, keine Unsicherheit.
Er deutete eine Verbeugung an und schritt aus dem Raum, gab Ealco kurz Bescheid und schritt weiter. Hoch erhobenen Hauptes, ohne eine Miene zu verziehen. Er suchte noch Jakob, jedoch nur halbherzig und nachdem er gesagt bekam, sein Knappe sei noch nicht wieder eingetroffen ging er umgehend zurück in seine Unterkunft ohne mit jemandem zu reden oder jemanden anzusehen.
Er trat ein und schloss die Tür, schob sogar den schweren Riegel vor. Etwas, was er sonst nie tat.
Jetzt, im geschützten Raum seiner eigenen vier Wände, lies er die Maske fallen.
Direkt hinter der Tür brach er in die Knie, schlang die Arme um den Oberkörper und starrte eine ganze Weile einfach nur auf den Fußboden, versuchte seine sich ständig überschlagenden Gedanken zu ordnen.
Eine ganze Weile mühte er sich ab den Zeitpunkt zu eruieren, an dem alles schiefgelaufen war.
Eigentlich war es ganz klar. Doch egal wie er es drehte, es gab keinen Weg zurück.
Jetzt galt es die Nerven zu bewahren.
Die Nerven…
Der Ritter sah auf und starrte eine halbe Ewigkeit in Richtung des Regals, in dem seine Medikamente standen. Dort links, hinter einer der vollen Phiolen mit dem widerwärtigen grünen Zeug, dass dafür sorgte, dass er die von seinem Vater gespendete Leber nicht abstieß, stand versteckt in zweiter Reihe eine weitere.
Auf den ersten Blick könnte man die Flüssigkeit darin für starken Kaffee halten.
Aber die Wirkung war genau gegenteilig.
Nein. Das war auch nicht richtig.
Der ehemalige Schattenläufer blieb so hocken wie er war. Und begann plötzlich leise zu kichern.
Er wusste, was er tun würde.
Noch an diesem Nachmittag.
Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen und halb geschlossenen Augen starrte er ins Nichts.
Er wusste, was er tun würde.
Benutzeravatar
Jakob von Nagall
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 7. November 2021, 10:18
Lebenslauf: Jakob von Nagall

-------------------------------------------------------------
von/nach: Silberstein, Slavas Haus --> in die Komturei
Datum: Sommer 1278
betrifft: niemanden direkt
-------------------------------------------------------------

Der Morgen war auf seine Weise surreal verlaufen und der Weg zurück zur Komturei hatte auf seine weise etwas Surreales. Fast automatisch hielt er sich inzwischen in der Nähe der Hausmauern, denn die frühen Morgenstunden waren gefährlich. Die Bewohner mancher Viertel leerten gerne mal Mülleimer und Nachttöpfe einfach aus den Fenstern und befolgte man einfache Regeln, die sich aus der Ballistik erschlossen, dann blieb man halbwegs sauber. Erst hatte er direkt zur Komturei gehen wollen und sehen, wie es Jarel ergangen war, aber dann schlug er doch einen Haken durch die Stadt - laufen, um den Kopf frei zu bekommen. Und wenn er ehrlich war, wollte er Jarel auch gerade gar nicht so unbedingt unter die Augen kommen. Er hatte das Gefühl, der Ritter müsse ihm an der Nasenspitze ansehen, was er angestellt hatte, also trieb er sich noch eine Weile herum und kehrte erst gegen die Mittagsstunde in aller Heimlichkeit in die Unterkunft der Knappen zurück.
Jakob bleib einen Moment auf seinem Bett sitzen und genoss die Stille des Dormitoriums, wenn alle ausgeflogen waren. Entweder zum Mittagessen oder noch zur Andacht. Sein Bett war unagetastet, sicher bis auf das Reisegepäck, das er achtlos am Fußende aufgetürmt hatte. Seine Truhe ohnehin fast leer, brauchte er nicht zu prüfen. Sie war abgeschlossen und es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass man die ohnehin schmale Habe eines anderen Knappen nicht anrührte. Sogar sein Talglicht wies noch den gleichen Füllstand auf. Hier sitzend lauschte er in sich hinein - fühlte er so etwas wie Heimat? Wieder zu Hause zu sein? Schwer zu sagen - es war ein Bett, hier verbrachte er seit einem Jahr mehr Zeit als sonst irgendwo, aber trotzdem hätte er es wohl niemals als zu Hause betitelt. Entsprechend unpersönlich war die Peripherie um sein Bett herum. Bei anderen hingen Dinge an den Bettpfosten oder standen Bilder auf den Nachttischen. Einer versuchte sogar vergeblich ein Stofftier vor den anderen zu verbergen, aber es lugte auch jetzt wieder unter dem Laken hervor. Nur Jakobs Bett wies keinerlei Zeichen solcher Personalisierung auf. Er könnte gehen und der nächste konnte einziehen, kein Aufräumen nötig. Er band sich nicht an Örtlichkeiten, hatte er seit dem Brand nie wieder getan. Ein Leben als fahrender Ritter, wie es manche des Ordens lebten, würde ihm sogar recht gut gefallen, aber so lange er Knappe war, gehörte er in dieses Bett.
Lautlos erhob er sich und zog die schmutzigen Kleider bis auf die groben Unterhosen aus. Er stopfte sie für die spätere Wäsche in einen Sack und nahm seine Wechselgarnitur aus der Truhe. Die Sachen rochen nach dem alten Holz, aber besser als nach ungewaschenem Männerkörper. Zeit, dass er sich endlich Schweiß und Schmutz der Reise abwusch oder besser er wollte es, aber als er den schmalen, nach einer Seite hin offenen Raum betrat, hatte er sofort ein seltsames Gefühl. Bestärkt wurde das durch einen umgestoßenen Eimer, der über den groben Steinboden gerollt war und seinen Inhalt darauf verteilt hatte. Jakob verharrte einen Moment, dann hörte er ein Geräusch, dass er inzwischen viel zu gut kannte. Die Kleider fielen auf den Boden und er eilte um die niedrige Wand herum, hinter der Schemel standen, auf denen man sitzen und sich schrubben konnte, bevor man in den Zuber stieg - sofern man sich die Mühe machte, ihn zu heizen oder noch hinein wollte, wenn schon zehn andere junge Männer drin gewesen waren.
Henselt lag am Boden, die Augen halb geschlossen, doch in den Spalten sah man nur das Weiße. Ab und an zuckten seine Glieder, doch was Jakob alarmiert hatte, war das Knirschen und Klappern seiner Zähne, ein Geräusch, dass er seit Beginn ihrer Freundschaft mit diesen Anfällen verband. Er ließ sich neben ihm nieder und zog Henselts Kopf auf seinen Oberschenkel. Um ihm etwas zwischen die Zähne zu klemmen, war es zu spät und er hatte auch nichts bei sich, also federte er nur die hin und wieder auftretenden Impulse, die seine Muskeln zucken ließen, ohne ihn allerdings gewaltsam festzuhalten. Auch das hatte er in der Zwischenzeit gelernt. Am besten legte er Henselt mit dem Kopf auf ein Kissen und ließ ihn liegen, bis es vorbei war, aber gerade war das nicht möglich. Also sorgte er nur dafür, dass der Kopf des anderen Knappen nicht von seinen Beinen rutschte.
In diesem Moment kam ein weiterer Knappe vom Hof her in den Raum, sah sie beide dort am Boden, starrte einen Moment und machte dann im Laufschritt, dass er fort kam. Jakob fluchte, konnte aber nichts tun, als ihm nachzublicken. Er hatte den Jungen noch nie gesehen - nicht besonders groß, eher rundlich, rotes Gesicht, jünger als Jakob und auch als Henselt - aber das ungute Gefühl weitete sich aus. Doch er hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken. Henselt ächzte leise, was Blut auf seine Lippen brachte. Hatte er sich also doch wieder gebissen. "Alles gut. Du bist mal wieder weg getreten.", sprach Jakob seinen Freund leise an und dieser schien sich wie so oft an dessen Stimme wieder ins Bewusstsein zu hangeln. Henselt blinzelte und seine wasserblauen Augen fanden nach einigen Sekunden ins Hier zurück. Jakob wusste, dass Henselts Anfälle eigentlich keinen Schaden machten, außer dass der andere Knappe danach furchtbar müde war. Jetzt rappelte er sich auf und rieb sich den Kopf, mit dem er wohl Kontakt mit den Bodenplatten gehabt hatte. Jakob blieb einfach hocken und beobachtete Henselt dabei, wie er sich wanked auf die Füße arbeitete. Auch etwas, was Jakob gelernt hatte und was sie teilten: Henselt hasste Mitleid und noch mehr hasste er es, wenn man ihn nach solche einem Anfall allzu sehr zu betüddeln versuchte. Dennoch war er auf dem Sprung, die Füße unter sich angestellt, sodass er gleich dazu springen könnte, wenn seinen Freund das Gleichgewicht verließ. Aber der schlug sich gut und so stannd auch Jakob nach einer Weile auf, griff sich den leeren Eimer und füllte ihn neu, um fortzusetzen, wieso er eigentlich her gekommen war.
"Was war es diesmal?", fragte Jakob beiläufig, während er sich schrubbte.
Henselt saß auf einem Schemel und wusch seine Füße, als sei nichts gewesen. Er hob nur die Schultern. "Muss nicht immer 'n Grund haben. Vielleicht war das Wasser zu kalt.", frotzelte er. Er ging Jakob gegenüber inzwischen recht lässig mit dem Thema um, während er bei allen anderen Vorsicht walten lassen musste. Zu oft schon waren die epileptischen Anfälle als Zeichen von Besessenheit bewertet worden und allerlei Möchtegern-Exorzisten hatten sich an Henselt versucht. Hier war es ihnen bisher immer gelungen, ihn irgendwie zu verstecken oder es zu vertuschen, sobald es passierte. Jakob hatte einen siebten Sinn für Henselts Befindlichkeiten entwickelt und der junge Adlige selbst kannte inzwischen viele Trigger, denen er auszuweichen versuchte. Eigentlich hatte er den völlig falschen Wirkungsort, denn Schmerz und starke Anstrengung gehörten definitiv dazu. Dabei war er Jakob das erste Mal quasi in die Arme gefallen, denn sie hatten sich gemeinsam über eine von den Anwärtern "Blutschinde" genannte Hindernisbahn am Fuße der Steilklippen kämpfen dürfen.
"Gibt nen Neuen im Haus.", wechselte Henselt das Thema und Jakob schwenkte darauf ein. Ebenfalls schon fast ein Ritus.
"So?, machte er nur.
"Ja. Scheint ein Neffe oder so vom Hierarchen zu sein. Ziemlich großkotzig, aber sonst nicht viel hinter. Hat seine Figur.", lästerte der Blondschopf und pulte Dreck unter seinen Nägeln hervor.
"Rund, etwa so groß, rotes Gesicht, fünfzehn Winter?" Henselt nickte. "Großartig. Der war eben hier, als du deine Auszeit hattest." Jakob hatte angefangen, sich zu rasieren, daher nuschelte er etwas, um sich nicht zu schneiden. War ja klar, dass es gleich der Neue war, der hier zum ungeschicktesten Zeitpunkt rein platzte. Und noch dazu einer von denen, die hier eine eigene Klasse innerhalb der Hackordnung dastellten. Oder es gerne darstellen würden. So ganz hatte Jakob das noch nicht durchschaut.
"Wieso war der nicht beim Essen?", echauffierte sich Henselt.
Jakob schnaubte. "Und du, wieso warst du nicht beim Essen?"
"Putzdienst.", maulte der Andere.
"Was hast du angestellt?"
Henselt hielt inne und blickte sich kurz um, dann fuhr er leiser fort: "Erinnerst du dich an Tisja, die Kleine mit den Blonden Zöpfen, die dem Marschall immer die Wäsche macht..."
Und so weiter. Mit Henselt fühlte Jakob sich hier dann tatsächlich zu Hause. Er war seit Seth der erste junge Mensch, den er als Freund bezeichnen würde und dessen Gesellschaft ihn nicht irgendwann anödete. Er suchte sie sogar von sich aus, was für den sonst eher verschlossenen Knappen schon eine wirkliche Überwindung war. Henselt schien den zuweilen wortkargen, aber dann doch wieder treffende kommentierenden Knappen des Klingenmeisters ebenfalls zu schätzen, obwohl sie nicht vom gleichen Stand waren. Aber unter den Rittern galt das wenig. So kam es, dass sie meistens zusammen aßen, bei den Messen beieinander saßen und zuweilen dumme Kommentare tauschten, bis man sie rügte oder auch die Unterrichtsstunden miteinander verbrachten. Und viele Strafen miteinander absaßen. Außerdem war Henselt ein guter Sparringpartner, wenn er Jakob in manchen Dingen auch einfach nicht das Wasser reichen konnte. Sein Handicap hemmte ihn und der andere Knappe nutzte das zuweilen schamlos aus, was dann wiederum schon mal zu Streit führte. Doch welche Freundschaft kam schon ganz ohne aus?
"Will Lode ihn heute Nacht gleich flitzen lassen?", fragte Jakob und streifte sich das neue Hemd über.
"Und ob. Der freut sich schon. Hat sich gleich zu Anfang nicht grad Freunde gemacht. Das Theater, als Tyssen ihm die ganzen hübschen Mitbringsel abgenommen und ihm seine Kluft ausgehändigt hat, war bühnenreif. Ich sag dir, der quiekt wie ein Schwein."

Mit der Nacht kam ein unangenehm kalter Wind auf, der trotz des Sommers dafür sorgte, dass in den Häusern die Öfen brannte. Selbst im Dormitorium der Knappen durfte der Kamin entzündet werden, was den Raum immer in ein Labyrinth aus Schatten verwandelte. Für die heutige Nacht genau das richtige Ambiente. Alle, die nicht mit ihren Rittern unterwegs waren, hatte sich versammelt und standen in stummer Reihe vor den Betten entlang des mittleren Ganges, der von der Tür bis zum Kamin führte. Es galt einen Neuen in ihrer Mitte gebührend zu empfangen. Sie alle waren durch diese Prüfung gegangen, einer Art Aufnahmeritual unter den Knappen, von dem kein Sterbenswörtchen nach draußen zu den Rittern dringen durfte, denn es war alles andere als erlaubt. Wobei Jakob glaubte, Tyssen und andere wussten um die Praktik, waren sie doch selbst einst Knappen gewesen. Doch es wurde gedulded, übersehen. Es war gewissermaßen Tradition.
Jakob selbst erinnerte sich noch gut und auch er hatte geschwiegen. Jarel und allen anderen gegenüber. Die blauen Flecke ließen sich anders erklären.
Plenius war von Lode erst eine Weile aufgehalten worden und betrat nun mit diesem zusammen den Raum. Lode war so etwas wie der selbsternannte Oberste von ihnen. Er war Wortführer und gewissermaßen Ranghöchster unter den Ranglosen. Jakob hatte sich schon oft mit ihm in der Wolle gehabt, doch auch das stets unter dem Deckmantel dieses Hauses, dessen Mauern schwiegen und dessen Bewohner alles, was hier geschah wie Geheimnisse hüteten. Lode war der Knappe des Großmarschalls und bildete sich darauf etwas ein, wodurch er in Jakob als Jarels Knappen einen Konkurrenten sah. Dieser gab wiederum nicht Kleinbei, entsprechend angespannt war das Verhältnis der beiden jungen Männer, die zu allem Übel auch noch ungefähr im gleichen Alter waren. Und Lode war bisher der Ritterschlag verwehrt worden - weshalb, dass wusste wohl nur der Großmarschall allein.
Eben jener Lode legte Plenius nun den Arm um die Schultern und sprach eindringlich auf ihn ein. Jakob wusste, was er ihm zuflüsterte - er sprach von der Aufnahme unter ihnen, von einem Ritus, von Mut und dem Aushalten. Von stählernem Willen und Zusammenhalt. Gewäsch. Es ging darum, etwas zu beweisen, um sonst nichts. Eine beschissene Mutprobe. Jakob hielt eigentlich nicht viel davon, aber in diesem Punkt heulte er mit den Wölfen. Die Aufgabe war simpel: der neue Knappe musste von der Tür bis zum Kamin laufen, zwischen den anderen jungen Männern hindurch. Klang im ersten Moment einfach, wenn diese nicht alles daran setzen würden, ihn mit den leeren Scheiden ihrer Schwerter zu vertrimmen. Jakob wusste, wie wenig schmerzhaft sich das anhörte und wie ordentlich die Treffer zwiebeln konnten - vor allem wenn man die Scheide am Schwertgurt herum wirbelte. Stumpfe Treffer, die niemanden umbrachten, aber tiefblaue Flecken erzeugten, wo sie auf Fleisch trafen. und auf Fleisch würden sie treffen, denn das Hemd blieb bei Lode.
Plenius sträubte sich nur kurz. Niemand wehrte sich lange, alle wollte sie dazu gehören. Jakob hatte da keine Ausnahme gemacht. Sie Schwertscheiden sausten durch die stille Luft des Dormitoriums.
Henselt sollte Recht behalten. Der Neffe des Hierarchen quiekte wie ein Schwein.
Doch schlimmer, Tyssen stand plötzlich in der Tür. "Was geht hier vor?!", verlangte er eisig zu wissen. Und natürlich war der die Frage rhetorischer Natur. Jeder Blinde konnte sehen, was vorging und Tyssen ließ seine Wieselaugen über jeden Einzelnen von ihnen schweifen, bis sie auf Plenius hängen blieben, der wimmernd am Boden vor dem Kamin kauerte, den Körper übersäht von roten Malen. "Meine Herren Knappen, das wird ein Nachspiel haben.", ließ Tyssen sie wissen und befahl sie alle schneidend zurück in ihre Betten.
Jakob lag noch lange wach.
Benutzeravatar
Jakob von Nagall
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 7. November 2021, 10:18
Lebenslauf: Jakob von Nagall

Vieles hatte ihn beschäftigt und vom schlafen abgehalten, aber irgendwann musste er doch eingeschlafen sein, denn er schreckte aus einem wirren Traum hoch, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und Tyssen in die Stille hinein: "Appell!", brüllte. Er hielt eine Fackel in der Hand und erhellte damit spärlich den noch düsteren Raum. Bei solchen Gelegenheiten war Jakob ganz froh, dass es hier weder elektrisches Licht noch Taschenlampen gab. Doch Tyssen hatte seine eigene Methode, Nachdruck zu erzeugen. Der Ritterseargant marschierte an den Betten entlang und schlug mit einem Exerzierstab gegen Bettpfosten und alles, was irgendwie laute Geräusche machte. Am inzwischen kalten Kamin angekommen machte er Kehrt und wer dann nicht aus dem Bett war, bekam einen Schlag auf die Bettdecke.
Jakob war aus dem Bett. Nach dem gestrigen Auftauchen des Vorstehers ihres Hauses hatte er, einem Gefühl folgend, in Hemd und Hose geschlafen, was sich nun bezahlt machte, denn kaum wieder bei der Tür, bellte Tyssen noch: "In einem Docht vor dem Haus. Für den Letzten denke ich mir noch was extra aus! Dann war er weg, zusammen mit den flackernden Schatten, die Tür allerdings ließ er offen und kühle Luft zog herein, fegte den Kamin hinauf.
Da er nur noch die Lederlappen an die Füße wickeln musste, an die er sich inzwischen so gewöhnt hatte, war Jakob schnell unterwegs. Doch nicht nur er hatte ein Näschen gehabt und angekleidet geschlafen, sodass zumindest die Dienstälteren nach wenigen Augenblicken auf dem Vorhof standen. Der Letzte war tatsächlich Plenius, der sich erst aus seinem Nachtgewand schälen und ankleiden musste. Er rieb sich versonnen die Hüfte, wo der Exerzierstab ihn getroffen hatte und reihte sich am Schluss ein. Tyssen zielte mit seinem Stab auf ihn.
"Ich will gnädig sein, weil Ihr gestern erst angekommen seid. Nur zwei Runden extra." Dann ließ er den Blick abschätzend über den müden Haufen vor sich gleiten, wartete einen Moment und brüllte dann schon eher ungehalten als militärisch: "HALTUNG! Wenn ich einen Haufen halb leere Mehlsäcke sehen will, geh' ich in die Vorratskeller! Los, sonst schieb ich einem von euch diesen Stock in den Arsch, damit die anderen ein Beispiel haben!" Füße raschelten sogleich, Köpfe hoben sich etwas, aber großteils änderte sich nicht wesentlich etwas. Sie waren keine Soldaten, auch wenn der Ritterseargant sich das wohl manchmal wünschte. Er kniff die Augen zusammen.
"So, offenkundig seid ihr ja nicht ausgelastet genug und habt Zeit für solche Sperenzchen wie gestern Nacht. Es wird euch daher freuen, dass ihr vor der Andacht noch etwas Energie los werden dürft." Er hatte einen Ton angeschlagen, als verkünde er ein Festmahl, wobei er das Kinn leicht hob und die jungen Männer vor sich musterte. Erst lächelte er noch, dann wischte er das Lächeln mit einem Lidschlag aus seinem Gesicht. Mit kühler Stimme setzte er an: "Zehn Runden um die Komturei, inklusive Treppen. In jeder Runde zehn Liegestütze vor dem Tempel und vergesst mir nicht das 'Brenne hoch' und wehe ich höre es nicht im Pavillon."
Leises Murren, aber der Haufen Mehlsäcke setzte sich in Bewegung. Hierbei hinterher zu hängen, war auch nie gut. Wenigstens eines rechnete Jakob Tyssen an: er bestrafte sie immer alle gemeinsam, egal wer gegen wen und was, ausbaden mussten sie es immer zusammen. Auch das trieb zwar Blüten, doch im großen und ganzen machte es sie zu Brüdern.
Die Runde durch die Komturei folgte dem immer gleichen Muster, was gewisse Trampelpfade in den wenigen, mit Gras bewachsenen Stellen des Geländes deutlich zeigten. Vom Haus der Knappen, entlang der Mauer, im Kurs um die Häuser der höheren Ritter, zwischen den Wirtschaftsgebäuden her, das Tor passierend und den Hügel zum Tempel hinauf, dann die Treppen des Pavillons, die Stufen des Tempels bis auf dessen Vorplatz, wo es sich Liegestütz machend vortrefflich singen ließ. Eine Kakophonie von zeitlich versetztem Gesang, denn selten kamen sie alle gleichzeitig an. Dann die Treppen im Hocksprung wieder hinunter und über den zentralen Platz zurück zum Haus der Knappen.
Jakob lief mit Henselt, wie immer und stoppte diesen auf der zweiten Runde. "Halt mir den Rücken frei, ich muss kurz nachsehen, ob Jarel zu Hause ist." Einer der Punkte, der ihn in der Nacht beschäftigt hatte.
Henselt kratzte sich am Nacken. "Aber beeil dich, es wird bald hell und Tyssen hat Augen wie ein Luchs." Jakob nickte und sie trennten sich. Eilig umrundete er das kleine Haus seines Rittervaters, klopfte kurz und drückte die Klinke nieder, bestrebt, schnell ungesehen ins Innere zu schlüpfen.
Er stieß auf Widerstand.
Abgesperrt.
Jakob brauchte einen Moment, um zu begreifen. Abgesperrt? Hier war nie abgesperrt! Eilig sah er sich um, klopfte wieder, diesmal schneller und lauter. "Jarel? Jarel... He, aufwachen!", rief er halblaut, bevor er wieder klopfte und sich dann noch einmal nach den Gestalten umsah, die im Halbdunkel ihre Runden drehten.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

****
von hier
Datum: früher Morgen des 4. August, noch vor Morgengrauen
Betrifft: Slava, Jakob, Jarel

****
Der Riegel wurde zurückgeschoben und Jarel öffnete die Tür einen Spalt, lugte hinaus, sah hektisch links und rechts an Jakob vorbei, atmete auf und sah seinen Knappen erst dann in die Augen.
„Guten Morgen Jakob.“
Der Anblick war wie ein Schlag ins Gesicht.
Jarel, sein Ritter und Vorbild, stand in einem gerade geschnittenen, knielangen und naturfarbenem Leinenhemd im Spalt der Tür, dass dem der Großmutter im Märchen um nichts nachstand.
Und Jakob ahnte sofort, wer der böse Wolf war.
Fehlt nur noch die Schlafmütze. Die wäre auch nötig gewesen, denn die sonst so streng gekämmten Haare des älteren lagen ihm offen und völlig zerzaust um die Schultern, eine Strähne hatte sich sogar frech vor das rechte Auge gestohlen. Der Ritter versuchte sie lässig wegzupusten, benutze aber die Hände nicht dafür. Mit der linken hielt er die Tür, die Rechte krallte sich in den Türrahmen.
Die braunen Augen des Ritters funkelten warm und er strahlte etwas aus, was er selten bis gar nicht zeigte. Eine beschwingte Lockerheit, etwas freches, provozierendes und doch glücklich ruhiges.
Er legte sogar den Kopf ein wenig schräg, während er den Knappen betrachtete.
Hätte der Junge nicht jetzt schon begriffen was los war, spätestens bei dem Dunst der ihm entgegenschlug wäre es ihm klar gewesen.
Noch etwas, mehr, und die Pheromone und das Testosteron in der Luft hätte einen Nebel gebildet.
„Was ist los?“ Auch die Stimme des Ritters war anders. Er schnurrte wie ein fetter schwarzer Stubenkater, der hinter dem Ofen eine Maus schmauste.
Benutzeravatar
Vyacheslav Sokolov
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1254
Registriert: Freitag 29. Oktober 2021, 16:58
Lebenslauf: Slava

Slava war es gelungen, in der kurzen Zeit die Hose überzuziehen. Aber dann war auch die Türe schon offen. Wäre er fitter gewesen, vielleicht hätte es noch bis zum Hemd gereicht, aber sein Rücken erinnerte ihn schmerzhaft daran, das die nächste Behandlung Cyrons überfällig war. Also stand er barfuß und ohne Hemd da. Er gab sich nicht die Blöße, hektisch danach zu greifen und so zu tun als wäre nicht geschehen was geschehen war. Das war peinlich und unnötig. Jakob würde es ohnehin erraten. Er stand also langsam auf und wie selbstverständlich, musterte den jungen Mann.
Er mochte nun versuchen an Jarel vorbeizustürmen, doch eigentlich rechnete er damit nicht. Viel mehr damit, dass der Junge sofort die Barrieren wieder hoch fuhr, kalt und schneidend wurde. Insgeheim jedoch hoffte er, dass er sie beide überraschen könnte.
Es war wie es war, er stand dazu. Und er stand nun hinter Jarel, blickte an diesem vorbei, schließlich war er ein kleines bisschen größer.
Er sah auch nicht ganz so derangiert aus, bei raspelkurzen Haaren war einfach nicht viel durcheinander zu bringen.
"Guten Morgen, Jakob."
Benutzeravatar
Jakob von Nagall
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 7. November 2021, 10:18
Lebenslauf: Jakob von Nagall

Im ersten Moment geschah nichts, aber Jakob hatte den Eindruck, drinnen rumorte es. Zumindest war also wohl jemand da... vielleicht hatte Jarel seine Medikamente genommen und er störte ihn jetzt beim Ausnüchtern von deren Wirkung. Einen Moment lang regte sich Schuldbewusstsein, aber dem entgegen stand der Wunsch, sicher zu gehen, dass Jarel hier war und nicht in einem dunklen Verlies. Er wollte zwar gern glauben, dass von Herrenloh einen seiner Vertrauten nicht einfach fallen ließ, aber er war inzwischen lange genug in dieser Welt und diesem Orden, um verstanden zu haben, dass dies nicht seine Templer und von Herrenloh nicht so liberal war, wie sein ehemaliger Großmeister. In dieser Welt verlor man ehe man sichs versah alles bis hin zum Leben. Die Sorge, Jarel könnte eingeknickt oder aufgeflogen zu sein, hatte ihm daher den Schlaf geraubt und hielt ihn davon ab, einfach wieder zu gehen.
Endlich wurde der Riegel zurück geschoben und die Tür öffnete sich einen Spalt. Warme Luft schlug ihm entgegen, geschwängert mit allerlei Gerüchen, die zunächst an Jakob vorbei gingen. Seine Aufmerksamkeit galt seinem Rittervater, der gemeinsam mit der Wolke in der Tür auftauchte und wirklich aussah, als habe er ihn aus dem Bett geholt. Unwillkürlich flitzte Jakobs Augenmerk an seinem Gegenüber hinab und wieder hinauf, versuchte den Anblick mit der Uhrzeit und seinem Weltbild in Einklang zu bringen. Jarel war immer vor Sonnenaufgang wach, säuberte und richtete sich für die Morgenandacht.
Sein Blick kehrte zu den braunen Augen des Ritters zurück und einen Moment erwog er, ihn und sich einfach in das Haus zurück zu schieben, weil er nicht ewig hier draußen herum stehen konnte. Doch dann zog eine zweite Bewegung Jakobs Aufmerksamkeit auf sich und neben dem Ritter erschien ein zweites Paar Augen. Und wenn dem Knappen bis jetzt noch nicht aufgegangen war, wo er da gerade hinein geplatzt war, dann schlug es jetzt in seinem Verstand ein wie ein rosaroter Fußball, der unvermittelt aus dem Nachbargrundstück angeflogen kam. Und nun drang auch die Geruchsmischung, die wie Bodennebel aus dem Haus heraus sickerte, ins verarbeitende Zentrum seines Gehirns vor. Er schlief seit einem guten Jahr mit einem Haufen junger Männer in einem Saal, war also an so ziemlich alles gewöhnt - trotzdem.
Jarels Frage verpuffte in seinem Verstand ebenso wie das 'Guten Morgen' der beiden Männer. Dafür stand gerade keine Kapazität mehr zur Verfügung, weil ihn ein Chaos an Gefühlen bestürmte. Da war natürlich die Erleichterung, dass Jarel hier und offenkundig bei bester Gesundheit und Laune war. Dann eine irrationale Empfindung, die er aus der fernen Vergangenheit kannte - damals hatte er nach einem Alptraum ins Bett seiner Eltern kriechen wollen und diese beim Liebesspiel überrascht. In einer kreuzkonservativen Familie wie seiner war das Thema natürlich nicht besprochen worden, mit der Folge, dass er den Raum nicht mehr betreten konnte, wenn er wusste, dass seine Eltern dort waren. Und jenem komischen Gefühl, dass ihm jetzt durch die Eingeweide kroch. Da war auch wieder Wut - und Angst.
"Habt ihr beide völlig den Verstand verloren?!", war die Quintessenz aus einigen Herzschlägen starren Schweigens. Ein gepresstes Zischen, war er sich doch der Knappen bewusst, die unweit ihre Runden drehten. Unwillkürlich sah er sich um, doch im morgendlichen Halbdämmer sah man nur hier und da einen Schatten über das Pflaster eilen. Er blinzelte, versuchte sich zu sammeln. Viel Zeit blieb ihm nicht.
Als er die beiden verschlafenen Männer wieder ansah, war ihm im ersten Moment nach Schreien, dann nach Lachen - vielleicht auch einfach beides zusammen. Was sollte er sagen? Er hatte Slava schließlich ermuntert... obwohl damit eigentlich nicht gemeint war, hier aufzutauchen. HIER verdammt! In der Komturei. Wobei Seth schon gesagt hatte... "Immer dort, wo der August zuletzt hinschaut, hm?" Er schüttelte resignierend den Kopf, fasste dann Jarel ins Auge. Enttäuschung? Vermutlich zum Teil, aber da war auch noch etwas anderes und das überwog. Er gab diesen Kampf verloren, ihre Ansichten waren zu verschieden, doch er hatte es inzwischen auch ein gutes Stück weit akzeptiert. Sein innerer Katholik schwenkte längst die Weiße Fahne.
"Wir laufen Strafrunden. Am Tor entlang. Die Nachtwachen würfeln schon." Es klang sehr mechanisch, aber die Botschaft war klar und dann tauchte Henselt zwischen Jarels und dem nächsten Haus auf.
"Jakob, weiter! Du hast Seitenstechen, aber auch nicht ewig...", rief er in jenem halben Flüstern, dass trotzdem irgendwie tragen musste. Jakobs Blick huschte zwischen seinem Freund und seinem Mentor hin und her.
"Wir reden später, nach der Messe." Zwei Schritte in Richtung Henselt, dann drehte sich Jarels Knappe noch einmal zu diesem um. "Und ich war's diesmal nicht! Also nicht allein...", musste er noch los werden, dann packte der Jüngere ihn am Handgelenk und zerrte ihn ins Zwielicht davon.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Ein paar Sekunden sah Jarel Jakob nach. Er hatte also Mist gebaut.
Genau wie er.
Obwohl der Ritter daran zweifelte, dass dem Knappen sein „Mist“ genau so viel Spaß gemacht haben mochte wie ihm selber. Jarel war noch immer high von all den Pheromonen und so richtig Sorgen machte er sich noch immer nicht. Später. Im Rückblick. Vielleicht.
Er schloss die Tür, schob den Riegel wieder vor und wand sich an Slava.
„Die Wachen sind schon am Tor. Schaffst du es über die hintere Mauer?“
Der Ritter huschte am Spoin vorbei, jedoch nicht ohne ihm einen Kuss zu stehlen und begann sich zu ordnen und anzukleiden.
Kurz streifte sein Blick das Regal und er gab einen unwilligen Brummton von sich. Die Medikamente. Irgendwie musste er das auch noch im Tagesablauf integrieren.
Aber eines nach dem anderen. Das Wichtigste war jetzt Slava „verschwinden“ zu lassen.
Trotzdem konnte er nicht anders als noch einmal vor ihn zu treten und ihn genau anzusehen, während er versuchte das schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zu bändigen.
Benutzeravatar
Vyacheslav Sokolov
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1254
Registriert: Freitag 29. Oktober 2021, 16:58
Lebenslauf: Slava

Slava sah dem jungen Knappen nach, erinnerte sich an seine eigen Zeit als Rekrut und dann an seine Rekruten, er hatte sie ähnlich gerne geschunden. Und er grinste. Der junge Mann hatte ihn tatsächlich überrascht. Auch wenn es ihn etwas amüsierte wie der sich als der 'erwachsene' aufspielte mit seinem 'Habt ihr beide völlig den Verstand verloren?'.
Wobei er ja Recht hatte, um den Verstand gevögelt hatten sie sich, und er war nie glücklicher gewesen damit. Er musste nur einmal sein ganzes Selbstbild umkrempeln und alles erlernte über Bord werfen um dahin zu kommen, also nichts leichter als das.
Jakob würde es vielleicht verstehen wenn er älter wurde... in seinem Alter war es noch leicht Mädchen zu finden... dass er ernsthaft vor hatte keusch zu bleiben nahm Slava nciht allen ernstes an - und das ja auch schon einmal gebrochen hatte, das ahnte er zwar nicht, wäre aber einfach davon ausgegangen. Aber war man einmal ein Stück älter schien es immer schwerer zu werden noch passende Partner zu finden.
Auch der Agent kleidete sich nun ordentlich und vollständig an, küsste den Ritter, der nun ebenfalls wieder zu einem solchen wurde.
"Klettern ist derzeit eher nicht drin, ich bin froh wenn ich gerade gehen kann. Aber lass das meine Sorge sein. Ich weiß wer Dienst hat und ich kenne die meisten Wachen. Sieht mich einer bin ich vorbereitet. Ich mach das auf meine Weise."
Einfach dreist durch Tor spazieren. Der Tipp mit dem Würfeln war gut, er hatte schon eine Idee, was er anstellen würde.
"Respekt vor deinem Jungen, der macht sich..."
Und er zwinkerte Jarel noch zu.
"Wenn du kannst, komm heute am späten Nachmittag zu mir... das letzte Haus an der St. Gregor's Brücke, ich besorge etwas zum Essen, dann stell ich dir Cyron vor."
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Jarel konnte nicht anders als den Abschied mit einem langen Kuss zu besiegeln.
„Ich versuche da zu sein.“, brummte er dunkel und strich mit den Fingerspitzen über das raspelkurze Haar seines Gegenüber.
Dann schob er den Riegel wieder auf, spähte nach draußen und winkte dem Spion, als er eine passende Möglichkeit zu entkommen entdeckte.
Er sah Slava lange nach, bevor er sich selber auf machte. Etwas war geschehen. Es galt herauszufinden, was.
Benutzeravatar
Vyacheslav Sokolov
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1254
Registriert: Freitag 29. Oktober 2021, 16:58
Lebenslauf: Slava

Slava marschierte einfach dreist zu dem Wachmann hin, der mit seinen Kollegen würfelte, blieb eine Weile stehen und beobachtete sie, bis ihnen klar wurde, dass sie beobachtete wurden.
"Korporal Devin. Beim Würfelspiel im Dienst..."
Er lächelte zwar, aber es war ein Lächeln, hinter dem eine scharfe Schneide lauerte.
Der Korporal nebst Kollegen fuhr herum, er war sich nciht ganz sicher, vor wem er nun im Reflex salutierte, aber er salutierte.
"Ser, bitte entschuldigt, Ser... Wir em... Ich... also..."
Slava musterte ihn nur mit hochgezogener Augenbraue ohne etwas zu sagen.
"Ich... also ich gehe un besser an die Arbeit.
""Ja, das ist deutlich besser. Wenn ihr schon spielen müsst, lasst euch wenigstens nicht erwischen!"
"Ja, Ser... Danke, Ser."
Und Slava ging ruhigen Schrittes weiter.
Der Wachmann hatte nicht unberechtigt salutiert, und es würde ihnen noch eingehen, im Laufe der Zeit.
Als er gerade noch in Hörweite war konnte er noch vernehmen:
"Wer war das?"
"Ehrlich?... Keine Ahnung. Aber ich hab ihn vor kurzem im Horsemen gesehen, muss ein hohes Tier sein."
"Also besser an die Arbeit..."

<geht dann hier weiter>
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Es hatte keinen Alarm gegeben. Kein Gerenne - von den an der Außenmauer entlang hechelnden Knappen und Anwärtern abgesehen - kein Läuten der Alarmglocke, kein Geschrei.
Slava hatte es raus geschafft. Jarel entspannte sich und dankte der Göttin für deren Gunst.
Göttin der Liebe. Warum auch nicht.
Nun galt es herauszufinden was Jakob angestellt hatte. Oder auch nicht angestellt hatte.
Es brauchte nicht lange um jemanden zu finden, bei dem er es erfahren konnte.
Er sah noch immer zerschunden und müde aus und eine leichte Übelkeit machte ich ebenfalls breit, aber er war durch viel Übung ein Künstler darin, sich nichts anmerken zu lassen.
Ruhig trat er neben Tyssen.
„Was haben sie angestellt, Urthed?“, fragte der Ritter, verschränkte die Arme im Rücken und sah einem Knappen nach, der keuchend und schnaufend vorbei hastete.
Benutzeravatar
ERZÄHLER
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 592
Registriert: Samstag 6. November 2021, 15:47
Lebenslauf:

Urthed Tyssen, Ritterseargant und Vorsteher des Knappenhauses, damit diesen in allgemeinen Belangen vorgesetzt und mit der Wahrung von Friede und Ordnung betraut - einem Aufgabenfeld, in dem es relativ viel Interpretationsspielraum gab - passte eigentlich besser in die Armee als in eine Glaubensbruderschaft. Wäre da nicht seine glühende Begeisterung für die Lehre der Ewigen Flamme und den Orden gewesen. Mit fünfundzwanzig Saovinefesten gerade mal drei Jahre älter als Jakob, hatte er es ausnehmend schnell zu einem höheren Posten geschafft und füllte diesen mit Begeisterung. Auch wenn es gerade den älteren Knappen manchmal schwer fiel, dem quasi gleich alten Gehorsam zu leisten. Dich Tyssen hatte seine Mittel und Wege, dazu den Großkomtur im Rücken.
Aufrecht, mit ihm Rücken verschränkten Händen, in denen der Exerzierstab hing und ab und an gegen seinen Stiefelschaft klopfte, stand er am Pavillon und bemerkte zunächst nicht, das jemand zu ihm trat. Zu beschäftigt war er damit acht zu geben, dass ihm keiner der jungen Männer auskam, Pause machte oder verschwand. Doch wenn er sich erschreckte, als Jarel ihn ansprach, so schaffte er es, dies nicht zu zeigen. Er grüßte zackig.
"Guten Morgen, Meister Moore." Er wirkte kurz unschlüssig, ob er weiter seinen Beobachtungsposten halten oder höflich sein sollte. Er entschied sich doch für Letzteres und wandte sich dem Neuankömmling zu.
"Eine Sache, an der ich schon länger dran bin. Nichts Beunruhigendes." Er lächelte, aber Tyssen lächelte selten wirklich. Es hatte immer etwas Unterkühltes. Jakob frotzelte oft, dass der Ritterseargant zum Lachen in den Keller ging und nur Freude empfand, wenn er anderen eins rein würgen konnte. "Mir war schon länger zu Ohren gekommen, dass unsere Anwärter ihre ganz eigene Art haben, die neuen im Haus in Empfang zu nehmen. Diesmal hab ich sie erwischt." Das er selbst seinerzeit eher unrühmlich durch diesen Empfang gegangen war, musste der andere Ritter ja nicht wissen.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Jarel lächelte ebenfalls. Und er lächelte tatsächlich.
Einen Moment hatte er befürchtet, es wäre etwas Ernstes. Das Spießrutenlaufen also. Davon hatte er gehört, auch wenn es ihn persönlich nie getroffen hatte. Ob es daran gelegen hatte, dass er von Herrenloh persönlich unterstellt war oder daran, dass er in nicht gerade jungem Alter hier aufgeschlagen – und das im wahrsten Sinne des Wortes – war hatte er nie erfahren.
Nichts Ernstes in seinen Augen. Jungs blieben Jungs.
Noch viel größer war die Erleichterung, dass es sich nicht um die Folgen dessen handelte, von dem nach der Heilung durch den Dämon geträumt hatte.
Nicht um dass, was die unheimliche Stimme aus Slavas Kehle ihm gedroht hatte.
Nicht um dass, was er mehr fürchtete als alles andere. Seinen Jungen oder sonst jemanden den er mochte ins Unglück zu stürzen.
Diese Erleichterung lies ihn sogar die Übelkeit vergessen.
Er blieb eine Weile neben Tyssen stehen. Schweigend. Lächelnd. Beobachtete die vorbei hastenden Knappen und spürte den Hormonen nach, die noch immer durch seine Adern rauschten.
Er war glücklich. Auch das mit Jakob würde sich einrenken. Da war er sich sicher. Zu fast einhundert Prozent.
Kurz bevor zur Messe geläutet wurde verabschiedete er sich vom Rittersearganten mit einem Nicken und stahl sich bereits vorher in die Kapelle. An seinem liebsten Platz, ganz hinten, tief im Schatten.
Allein wie er sich wähnte kauerte er sich auf den Knien zusammen, legte die Hände aneinander und dankte – wem auch immer – ein solch vollständiges Glück gefunden zu haben. Liebe. Freundschaft. Gemeinschaft im Glauben. Und nicht zuletzt einen Sohn.
Er genoss das Gefühl.
Bis die Messe begann.
Benutzeravatar
Jakob von Nagall
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 7. November 2021, 10:18
Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob hatte im Vorbeilaufen gesehen, dass Jarel sich zu Tyssen gesellt hatte - die Silhouette seines Rittervaters hätte er auch in dunkelster Nacht erkannt. Die beiden unterhielten sich wohl einen Moment, dann auf einer der nächsten Runden, war Jarel verschwunden und Tyssen wanderte zwischen den sich mit Liegestützen abmühenden Knappen herum, wobei er ebenfalls das 'Brenne Hoch' sang und dabei ein bemerkenswertes Talent dafür an den Tag legte, wirklich jeden Ton zu verfehlen. Sein Vorgänger hatte angeblich versucht, die jungen Männer dazu zu bewegen, immer da einzusetzen, wo das Lied gerade war, wenn sie auf dem Platz ankamen und damit irgendsoetwas wie eine Einheitlichkeit herzustellen. Lode hatte erzählt, dass das Ergebnis war, das jeder immer irgendwo anfing, Hauptsache schräg und nicht im Fluss. Tyssen versuchte es gar nicht erst.
Dann rettete sie die Glocke.
Mit pochenden Schläfen und zitternden Beinen eilte Jakob mit den anderen ins Heiligtum, keine Zeit sich Schmutz und Schweiß abzuwaschen. Wie es die meisten in so eine Situation taten, warfen auch Jakob und die anderen Knappen sich nur den Habit der Glaubensbrüder über und zogen die Kapuzen in die schmutzigen Gesichter. Sie waren spät dran und so hatte der Knappe keine Zeit, sich noch umzusehen, ob es Jarel in die Andacht getrieben hatte oder ob er woanders hin verschwunden war. Vielleicht hatte er sich auch einfach wieder hingelegt. Fast könnte er es nachfühlen - ihm war auch danach und es war nur dem Umstand, dass sie fast die ganze Lithurgie über stehen mussten geschuldet, dass er nicht einschlief. Das Beten und Singen hatte etwas Meditatives. Sein Magenknurren allerdings nicht. Tyssens kleine Strafexpedition hatte sie alle auch erfolgreich vom Frühstück abgehalten, sodass ihm nicht nur die Beine sondern auch die Hände zitterten. Akku leer. Nicht mal mehr genug Saft, um über die Szene im Morgengrauen nachzudenken, aber das wollte er genaugenommen auch gar nicht so wirklich.
Beten. Schweigen. Singen. Sein Kopf folgte bis zum Segen einfach den Automatismen.
Ende, dann was zu essen suchen. Er hob schon den Kopf, hörte das Rascheln ungeduldiger Füße, doch dann...
"Brüder. Wie ihr wisst, ist dieser Ort nicht nur ein Raum für die Andacht, sondern auch Gericht und Ratssaal für unseren Orden geworden. Darum rufe ich den Knappen Plenius Lichtel Hemmelfart hier vor das Ewige Feuer, seine Anklage zu wiederholen mit der sich vertrauensvoll an mich gewandt hat.", ließ von Herrenloh sich von seinem erhöhten Standpunkt aus nach dem Segen plötzlich noch einmal vernehmen. Alle Augen richteten sich auf die Gruppe der Knappen, aus deren Reihen sich eine Gestalt heraus arbeitete und mit leicht hinkendem Schritt in den freien Raum zwischen den Bänken trat. Plenius' Gesicht war noch immer fleckig und das Haar klebte auf seiner Stirn, als er die Kapuze des Habits zurück strich.
"Was hat er jetzt noch zu muckern?", hörte Jakob jemanden hinter sich raunen, doch es war zu leise gewesen, um den Sprecher zu identifizieren und außerdem war er zu stark auf den dicklichen Jüngling fixiert, dessen rotes Gesicht im Schein der Ewigen Flamme noch purpurner leuchtete. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit und schwoll an, als die Augen des Neulings sich auf ihn richteten. Zugleich hob er anklagend den Finger und - wohl wie er meinte herrisch - das Doppelkinn. "Ich beschuldige hier vor der Flamme und aller Ohren die Knappen Henselt von Lebenstein-Zergs und Jakob von Nagall der Unsitte. Ich habe sie mit eigenen Augen im Waschraum in inniger Umarmung gesehen, so wahr das Ewige Feuer mein Zeuge ist.", proklamierte er.
"Lügner!", fuhr Henselt neben Jakob sofort auf und machte schon einen Schritt nach vorn, prallte aber an den ausgestreckten Arm seines Freundes. Jakob selbst konnte im ersten Moment überhaupt nichts sagen oder tun, außer nur überrascht zu starren. Sollte das jetzt ein schlechter Witz des Göttlichen sein? Was hatte er heute verbrochen, dass die Ewige Flamme ihn zu rösten versuchte? Zwei Grundsätze begannen sofort in ihm zu streiten, die von zwei verschiedenen Lehrern stammten. Der eine sagte: getroffene Hunde bellen; der andere: wer schweigt, stimmt zu. Dazwischen wankend tat er einige Herzschläge lang nichts, außer Henselt davon abzuhalten, sich auf Plenius zu stürzen. Er hatte erwartet, dass der neue Knappe sich wegen der Schläge oder sonst was noch ausließ, aber das? Wieso zum Henker?
Und ein dritter Lehrer gewann in Jakobs Kopf die Oberhand. Sein früheres Ich hätte sich wohl letztlich Henselt angeschlossen und dem frechen Jungen einfach die Zähne eingeschlagen, vor aller Augen. Jarels Knappe allerdings richtete sich etwas auf und erhob schließlich die Stimme. "Was bringt dich zu der Annahme? Du warst genau einen Herzschlag lang dort und dann bist du weg gelaufen." Erstaunlich ruhig.
"Ich musste die Unschuld meiner Augen wieder herstellen! Ich lief zurück in den Tempel, in dem ihr beide auch hättet sein sollen."
Punkt für ihn. Doch Jakob kam nicht zu einer weiteren Erwiderung, da schaltete sich von Herrenloh ein. "Was also habt ihr getan und wieso wart ihr nicht bei der Andacht?"
"Henselt ist gestürzt und hat sich den Kopf geschlagen. Ich kam später dazu und fand ihn. Später, weil mein Rittervater und ich erst am Vormittag von Wyzima zurück gekehrt waren." Zu fadenscheinig und er wusste ja nicht, dass Jarel und von Herrenloh sich am selben Tag ebenfalls besprochen hatten, aber im Moment war es Jakob wichtig, Henselts Unpässlichkeit zu vertuschen.
"Mir sah es sehr vertraulich aus, wie sein Kopf in deinem Schoß lag, Bruder Jakob!", führte Plenius an. Man spürte deutlich, dass er sein bisheriges Leben im Kreis der Kleriker verbracht hatte.
"Das ist Verleumdung!", fuhr Henselt den anderen nun doch wieder an und Jakob konnte hinter sich hören, wie jemand leise flüsterte: "Genau, Henselt stellt doch jedem Rock nach, der die Kumturei betritt...", doch auch hier konnte er den Sprecher nicht identifizieren und derjenige hatte ohnehin nicht den Mut, das Wort zu ergreifen.
Von Herrenloh hob beide Hände und die Menge, die zu raunen begonnen hatte, verstummte. "Es gibt keine Zeugen, Aussage steht gegen Aussage. Für das unerlaubte Fernbleiben verhänge ich jeweils sechs Hiebe mit der Rute und um eure sündigen Seelen zu reinigen werdet ihr beide eine Woche in stiller Einkehr fasten und beten. Ich stelle euch frei, ob ihr euch vorher euren Rittervätern anvertrauen wollt oder nicht. Danach ist euch Kontakt außerhalb des Gebets verwehrt.", entschied er, den Blick auf die beiden jungen Männer gerichtet. Jakob konnte Henselts Anspannung fühlen und nur zu gut verstehen. Fasten und Beten machten dem Jüngeren nichts aus, die Schläge allerdings waren gefährlich. Er überlegte fieberhaft, während der Großkomtur weitersprach. "Plenius, da du die Anklage erhebst und keine Beweise hast, wirst du während der Klausur deiner Brüder deren Aufgaben in der Komturei übernehmen, damit sie reinen Geistes in sich gehen können." Ohne auf eine Erwiderung zu waren, wandte er sich zuletzt noch einmal an seine Gemeinde. "Ritter des Ordens, Herz und Fleisch der uns anvertrauten jungen Brüder sind wankelmütig und leicht vom Dunklen zu überwältigen. Es ist an uns, ehrenwerte Ritterbrüder, ihnen den rechten Weg zu weisen, der allein durch die Tugend und den wahren Glauben vorgezeichnet ist. Verurteilt sie nicht. Sie werden Abbitte leisten, das Ewige Feuer wird sie läutern und die Arme ihrer Gemeinschaft werden sie wieder empfangen." Er murmelte einen weiteren Segen, den die Ritterschaft aufnahm.
"Ehrenwerter Großkomtur, darf ich sprechen?", hob Jakob noch einmal die Stimme und erntete überraschte Blicke. Selten, dass man ihn so viel sprechen hörte, wie am heutigen Tag. Von Herrenloh machte eine zustimmende Geste und der Knappe atmete einmal durch, den Blick fest auf den Komtur gerichtet. Nur nicht abweichen... "Ich mache von meinem Recht Gebrauch, eine Strafe mitzutragen. Ich nehme die Hiebe Henselts auf mich.", rief er fest. "Bist du verrückt geworden?!", zischte dieser sofort. Jakobs Blick wich allerdings nicht von den Augen des Großkomturs, bis dieser nickte. "So sei es. Die Strafe wird zur Mittagsstunde vollstreckt.", damit verließ der Herr über die Komturei den Altarplatz und verschwand hinter dem riesigen Feuer.
Henselt riss Jakob sofort herum. "Spinnst du?!", zischte er.
"Ich halt das aus. Du nicht.", blaffte Jakob ebenso gepresst zurück, obwohl das aufbrandende Stimmengewirr ihre Worte überlagerte. Er hatte oft genug erlebt, wie Henselt unter Schmerzen oder Erschöpfung in einen seiner Anfälle driftete. Mal nur sensorisch, mal als Totalausfall. Lieber nahm er ein paar Hiebe mehr auf sich, als das Henselt Gefahr lief, wieder den Exorzisten übergeben zu werden. Der Blondschopf blies die Backen auf, erwiderte aber tatsächlich nichts mehr. Jakob machte sich los und suchte mit den Augen nach Plenius, aber der schien sich verdrückt zu haben. Jakob blickte seinen Freund wieder an. "Mich würde eher interessieren, was der kleine Dicke davon hat. Wegen gestern Abend macht er das sicher nicht.", und endlich konnte er in Henselts Augen sehen, dass dieser seinen Wut ab- und seinen Kopf anschaltete. Nun wirkte er ratlos.
"Ich muss mit Jarel sprechen.", entschied Jakob. War sowieso überfällig. Und irgendwie hoffte er nun doppelt, dass der einfach die Messe geschwänzt hatte.
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Das Glück hatte Jakob nicht.
Der Ritter hatte sich beim Läuten der Glocken erhoben und in die letzte Reihe verkrochen.
Seiner Übelkeit wegen hatte er sich beim Gesang enthalten. Zudem war er lieber seinen Gedanken nachgegangen, statt sich der Liturgie zu folgen.
Und dann folgte die Anklage, holte ihn aus seiner wattigen Wolke, warf ihn zu Boden und trat ihm in die Nieren.
Ein Teil von Jarel begann grölend zu lachen, bis er keine Luft mehr bekam und ihm die Tränen in die Augen schossen. Bis er sich am Boden rollte, vor den Augen seiner Brüder und seines Schwertherren und nicht mehr in der Lage war, das Lachen aufzuhören. Nie wieder.
Ein Teil von ihm sah sofort die Schuld bei sich. Er hatte sein Glück über das seines Knappen gestellt. Und der Fluch der ihn in dem Traum im Wald in Wyzima getroffen hatte griff nun auf Jakob über.
Die Übelkeit schwappte hoch und er musste durchatmen, sich nicht an Ort und Stelle zu übergeben.
Zum Glück waren beide Teile im Griff des Ritters, der stocksteif und still die Messe abgewartet hatte und sich nun aus dem Schatten des Gebäudes schälte, kaum dass der Knappe sich in Bewegung setzte um ihn zu suchen.
„Jakob.“, rief er ihn und ging langsam auf ihn zu.
Benutzeravatar
Jakob von Nagall
Spieler Level 4
Spieler Level 4
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 7. November 2021, 10:18
Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jarels Bass untertunnelte das Stimmengewirr und das stetige Knirschen und Rauschen des großen Feuers, um dann wieder an Jakob hoch zu kriechen und diesen sogleich den kopf in die richtige Richtung wenden zu lassen. Einerseits gut, so musste er ihn nicht suchen, andererseits hatte er jetzt kaum noch Zeit, darüber nachzudenken, wie er das nun wieder erklären sollte. Er ließ Henselt stehen und war mit wenigen Schritten bei seinem Mentor, griff nach seinem Ellenbogen und zog ihn mit sich Richtung Portal. "Kein Ton. Ist 'ne längere Geschichte.", kommentierte er nur. Und plötzlich, sehr verspätet, kroch ihm sengende Hitz den Nacken hinunter. Eines hatte sich seit seiner Ankunft hier kaum geändert: es interessierte ihn relativ wenig, was andere Menschen von ihm hielten, wie sie über ihn dachten und welches Bild sie sich von ihm strickten. In der Hinsicht hatte er sich kaum verändert und war auch weiterhin schwer auf diesem Kanal anzusteuern. Konträr dazu hatten sich aber zwei Dinge entwickelt oder geändert: erstens interessierte es ihn immens, welches Bild ein spezieller Ritter von ihm hatte und zweitens bemühte er sich ebenfalls genau dieses Ritters wegen um halbwegs gutes Benehmen, denn wenn ihm sein eigener Ruf ziemlich schnuppe war, so wollte er doch den seines Rittervaters nicht mit seinem schwärzen. Nach der Episode heute Morgen musste er dieses Konzept zwar wohl neu bearbeiten, aber grundsätzlich war es erst einmal so. Entsprechend wirkte er einen Moment lang dann doch angemessen zerknirscht, als sie zwischen den anderen Rittern hindurch ins Freie traten.
Jakob schlug ganz automatisch den Weg entlang der Mauer ein, den sie schon viele hundert Mal gegangen waren. Meistens um über genau solche Dinge zu reden, obwohl es bisher Kleinigkeiten gewesen waren. Gut, abgesehen von einem Schuss auf eine Wurst und einem brennenden Loch voller Scheiße. Wobei Jakob immernoch darauf bestand, dass Letzteres ein Unfall gewesen war. Doch beides waren nur Dummejungenstreiche im Vergleich.
Die Morgensonne warf inzwischen lange Schatten zwischen die Gebäude und Jakob streifte die Kapuze vom Kopf, an dem sein Haar noch immer verschwitzt von der morgendlichen Übung klebte. Der Habit hatte immerhin weiter Ärmel, in denen man die Hände vergraben konnte, wenn schon keine Taschen. Mit so vor dem Bauch verschränkten Armen, wirkte der Knappe wirklich sehr mönchig, wie er stillschweigend neben seinem Ritter einher schritt. Er dachte angestrengt nach, sortierte Sätze und suchte den richtigen Ansatz. Eigentlich hatte er nach der Messe über etwas anderes reden wollen, doch statt Ankläger zu sein, war er nun Angeklagter. Es war fast zum Lachen. Und tatsächlich schnaubte er kurz, während ein schiefes Grinsen seine Lippen verzog.
"Und da sag noch mal einer, dass Gott keinen Humor hat." Endlich warf er Jarel einen Seitenblick zu. Irgendetwas hatte dem Knappen tatsächlich einen gewissen Galgenhumor eingeimpft. Er seufzte, blickte zum Himmel und beobachtete zwei Schwalben, die in wilden Manövern durch die klare Luft zischten. "Weißt du, das Schöne daran ist, dass ich die nächsten Tage Dienst beim Hufschmied gehabt hätte.", den jetzt der gute Plenius ableisten durfte. Vielleicht hatte der ja Spaß daran, von ungeduldigen Pferden getreten und dem cholerischen Hufschmied zusammengestaucht zu werden.
Noch ein Durchatmen, ein leichtes Kopfschütteln und ein weiterer Seitenblick. "Glaubst du ihm?"
Benutzeravatar
Jarel Moore
Spieler Level 5
Spieler Level 5
Beiträge: 1049
Registriert: Freitag 25. März 2022, 23:06
Lebenslauf: Jarel

Jarel folgte Jakob. Er ging steif und wirkte angespannt.
In der Situation kein Wunder. Jakob konnte ja nicht wissen, was in dem älteren Vorging, wusste nichts von dem Traum und nichts von den verqueren Überlegungen, die dem Ritter das logische Denken immens erschwerten.
In Jarels Augen war es nicht Gott, der ihn da ihn da mit einem derben Humor prüfen wollte.
In seinen Augen steckte etwas völlig anderes dahinter.
Jarels Kiefermuskulatur spannte sich hart unter der etwas zu blassen Haut und auch bei Jakobs Bemerkung reagierte er kaum positiv. Auch wenn er wusste, dass der Junge damit die Situation auflockern wollte.
„Ich glaube dir.“, erklärte Jarel fest.
„Auch wenn von Herrenloh vielleicht misstrauisch ist. Nachdem ich bereits kurz vor der elften Stunde bei ihm war.“ Verdammt, hätte er sich mehr um den Knappen gekümmert als um seine eigenen Belange, wäre das nicht passiert.
„Was ist wirklich passiert?“, wollte er wissen.
Immerhin schaffte er es seine Unsicherheit aus seiner Stimme raus zu halten. Das leichte Zittern passte zumindest gut in die Situation.
Antworten