Iola stand am Brunnen und hing ihren Gedanken nach.
Ihr Tempel strahlte einladende Wärme aus, Licht und Geborgenheit. Der Tempel der Ewigen Flamme jedoch erschien ihr immer eher einschüchternd als freundlich.
Und dass, obwohl ihr engster Kontakt der Ritter war, der sie einst aus einem brennenden Gebäude gezogen hatte.
Trotzdem hatte sie angenehmes Herzklopfen und ein wunderbar warmes Gefühl im Magen.
Hoffentlich blieben Jakob und Jarel noch ein paar Tage, selbst wenn der Knappe nicht mehr bei ihr liegen würde. Wenn er seiner Ankündigung nachkam.
Die Schwester seufzte und setzte sich auf die Kante des Brunnens und hing ihren Gedanken nach.
Hoffentlich war der Abschied von den beiden noch lange hin
Sie folgte ihm vom Gelände des Tempels wieder hinein in die Stadt, wirkte erleichtert, als die hoch aufragenden Mauern sie frei gaben. Die tief stehende Sonne färbte Häuser rot und legte lange Schatten in die Straßen, Händler und Handwerker schlossen ihre Läden, es wurde ruhiger in der alten Stadt.
Jakob ging eine Weile schweigend neben Iola her, die Worte des Bewahrers noch im Ohr und sich zugleich schmerzhaft der Anwesenheit der jungen Priesterin bewusst. Er konnte nicht leugnen, dass sie auf ihn wirkte - anders zwar, als Aria, deren Zauber wie ein Druck im Nacken war, aber doch auf ihre Art zauberhaft - und ertappte sich immer wieder dabei, sie aus den Augenwinkeln zu beobachten.
Auch er war nur ein Mensch, ein Mann und ihre Weiblichkeit war geradezu magnetisch. Nun, da er ihren Duft kannte, schien er überall zu sein, wollte ihn zwingen seine Nase in ihrem Haar zu vergraben, nur um möglichst viel davon zu atmen. Slava hatte es schon bei Aria kaltblütig Pheromone genannt - sollte er. Vermutlich hatte er Recht, aber eben diese nüchternen Pheromone spielten mit seinen Hormonen Hockey.
Mensch sein dürfen und trotzdem das Göttliche durch sich fließen lassen... Der Gedanke ließ ihn nicht los und mischte sich mit dem, was Jarel gesagt hatte. Konnte Liebe göttlich sein und damit rein? Aber Verlangen war nicht Liebe... All das war irritierend, aber bevor sein Verstand zu einem Schluss kam, entschied sein Körper.
Ehe er wusste, was er im Begriff war zu tun, schlüpften seine Finger zwischen ihre, gerade als der Schatten einer schmalen Gasse sie umfing.
Iola nahm das als Zeichen und schmiegte sich an ihn, verschränkte ihre Finger in seinen und strahlte ihn von der Seite her an.
Üblicherweise hadert sie nicht mit ihrem Schweigegelübte. Ich jetzt, in diesem Moment, hätte sie ihn zu gern gesagt, dass er sich nicht den Kopf zerbrechen sollte, daß sie durchaus wusste, auf was sie sich einließ.
Vermutlich würde er nie wieder bei ihr liegen, aber wer weiß... vielleicht konnte sie ihn wenigsten einen Kuss abluchsen.
Ihre Wärme drang durch den Stoff seines Hemdes, ihre Anschmiegsamkeit weichte ihn vollends auf. Impulsiv zog er ihre Hand mit seiner in seinen Rücken, drehte sie damit zu sich herum und strich mit dem Daumen der anderen über ihre Wange. Und wenn er in ewige Verdammnis stürzen würde, solange ihnen Melitele gewogen war, hatte er wenigstens eine Fürsprecherin unter den Göttern.
Sie lächelte und wurde eine Spur rot.
Auch ihre zweite Hand wandte, jedoch nicht in seinen Rücken sondern in seinen Nacken.
Bei der Göttin großer Güte, er war so hübsch.
Sie kam mit klopfendem Herzen ganz nahe, hob den Kopf, bot ihre Lippen und schloss erwartungsvoll die Augen.
Dieses Gefühl war so aufregend neu und wunderschön.
Jetzt wusste sie endlich, wovon die anderen sprachen.
Die Lawine rollte, kein Gedanke mehr an Götter, Tugend oder das Ende der Welt. Ihre Finger in seinem Nacken, ihr Körper gegen den Seinen gelehnt, tausend Funkenschläge in seinen Nerven. Ganz sacht, fast zögernd strich er mit den Lippen über Iolas. Was wusste er schon von Küssen? Kindliche Experimente und ein verhängnisvoller Morgen im Wald, eine Ewigkeit her. Er folgte nur seiner Intuition, kostete die zarte Berührung, so warm, so weich und innig.
Zitterndes Warten auf den rächenden Blitzschlag von oben... der ausblieb. Statt dessen einer mitten in seinen Magen, als der Kuss sich wie von allein intensivierte, ihre Zungenspitze vorwitzig die seine lockte.
Sein Kopf drohte jetzt schon auf Notstrom umzuschalten.
Kein Mann ist so stark wie du., hatte Aria gesagt. Doch er hatte sich verändert, vielleicht hatte Jarel ihn mit seinem Blick auf die Dinge verändert. Er konnte stark sein, doch er war auch verwundbarer geworden. Seine Nussschale hatte Milliarden Risse, fehlende Teile und das angreifbare Innere lag an vielen Stellen bloß. Iolas Zuwendung fiel auf fruchtbaren Boden, sickerte in seine Seele wie ein Regen nach jahrelanger Dürre.
Zum federleichtem Schmetterlingsflattern in der Magengegend und dem warmen Ziehen in der Leiste kam kam für Iola ein drittes neues Gefühl.
Das Gefühl von einer Hand voll Macht.
Hatte er sich ihr nicht vor kurzem versagt? Nun schicke sein Körper ganz andere Signale und Iolas schicke sie verstärkt unterstrichen und erhitzt zurück.
Sie spielte mit ihm, so wie er mit ihr spielte. Hier ein Kuss im Schatten, dort ein Streicheln in einer Gasse...
Auf den Wegen und wenn sie jemand sah mit disziplinierter Distanz, kaum allein das genaue Gegenteil.
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