Tempelinsel | Der Orden der Flammenrose | die Komturei in Nowigrad

Lange Zeit war Nowigrad kein Teil von Redanien, lange Zeit konnte die größte (mit ca. 30.000 Einwohnern) und zweifelsohne auch die reichste Stadt den Status einer freien Handelsstadt halten. Nach den letzten Kriegen aber ist sie mehr oder weniger zur inoffiziellen zur Hauptstadt der freien Nordländer, vor allem Redaniens geworden seit Dijkstra als Regent zusammen mit dem Handelsrat von hier aus die Fäden zieht.
Als Heimat des Kults des Ewigen Feuers hat in der Stadt allerdings auch das Wort des Hierarchen Gewicht.
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ERZÄHLER
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Wenzel von Herrenloh war niemand, der unangebracht laut wurde. Dass er aufgebracht war, spürte Jarel eher an der Intensität seiner sonst so ruhigen Stimme und daran, dass er vom pluralis majestatis zum simplen Du wechselte.
Auch rannte er nicht wie so mancher tollwütig auf und ab. Er hatte sich lediglich umgedreht, Rücken zum Fenster und durchbohrte Jarel mit seinen grauen Augen.
Er hatte es noch nie darauf angelegt, den Mann, den er gegen alle Zweifler in den Orden aufgenommen und persönlich in den Glauben und alle Regelwerke eingewiesen hatte, so in die Mangel zu nehmen, dass der tatsächlich den Nacken beugte und nervöse Flecken bekam wie eine Rotznase.
Sicher waren all seine Worte gezielt überspitzt, denn das Oberhaupt ihres Ordens wurde noch immer von den Brüdern gewählt. Aber die Entscheidung fiel sehr oft auf jene, die der vorangegangene Komtur als seines Vertrauens würdig befand. Die Menschen folgten gerne einfachen Regeln und in der Geschichte gab es wenig Beispiele, dass es einen Unbekannten getroffen hätte.
Wenzel ließ all das noch eine Weile in Schweigen versickern, dann atmete er einmal tief durch, rief sich zur Ruhe. Drei Schritte und er stand vor Jarel, die Rechte legte sich in dessen Halsbeuge, nicht schmerzhaft aber fest zugreifend.
"Wieso hast du mir das nicht gesagt? Das Protokoll lässt gewissen Spielraum. Wir hätten eine andere Symbolik gefunden." Er versuchte Jarels Blick zu fangen.
Wie es jetzt weiter ging, wusste er selbst noch nicht so ganz.

Der Blick des Ritters irrte kurz umher, bevor der Blick der grauen Augen seines Schwertherren ihn band, als hätte er ihn hypnotisiert.
"Ich habe es übersehen, Syre. Nicht begriffen was meinen Schützling gequält hat. Erst heute Nacht hat er das Grauen offenbart, was hinter ihm liegt."
Er schluckte. "Ich hätte ihn nie dazu gezwungen..."
Seine Stimmte versagte und er atmete gepresst ein und aus, die Lippen fest aufeinander gepresst. Aber er behielt Haltung. Und er hielt den Blick seines Komturs stand.
Wenzel starrte unerbittlich zurück.
"Und du bist überzeugt davon, dass er dem wahren Glauben folgen kann? Das Feuer, Jarel, ist das Zentrum unserer Kirche."
"Das kann er, Syre.", erwiederte Jarel im Brustton der Überzeugung.
"Das werden wir."

Wenzel ließ los - Hand und auch bohrenden Blick, wandte sich halb ab und strich sich mit gesenkten Brauen über den kurzen Bart. Für jemanden, der ihn kannte, war ersichtlich, dass er noch immer aufgebracht war. Aber er dachte auch bereits nach, wie er die Sache retten konnte.
Er würde einen Boten zum Hierarchen schicken müssen, ein paar Dinge richtig stellen und das möglichst bevor dessen eigener Beobachter Gelegenheit bekam, seinem Dienstherrn Bericht zu erstatten. Dann ein Brief zum Großmeister und ein paar Gespräche.
Das Schweigen dehnte sich.
"EALCO!", bellte er aus heiterem Himmel und keine Sekunde später flog die Tür auf.
"Sir?!"
"Finde mir diesen Wicht - wie heißt der noch? Der Neue von Tihomir?"
"Herr Veelenbroog ist gleich nach dem Fest aufgebrochen."
Wenzel zeigte auf diese Antwort kaum eine Regung, denn er hatte es ja fast erwartet. Schwungvoll nahm er hinter seinem Schreibtisch platz.
"Dann hol mir einen Botenjungen."
"Sehr wohl."
Der Großkomtur fasste Jarel wieder ins Auge, die Fingerspitzen aneinander gelegt.
"Du weißt, ich vertraue dir, Jarel. Mehr als den meisten anderen hier. Dieses Desaster auszubügeln wird mich einige Anstrengungen kosten, denn es ist auch mein Ruf, den du gefährdet hast. Ich hoffe, dass ist die bewusst." Er ließ endlich den Blick fallen, zog einen unbeschriebenen Briefbogen heran und öffnete das Tintenfass.
"Sorge dafür, dass meine Bemühungen nicht umsonst sind." Mit einem kleinen Messer spitzte er gnadenlos einen Federkiel. Ja, er war noch immer wütend.
"Aus meinen Augen. Ich habe zu tun"
"Aye, Syre." Jarel wagte es nicht zu fragen, ob er nach Messe und Frühstück verlassen zu dürfen. Er wagte es nicht einmal irgendetwas zu sagen außer:
"Ich enttäusche euch nicht, Syre."
Wie sehr er sich da irrte...

Er verließ nach einem zackigen Gruß das Büro und marschierte mit starren Blick zur Messe. Er sah nicht nach links, nicht nach rechts und reagierte auch nicht darauf, als man ihn Ansprach. Er war nicht des Ordens verwiesen worden.
Obwohl er Erleichterung verspürte, hatte die Faust um seinen Magen ihn noch fest im Griff. Wenzel von Herrenloh steckte in Schwierigkeiten. Seinetwegen.
Und das, obwohl er so große Stücke auf ihn gehalten hatte.
Schande.
Der Ritter verschwand in der Kapelle und verdrückte sich in die hinterste Ecke.
Er war viel zu früh. Niemand war mit ihm dort. So sah zumindest niemand wie er Platz nahm, das Gesicht in die Hände legte und in der Bank hing wie ein Schluck Wasser in der Kurve.
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Jakob von Nagall
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Jakob hatte sich während der Messe bei den anderen Knappen aufgehalten und stoisch die Blicke und leisen Bemerkungen ignoriert. Darin war er gut, auch wenn die Mauern zusehends bröckliger wurden, so schaffte er es doch meistens, sich nicht darum zu scheren, was die anderen von ihm dachten. Er sagte seine Gebete, sang und blickte sich verstohlen um, doch von Jarel nichts zu sehen. Erst nach dem dritten Gesang - er war sich sicher die dunkle Stimme gehört zu haben - entdeckte er ihn auf den hintersten Sitzen.
Kaum war die Messe vorüber, schlängelte sich Jakob durch die Brüder, eilig seinem Ritter zu.
Jarel stand neben einem der anderen Ritter, der versuchte ihn zum letzten Abend auszufragen. Und schwieg.
Erst als er Jakob auf sich zugehen sah, antwortete er doch. Eine freundliche Erwiderung war es nicht, denn sein 'Gesprächspartner' schaute einen Moment belämmert und verschwand.
Auch Jarel wand sich zu gehen, sah aber kurz zurück und deutete Jakob mit einer ausholenden Kopfbewegung, ihm zu folgen.
Folgen. Nichts lieber als das.
Tatsächlich führte der Ritter seinen Knappen zu seiner kleinen Hütte.
Er hielt Jakob die Tür auf, schloss sie von innen hinter ihm und atmete durch, wagte es endlich sich mit dem Tuch das Gesicht abzuwischen.
"Ist es in Ordnung für dich, wenn wir hier frühstücken?", fragte er und kniete sich vor den Ofen das Feuer zu entzünden.
Jakob überließ sich einmal mehr dem Schweigen und sah sich um. Nicht dass er zum ersten Mal hier war, aber der Raum machte immer den Eindruck als wäre Jarel nie hier. Alles war so perfekt, sauber, ordentlich... Bei Jakob gab es nur Ordnung im Werkzeugkasten, aber den hatte er nicht mehr. Wie so vieles.
Unschlüssig stand er herum, bis Jarel in ansprach. "Nichts lieber als das.", erwiderte er tief ehrlich. Alles war besser, als Frühstück bei den Hyänen. "Schweigensgebot bei den Mahlzeiten hat auch Vorteile." Gab es hier nur nicht.
Der Ritter grinste schwach. Er deutete Jakob sich auf den Stuhl zu setzen.
"Ich hab allerdings nur Äpfel hier. Aus dem Garten. Und Kaffee..."
Und den bereitete Jarel gerade.
Es dauerte einige Minuten, doch dann hielt Jakob endlich den Becher in die Hände.
Der "Kaffee" war stark, man konnte ihn kauen, aber es war Kaffee.
"Mehr braucht man nicht zum Frühstück." Jakob setzte sich und sah Jarel zu. Das Gebräu, welches ihm dieser reichte, wäre geeignet gewesen, das Oxid von einem Krümmer zu ätzen. Er nippte daran und lehnte sich zurück.
Jarel nahm auf dem Bett Platz. "Konntest du schlafen?"
Den Blick auf den schwarzen Teich in der Tasse gerichtet, war der erste Impuls mit einem Schulterzucken und einem 'Klar.' zu reagieren. Fast sah man schon die Spannung der Muskeln... Aber darüber waren sie hinaus, oder?
Jakob hob also den Blick.
"Nicht wirklich. Was ist mit dir? Du siehst fertig aus." Er war aufmerksamer, als man ihm zutraute. Er verbalisierte seine Beobachtungen nur selten.
"Ich hab geschlafen. Wie ein Toter. Ich sollte allerdings heute noch jemanden Aufsuchen. Die beiden Heilerinnen. Sonst bekommt mein Immunsystem schlechte Laune."
Auch der Ritter starrte in seinen Kaffee, nippte gelegentlich daran.
"Lassen dich die anderen Knappen in Ruhe?"
Jakob nickte, nahm es hin. Diese Droge, die er wegen dem Transplantat mehmen musste, kannte er. Unwillkürlich blickte er auf seine Rechte. Abstoßungsreaktionen, durchdrehendes Immunsystem... Er nickte. Nochmal.
"Ja, meistens. Heute morgen reden sie komisches Zeug..."
"Was sagen sie?" Jarel soff seine Tasse leer und schenkte sich aus der Blechkanne nach, bot Jakob auch an nachzuschenken.
Ob sie über ihn herzogen? Ob die Sache noch Schwierigkeiten für den Jungen nach sich zog?
Aufmerksam sah er seinen Knappen an.
Jakob war langsamer mit seinem Kaffee und winkte vorerst dankend ab. Wieder ein Schulterzucken. Konversation war einfach nicht seine Paradedisziplin und den Unsinn wieder zu geben, den einige auf dem Weg zur Messe geredet hatten, kam ihm wie unreife Petzerei vor. Zumal er das recht leicht überhören konnte... Bis er sich irgendwann mal umdrehte und seiner Meinung dazu Ausdruck verlieh, aber heute morgen war er zu müde und von den Eindrücken des gestrigen Abends noch zu eingeschüchtert.
Jakob versuchte es statt dessen mit einer Gegenfrage. "Wieso wurde ich nicht mit den anderen an Neumond vereidigt?"
Den Grund dafür hatte Jarel gerade erst erfahren.
Ihn jetzt zu verschweigen würde bedeuten, das gerade aufgebaute Vertrauen zu verletzen.
Trotzdem holte Jarel nach kurzem Zögern etwas weiter zur Erklärung aus.
"Weißt du, wessen Knappe ich war?", fragte er vorsichtig.
"Nein." Woher auch? Die anderen Knappen sprachen selten über Jarel und wenn, dann hatte er den den Eindruck, sie fürchteten, der Ritter könnte unvermittelt hinter ihnen aus dem Boden wachsen.
"Wenzel von Herrenlohs."
Der Ritter atmete durch.
"Was auch immer er in mir gesehen hat, ich habe mein Schwert vom Großkomtur selber erhalten. Und auch bei meiner Vereidigung ging ich allein durchs Feuer."
Jarel legte den Kopf eine winzige Spur schief, während er Jakob ansah.
Ob er selber auf die Tatsache kam, die er selber nun über Jahrzehnte übersehen hatte?
Als Sproß einer langen Reihe von hochrangigen Tempelrittern brauchte Jakob tatsächlich nicht lang um zu kapierten. Erst sah er Jarel noch an, dann wandte er mit einem "Scheiße, Mann." den Blick ab. Jetzt erschlossen sich ihm auch ein paar weitere der schlecht platzierten Sticheleien.
Er beugte sich vor, stützte die Unterarme auf die Knie, die inzwischen leere Tasse in den Händen dazwischen.
"Und jetzt?"
Abermals stand Jarel auf und schenkte nach. Das Zeug wurde nicht gerade milder.
"Das wird die Zeit zeigen. Der Großkomtur konnte noch nicht sagen, welche Folgen das haben wird."
Aber einen Einlauf sondergleichen hatte er ihm verpasst. Er grinste trotzdem.
"Wärst du gern irgendwann Großkomtur?"
Er hielt Jarel seine Tasse hin, dachte nach. Jakob war mit diesem Gedanken groß gezogen worden, aber seither war viel passiert. Er war ein anderer. Er sah ja selbst oft genug das Ziel nicht, wie sollte er es dann anderen weisen?
Ein Anführer, so hatte sein Vater immer gesagt, muss Leuchtfeuer sein. Leider gibt es viel zu viele Irrlichter unter ihnen
Aber er? Er nippte an der schwarzen Lauge.
"Mein Vater hätte das gewollt. Ich bin so groß gezogen. Aber nach dem Feuer...", wieder das Schulterzucken. "Ich weiß es nicht."
Pause. "Und du?"
Jarel gab einen unwilligen Brummton von sich.
"Hab ich noch nie drüber nachgedacht."
Wieder kippte er die halbe Tasse Kaffe auf einmal herunter.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dazu geeignet bin."
Und damit war - mal wieder - das Thema für ihn erledigt.
"Heute Nachmittag bin ich zum Training nicht da.", erklärte er nach einem kurzen, entspannten Schweigen.
"Wir brauchen neues Desinfektionsmittel.", flachste er.
Ja. Und die Wunde musste versorgt werden. Und so wie er schwitzte....zeitnah.
Jakob nickte nur. Wie bestellt schlug draußen eine kleine, aber äußerst nervtötende Glocke. Der Knappe erhob sich.
"Dann hab ich ja frei... Aber jetzt muss ich zum Dienst. Danke für den Kaffee." Manchmal würde er gern einfach lächeln, aber es war ihm viel zu oft, als seien die Muskeln verkümmert. Also nur ein Blick, ein kurzes Nicken.

Das Lächeln kam.
Von der anderen Seite.
Jarel blieb noch einige Momente nachdenklich sitzen, kippte den Rest Kaffee, kaute den Kaffeesatz ordentlich durch und erhob sich, um sich für Stündchen Gang zur Heilerin abzumelden.
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ERZÄHLER
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von/nach: Ferneck - das kleine Haus der Heilerin und der Alchemistin --> Tempelinsel, die Komturei in Nowigrad
Datum: Frühjahr 1278
betrifft: Sarray, den Komtur, Jakob
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Es gab überall dies Orte, die gefunden werden wollten, von jenen, die die Einsamkeit suchten. In Süpplingenburg war es der hohle Kern einer riesigen Eiche gewesen, in Flagstaff der Turm, der nach dem Sturm der Schwarzen in Trümmern lag und unter dessen Steingerippe ein Hohlraum verblieben war. Im Tempel war es das Dach des Hauptgebäudes, das man erstaunlich leicht erklimmen konnte und welches mit seinen Erkern, Plattformen und Schornsteinen zahlreiche Plätzchen bot, wo einen niemand vermutete.
Jakob hockte auf einem dieser Plätze und beobachtete das Wetterleuchten über den Bergen. Dort tobte sicher schon ein Gewitter und bald würden die Wolken auch über Nowigrad herein brechen.
Noch schien die späte Frühlingssonne.
Der Winter war lang gewesen, kalt und unangenehm - etwas, was der von Wüste und mildem Flachlandklima verwöhnte junge Mann schlecht weg gesteckt hatte. Erkältungen, eine ordentliche Bronchitis, ständiges Frieren und überaus schmale Kost. Das Schwert fror einem in der Scheide fest und die Lederlappen am Boden. Selbst Jakob freute sich auf die Messen und rückte weiter zur Ewigen Flamme nach vorn...
Der Takt seiner Tage war so sehr zu einem Gleichklang geworden, dass er heute ins Stolpern geraten war. Kein Jarel, der ihn zu einem seiner Sondertrainings zu sich zitierte. Auch kein Jarel, der ihn später entweder in die Küche oder einen Lehrsaal schleppte. Kurzum: kein Jarel. Den ganzen Tag schon nicht. Und als dann auch noch das Schoßhündchen des Komturs bei ihm aufgetaucht war und sich erkundigte, ob er etwas wisse, war Jakobs Sorge perfekt.

Auch der Tag verging. Ohne Jarel.
Der nächste Morgen genauso. Keine Spur.
Der Mittag. Nichts.
Der Nachmittag. Keine Nachricht.
Erst am Abend des zweiten Tages trat jemand vor die Wachen am Tor und erklärte mit fester, heller Stimme.
"Ich würde gern Herrn Wenzel von Heringsloh und den Knappen Jakob von Nägel sprechen." Ein gutes Namengedächtnis hatte die Kleine nicht.
Vor dem Tor stand eine ausgesprochen zierliche Zwergin, sogar ohne Bart. Man hätte fast denken können, eine zu groß geratene Gnomin vor sich zu haben.
Sie trug dünne Lederhosen, die typische Weste der Heiler mit den unzähligen Taschen und eine silberne Nadel mit der Schlange, die sich um einen Stab wand.
Offensichtlicher konnte es nicht sein. Eine Heilerin.

Wenzel teilte sie Sorge des Knappen, der die Dreistigkeit besaß, ihn nach der Messe einfach in der Sakristei anzusprechen, wo er gerade das Gewand des Priesters wieder tauschte. Dennoch blieb er gelassen und schickte den jungen Mann mit jenen knappen, Gehorsam fordernden Anweisungen wieder zurück zu seinen Pflichten. Man werde sich kümmern.
Er kümmerte sich selbst. Der erste Gang hatte ihn natürlich schon am ersten Morgen zu Jarels Haus geführt, doch da hatte er nur einen Blick hinein geworfen und war wieder gegangen. Nun sah er sich intensiver um.
Jarel war ihm in letzter Zeit unaufmerksam vorgekommen, ein Adjektiv, was er niemals zuvor auf den Ritter angewendet hatte. Wenzel kannte wenige mit einem solchen Sinn für's Detail und solch gutem Radar. Eigentlich hätte ihm die Sache mit Jakob schon hellhörig werden lassen müssen - dem Jarel, den er zum Ritter gemacht hatte, wäre so ein wesentliches Detail niemals entgangen. Also was beschäftigte ihn genügend und gipfelte nun in seinem Verschwinden? Fünfzehn Jahre lang war Jarel Moore nicht einen Tag verschwunden, ohne sich zumindest bei den Wächtern am Tor abzumelden.
Langsamen Schrittes sah Wenzeln sich um, blickte ins Regal, sogar unter das Bett...

Am Tor tauchte gegen Abend eine kleine Gestalt auf. Die Wächter staunten nicht schlecht: ein Anderling vor dem Toren des Ordens der Flammenrose. Mut oder Wahnsinn? Sie wechselten einen Blick, während die Kleine im Brustton der Überzeugung vorbrachte, wen sie zu sehen wünschte.
Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.
"Was will so ein abgebrochener Halbling von unserem Komtur?", wollte der eine wissen, der andere feixte noch.
"Sich freiwillig melden für das nächste Freudenfeuer des Hierarchen vielleicht?", schlug er vor.
"Nee, die gibt nicht warm. Ist ja kaum was dran.", frotzelte der andere.
Jakob hatte sich vom Komtur weg schicken lassen, hielt es aber nicht lange aus. Sein Stundenplan war nun ziemlich löchrig, also machte er sich davon. Jedoch nicht durch das Tor - seit es Schüler hinter Mauern gab, gab es auch Wege, unbemerkt aus diesen zu entwischen. Jakob verschluckte Nowigrad, Stunden bevor Sarray vor die Pforte trat...
Sarray lächelte zuckersüß, verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Mit besonders freundlicher Stimme trällerte sie: "Seid ihr so gut und nennt mir euren Namen? Damit ich weiß, wer mich weggeschickt hat, statt die Nachrichten vom Ritter Moore entgegen zu nehmen."
Sie stellte sich auf ein Bein und drehte sich verspielt hin und her, strahlte den Wachmann an wie ein verliebtes Mädchen.
Die beiden Wächter wechselten wieder einen Blick, aber diesmal lachten sie nicht.
"Dann kannst du die Nachricht auch uns geben."
"Nööö...", flötete sie. "Ist nur für seine Ohren. Ihr könnt ihn auch raus holen. Ich muss nicht unbedingt da rein."
Das Herz schlug Sarray bis zum Halse. Doch sie verließ sich darauf, dass eine Heilerin nicht als Brennstoff verheizt wurde.
"Dann merk dir seinen Namen, du respektloser Zwerg. Wenzel von HERRENLOH." Der größere der beiden Ritter am Tor trat auf die Zwergin zu und sah aus, als wolle er sie am Arm nehmen, was bei dem Größenunterschied durchaus lächerlich wirkte. Statt dessen legte wr eine schwere Panzerhand auf die zierliche Schulter und schob sie vorwärts.
"Dann hoffen wir mal für dich, dass du nicht seine Zeit verschwendest." Nachdrücklich schob er sie durch das Tor und dann in das imposante Hauptgebäude. Im
"Ich bin eine ZwerGIN!", erwiderte Sarray rotzfrech. Ihre Art, ihre Angst zu überspielen. Wut klappte auch ganz gut, aber heute war Dreistheit dran.
"So viel Zeit muss sein. Und das du hab ich hier auch niemanden angeboten."
Manchmal war ihr Mund ihrem Verstand eine gute Pferdelänge voraus.
Naja...eigentlich sehr oft.
Oder noch öfter.
Sie wurde in das Vorzimmer geführt. Sie war tatsächlich IM Gebäude des Ordens.
Vorzimmer des Großkomturs saß wie immer Ealco Helbel, Bollwerk gegen alle unnützen Störungen.
"Der Komtur ist in einer Unterredung."
Ob es hier schonmal Zwerge gegeben hatte? Oder andere Anderlinge?
Also....lebend natürlich und ohne danach verbrannt zu werden?
Mit einer einzelnen Drehung befreite sich Sarray problemlos von der Panzerhand auf ihrer Schulter (67/1) und hüpfte auf eine Ecke von Ealcos peniebel aufgeräumten Schreibtisch, baumelte fröhlich mit den Beinen.
"Ihr könnt gehen. Ich finde alleine wieder raus." Sie strahlte die Wache mit funkelnden Augen an. "Danke für die Begleitung."
Ealco hob nun doch den Blick und rümpfte die Nase. Ihm war anzusehen, dass er gleich mehrere Dinge nicht schätzte: die Nähe dieses Wesens, ihren Hintern auf der polierten Platte seines Tisches und ihre schrille Stimme. Sein Blick glitt zu dem Wachmann, der noch etwas tumb den leeren Bereich unter seiner Hand betrachtete.
"Was will dieses... Wesen? Entferne es. Der Komtur hat keine Zeit." Er rückte sogar etwas von der Zwergin ab.
Sarray sah Ealco direkt an.
"Also Neugier kann man sich Brüdern echt nicht nachsagen."
Sie seufzte theatralisch.
"Da geht euch ein Ritter verloren und keiner will seinen Verbleib wissen."
Ealco hob eine Braue. "So. Und ausgerechnet ein Halbling ist so voller Sorge, dass sie es uns mitteilen muss? Außerdem ist mir nicht bekannt, dass wir jemanden verloren hätten."
"Tja dann.."
Sarray hüpfte vom Tisch.
"Werd ich Ritter Moore mal ausrichten, dass er nicht vermisst wird."
Sie wuselte - langsamer als gewohnt - Richtung Tür.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zu den Amtsräumen von Herrenlohs und eben dieser trat heraus, gefolgt von einem schneidigen jungen Ritter in voller Montur.
Der Großkomtur fasste die kleine Frau sofort in den Blick der klaren, grauen Augen. Er hatte die letzten Worte aufgeschnappt.
"Moore?"
"Sir, dieses... diese...", stammelte Ealco los.
"Zwergin.", gab der Wächter kluge Hilfestellung.
Ealco schnaufte. "Sie behauptet etwas über den Vermissten zu wissen."
"Und da lässt du sie gehen?!"
"Ihr wolltet nicht gestört werden..."
Von Herrenloh wirkte einen Moment resigniert, schloss kurz die Augen. "Ealco... Egal. In mein Zimmer, junge Frau, und Ihr auch noch mal, Tyssen."
Grinsend huschte Sarray in das Amtszimmer.
Und hier geschah etwas seltsames.
Die Zwergin wurde erstaunlich handzahm.
Es war die Ausstrahlung des Großkomturs, gepaart mit der Tatsache, daß sie wirklich so weit gekommen war.
Im Raum wartete sie tatsächlich darauf, angesprochen zu werden.
Wenzel ging Zwergin und Mensch voran wieder in sein Arbeitszimmer und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Der Ritter blieb vor der Tür stehen, als wäre die Zwergin jemand, der jederzeit fliehen könnte.
"Also, Madame. Beginnen wir am Anfang. Ich sehe, Ihr gehört zur Zunft der Heiler. Euer Name?" Die grauen Augen ließen den Gast keine Sekunde aus ihrem Blick.
"Sarray Cestay." antwortete sie kurz.
Der Typ war ja noch unheimlicher als der Klotz-Ritter. Diese Augen.
Die Zwergin schluckte. Als könnte er ihren Verstand auf links drehen.
Ob er ein Magier war?
"Ah, Ihr seid das." Irgendwie hatte Moore vergessen zu erwähnen, dass seine Heilerin ein Zwerg war. Und die Alchimistin? Eine Elfe?
Von Herrenloh lehnte sich zurück. "So. Ich bin ganz Ohr."
Sie atmete durch.
"Ritter Moore ist nach einem Sturz unpässlich und läßt ausrichten er kommt zurück, sobald er dazu in der Lage ist."
Kurze Pause.
"Seinen Knappen müsste ich auch noch sprechen.", bat sie kleinlaut.
Allerdings hatte sie eine Ahnung, dass sie hier so schnell nicht raus kam.
Wenzel sah die kleine Heilerin eine Weile an. Hauptsächlich hätte ihn interessiert, weshalb sein Protege überhaupt ohne Meldung verschwunden war. Es war zwar keine Pflicht, dennoch hatte Jarel es zu seine Gewohnheit gemacht. Aber dss würde ihm die Zwergin auch nicht sagen können.
"Sturz sagt Ihr? Was für ein Sturz? Und wieso glaubt Ihr, dass er in den Händen unserer Brüder nicht ebenso gut aufgehoben ist?" Anstatt bei Anderlingen, aber das ließ er im Kontext hängen.
"Was seinen Knappen angeht, seid ihr in guter Gesellschaft. Ich würde das auch gern, aber er glänzt wie sein Mentor mit Abwesenheit." Ob er darüber zornig oder beunruhigt war, konnte man nicht sagen.
"Ich bezweifle nicht, dass er hier gut aufgehoben wäre. Aber so lange er nicht transportfähig ist, habt weder Ihr noch ich die Wahl, Herr Großkomtur."
Immerhin, sie sprach ihn mit Respekt an.
Im Büro seines Buchhalters hatte das anders ausgesehen.
"Er war Bergsteigen. Geriet in ein Unwetter....und nahm die Abkürzung den Berg runter."
Die Zwergin runzelte die Stirn. Der Junge war weg? Oha...hoffentlich suchte er seinen Ritter nicht.
Irgendwie machte Sarray das noch nervöser.
"Kann ich dem Jungen eine Nachricht hinterlassen? Habt ihr was zu schreiben?"
Wenzel Brauen ruckten kurz in die Höhe. Die Zwergin konnte schreiben? Doch dafür wertvolles Papier verschwenden?
"Ihr könnt es mir sagen oder Ritter Tyssen, wenn Euch das lieber ist."
Die Zwergin legte den Kopf schief. "Warum dem?", fragte sie misstrauisch.
Hier stimmte doch etwas nicht...
Wenzel begann ungeduldig zu werden, was bei ihm allerdings nur Nuancen in Haltung und einbestimmter Zug um die Lippen Preis gab
"Bei der Ewigen Flamme Mädchen, glaubt Ihr Papier wächst mir aus dem Arsch?" Gut und seiner Ausdrucksweise. Herrisch winkte er dem Ritter.
"Holt mir eine Wachstafel vom Quartiermeister, damit Madame ihre Nachricht notieren kann."
"Na, wenn ihr die ohnehin lest, kann ich sie auch sagen.", murrte sie.
"Knappe Jakob möge sich um Mariposa kümmern, so lange er weg ist. Und er solle sich keine Sorgen machen."
So weit zu: 'Bitte persönlich ausrichten'. Aber so geheim schien ihr das auch nicht.

Der Gaul. Natürlich.
"Welch großes Geheimnis.", seufzte Wenzel. "Richtet Jarel meine Wünsche zu seiner schnellen Genesung aus. Ich werde für ihn beten." Dennoch wirkte er noch immer skeptisch.
"Ich nehme nicht an, dass Ihr mir verraten werdet, wo genau er sich aufhält?" Obwohl es auch nicht sonderlich schwierig sein sollte herauszufinden, wo in Nowigrad eine Zwergin hauste.
"Ehm...er braucht Ruhe. Besuch wäre keine gute Idee.", orakelte die Zwergin.
Auf dem Rückweg würde sie auf jeden Fall darauf achten, dass ihr niemand folgte.
Wenn einer von denen den Klotz mit Fell und Schnauze sah, wars das mit Ritter. Und mit ihnen auch.
Wenzel durchbohrte die Zwergin noch einige unangenehme Momente lang mit Blicken aus stahlgrauen Augen, während der er nach einer Erklärung dafür suchte, wieso sich ein Ritter der Flammenrose ausgerechnet einem Anderling anvertraute. Oder nur ein dummer Zufall?
"Tyssen, bringt Madame Cestay zum Tor. Und Ihr Madame, werdet mir täglich Bericht erstatten wie es mit der Genesung voran geht."
"Eh...wie ihr wünscht. Kann ich den Bericht am Tor abgeben?"
Rein wollte sie hier nicht nochmal. Auch wenn sie sich der Wache hatte entwinden können.
Beim nächsten Mal behielten sie sie vielleicht doch da.
Wenzel brummte unwillig, obwohl es ihn ein kleines bisschen Genugtuung verschaffte, dem Ego der kleinen Frau doch auf die Pelle gerückt zu sein.
"Lasst nach Tyssen hier schicken oder Ealco Helbel. Und jetzt gehabt Euch wohl."

Und dann geschah etwas, dass der Sache die Krone aufsetzte.
Die Kleine grüßte. Mititärisch. Zackig. Ganz nach Vorschrift.
Entweder die halbe Portion hatte gedient, oder sie wollte ihn verarschen.
Wieder lehnte Wenzel sich zurück, betrachtete die kleine Gestalt einen Moment zu lange, als der Durchschnitt sich damit wohl fühlte.
Dann ein kaum merkliches Nicken. Auch Wenzel hatte schon im Feld gestanden und auch wenn es vielleicht nicht die gleichen Seiten gewesen sein mochten und Sarray nicht an der Front gewesen war, so konnte er die Kämpfe um die Leben der Versehrten durchaus anerkennen.
"Passt auf ihn auf.", sagte der Großkomtur erstaunlich milde. Doch schon war der Moment vorbei. "Und jetzt raus hier, ich hab zu tun... Ach und noch was: sollte sein Rotzlöffel bei euch auftauchen, dann sagt Jarel, dass ich erwarte, dass er ihm den Hosenboden stramm zieht. Sonst mach ich das."
"Aye." Sprachs und wuselte los.

Draußen angekommen schlug die Zwergin erstmal einen völlig falschen Weg ein.
Die Scherben. Zickzack hierher und dorfhin, immer einen Blick über die Schulter.
Erst dann - als sie überzeugt war niemand würde ihr folgen- trat sie den Rückweg an. Und auf diesem Rückweg fand sie etwas auf einer Leine, was sie unbedingt mitnehmen musste. Ein Kleidungsstück. Eines, dass noch für einige Lacher sorgen würde. Im Hause der Heiler schlug sie es eilig in Papier ein.
Schließlich sollte es eine Überraschung werden.
Sarray berichtete den beiden von ihrem Besuch.
Und davon, dass Jakob verschwunden war. Natürlich wollte Jarel aufstehen - sturer Bock - doch Sarray schiss ihn so sehr zusammen, das er sich die nächste Stunde nicht rührte. Und liegen bleib.
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Sarray Cestay
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Lebenslauf: Sarray

Wenzel von Herrenloh hatte einen täglichen Bericht verlangt.
Und er bekam sie. Der erste lag bereits vor, als am nächsten Morgen er von der Messe zurückkam.
Die Heilerin hatte am Abend zuvor mit dem Wolfsritter diskutiert.
Er war nicht begeistert davon gewesen, dass sein Schwertherr den Umfang seiner Verletzungen erfahren würde, ließ sich dennoch dazu überreden.
Erstens war es wichtig für eventuelle Nachbehandlungen und zweitens band Sarray ein Schwur daran, in solchen Sachen niemals falsche Aussage zu leisten.
Also bekam Wenzel, was er wollte.
Das Dokument war tatsächlich auf einem großen Bogen Papier geschrieben.
Und gesiegelt. Ge-sie-gelt!
Das Siegel zeigte zwei überkreuzte Hämmer auf einem Schild, unter der in einem Bogen ihr Familienname graviert war.
Beim Auseinanderfalten fand Wenzel eine tabellarische Aufstellung der erlittenen Verletzungen seines Ritters, verfasst in der Gemeinsprache. Die Schrift der Heilerin war klein, konzentriert und erstaunlich gut lesbar – für eine Heilerin.
Das Dokument begann mit dem Auffinden und der Beschreibung der vermutlichen Umstände des Unfalls.
Danach wurden die Verletzungen aufgeführt, jeweils als medizinischer Fachbegriff und dem gemeingültigen Begriff. Angefangen von oben mit einer schweren Gehirnerschütterung, weiter über einen ausgerenkten Arm, dem Verdacht eines angebrochenen Schulterblatts, gebrochener Elle und Speiche, Erfrierungen an den Händen, zwei gebrochenen und einer angebrochenen Rippe, einem Fremdkörper in der schrägen Bauchmuskulatur, Prellungen, Platzwunden, weiteren Erfrierungen.
Die jeweilige Behandlung wurde aufgeführt und jeweils mit „magisch unterstützt“ ergänzt.
Das damit die erweiterten Selbstheilungskräfte des Worgen gemeint waren, fand natürlich keine Erwähnung.
Abgeschlossen wurde der Bericht mit den geplanten weiteren Maßnahmen und den Vorschlägen von Übungen und weiterer Behandlung.
Vor der Unterschrift hatte der Anderling auch noch einen Segen verfasst.
Ja, definitiv, sie wollte ihn zur Weißglut bringen.

„Möge Meliteles Güte eure Flamme nähren.
Stets zu diensten.
Sarras Cestay"
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Der Knappe war Stunden durch die Stadt gestreift, durch die Scherben, den Hafen und den Fischmarkt, den Jarel so gerne im Morgengrauen aufsuchte, wenn die Fänge vielversprechend waren. Nichts, niemand hatte ihn gesehen. Er lief durch die saubereren Straßen von Gildorf, durch das zwielichtige Silberstein und sogar durch Ferneck, nicht ahnend wie nah er seinem Ritter kam. Er ging sogar vor dem Haus einer Heilerin her, die in Ferneck lebte und praktizierte…
Eine Weile saß er am Brunnen am Platz des Hierarchen und betrachtete das dunkel gefärbte Pflaster, wo Scheiterhaufen gebrannt hatten. Scheiterhaufen. Etwas, was er in der kurzen Zeit seines Hierseins noch nicht wirklich zu akzeptieren gelernt hatte. Kein Wesen konnte so große Verbrechen auf sich laden, um diese Art zu Sterben verdient zu haben und wenn er den Menschen, die er nun seine Brüder nannte, richtig zugehört hatte, dann war das Verbrechen oft genug nur, anders zu sein. ‚Anderlinge‘ nannten sie alle Nicht-Menschen und flachsten darüber, dass man sie schnell ins Feuer brachte, wenn man nur die richtigen Argumente fand. Dieser Aspekt seiner neuen Gemeinschaft bereitete Jakob noch immer Kopfzerbrechen, aber bisher hatte er weder Gelegenheit noch Mut gehabt, Jarel darauf anzusprechen.
Er sprang vom Brunnenrand. Der Illusion, Jarel zu finden, hatte er schon lebwohl gesagt und so schlich er bedrückt wieder zurück zur Tempelinsel, huschte Stunden nachdem die Heilerin gegangen war wieder durch das Schlupfloch zurück in die Komturei. Gerade rechtzeitig, um sich in den Strom der Brüder einzureihen, die zur Abendmesse gingen.
Wenn er allerdings geglaubt hatte, sein Verschwinden sei unbemerkt geblieben, so belehrte ihn ein scharfes: „Von Nagall? In mein Arbeitszimmer.“, eines Besseren. Der Rittersergeant Tyssen, der das Kommando über die Knappen hatte, wenn es um allgemeine Aufgaben und eben solche Kleinigkeiten wie deren Vollzähligkeit und somit unerlaubtes Entfernen ging, hatte ihn wohl schon während der Messe im Auge gehabt. Ohne Widerworte trabte er dem Mann hinterher, der seines Erachtens nach höchstens drei oder vier Jahre älter als er selbst war und trotzdem schon recht weit aufgestiegen. Tyssen war weder übermäßig unsympathisch noch ließ er den Kameraden raus hängen. Er betrachtete sie alle als Kinder, was es wiederum Jakob nicht einfach machte, ihm Respekt zu zollen. Aber er folgte.
Tyssen stellte sich hinter sein Schreibpult, schob die Kapuze in den Nacken, die er gegen das kühle Frühlingslüftchen übergezogen hatte und warf einen gekünstelten Blick in ein Buch, das dort aufgeschlagen lag. Jakob stand einfach einen Schritt hinter der Tür, die Hände vor sich verschränkt, wie er es sich mangels Hosentaschen angewöhnt hatte, und wartete.
„So, von Nagall. Ihr habt den Tag über bei der Arbeit und den Unterrichtseinheiten gefehlt.“
„Ja.“
„Darf ich erfahren, wo Ihr gewesen seid? Man hat Euch weder kommen noch gehen sehen.“
Jakob zog die Nase kraus. Das Schlupfloch der Knappen verriet er besser nicht, obwohl er wenig Zweifel hegte, dass es einem wie Tyssen unbekannt war. „Brauchte bisschen Abstand.“
„Abstand.“
Jakob zuckte wie es seine Art war nur wortlos mit den Schultern. Tiefergreifende Erklärungen musste man sich bei ihm weiterhin holen, wenn man nicht Jarel Moore hieß. Tyssen schien allerdings keine Lust auf dieses Spielchen zu haben, dass er schon eine Weile mit eben diesem Knappen spielte. Er zückte eine Feder und öffnete ein Tintenfass.
„Abstand also. Gut. Eine Woche Latrinendienst, da werdet Ihr genug Abstand finden.“
Nun reagierte selbst Jakob. „Aber Sir, ich…“
„Zwei Wochen.“ Tyssen hob nicht mal den Blick. Jakob verkniff sich ein weiteres ‚Aber‘, das Resultat wären drei. Er kannte den Mann inzwischen auch schon ein viertel Jahr. Genug Zeit.
Tyssen schrieb, Jakob schwieg. Dann lagte der Rittersergeant seine Feder beiseite und blickte auf. „Eure Sorge in allen Ehren, Knappe Nagall, aber um das Wohl seiner Ritterbrüder kümmert sich der Großkomtur. Keine Notwendigkeit, dass Ihr das Gelände unerlaubt verlasst. Kommt es noch einmal vor, werde ich nicht so gnädig sein. Seid also froh mit den Latrinen. Es könnte auch die Peitsche sein. Und nun raus hier, an die Arbeit.“ Noch ein Blick ins Buch. „Immerhin habt Ihr Gesellschaft.“
„Es heißt von Nagall.“, murrte Jakob.
„Vorsicht, sonst überlege ich es mir noch anders. Wegtreten.“
Jakob grüßte provozierend nachlässig und machte sich davon, auch wenn er an Tyssens Miene ablesen konnte, dass der ihm dafür auch noch eine reinwürgen würde. Schlimmer konnte es ja fast nicht mehr werden.

Am nächsten Morgen, in aller Herrgottsfrühe, schlurften zwei Gestalten in den Arbeitskleidern der Knappen, bewaffnet mit Eimern, Schaufeln, Schrubbern und Kalk über den nebligen Bezirk des Tempels.
Jakob lernte in den ersten beiden tagen einiges. Er lernte, dass es drei gemeinschaftlich genutzte Latrinen gab, von denen aber nur zwei an die Kanalisation von Nowigrad angeschlossen waren. Die Dritte war eine Grube mit einer Öffnung zum Meer hin. Desweiteren lernte er, dass die Räte, der Großmarschall und andere hochranginge Ritter Räumlichkeiten hatten, die einen eigenen Abort besaßen, die meisten mit Anschluss an die Kanalisation. Die zur See hin mit einem sehr tief reichenden Schacht. Und er lernte, dass die Scheiße von allen Rängen gleich stank.
Sein Leidensgenosse war Theobald Jerwick-Sams, dessen einziges Vergehen Schläfrigkeit war. Er hatte zum wiederholten Male die Morgenmesse verpennt, weswegen es Tyssen für eine gute Therapie hielt, vor allen anderen aufstehen und die Latrinen putzen zu müssen.
Theo war im Grunde genommen ein netter Kerl, aber er redete einfach viel zu viel und meistens vom Essen. Oder vom Schlafen. Das Gute war, es störte ihn nicht wesentlich, dass Jakob meistens nicht antwortete. Vor allem, wenn sie bis zu den Knien in der Scheiße standen, wobei sie bis zu den Hüften reichende Stiefel trugen, um dieser den Weg Richtung Meer zu weisen und sie einzukalken, redete Theo ohne Unterlass. Jakob war es unbegreiflich, denn Reden bedeutete atmen und das versuchte er hier drin tunlichst zu minimieren.
Sie schrubbten Donnerbalken und verschmutzte Holzlöcher, wienerten wurmstichige Böden, leerten Wasserschüsseln und schleppten neues Wasser heran.
Sie schrubbten sogar die Mauern unter den Aborten der hohen Herren, damit diesen von unten nicht irgendwelche unangenehmen Gerüche wieder in die hochherrlichen Nasen stiegen. Dabei hing einer in einem eigenes dafür angefertigten Gestell aus Holz und Seilen, während der andere ihn abfierte oder herauf zog. Meistens hockte Jakob im Gestell, da Theo über Höhenangst klagte und schrubbte mit einem langen Besen Scheiße von der Wand, während unten das Meer klatschend gegen die Felsen schlug und die Möwen kreischten.
Die Aussicht war eigentlich ganz nett. Dann kam ein Schwall Abwasser mit allem Möglichen aus dem Schacht gestürzt und riss ihm fast den Besen aus der Hand. Es spritzte, es stank, es war überall. Diesen Geruch würde er nie wieder los werden… sein Lebtag nicht. Fluchend begann er von vorn.
Zuletzt geändert von Jakob von Nagall am Freitag 12. August 2022, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

In den nächsten drei Tagen kam jeden Tag – immer in der Zeit der Morgenmesse – ein neuer Bericht.
Es ging aufwärts. Erstaunlich schnell. Der dritte Bericht kündigte sogar Ritter Moores baldige Rückkehr zum Orden an.
Am vierten Tag nach dem Besuch der Zwergin tauchte jemand genau zum Ende der Morgenmesse am Tor der Komturei auf, der einfach nicht ins Bild passte.
Ein Mönch mit viel zu kurzer Kutte. Von der Länge her ging ihm das Kleidungsstück gerade bis übers Knie und auch die Ärmel reichten bis gerade über den Ellenbogen, an der Brust spannte er grob gewebte Stoff enorm. In der linken trug er ein verschnürtes Bündel aus Dolchen in Scheiden, zerrissen und demoliert. Um seine Füße gewickelte Stoffstreifen ersetzen das Schuhwerk und zur Krönung trug er den rechten dicht am Körper fixiert in einer Schlinge.

Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, unter dem kondensierte Atemwölkchen hervor quollen, wollte sich der Mann einfach so Zutritt zum Gelände verschaffen.
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Jarel Moore
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Die Tempelinsel beherbergte neben der Komturei eben auch den Tempel und die Wohn- und Wirtschaftsgebäude des zugehörigen Ordens. Die Brüder vom Orden der Ewigen Flamme gingen wie die Ritter auf der Insel ein und aus, viele versahen alltägliche Arbeiten auch für die Ritterbrüder, wie kochen und waschen. Außerdem hüteten sie die Tempelbibliothek, kopierten wertvolle Schriften und unterrichteten Knappen wie Adepten in theoretischen Fächern.
Zu dieser Stunde befanden sich die Brüder allerdings entweder noch in der Messe oder waren auf dem Weg zu ihrem Tagwerk. Das einer ausgerechnet vor dem Tor der Komturei auftauchte, noch dazu in höchst unpassender Kutte, kam den beiden Wachen sicherlich merkwürdig vor. Dennoch gebot es der Respekt, den Neuankömmling nicht gleich mit den Eiern an die Wand zu stellen.
"Guten Morgen, ehrwürdiger Bruder. Ihr seid... früh dran."

"Guten Morgen, Phil."
Die beiden Ritter waren nicht unbedingt gute Freunde, aber sie kannten sich. Natürlich. Die Brüder kannten untereinander, auch wenn Jarel nicht unbedingt als redselig oder gar geschwätzig galt. Wenn man ihn jedoch auf dem richtigen Fuß erwischte - in diesem Fall gemeinsamen Küchendienst, und das passende Thema anschnitt - in diesem Fall die schmackhafteste Zubereitung von Fisch - konnte man sogar mit dem sonst so schweigsamen Ritter ein interessantes Gespräch anfangen und ihn eine Winzigkeit besser kennenlernen.
"Eher etwas spät." Jarel lugte unter der Kapuze hervor. "Sei so gut, ich würde mich gern schleunigst umziehen." Er brummte unwillig.
Eigentlich waren ihm diese Art Peinlichkeiten egal, aber so vor den Großkomtur treten? Das ging nicht.

"Jarel?! Beim Licht..." Philemon neigte sich etwas vor, um unter die Kapuze des Mönchs zu spähen. "Wo hast du gesteckt? Aber... äh, ja, komm komm, ich mach dir auf."

Der Ritter zog die Kapuze wieder in die Stirn.
"Unfall.", murmelte er und trat ein. "Schickst du dem Komtur bitte eine Nachricht, dass ich in Kürze zu ihm ins Büro komme?", fragte er und trat ein.
Nicht ganz so festen Schrittes ging der Ritter zu seinem Häuschen und verschwand darin. Als erstes legte er die Reste seiner Riemen und Scheiden aufs Bett. Das Bett. Der Ritter konnte es regelrecht rufen hören. Nur etwas mehr als eine stunde war sein Fußmarsch gewesen. Ljerka hatte ihn bis fast zur Komturen begleitet, doch in Sichtweite der Tore hatte er sich doch verabscheidet. Seine Heilerin steckte schon zu tief in zu vielen Sachen.
Mit den Fingern fuhr er über das zerrissene Leder. Er hatte wirklich Glück gehabt. Durchatmend fingerte er an einer erst vor kurzen angebrachten kleinen Tasche herum, um den Inhalt kurz an sich zu nehmen.
Der Stein war noch da. Kurz nahm er das Andenken in die Faust und legte diese an seine Brust, seufzte, senkte den Blick, schloss die Augen.
Doch so richtig dem Gedanken nachgehen. Zu kalt, zu müde. Nicht der richtige Moment.
Mit fest aufeinander gepressten Lippen schob der Ritter den Stein zurück in das aufgenähte Täschchen.
Waschen, umziehen, sich melden. Fürs Waschen war es vielleicht nicht die schlechteste Idee das Feuer zu entfachen. Vorbereitet war ja alles.
Wenig später waren erst leise Flüche und dann das Knistern von Feuer zu hören.
Einhändig ein Streichholz zu entzünden - und dann auch noch mit links - war zwar machbar, aber nicht seine Stärke.
Und nun? Wasser holen.
Mit der großen Kanne in der Hand und noch immer in der unpassenden Kleidung , die Kapuze abermals im Gesicht stand er wenig später am Brunnen. Und nun? Wie bekam er einhändig den Eimer von Seil, um das Wasser umzufüllen?
"Kacke..." Suchend sah er sich um. Irgendein Anwärter musste doch in Rufweite sein.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Zwei "Anwärter" waren tatsächlich in Hörweite - leider auch im auflandigen Wind, sodass der Ritter neben einem schier endlosen Redefluss auch eine Nase von der Duftmarke nehmen durfte, die die beiden genauso penetrant umgab wie eine Wolke aus Fliegen.
Jakob und Theo waren aus nicht von der Hand zu weisenden Gründen von der Morgenmesse befreit und nun auf dem Weg, um sich zu säubern und dann ihren eigentlichen Wochendienst anzutreten: dem Zeugmeister zur Hand gehen. Ursprünglich hatte Jakob Küchendienst, aber das hatte Tyssen mit einem Naserümpfen schnell geändert. Ob das Rümpfen seinem neuen Parfum gegolten hatte oder dem Gedanken aus den Händen, die vor einer Stunde noch Scheiße geschaufelt hatten, nun eine Grütze gelöffelt zu bekommen, hatte Jakob nicht zuordnen können. Aber allein die Genugtuung zu wissen, dass der fensterlose Raum, den Rittersergeant Tyssen sein Amtszimmer nannte, noch Stunden stinken würde, als hätte sein Bewohner nicht an sich halten können, war den zweiten Besuch und den Hinweis auf die Schicht wert gewesen. Wobei Theo und er noch diskutiert hatten, ob der Ausdruck in Tyssens Gesicht, wenn einer von ihnen ihm die Grütze auftat und dabei großzügig den Daumen in die Schale tunkte, nicht fast noch besser gewesen wäre.
Zumindest waren sich die beiden Knappen über die letzten vier Tage gute Kameraden geworden, auch wenn Jakob nach der morgendlichen Schicht manchmal glaubte, aus den Ohren zu bluten. Oder etwas dickes an der Backe zu haben, wechselweise, manchmal auch beides.

Für heute jedenfalls war ihre Schicht vorbei, die Donnerbalken glänzten, dass der erste Arsch davon abgleiten würde und es roch sogar leicht ätherisch. Etwas was Jakob nach der letztjährigen Zitronenmelisseflut eingefallen war. Der princeps der Gärtner war hellauf begeistert, da das Zeug bereits wieder handlange Triebe aus dem Boden streckte und die Trockenkammern voll mit Büscheln des Krauts hingen. Nun hingen kleinere Büschel in den Aborten und Latrinen, vertrieben den Mief nach bestem Können, wenn er auch nur für ein paar Stunden. Aber es war ja genug da. Bald könnten sie frisch schneiden.
Es duftete also im Rahmen der Möglichkeiten in den Latrinen, dafür war der Gestank aus den Kleidern nicht mehr zu entfernen. Beide trugen stets das Gleiche und stopften es am Ende der Arbeit am Brunnen in einen Sack, um es mit den Putzwerkzeugen zu verstauen. Nackt bis auf das, was man hier so Unterhose nannte, schrubbten sie sich dann in der Regel mit kaltem Brunnenwasser, bis Jakob glaubte, die Haut hinge ihm in Fetzen. Aber zu mehr blieb meist keine Zeit, denn es hieß umziehen und weiter an die Arbeit.
In der Regel.
Doch heute stand ein Mönch der Flamme am Brunnen und sah sich um. Der Mann wirkte seltsam falsch in seiner Kutte. Normalerweise wischten die Mönche mit ihren Kutten die Wege und Flure, aber dieser war eher der Typ Hochwasser. Ähnlich verhielt es sich mit sen Ärmeln, aus denen kräftige Unterarme ragten - beziehungsweise ein Unterarm.
Jakob und Theobald verlangsamten ihre Schritte etwas, auch wenn Theo keineswegs aufhörte Jakob zum wiederholten Mal die Vorzüge einer bestimmten Sorte Daunen als Füllung für ein Kissen darzulegen. Damit, dass er verglichen zu den meisten Knappen hier, aus einem zwar wohlhabenden aber doch bodenständigen Elternhaus kam, hatte Jakob sich inzwischen abgefunden, nicht aber damit, wie die anderen jungen Männer das vor sich her trugen. Doch Theo abzuwürgen war in etwa so erfolgversprechend wie mit bloßen Händen einen TGV zu stoppen. Also verlegte er sich aufs Ignorieren.
Doch immerhin stoppte er seinen Monolog, um den Mönch anzusprechen: "Ehrwürdiger Bruder? Ist alles in Ordnung? Sucht ihr jemanden?"
Im gleichen Moment wurde Jakob klar, dass da jemand stand, den er gesucht hatte. Zwar nur einen Tag lang, um sich dann jeden Tag zur Strafe durch die Scheiße zu wühlen, aber immerhin. Dafür hatte er jeden Tag ein extra Opfer in die Ewige Flamme geworfen - Er! Direkt an der Schale mit dem Feuer! - und saß dann auf dem Dach, um Ausschau zu halten, wenn man ihn schon nicht zu Jarel ließ. Die Sorge hatte ihm die knappe Information jedenfalls nicht genommen, ganz im Gegenteil. Ihn jetzt aufrecht da stehen zu sehen, ließ Jakob tatsächlich erst einmal erstarren...
...bevor er Eimer und Schrubber fallen ließ und die letzten Schritte auf ihn zu sprang. "Jarel! Maria sei mir gnädig, bist du's wirklich?" Wenn er aufgeregt war, fiel er doch leicht zurück in alte Redensarten.
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Jarel Moore
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Lebenslauf: Jarel

Jarels dunkles Lachen schallte Jakob entgegen. Er breitete die Arme – nein, den linken Arm - aus und zog den Jungen an sich. Er atmete scharf ein, gab sich aber nicht die Blöße zuzugeben, dass jede Berührung schmerzte. Er hielt ihn einfach nur. Zumindest einen Moment.
„Guten Tag Theobald. Hallo Jakob. Ich freue mich auch dich zu sehen. Aber Junge…du stinkst furchtbar.“
Latrinendienst. Definitiv. Und der Ritter ahnte, warum.
„Du bist ausgebüxt. Rieche ich da deine Strafe?“ Im Grunde war es ihm egal.
Die ganze Sache hätte anders ausgehen können. Da waren ein paar Kratzer auf der einen Seite und ein guter Schwung Scheiße auf der anderen aushaltbar.
„Könnt ihr zwei mir den Gefallen tun?“ er deutete auf die Kanne. „Hab da ein kleines Problem.“
Zu gerne hätte er seinen Knappen gebeten, ihm beim Waschen und umziehen zu helfen. Und dabei stand ihm nicht einmal sein Stolz im Wege.
Nein, den hatte er sich in dem Moment abgewöhnt, in dem er tatal berauscht mit einem Bolzen im Arsch vor einem gewissen Ritter aufs Gesicht gefallen war.
Jarel schreute schlicht die Tatsache, dass Jakob dann die ganze Tragweite seines Unfalls zu sehen bekam.
In all den intensiv Bunten Farben, die seinen Ritter verunzierten.
Außerdem hatte er sicher andere Pläne. Und sowieso...
... allein anziehen...
Nun, vielleicht hatte er sich seinen Stolz noch nicht so ganz abgewöhnt.
"Wurdest du über den Inhalt der Berichte von Miss Cestay informiert?", fragte er vorsichtig.
Wenn Jakob Bescheid wusste, würde er sich nicht so sehr erschrecken.
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Jakob von Nagall
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Lebenslauf: Jakob von Nagall

Jakob ließ sich von Jarel in eine Umarmung ziehen, obwohl ihn diese Art der Zuneigungsbekundung immernoch befangen machte. So zog er sich auch schnell zurück, als er spürte, wie der Ritter zusammenzuckte - oder besser, er versuchte es, aber sein Mentor hielt ihn einfach mit dem linken Arm gefangen, während Theobald einfach wieder redete.
"Recht habt Ihr, Meister Moore, Rittersergeant Tyssen sitzt in letzter Zeit die Peitsche lose und da muss man schon froh sein, wenn es einen fürs Ausbüxen nur in die Scheiße verschlägt. Müssen nur aufpassen, dass wir nicht das Frühstück verpassen, weil so ohne zum Arbeitsdienst - da kann man ja die Schippe kaum heben. Wobei Jakob hebt ja grad keine Schippen...", und so weiter, während er nahtlos dazu über ging, das Wasser in Jarels Kanne zu füllen und den Eimer dann noch einmal in den Brunnen fallen zu lassen. Jakob hatte sich unterdessen doch frei gemacht und zuckte nur mit einer etwas hilfosen Miene die Schultern. Theo hörte nicht mal auf zu reden, als er den Eimer wieder nach oben holte. Er war ein Ochse, wenn es um Kräfte ging, quadratisch gebaut und mit Oberarmen wie Jakob Oberschenkel, daher griff der auch gar nicht erst helfend zu.
"...Küchendienst hätten wir gehabt, Meister Moore, aber dann hat der Herr Rittersergeant uns anders eingeteilt..." Er leerte den Eimer in die beiden Putzeimer und begann wie selbstverständlich auch Jakobs Werkzeug zu reinigen. "...hätt' ich aber auch gemacht, nachdem ich 'ne Nase von der Plörre hier genommen hab. Ganz höflich war er, der Jakob..." Theo gluckste, als ihm die restliche Geschichten offenkunding vor Augen kam. Das Jarel inzwischen zu Jakob gesprochen hatte, schien ihm zunächst nicht aufgefallen zu sein. Munter plaudernd schrubbte er weiter.
Jakob kam in seiner Erwiderung nur bis zum "Nicht di...", dann hob Theo den Blick. "Nein Meister Moore, der Herr Rittersergeant hat immer nur ausrichten lassen, dass Ihr unpässlich seid und auswärts kuriert werdet und das es eben so lange dauert, wie es dauert. Und das das Pferd versorgt werden sollt. Also von Freund Jakob hier - tolles Pferd übrigens, ich hoffe, ich kann so eine Riesin auch für mich irgendwann finden, bin ja nicht so das Leichtgewicht und..."
Jakob musterte Jarel derweil mit seinem eindringlichen Blick. Theobald als Hintergrundrauschen zu betrachten war für ihn inzwischen sowas wie Routine - zumindest so lange er nicht schlecht drauf war. Aber selbst die gemeinsten Anranzer schluckte der andere Knappe und formierte drumherum ein Potpourrie der Möglichkeiten, weshalb das Gegenüber so schlecht drauf war. Da half nur Fliehen. Oder auf Durchzug schalten. Was er jetzt tat und deswegen seinerseits einfach über Theos Singsang hinweg redete.
"Es hieß nur, du seist gestürzt. Wie geht es dir?" Sein Blick wanderte zwischen Jarel und der einzigen nach außen sichtbaren Verletzung hin und her. Jakob war es nur zu gut im Gedächtnis, wie es war, halbseitig fast unbeweglich zu sein. Leicht krauste er die Stirn. Theobald redete inzwischen vom Mittagessen.
"Ich kann dir helfen, wenn du willst.", oder wenn er ihn ließ. Jakob versuchte zwar neutral zu klingen, aber er machte sich tatsächlich Sorgen und ein wenig Katastrophentourismus war wohl auch dabei. "Der Zeugmeister erwartet mich erst mit der achten Glocke." Also noch gut eine Stunde Zeit.
"Zieh dich vorher um, von Nagall, sonst tränen dem Meister Moore noch die Augen.", ließ Theo sich ganz plötzlich wieder vernehmen, der wie so oft überraschendes Talent für Multitasking bewies und tatsächlich seinem Monolog und Jakobs Worten gefolgt war. Letzterer warf ihm einen Seitenblick zu, der den Scheißeeimer mit Besen eigentlich hätte zu Scheiße am Stiel verwandeln sollen. Nur leider war er dann trotz aller Verrücktheiten dieser Welt nur ein Mensch geblieben. Theobald giggelte nur wieder und entschärfte sofort gekonnt: "Ich mach hier fertig."
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Lebenslauf: Jarel

Der Ritter zog die Stirn kraus und kniff die Lippen zusammen.
Nach einigem für und wider entschloss er sich, Jakobs Angebot anzunehmen.
Der ihm wichtigste Grund war, dass er den Jungen wirklich vermisst hatte.
Und so schlimm sah er auch nicht mehr aus.

„Ich kann eine helfende Hand gut gebrauchen.“, gab er Jakob gegenüber mit einer Spur Verlegenheit zu, die er aber sofort überspielte, in dem er sich an den zweiten Knappen wandte.
„Ich danke für deine Unterstützung, Theobald.“ Das Rauschen des Monologes hatte er zwar wahrgenommen, aber nicht wirklich verarbeitet. Dafür war er viel zu müde.
Er senkte sogar das Haupt kurz zum Zeichen seiner Dankbarkeit.

Ohne auf die Antwort des zweiten Knappen zu warten sah er zu Jakob. „Nimmst du bitte die Kanne mit?“ Und ging zurück in die Hütte.

Als Jakob hinter Jarel eintrat schloss dieser die Tür sorgfältig und ging dann zum Ofen.
„Stellt du die Kanne bitte hier rauf?“, er deutete mit der Linken auf die Oberseite des kleinen Ofens.
So kalt war es gar nicht. Der Ritter fror eher wegen seiner Müdigkeit.
Der Raum war wie immer – bis ins letzte Detail aufgeräumt. Einzig das Sammelsurium von Klingen und Lederfetzen auf dem Bett stach heraus. Und bald noch mehr.

„Von Herrenloh hat ausrichten lassen, dass du verschwunden warst.“, versuchte er abzulenken „Du hast mich gesucht, nicht wahr?“, stellte er fest und begann die Robe über den Kopf zu ziehen. Oder zumindest versuchte er es.
Brummend ließ er zu, dass Jakob ihm half. „Nicht erschrecken. Sieht schlimmer aus als es ist.“
Und tatsächlich sah es so furchtbar nicht aus. Die schneeweißen Verbände bedeckten den größten Teil der in der Zwischenzeit mehr oder weniger hell gelb verfärbten Prellungen, die knielange Hose verdeckte auch einiges.
Der Ritter betrachtete seinen Knappen mit zerknirschter Sorge.
Er setzte sich aufs Bett neben die Reste seiner Gurte, um auch die Stoffstreifen von den Füßen zu lösen.

Und erst jetzt beantwortete Jarel auch Jakobs Frage.
„Ja, es war ein Sturz. Genau erinnere ich mich nicht. Ich war am Berg, um den Kopf klar zu bekommen. Auf dem Rückweg scheint es ein Unwetter gegeben zu haben. Das nächste, woran ich mich erinnere ist Ljerka – die Alchemistin, du weißt ja – Sarray und ein Hexer mich auf einen Tisch verfrachteten.“ Er wollte mit den Schultern zucken, besann sich aber eines Besseren.
„Die Brüche und Verletzungen wurden magisch geheilt.“ Das es seine eigene Selbstheilungskraft gewesen war, sollte der Junge besser nicht erfahren.
„In ein paar Tagen werde ich wieder Dienst tun können.“ Das hoffte er zumindest.
„Wie ist es dir ergangen?“
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Jarel nahm nach kurzem Zögern Jakobs Angebot an und danke Theo sogar noch überaus zuvorkommend. Doch auch eins auf den Kopf bekommen? Allerdings lange überlegen konnte er nicht, denn der Ritter schickte sich schon an, sich auf den Weg zu seiner Unterkunft zu machen.
"Warte kurz, ich wechsel eben noch die Kleider.", sprachs und stülpte sich schon das fleckige Hemd über den Kopf, um es in den Sack zu stopfen. Es folgte die Hose, dann übergoss sich Jakob mit einem Eimer Wasser, den Theo hilfreich neu befüllt hatte. Prustend schüttelte er sich wie ein Hund, trocknete sich eilig ab und zwängte sich in die braungraue Arbeitskluft, die an seiner nassen Haut kleben blieb, sich aufrollte und ihn allerlei Verrenkungen vollziehen ließ, während er Jarel auf bloßen Füßen nach eilte. Dann kehrte er noch einmal um und holte die Kanne, dabei den letzten Rest Stoff zurecht nestelnd.
Der Ritter war nicht allzu schnell unterwegs, sodass Jakob ihn erreichte, als er gerade wartend in der Tür stand.

Sein Knappe tat wie geheißen und half ihm nur, wenn Jarel offenkundig an eine Grenze stieß. Das hieß bis die Kutte dessen farbenfrohen Körper enthüllte. Jakob hatte gerade mit: "Ein Gewitter ja, ich hab das Un...", begonnen und endete mit: "unooh - wow." Von da weg lauschte er vorerst.
Als Jarel sich aufs Bett setzte, ging Jakob wortlos vor ihm in die Knie. Ein kurzes Handgemenge - doch der Knappe hatte derer Zwei zur Verfügung - und er kümmerte sich um die Fußlappen.
"Ja. Dumm, ich weiß. Die Stadt ist riesig. Aber irgendwie...", er zuckte mit den Schultern, erhob sich und prüfte die Temperatur des Wassers, um seine Verlegenheit zu überspielen. Ja, er hatte sich Sorgen gemacht und ja, er hatte nicht das Gefühl gehabt, von Herrenloh unternehme irgendetwas.
Er goss Wasser in die Schale, überließ alles weitere aber seinem Ritter. Stand nur bereit, falls er nicht weiter kam.
Magisch geheilte Brüche und Wunden... Er konnte immer wieder nur staunen und dachte im Moment tatsächlich auch gar nicht an Jarels innere Bestie. Das diese ihn stärker machte und schneller heilte, wie es Werwölfen zu eigen war. Er dachte tatsächlich eher an Gandalf.
Auf die Frage, wie es ohm ergangen war, hob er nur die Arme zu den Seiten. "Zwei Wochen Latrinendienst und 5 Tage mit erstaunlich viel Freizeit."
Jakob beobachtete Jarel unverhohlen - eben wie es seine Art war - nicht der Bilder des Sturzes wegen, die auf seiner Haut standen, sondern sich vielmehr fragend, wie es dazu gekommen war. Er kannte Jarel als äußerst umsichtig und aufmerksam. Fehltritte dieser Art passten so gar nicht zu ihm. Aber zu bohren passte wiederum nicht zu Jakob.

Mit zusammengepressten Lippen beobachtete der Ritter seinen Knappen, als dieser unaufgefordert vor ihm in die Knie ging und ihm half.
Der Junge zollte ihm Respekt.
Unverdient.
Jarel atmete durch und dachte an den Abend von Jakobs Vereidigung.
Nicht an das Fiasko während des Rituals, sondern an den Moment in der Küche, als er sich ihm so weit geöffnet hatte wie bitte zuvor
Woher hätte er es wissen sollen?
Und woher sollte Jakob es wissen, wenn er sich ihm genausowenig öffnete.
Der Ritter atmete tief durch und nickte sachte für sich.
Zeit sich ebenfalls zu öffnen.
"Hatte ich dir schon von den Worgen meiner Heimatwelt erzählt?", begann er stockend zu berichten.

"Auf Azeroth gibt es unter den Menschen ein Volk, dass von einem Virus verändert wurde. Ab einem bestimmten Alter werden sie in einer Art Ritual mit dem Virus induziert.
Sie verwandeln sich in das, was man hier einen Werwolf nennt. Jedoch lernen sie das Tier in sich in den meisten Fällen zu beherrschen und bleiben bei Verstand. Später lernen sie auch die Rückverwandlung. Es ist ein zurückgezogenes und stolzes Volk. Ganze Städte voller zweibeiniger Wölfe im Kleid oder Nadelstreifenanzug. "
Da ließ er erst einmal wirken, während ihn Jakob umständlich ins Hemd half.

"Diesen Virus trage ich auch in mir. In der Theorie kann auch ich diese Halbgestalt annehmen. Der Virus wurde magisch so verändert, daß ich während der Verwandlung die Kontrolle verliere und... Nun, das Ergebnis kennst du."
Er atmete tief durch. In den Gambeson zu kommen war besonders schwierig.
Mit vor Müdigkeit und Verdrossenkeit kleinen Augen führte er den Monolog weiter.
Was jetzt folgte war viel schwerer zuzugeben als das zuvor.
Der Ritter zog seine Stiefel heran und nahm steif auf den Bett Platz.
Er zögerte.
War es richtig, den Jungen das zu erzählen?
Vertrauen hatte keinen Preis.

Er schluckte.
"Manchmal, wenn die Sehnsucht nach denen die ich hinter mir gelassen habe zu groß wird und die Sucht so laut ruft, dass ich sie nicht mehr ignorieren kann besorge ich mir eine Flasche Alkohol, schleiche Nachts raus und gehe in die Berge. Dort gibt er eine Stelle, von der ein unglaublich schöner Sonnenaufgang zu sehen ist."
Das es von der Kante dieser Aussichtsplattform ein verdammt tiefes Stück in den Abgrund ging, gehörte nicht in dieses Gespräch.
Bei einem solchen Sturz hätte der Worg auch nichts mehr retten können.
"Während die Sonne aufgeht.."
Er suchte nach Worten.
Wie sollte er das erklären?
Er kannte seinen Knappen gut genug um zu wissen, dass er diese Art zu denken nicht nur kannte, sondern sie sein Eigen nannte.
Der Ritter fühlte sich gerade schrecklich alt. Er presste die Augen zusammen.
"Den Inhalt der Flasche übereignete ich den Göttern und machte mich auf den Rückweg. Auf halber Strecke..."
Er zog die Stirn kraus.
"Das nächste, woran ich mich erinnere ist auf Ljerkas Behandlingstisch aufgewacht zu sein. In eben dieser Halbgestalt. Ist mir seid Jahrzehnten nicht gelungen. In menschlicher Gestalt wären dir Verletzungen tödlich verlaufen."
Er schluckte. "Reuven und sein Mädchen haben mich gefunden und zu den Heilerinnen gebracht."
Wieder stockte er, suchte nach Jakobs Blick.
"Es tut mir leid, dir Sorge bereitet zu haben."

Jakob hörte schweigend zu, wie es eben seine Art war. Er gab mit keinem Laut, keiner Regung oder Miene zu erkennen, was er von all dem hielt, während im Gegensatz dazu mannigfaltige Emotionen über Jarels Züge huschten. Neben verkniffenem Schmerz, wenn sein Knappe ihn in die Kleidung manövrierte. Werwölfe als Resultat eines Virus. Er kannte die Theorie, aber die meisten Lehren taten diese als überholt ab, da es in Jakobs Realität nur geborene, nicht aber gewandelte Werwölfe gab. Anders als bei den Vampiren. Aber er sollte Jarels Terminus annehmen, denn der schien zu unterscheiden - Worg oder Werwolf. Worg also. Ein Wolf, geschaffen durch einen Virus. Das hörte sich schon wieder so verrückt an, aber diese Realität war auch verrückt, wieso sollte es dann nicht noch verrücktere geben? Er konnte es akzeptieren. Er hatte schon viel akzeptiert.
Seine Augen folgten Jarels steifen Bewegungen, als dieser sich auf das Bett setzte. Er sah schrecklich müde aus, mühte sich in die Stiefel und wieder half ihm sein Knappe wortlos dabei, die Schnallen zu schließen. Dann blieb er einfach auf dem Boden vor Jarel sitzen, die Beine angezogen, die Arme auf den Knien ruhend und hörte weiter zu. Ein Berg. Eine Flasche. Ein Sonnenaufgang am Abgrund. Er wusste, wovon Jarel sprach, auch wenn seine Abgründe andere waren und auch seine Sonnenaufgänge hatten ein anderes Gesicht. Zumindest früher. Hier hatte er den Impuls lange nicht mehr gehabt, aber er wusste. Ahnte zumindest.
Ein Teil von ihm geriet durch diese Erkenntnis ins Stocken. Er hatte angefangen, sich selbst an Jarel abzustützen - an dessen Sicherheit und Ruhe. Der Ritter wurde zusehends zu einem wichtigen Anker für seinen Wankelmut und ein Dämpfer für seinen Jähzorn. Zu wissen, dass auch er nicht frei von solchen Krisen war, selbst manchmal nicht wusste, was er tun sollte und dann zu derlei Ritualen griff, brachte Jakob innerlich ins Wanken.
Er redete sich zu, dass auch Jarel nur ein Mensch war, mit einer Geschichte, Sorgen und Ängsten. Es war nicht leicht. Er atmete durch - und der Worg war die einzige Rettung gewesen, sonst säße er nun nicht vor ihm. Jakobs Augen lagen nach wie vor unverwandt auf Jarels Züge, graue und grüne Iriden, die im schräg einfallenden Licht der ersten Sonnenstrahlen noch heller wirkten als sonst. Doch nicht so kalt. Das Sonnenlicht wärmte selbst die kältesten Farben auf.
Jakob dachte nach und wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Er wusste nicht einmal, was er fühlte. Er war froh, dass Jarel vor ihm saß - angeschlagen, aber in einem Stück. Er war irritierte von dessen plötzlicher Offenheit und die Informationen musste er noch für sich verarbeiten.

Und dann war da die Entschuldigung. Bei ihm. Damit konnte er im ersten Moment auch nicht so recht umgehen, denn es hatte sich noch nie wirklich jemand dafür interessierte, dass er sich Sorgen gemacht haben könnte. Er war doch nur der Beobachter am Rand. Er fragte sich vielleicht, wieso eine Routine heute anders war als all die Tage zuvor, aber er machte sich doch keine Sorgen. Nein.
Jakob ließ die Knie zu den Seiten kippen und umfasste seine Knöchel mit den Händen, während sein Blick tatsächlich unstet wurde und umher wanderte. Das Maximum einer äußerlichen Regung, die sein inneres Chaos dafür umso deutlicher zeigte. Schließlich blieb sein Blick auf dem Boden vor seinen Füßen kleben, die Schultern gespannt wie eine Bogensehne.
"In Flagstaff brachten sie uns bei, dass man auf den Werwolf schießt, sobald er Anzeichen macht, sich zu verwandeln. Sie brachten uns bei, auf den Schädel zu zielen. Mit Silber. Und keine Fragen zu stellen, denn ist er erst verwandelt, verliert er alle Menschlichkeit und wird angreifen. Menschen sind sein Futter.", sagte er sehr tonlos, als rezitiere er aus einem Lehrbuch. Eine Konditionierung, die den Worg in Velen fast das Leben gekostet hatte. Den gleichen Worg, der Jarel nun das Leben gerettet hatte. Welch Ironie.
"Über die Jahre haben sie mir auch beigebracht, dass ich mich auf niemanden verlassen sollte." Ungewollt, sicher, aber nichtsdestotrotz wahr.
Endlich zerrte er den Blick wieder nach oben. Kühl und klar wie immer.

Jarel verbarg seine Gefühle vor Jakob nicht. Und auch wenn Jakob seinerseites kaum eine Regung zeigte, allein seine Körperhaltung zeigte alles.
Er war überfordert. Und aufgebracht.
Auf niemanden verlassen...
Auch auf ihn nicht. Jarel rechnete fest damit, dass sein Knappe enttäuscht war. Von ihm. Durchaus verdient.
"Ich bin hier, Jakob. Ich bin nicht ohne Fehl und habe eine Vergangenheit hinter mir, für die dein Orden mich gerichtet und verbrannt hätte. Ich trage Lasten auf der Seele, die dunkler sind als die finsterte Nacht, aber ich bin hier. Auch wenn ich die Vergangenheit immer wieder aufs neue verabschieden muss, so liegt sie doch hinter mir. Und einer der Gründe, warum ich hier bin, bist du." Er atmete kurz durch.
"Ich werde mir dein Vertrauen zurück verdienen." Jarel klang müde, aber der Brustton der Überzeugung übertönte dies beinahe vollständig.
Jakob brauchte Zeit. Und er musste sich zurückmelden.
Der Ritter erhob sich und hielt Jakob die Linke hin.
"Komm. Ich sollte mich beim Großkomtur melden, je schneller ich das hinter mir habe..."
Er grinste schief. Und zwinkerte.
"Ich werde heute Abend bei den Apfelbäumen sein, wenn du reden willst..."

Jakob nahm ohne zu zögern die dargebotene Hand, kam jedoch auf die Füße ohne auch nur ein Gramm seines eigenen Gewichts daran zu hängen. Jarel musste jede Bewegung Schmerzen bereiten. Er musterte seinen Ritter wieder. Seinen Ritter. Ja, er wusste all das, was Jarel sagte natürlich. Oder ahnte es zumindest. Er war ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit vielen Jahren voller Dinge, die sich der junge Mann nicht vorstellen konnte - oder es sich nicht vorzustellen wagte. Er wollte irgendetwas sagen, irgendetwas Versöhnliches. Wieso war das nur immer so verteufelt schwer?
"Dafür müsstest du es erstmal verloren haben.", murmelte er also das Erstbeste, was ihm in den Sinn kam. Eine Halbwahrheit? Für seinen Kopf die Wahrheit, für sein Herz eine Lüge. Reden... er nickte kaum merklich. Ja. Reden. Wie immer. Reden, obwohl er nie wusste, was er sagen sollte.

Auf dem Weg zur Tür fand die Verwandlung statt, die Jakob schon so oft gesehen hate.
Beireits mit der Hand auf der Klinke straffte sich die Gestalt des Ritters. Haltung, unnahbarer Gesichtsausdruck, keine Spur von Schmerzen, noch weniger von Müdigkeit.
Keine Schwächen zeigen. So wie er sich jetzt gab rechnete man jederzeit damit, dass er das Schwerz ziehen und in die Schlacht ziehen würde.
Einzig die langen schwarzen Haare lagen offen auf seinen Schultern. Sonst war es, als wäre nie etwas gewesen.
Aus dem Weg zum Hauptgebäude trennten sich die beiden. "Bis nachher.", unterstrich Jarel seine Hoffnung und schlug den Weg zu Helbels Büro ein.
Kurz und energisch klopfte er an.

"Na sieh einer an, was der Wind uns da herein geweht hat.", sagte Ealco Helbel, nachdem er sein 'Herein' erbeten hatte und der Ritter eingetreten war. Er hatte sich sogleich erhoben, auch wenn er selbst kein Ritterbuder war und außerhalb irgendwelcher Rangfolgen stand. Er lächelte schmal. "Es freut mich, Euch auf den Beinen zu sehen, Klingenmeister Moore." Ealco würde es nie müde werden, Jarel bei dem Titel anzusprechen, den er inne hatte, auch wenn er ihn selten offen führte. Reine Formsache. Die Dinge mussten ihre Ordnung haben.
"Ihr wollt zum Großkomtur, nehme ich an?"

Der Ritter deutete eine Verbeugung an. Und nickte.
"Ja. Wollte mich persönlich zurück melden." Die Haltung war fast perfekt, die Stimme beinahe ohne Zittern.
Fast...beinahe... Wenzel von Herrenloh würde es merken. Aber da Sarray Berichte geschickt hatte, wusste er ohnehin Bescheid.
Es würde kommen, was kommen musste.

Ealco umrundete seinen wie immer penibel geordneten Schreibtisch, klopfte kurz an die schwere Holztür zur Linken Jarels und öffnete nach kurzem Lauschen.
"Sir, der Herr Klingenmeister.", meldete er Jarel an und trat dann aus dem Weg, um den Ritter durchzulassen.
Wenzel saß wie üblich hinter seinem Schreibtisch, doch als Jarel eintrat, ließ er die Feder sinken und erhob sich, kam herum und eilte auf den Ritter zu.
"Jarel, beim Licht. Es tut gut, dich aufrecht zu sehen. Ealco! Hol uns was zu trinken. Jarel, komm, setz dich."

Der Ritter erstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet. Mit einer Rüge. Strafe vielleicht.
Aber nicht damit, auf ein Getränk eingeladen zu werden.
Entsprechend entgleiste ihm eine Sekunde die immerfeste Miene zu einem dusseligem Gesichtsausdruck, bevor er sich wieder fing.
Und ganz so verhärtet wie zuvor sah er auch nicht aus, als er umständlich Platz nahm.
"Ähm...Danke, Gr...Wenzel..." Noch immer irritiert suchte er nach Worten. Fand aber keine.

"Schau nicht so, das steht dir nicht." Er hatte Jarel zu der kleinen SItzgruppe begleitet, die ebenfalls in diesem Raum stand und für weniger amtliche Gespräche diente. "Was hast du erwartet? Das ich dir den anderen Arm auch noch breche?"

Der Ritter schmunzelte. Tja, womit hatte er gerechnet?
"Zumindest hatte ich erwartete stramm stehen zu müssen." Er senkte kurz den Blick und lehnte sich zurück.
Sessel. Bequem. Sehr bequem. Nur nicht einschlafen.
Noch immer wusste er nicht recht etwas zu sagen. Das war so unangenhem, dass er sich beinahe den befürchteten Einlauf stattdessen wünschte.
"Ich bin Jakob gerade begegnet." Nun konnte er sich ein Grinsen doch nicht verkneifen.
"Welch wohlfeiler Duft.", feixte er. Und schon wieder gingen ihm die Worte aus.

Ealco trat ein und stellte ein Tablett mit einer Teekanne und zwei Tassen ab. Aus der geschwungenen Tülle stieg der Duft von Salbei und Melisse. Wenzel krauste die Stirn. Melisse. Überall. Der Adjutant verschwand wieder.
"Jarel, du bist ein Ritter mit allen Rechten und Pflichten, dazu gehört, dass du kommen und gehen darfst, wie es dir beliebt. Längere Abwesenheiten mal ausgenommen." Wenzel lehnte sich ebenfalls zurück und musterte seinen ehemaligen 'Schüler', nun Ritter aus seinen eindringlichen, grauen Augen. Bei dessen Bemerkung schmunzelte er leicht.
"Tyssen ist zuweilen kreativ. Zu Merowens Zeiten hätte es die Peitsche gegeben." Was für Ritter galt, galt für Knappen keineswegs. Diese hatte die Komturei nicht zu verlassen, es sei denn an der Seite ihres Ritters oder mit spezieller Erlaubnis.
Wenzel nahm seine Tasse und nippte vorsichtig. "Sag also, wie geht es dir? Hat sich diese...", er korrigierte sich, "...hat sich Madame Cestay gut um dich gekümmert?"

Jarel nahm die Tasse mit der Linken und nickte Ealco dankbar zu.
"Es ist so weit in Ordnung. Braucht wohl noch Zeit." Er zuckte mit den....nein. Er zuckte nicht mit den Schultern. Schon bei der Andeutung dieser Geste kam ihm siedend heiß in den Sinn, dass das keine gute Idee war.
"Und ja, Madame Cestay und Madame Veskewi haben sich sehr gut gekümmert. Ich schulde beiden etwas. Die Kleine hat ganz schön Feuer im Hintern. Und Ljerka ist in ihrem Metier wirklich ein Meister. Eine Meisterin...", verbesserte er sich.
"Ich verdanke den beiden mein Leben." Er nickte ernst und nahm einen Schluck Tee. Den Kaffee bei den beiden würde er vermissen. Und die beiden auch. Vor allem Ljerka....
Einen Moment gerieten seine Gedanken auf abwegen. Er räusperte sich.
"Ich denke morgen werde ich in der Küche aushelfen können." Untätig sein lag ihm gar nicht. Obwohl....jetzt gerade war ihm sehr wohl danach.
'Verdammt, konzentrier dich.'

"So.", machte Wenzel, stellte seinen Tee ab.
"Ich habe mich nur gefragt, was diese beiden... Anderlinge so besonderes können, wozu unser Großspittler und seine Medici nicht in der Lage sind.", tat der Komtur nun doch den Schritt dorthin, wo ihm der Schuh in der ganzen Sache drückte.

Die Frage hatte er erwartet. Aber eine rechte Antwort dazu...hoffentlich schluckte Wenzel diese Kröte.
"Es war neben den beiden und dem Hexer noch eine weitere Person beteiligt. Magisch begabt. Und....möchte ungenannt bleiben."
Er nahm einen Schluck Tee. "Ich sollte ihn eigentlich nicht einmal erwähnen."
Er sah dem Großkomtur direkt in die Augen. Er log nicht. Und das würde er sicher spüren.

Wenzel erlaubte sich einen Seufzer und legte seine Finger aneinander. Jarel nahm in seinem Dunstkreis eine besondere Position ein, trotzdem fiel es ihm nicht immer leicht, offen zu bleiben.
"Jarel, ich weiß, du kommst von einem Ort, an dem Magie zum Alltag gehört. Azeroth." Er sagte es merkwürdig, wie ein Wort aus einem Märchen.
"Aber der Hierarch und auch der Großmeister sehen Magie als etwas an, was nicht in unsere Theologie passt. Halte dich also zurück mit Kontakten zu Magiern." Es lag keine Anklage und auch keine Drohung in seinen Worten, eher Sorge. Doch wie von Herrenloh zu manchen Ansichten des Ordens stand, das blieb wohl sein Geheimnis.

Jarel nickte. "Werde ich.", versicherte er. So wenig Kontakt wie möglich. Obwohl er bezweifelte, dass er die Bestie jemals loswerden würde. Und auch nicht wusste, ob er das überhaupt wollte.

Die beiden plauderten über belangloses und die Vergangenheit, doch lange dauerte das Gespräch nicht. Wenzel von Herrenloh blieb nicht verborgen, wie laut das Bett seines Ritters nach ihm rief.
Sie hatten noch genug Zeit zum Reden.
Keine Stunde später schloss Jarel endlich die Tür seiner Hütte hinter sich, schaffte es noch das Feuer zu schüren die Schuhe auszuziehen, und schlief ein, kaum dass sein Haupt das Kissen berührte.
Erst am Abend kam er wieder zu sich. Gerade rechtzeitig zu seiner "Verabredung" mit Jakob.
Nun, eher ein Angebot, aber er hoffte einfach, der Knappe würde es annehmen.
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Jakob von Nagall
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Jakob saß den Vormittag über in der Werkstatt des hier ansässigen Schmieds und Rüstungsmachers und flickte ein Kettenhemd. Wer auch immer es getragen hatte, es hatte ihm wohl nicht sonderlich viel geholfen, denn auf der Vorderseite prangten neben einigen Löchern, drei Risse, von denen verborgene Ringe in alle Richtungen abstanden. Oder besser abgestanden hatten, denn Jakob hatte alle beschädigten Ringe inzwischen entfernt, das Hemd von Blut und anderem Unrat gesäubert und war nun seit drei Tagen dran, unter Anleitung des Meisters neue Ringe einzufädeln. Er lernte schnell, der Schmied ließ ihn inzwischen in Ruhe machen und schaute nur ab und an nach dem Rechten. Handwerklich war Jakob schon immer geschickt gewesen, auch wenn es eher Autos und Motorräder gewesen waren, die er Kraft seiner zwei Hände wieder zusammen gesetzt hatte.
Die Arbeit hatte Vor- und Nachteile. Zwar konnte er seine Hände mit etwas Sinnvollem beschäftigen und die Zeit ging dabei vorbei, aber sein Kopf drehte sich währenddem um allerlei Gedanken. Das Gespräch mit Jarel ging ihm nicht aus dem Kopf – immer und immer wieder drehte er die Worte von links nach rechts, fragte sich, was ihn eigentlich so ins Schlingern gebracht hatte. Er war doch kein Kind, der an den Rockschößen dieses Mannes hängen musste. Er konnte allein stehen. Er hatte immer allein gestanden und es hatte irgendwie funktioniert. Hilf dir selbst – seit Jahren sein Leitspruch.
Selber stehen.
Selber laufen lernen.
Und trotzdem…

Nach der Nachmittagsandacht hatten die jüngeren Knappen, zu denen Jakob zwar nicht alters- aber doch ausbildungsmäßig zählte, noch eine Stunde Lehre im Glauben der Ewigen Flamme. Die ewige Grübelei und die daraus erwachsende Unsicherheit hatten ihn über den Tag bereits zerrieben, innerlich wund und reizbar gemacht. Seine Laune war mies, als er in der Kapelle ankam, in der Bruder Siegismund seinen Unterricht abzuhalten pflegte.
Normalerweise ließ er den Stoff einfach über sich rieseln, antwortete nur, wenn er gefragt wurde, aber heute ärgerte ihn der Bruder mit seinen teils recht radikalen Ansichten über Sünder, falsche Götter und wie mit deren Anhängern umzugehen sei. Das Problem war dabei, dass Jakob ein gutes Gedächntis für Texte aus den heiligen Schriften hatte und den ehrwürdigen Bruder mit seinen eigenen Waffen zu bedrängen begann. Die anderen Schüler blickten nur halb fasziniert, halb entsetzt von einem zum anderen, bis Siegismund schließlich der Kragen platzte. Jakob hatte ihn in eine Ecke gespielt, was schon bei den Lehrern in seinem Gymnasium nie eine gute Idee gewesen war und auch der Mönch reagierte darauf eher aufgebracht.
„Es reicht, von Nagall! Nach der Stunde kommst du mit mir ins Skiptorium und wirst zehn Mal die Sieben Lehren des Vynklit von Eesterfeld abschreiben! Danach wirst du verstanden haben, wieso man mit Herätikern keine Gnade haben darf!“, rief der Bruder schneidend und selbst der wutschäumende Jakob sah ein, dass dies das letzte Wort war und jedes Widerwort nur die Strafe vertiefen würde. Er schluckte also seine Wut hinunter, presste die Lippen aufeinander und sagte den restlichen Unterricht kein Wort mehr.
Er kritzelte.
Eine kleine Notiz auf ein gerademal handtellergroßes Stück zerbrochenen Schiefers. Die hiesige Form des Spick- oder Gesprächszettels unter den Schülern. Er drückte es einem der anderen Knappen in die Hand, mit der Bitte, die Nachricht am Abend zu Jarel in den Obstgarten zu bringen. Sie lautete: Memo: Bruder Siegismund nicht mit Argumenten kommen. Nachsitzen im Skriptorium. J.
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Der Ritter saß nachdenklich auf einer Bank und behielt das Gelände mit den Apfelbäumen im Blick.
Er maß Jakobs Kommen oder Wegbleiben viel Gewicht bei.
Es hatte sich richtig angefühlt so ehrlich und offen zu sein. Befreiend von seiner Warte aus.
Doch was bewirkte es bei dem sensiblen Jungen? Nahm er ihm damit Sicherheit?
Oder baute er damit Vertrauen auf?
Würde er erscheinen, würde sich ihm vielleicht die Möglichkeit auftun es herauszufinden und gegebenenfalls Schadensbegrenzung zu betreiben.
Jakob erschien nicht. Stattdessen einer der anderen der Adepten. Etwas verunsichert suchte der Junge etwas. „Mirosch?“ Kaum hatte Jarel den Jungen gerufen, trabte dieser auf ihn zu.
Hatte er sich versehentlich im Schatten vorborgen? Oder war der Adept so abgelenkt gewesen?
„Vom Knappen Jakob.“, sprachs und drückte ihm das Schieferstück in die Hand.
Etwas mulmig nahm der Ritter es an sich und las den Text. Zwei Mal.
Dann begann er erleichtert zu lachen und gab dem Boten die Tafel zurück.
„Richte ihm aus, er soll auf seine Handschrift achten und…viel Spaß.“
Damit schickte er den Jungen zurück. Eine Weile noch bleib er sitzen, bevor er sich erhob und die Küche ansteuerte. Mal sehen, ob es irgendetwas essbares zu finden gab.
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Von hier!

Den Rückweg brachte der Ritter gedankenverloren hinter sich.
Einen ausholenden Schritt nach den anderen ging er den Weg, den er bereits im Schlaf fand. Und das war auch gut so, denn er war nicht wirklich bei der Sache. Und obwohl er weder Rüstung noch Wappenrock trug, reichte seine düstere Mine um den Weg frei zu machen.
Irritiert sah er auf, als er vor den Toren der Komturei stand. Er war da. Den kompletten Weg aber konnte er nicht in seinen Erinnerungen abrufen.
Egal. Völlig egal. Er war da und machte sich bereit den Einlauf seines Lebens zu bekommen, denn es war das erste Mal, dass er so tiefgründend versagt hatte.
Und es würde das erste Mal sein, dass er Wenzel bewusst belog. Sicher, verschwiegen hatte er schon einiges, aber bewusst und mit voller Absicht belogen? Noch nicht einmal.
Kurz meldete er sich bei der Wache und betrat dann – noch immer mit einem Gesicht wie sieben Tage Schlagwetter – das Gelände.
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Weit musste Jarel nicht gehen und vielleicht fiel ihm rechtzeitig auf, wie die Wachen am Tor in Hektik verfielen und zusätzlich zur Mannpforte eilig einen Flügel öffneten. Hufgetrappel folgte und drei Pferde platzen durch die Lücke, warfen Hufe und Köpfe, Schabracken wehten, Metall klirrte. Drei Ritter in Kette und Wappenrock kehrten unübersehbar in die Komturei zurück, ihre Pferde ausgestattet, als kämen sie von der Front und nicht aus dem anderen Teil der Stadt. Hinter ihnen fiel das Tor krachend wieder zu und der Balken in die Haken.
Wenzel von Herrenloh trug alle Insignien seines Amtes und hielt seinen Rappen direkt bei Jarel an, kaum hatte er diesen erspäht. Erstaunlich gewandt für einen Mann seines Alters, noch dazu mit dem schweren Kettenhemd und dem Langschwert, sprang er aus dem Sattel. Das Pferd ließ er einfach laufen und überließ es seinen Begleitern dieses einzufangen und den Knappen zu übergeben, die im Stall ihren Dienst versahen.
"Klingenmeister, ausgezeichnet, Ihr seid bereits zurück." Er hatte Jarel längst erkannt und wenn er sich an dessen Aufzug störte, so zeigte er es zunächst nicht. Das vertrauliche 'Du' war bei Wenzel nur privaten Unterredungen vorbehalten und kein Hinweis auf etwaige Launen. Überhaupt trug er als offizielle Person stets eine neutrale Miene zur Schau und sprach in festem, ruhigen Ton, solange andere Ordensbrüder zusahen oder -hörten.
"Erinnert Ihr Euch an die Hexe, die Jeconte vor zwei Jahren davon gelaufen ist?" Wenzel redete, während er mit langen Schritten auf das Gebäude zuging, gewohnt, dass jeder seiner Ritter, hatte er ihn erst angesprochen, sich an seine Fersen heftete, bis der Großkomtur ihn wieder entließ. "Dem Hierarchen haben göttliche Stimmen geflüstert, dass sie noch immer ihr Unwesen treibt und Dijkstra eine Belohnung auf ihren Kopf ausgesetzt hat." Da war keinerlei Spott in seiner Stimme, auch wenn Jarel wusste, dass Wenzel seine Zwistigkeiten mit dem Oberhaupt ihres Glaubens hatte und damit im privaten Umfeld auch selten hinter dem Berg hielt. Sie traten in den Schatten der großen Halle.
"Seine Heiligkeit ist der Ansicht, dass nicht weltliche Macht diesem Treiben ein Ende machen kann, sonder dass nur das Ewige Feuer die Hexe wirklich bannt." Endlich blieb Wenzel stehen, den Blick auf seinen Handschuhen, die er säuberlich von den kräftigen Händen zupfte. Die Hände eines Schwertkämpfers, voller Schwielen und Narben. Dann endlich sah er Jarel ins Gesicht.
"Kurzum: er will, dass wir sie vor Dijkstra und seinem Emporkömmling fangen." Eben ein klassischer Schwanzvergleich. Er hielt kurz inne, krauste kaum merklich die Stirn. Doch es blieb die einzige Reaktion auf Jarels bunt dekoriertes Gesicht. Sie alle führten ein nicht ungefährliches Leben, auch wenn er gedanklich kurz daran stolperte, dass der Ritter vor ihm eigentlich hatte ins Waisenhaus nach Wyzima reiten wollen. Aber gut, die Wege waren unsicher heutzutage.
"Nehmt Euch der Sache an. Sagt mir welche Männer Ihr wollt und was Ihr braucht. Der Hierarch hat deutlich gemacht, dass er keine Aufwände scheut." Einen Moment lang wirkte er, als wolle er noch etwas hinzufügen, besann sich aber dann.
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Jarel Moore
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Jarel war tatsächlich gefolgt, kaum dass sich Wenzel in Bewegung gesetzt hatte.
Mehr noch, er hatte automatisch Haltung angenommen und aufmerksam gelauscht.
Ob er sich an die Hexe erinnerte? Konnte man ein Wesen vergessen, dass nicht verbrannt war, sondern sogar in den Flammen die Macht besessen hatte, einem beliebigen Zuschauer den Willen zu brechen und sich befreien zu lassen?
Ob er sich an die Tage danach erinnerte, in denen er immer wieder zu eruieren versucht hatte, was damals schiefgelaufen war und warum er selbst nicht einzugreifen vermochte?
„Ich erinnere mich.“, erklärte er heiser und folgte seinem Schwertherrn mit den Händen an der Hosennaht. Für sein Alter war von Herrenloh verdammt schnell. Er hatte einen so weit ausholenden Schritt drauf, dass Jarel seine Schrittlänge anpassen musste, um nicht zurückzubleiben. Ohnehin war die Erscheinung des Großkomturs in der Art beeindruckend, dass ihm die gesamte Aufmerksamkeit der Komturei galt als wären sie alle Kompassnadeln und er der magnetische Pol.
Die Hexe vor Djekstra und seinen Vasallen fangen.
Das hieße, die Hexe vor Slava zu fangen.
Ein Konkurrenzkampf mit dem Mann den er…
Er blinzelte kurz und unterdrückte mit fest zusammengekniffenen Lippen ein lautes Lachen. Wenn er jetzt anfangen würde zu lachen, er würde nicht mehr aufhören können. Vielleicht nie wieder.
Sein Verstand bog sich wie ein alter Baum in einem gewaltigen Sturm. Ob er flexibel genug war nicht zu zerbrechen und fest genug verwurzelt um nicht fortgerissen zu werden, würde sich noch zeigen.
Vielleicht sogar noch heute.
„Großkomtur, bevor ihr mich mit einer solchen Aufgabe beehrt, bitte ich um eine Unterredung.“
Der Ritter schluckte. Er versuchte entschuldigend zu Lächeln, doch dass misslang. Seine Miene gehorchte ihm nicht.
„Unter vier Augen.“
Jarel war, als hätte jemand sein Rückgrat durch ein Konstrukt von gespannten Drähten ausgetauscht. Und alle Drähte zogen in verschiedenen Richtungen. Trotzdem bemühte er sich nichts anmerken zu lassen.
Haltung. Durchatmen. Nicht den Verstand verlieren.
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Etwas überrascht hielt Wenzel von Herrenloh inne. Er hatte sich gedanklich schon abgewandt, selbst seine Füße deuteten diese bereits an: die Spitze des rechten Stiefels hatte sich bereits einige Zentimeter nach außen gedreht. Er hatte offenkundig nicht damit gerechnet, dass Jarel den Auftrag nicht sofort annehmen und statt dessen noch um etwas mehr Zeit bat. Zeit, die von Herrenloh gerade eigentlich nicht hatte. Aber dies war etwas, was sich der Großkomtur niemals anmerken lassen würde. Er war nicht nur weltliches, sondern auch geistliches Oberhaupt dieser Komturei und würde niemals einen seiner Ritterbrüder fort schicken, wenn dieser um sein Ohr bat. Auch wenn es hieße, die eigentlich anstehenden Aufgaben bis tief in die Nacht zu verschieben. Also forschte er nur kurz in den Zügen seines langjährigen Wegbegleiters, fand scheinbar etwas in dessen Augen, was ihn umgehend dazu brachte, knapp zu nicken und wandte dann noch einmal kurz den Kopf, weil eine Bewegung am Rande seines Sichtfeldes seine Aufmerksamkeit abzog.
"Tyssen!", befahl er den Urheber dieser Bewegung zu sich. Das Auftauchen des Komturs bewirkte zum einen, dass die Aufmerksamkeit aller sich auf diesen richtete - steckte der Komtur dann auch noch die Köpfe mit seinen führenden Rittern zusammen, richteten sich auch noch aller Ohren aus. Und einige waren von der besonders neugierigen Sorte. Tyssen stand ganz oben auf dieser Liste - weniger weil er das Wissen weiter tratschen wollte, als um sich immer wieder Lücken zu suchen, sich zu profilieren - und sogleich stramm neben den beiden älteren Rittern. "Plenius Lichtel Hemmelfart, der... Neffe... von Hochwürden trifft am Nachmittag ein. Hochwürden wünscht, dass wir aus dem Jungen einen Ritter machen. Sorgt dafür, dass sein Gepäck verwahrt wird und er untergebracht ist, bis ich entschieden habe, wer sich mit ihm auseinander setzten wird." Mit anderen Worten ein reicher, verzogener Bastard des Hierarchen würde mit Pomp und Gloria hier einziehen und Wenzel hatte den festen Vorsatz dem Bengel Armut und Manieren beizubringen, ganz gleich wessen Stammes Abkömmling er war. Es war nur noch nicht klar, welcher der Ritterbrüder den schwarzen Peter bekommen würde. Tyssen salutierte und eilte davon, von Herrenloh winkte alsdann Jarel, ihm zu folgen.
Sein Büro lag in einem der oberen Geschosse, die Treppen dort hinauf schienen den Großkomtur nicht sonderlich zu stören. Er wurde kaum langsamer, platzte dann energisch wie immer ins Vorzimmer seiner Amtsstube, wo Ealco Helbel nur kurz den Kopf hob, nickte und sich dann wieder dem Dokument zuwandte, in dem er eifrig kritzelte. Von Herrenloh grüßte knapp, querte dann das kleine Vorzimmer und überließ es Jarel, die Tür zum eigentlichen Arbeitszimmer hinter ihnen zu schließen. Erst hier erlaubte er sich, dem Druck von Kette und goldenen Insignien etwas nachzugeben und den Rücken zu beugen. Er legte den Umhang ab, streifte auch die Amtskette ab und warf alles recht achtlos auf einen Stuhl. Am liebsten hätte er auch das Kettenhemd ausgezogen, doch dann stünde er nur noch in Hosen und dem gesteppten Wams vor Jarel, und das wollte er dann doch nicht.
"Also, was gibt es?", fragte er ruhig. Er war stehen geblieben. Sich im Kettenhemd zu setzen war fast noch unbequemer als damit zu reiten.
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Der Schattenläufer war auf dem Fuße gefolgt, hatte den Buchhalter nicht einmal angesehen, war direkt hinter dem Großkomtur eingetreten und schob nun erstaunlich leise die Tür ins Schloss.
Einen Moment blieb er noch so stehen und atmete durch, rang mit sich.
Seinen Vorgesetzen einweihen?
Selbst wenn dieser es für sich behielt und ihn nicht auf den Scheiterhaufen stellte oder ihn spurlos verschwinden ließ…dann würde es IHN belasten.
Es galt also zu lügen. Gut zu lügen. Noch hielt er den Blick gesenkt. Er musste sich in die Lüge erst einfinden.
„Es ist etwas vorgefallen in Wyzima.“, begann er, drehte sich zu Wenzel um, schluckte und sah ihm direkt in die Augen.
Er stand stramm – wie es sich gehörte und einzig in den dunklen Augen des Mannes war vielleicht – und auch nur, wenn sein Gegenüber aufmerksam genug war – zu erkennen wie müde der Ritter war.
Wie aufgebracht und vor allem…durcheinander.
Er war ein guter Lügner. Egal wie leid es ihm tat, diese Begabung musste er jetzt einsetzen.
„Wir hielten uns im Tempelgarten auf, als sie ein Portal öffnete. Es spie einen Dämon aus. Einen leibhaftigen Dämon mit Hörner, Schweif, roten Augen.“ Das ließ er erst einmal einige Sekunden wirken und nutze die Zeit seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen.
„Jakob und ich brachten ihn nur mit größter Mühe unter Kontrolle. Er wurde gebunden und in die Wache verbracht. Nach einigen…nun sagen wir Territorialkämpfen konnte ich unsere Brüder in Wyzima davon überzeugen, ihn uns zu übergeben. Ich wollte ihn selber befragen. Hier.“

Jarel schluckte und senkte den Blick. Er wollte genau so aussehen, als würde ihn sein Versagen schwer die Schultern niederdrücken. Als würde er die Strafe erwarten. Wie ein geprügelter Hund.
„Er entkam auf dem Rückweg.“
Einige Sekunden presste er die Lippen aufeinander, verwundert darüber, wie wenig sein Gewissen ihn in dem Moment biss. Es war doch mehr aus von seinem alten ich übrig, als er gedacht hatte.
Mehr vom Schattenläufer und Auftragsmörder als geahnt.

„Bist du dir sicher, Wenzel, dass ich es sein soll, der auf die Jagd auf die Hexe geht in Anbetracht dessen, was geschehen ist?“

Der Ritter legte den Kopf minimal schief bei der Frage. Jetzt ging es um alles oder nichts.
War der Bluff gelungen, oder war dies sein letzter Tag in Freiheit.
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