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Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Dienstag 8. November 2022, 22:03
von Jakob von Nagall
Jarel war nicht nach scherzen zumute und Jakob zog bei seinen Worten kaum merklich den Kopf ein. Elfte Stunde. Bravo, direkt weiter in die Scheiße geritten. Vielleicht sollte er seine Notlügen das nächste Mal mit seinem Ritter abstimmen... Was war also wirklich passiert. Er überlegte einen weiteren Moment lang, wo er anfangen sollte - am gestrigen Morgen oder lieber gleich beim Punkt. Er entschied sich für Letzteres, schaute sich aber vorsichtshalber noch einmal nach dem Tempel um. Doch sie waren allein. Jakob senkte die Stimme trotzdem ein wenig.
"Henselt ist...", und schon stockte er, denn er musste feststellen, dass ihm das Wort in der Gemeinsprache fehlte. "...er hat Anfälle. Überreaktionen im Gehirn, mal mehr, mal weniger. Seine Familie hat ihn eigentlich zu den Priestern geschickt, nachdem die Exorzisten zu Hause keinen Erfolg hatten. Die haben alles nur schlimmer gemacht." Seine Stimmlage machte deutlich, was er davon hielt. "Er hat sich für den Orden gemeldet, einen Monat nach meiner Vereidigung und ist mir direkt bei seinem ersten Lauf auf der Blutschinde vor die Füße gefallen." Kurz huschte sein Blick zu Jarels Profil, bevor er ihn wieder auf den Weg fallen ließ. "Wir haben ein bisschen experimentiert und wissen einige Dinge, die er vermeiden sollte. Überlastung, starke Schmerzen, Fackellicht... Lief bisher ganz gut. Außer mir und seinem Ritter weiß niemand davon, weil der Weg sonst direkt wieder zu den Exorzisten geht. Grad die totalen Ausfälle sind schon... spannend."
So ausgesprochen hörte es sich total bescheuert an. Für seine Ohren, die in einer modernen Welt gewachsen waren.
"Gestern hab ich ihn bei den Waschzubern gefunden. Man darf ihn bei so einem Anfall nicht festhalten, sonst dreht das Gehirn völlig durch. Also hab ich nur seinen Kopf gehalten und gewartet. So mach ich das immer. Dann kam dieser Idiot dazu und macht so eine Geschichte daraus. Ich kapier einfach nicht, was ihm das bringt. Ich kannte ihn bis gestern noch nicht mal." Hemmelfart - den Namen kannte er natürlich. Aber was sollte der denn bitte von ihm wollen? Sie hatten nicht mal ein Wort gewechselt und schon versuchte er ihn zu denunzieren.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Dienstag 8. November 2022, 22:54
von Jarel Moore
„Hast du deswegen seine Strafe auf dich genommen? Damit er nicht vor versammelter Mannschaft den nächsten epileptischen Anfall bekommt?“ Ja, die Krankheit gab es auch in seiner Heimat. Und da gab es sogar Medikamente, die die Anfälle unterdrückten. Und einer der Männer, die vielleicht mehr darüber wussten war just hier angekommen. Aber bevor er seinem Knappen falsche Hoffnungen machte, musst er das alles erst einmal bestätigt wissen.
Jarel war stehen geblieben, hatte den Kopf gedreht und sah Jakob nun an. Die Spur eines Lächelns lag auf seinen Lippen. Und neben der Panik ein guter Schuss Bewunderung in seinem Blick und nun auch in seiner Stimme.
„Möchtest du, dass ich mit von Herrenloh darüber rede? Oder halten wir darüber Stillschweigen?“ Er überließ Jakob die Wahl. Er hatte ihm etwas anvertraut. Hatte sicherlich ein Versprechen gebrochen dafür. Dann sollte er auch wählen dürfen, was weiter geschah. Mit diesem Wissen konnte er die Strafe von von Herrenloh abwenden lassen. Und Jarel glaubte nicht daran, dass der Großkomtur aus der Sache mit der Epilepsie einen Fall für den Exorzisten oder Henselt verbannen würde.
Aber die Freundschaft der beiden wäre damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Geschichte. Und war es das wert? Wie viel war wahre Freundschaft in einer fremden Welt wert?
Die zu Ljerka würde er niemals verlieren wollen. Und er ahnte, Jakob ging es ähnlich.
„Zwölf Hiebe, Jakob. Hältst du das durch?“ Die nächste Frage war eine rhetorische. Er würde das durchhalten. Der Junge war zäh wie Ziegenleder.
„Den jungen Hemmelfart…halte dich fern. So fern du kannst. Seine Familie...“ Er zögerte, presste die Lippen zusammen und schwieg dann doch. Dieser Hinweis musste dem Knappen reichen.
„Halte dich fern. Ich versuche herauszubekommen, was er hier will und warum er es auf dich abgesehen hat.“ Er hoffte und betete nur, dass es dabei nicht um ihn ging.
Hemmelfart. Ausgerechnet Hemmelfart. Wieder kamen dem Schattenläufer die Worte aus dem Traum in den Sinn und mit ihnen war die Übelkeit schlagartig wieder da.
An diesem Morgen war er in einer für ihn beinahe heilen Welt aufgewacht. Jetzt war davon einiges wieder in einem tosenden schwarzen Meer aus Chaos versunken.
Trotzdem hatte er Möglichkeiten. Und die würde er nutzen.
Und wenn Jakob in Klausur ging würde er zudem nicht mitbekommen, worin sich sein Ritter verstrickt hatte. Tief verstrickt hatte.
Und irgendwie war er froh darüber. Dann war der Junge wenigstens in Sicherheit.
Der Ritter seufzte, hielt aber den Blick in Jakobs helle Augen aufrecht.
Guter Junge. Der beste, den er sich vorstellen konnte.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Mittwoch 9. November 2022, 19:13
von Jakob von Nagall
"Epi-lep-tisch.", echote Jakob leise, einer Angewohnheit folgend, die er hier angenommen hatte. Zumindest wenn er mit sich oder Jarel allein war. Und: "Epi-lep-sie... Epilep-...tin?" Leitete er sich die Hauptwörter ab. "Epileptiker.", murmelte er die Korrektur und bei all dem nickte er bestätigend. Wegen Henselt. Dann wieder ein Kopfschütteln. Kein Wort zu von Herrenloh. Weiteres Nicken. Er hielt das aus und Fernhalten von Plenius. Ihre einseitige oder auch nonverbale Kommunikation entwickelte sich täglich weiter, sodass Jakob nun auch einfach in der Mitte anfing.
"Kommt drauf an, wer am anderen Ende hängt. Immerhin die Rute und nicht die Peitsche." Ja, da konnte er bereits differenzieren. Aber zwölf waren viel, schon richtig. Sechs war meistens die Grenze und bei der gab es nur Striemen. Zumal die Haut an Jakobs Rücken vernarbt und buchstäblich zäh war. Zwölf. Er zuckte mit den Schultern.
"Ich komm klar. Aber wenn Henselt vor allen einen Anfall hat, schickt von Herrenloh ihn mindestens entweder nach Hause oder zu den Ordensbrüdern. Aber er will Ritter werden, seiner Familie zeigen, dass er nicht wertlos ist und nicht besessen. Und wenn du mit ihm redest und er die Strafe aussetzt...", er beendete den Satz nicht sondern hob nur die Schultern. Jeder wusste wer Jarel war und das wiederum bedingte gewisse Hürden, die andere Knappen nicht hatten. Er wollte sich nicht raushauen lassen, auch wenn er im Recht war.
Jarel blieb stehen und zwang damit auch Jakob zum bremsen. Er schaute schon wieder so... umso weniger würde ihm gefallen, was Jakob seit dem Morgen auf der Seele brannte. Seine Brauen zuckten leicht zueinander, während er Jarels Blick ebenso fest hielt wie dieser den seinen. Einmal durchatmen musste er allerdings doch, bevor er den Mut fand.
"Wo wir bei von Herrenloh, diesem Hemmelfart und den anderen Ritterbrüdern sind...", ganz abgesehen von ihm... "Sieh meine Strafe als Warnung - ich denke, ich kann es akzeptieren. Irgendwie. Aber das Göttliche nicht - nicht hier. Nicht auf dem Boden dieses Heiligtums. Und da ist auch meine Grenze, Jarel - ich will ihn hier nicht mehr sehen." Obwohl sie allein unterwegs waren, hatte er die Stimme gesenkt. Er mochte mit einen paar Hieben und salbungsvollen Worten davon kommen, aber bei einem vereidigten Ritter sah die Sache sicher ganz anders aus. Und außerdem fühlte es sich wie ein Einbruch an in etwas, was ihm wichtig und heilig war. Slava und was er darstellte gehörten einfach nicht hierher. Die Komturei, die Bruderschaft in ihrem Glauben, das Haus an der Mauer und nicht zuletzt Jarel waren ihm Familie und Hafen, ein fester Rahmen mit eisernen Gesetzen, die ihm die Richtung wiesen und allmählich neue Wurzeln gaben. Das würde er sich nicht untergraben lassen. Und wenn er ehrlich zu sich wäre, dann würde er sogar ein Fünkchen Eifersucht in all diesem Chaos erkennen.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Donnerstag 10. November 2022, 13:01
von Jarel Moore
Der Ritter hatte den Blick nicht abgewandt, und so wenig bered er an diesem Morgen auch war, seine Körperhaltung sprach Bände.
Bei Jakobs Rüge senke er das Haupt und den Blick eine Winzigkeit. Er wurde zwar nicht rot und - bei allen Schatten- könnte er die Zeit zurückdrehen, er würde es wieder tun. Genau so, denn diese Nacht hatte viele Wunden geheilt und ihm Zuversicht geschenkt. Und dass, obwohl die Anklage seines Schützlings ihm mehr Sorge bereitete als er nach außen hin zeigte. Nur nicht aus dem vom jungen mann vermuteten Grund.
Jakob hatte Recht. Er hatte nicht nur seine Zukunft riskiert – und egal wie wundervoll diese Nacht gewesen war – sondern auch die des Jungen. Von dem seltsamen Traum einmal abgesehen.
„Du hast Recht.“, stimmte er also schlicht zu.
„Ich habe im übrigen einen Auftrag vom Großkomtur und einen weiteren…“, er senkte die Stimme ebenfalls, wandte aber den Blick nicht ab. „…nennen wir es einen privaten. Ich werde wieder da sein, wenn du aus der Klausur zurück bist.“, orakelte er und hielt das Gespräch damit für beendet.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 11. November 2022, 21:34
von Jakob von Nagall
Jarel wirkte tatsächlich, als hätten Jakobs Worte einer Rüge geglichen. Stimmte ja eigentlich auch, aber dem Knappen kam es wie vertauschte Welt vor. Er wollte endlich wieder den normalen Gang der Dinge - diese vertauschten Rollen machten ihm zu schaffen. Wann war er denn zum Starken, fest stehenden Part in dieser Beziehung geworden? Er ließ die Schultern etwas hängen und nickte unbestimmt. Dann wechselte Jarel das Thema und beendete damit implizit ihr Gespräch. Wieder wollte Jakob nur nickten, dann aber fiel ihm ein: "Denkst du, du wirst zurück sein, wenn der Bewahrer seinen Feuer-Hokuspokus abzieht?" Er versuchte lässig, fast abschätzig zu klingen, doch eigentlich war es müßig, Jarel etwas vormachen zu wollen. Der Ritter wusste genau, wie gut Jakob mit diesen rituellen Reinigungen zurecht kam, die immer mit Feuer zu tun hatten und Strafen abschlossen, die rein spirituell waren. daher waren ihm körperliche Strafen auch tausend Mal lieber als Gebete und Fasten. Bei ersteren war die Sache dann wenigstens vorbei, bei letzteren kam immer noch Voodoo hinterher. Jakob spottete verbal gern darüber, aber seine Ängste hatte er noch lange nicht im Griff und der Gedanke an eben dieses Voodoo allein, ließ ihn trotz der wärmenden Sonnenstrahlen frösteln. Der Gedanke, da allein durch zu müssen, ohne sich - wenn auch nur mit Blicken - an seinem Ritter festklammern zu können, behagte ihm ganz und gar nicht. Aber er hatte wohl keine Wahl - wenn es so kam, dann kam es so.
Betont lässig winkte er sogleich ab. "Na egal, hab deinen Spaß ruhig ohne mich, während ich mich zu Tode langweile. Aber jetzt brauch ich was zu essen, ich lauf' auf Reserve. Sonst kipp ich nachher aus den Latschen. Das wär dann doch peinlich." Er grinste schief. Aber Einheiten wie die heute Morgen fraßen tatsächlich immer ziemlich schnell Löcher in seine Konstitution, was er inzwischen deutlich fühlen konnte. Er versuchte dennoch munter zu klingen, als er anfügte: "Dann bis nachher.", bevor er Kehrt machte und entgegen seinen Worten im Laufschritt Richtung Hauptgebäude trabte.
Die Mittagsstunde kam für Jakobs Geschmack viel zu schnell, andererseits wäre er froh, es möglichst schnell hinter sich zu bringen. Als er den Vorplatz betrat, hatte sich ein ansehnliches Publikum eingefunden. Lieber wäre ihm gewesen, die Ritterbrüder und ihre Knappen würden sich um ihr Tagesgeschäft kümmern, aber scheinbar war seine Bestrafung eine anziehende Attraktion. Jakob versuchte ruhig zu bleiben, aber als er vor von Herrenloh und Tyssen trat, zitterten ihm die Hände und war jeder seiner Muskeln verkrampft. Immerhin Tyssen. Der prügelte nicht so wüst wie andere unter den Richtern.
Eigentlich war der Richtplatz sogar ganz hübsch. Von der brusthohen, T-förmigen Holzkonstruktion aus, vor die Jakob treten musste, konnte man auf das offene Meer hinaus blicken und von dort wehte der Wind salzige Luft heran. Wenn man so hinaus sah, könnte man fast vergessen, dass jamend darauf wartete, einem das Fell zu gerben. Aber nur fast. Der Knappte streifte das Hemd über den Kopf, ließ es neben der Konstruktion fallen und legte die Hände auf die Arme des T. An Strafen wie diese hatte er sich hier erst gewöhnen müssen, auch wenn körperliche Züchtigung ihm nicht fremd war. Allerdings war es für ihn bisher nur die Selbstkasteiung gewesen und dabei konnte man sich auf den nächsten Schlag vorbereiten, denn man führte ihn selbst, bestimmte Zeitpunkt und Härte. Fremdbestimmt war anders. Immer schmerzhafter und die eigenen Reaktionen schwer zu regulieren. Immerhin hatte er solche Strafen bisher noch nicht allzu oft aufgebrummt bekommen und wenn dann weniger intensiv.
Zwölf Hiebe.
Er fasste das Holz fester, schloss die Augen und begann damit, einen Rosenkranz zu beten. Schweigend, lediglich seine Lippen bewegten sich leicht, kamen nur kurz ins Stocken, wenn die Rute ihn traf. Jakob fiel in den Automatismus der Geißelung, löste sich vom Schmerz und folgte im Geist den Gebeten seiner Kindheit. Schweiß rann ihm aus allen Poren, seine Muskeln zuckten, doch er spürte kaum, dass irgendwann das erste Blut in seinen Hosenbund sickerte. Er presste die Zähne aufeinander und ab und an gab er einen gequälten Laut von sich, doch all das waren reine Reaktionen des Körpers. Sein Geist war woanders. Er bemerkte nicht mal, als die Hiebe aufhörten.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 11. November 2022, 22:12
von Jarel Moore
„Jakob?“ Er nahm die Stimme kaum war.
Die Schläge waren vorüber. Jarel hatte die ganze Zeit in mittelbarer Nähe gestanden und nicht einmal mit der Wimper gezuckt, keine Regung gezeigt, keine Sekunde weggesehen.
„Jakob…“ Der Ritter nahm den Knappen an den Schultern und zog ihn sachte von hölzernen T weg.
„Komm.“, sagte er leise, tröstend und warm, auch wenn er wusste, der Junge konnte ihn nicht hören.
„Ich bring dich rein.“
Der ältere lenkte den Jüngeren wie eine Puppe, sah niemandem in die Augen. Ganz bewusst, denn er wusste genau wie seine Augen jetzt aussahen. Und er wusste auch, an wem er diese Art Wut und den Hass auslassen würde. Wusste es ganz genau. Noch heute Abend.
Die Gänge kannten beide im Schlaf und niemand stellte sich ihnen in den Weg. Niemand sprach sie an. Ob es am Blut auf dem Rücken des Knappen lag oder daran, auf welche Art der Ritter neben ihm geflissentlich auf den Boden starrte, die beiden hatten Ruhe.
Der Ritter wusste, in welchem Raum Jakob untergebracht wurde. Immerhin war er dort allein. Vorsichtig sorgte er dafür, dass sein Schützling sich auf die Pritsche setzte und ging dann vor ihm in die Knie, sah ihm in die Augen.
„Jakob, wir sind da. Ich darf nicht lange bleiben.“ Er strich dem Jungen eine Strähne aus dem schweißnassen Gesicht. „Ich werde wieder da sein, wenn die Reinigung stattfindet, hörst du? Ich werde da sein.“
Noch immer blieb sein Gesichtsausdruck kalt und steinern, aber seine Kiefermuskeln zeichneten sich so hart ab, dass man einen Armbrustbolzen damit hätte abschießen können.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 11. November 2022, 23:10
von Jakob von Nagall
Einen Fuß vor den anderen setzend war er Jarel wie in Trance gefolgt, doch er tauchte schneller auf, als ihm lieb war. Sein Rücken brannte schrecklich, ein Schmerz, der ihm am ganzen Körper Gänsehaut bescherte. So weit hatte es keine der Strafen bisher getrieben, denn offene Wunden riskierte man einfach nicht gern, wenn man denjenigen später noch als Mitstreiter haben wollte. Jakob blinzelte, als Jarels Finger beim beiseite schieben der Strähne leicht seine Stirn streiften und der Blick des Knappen fand erstaunlich schnell zu Klarheit. Er ließ sich einfach etwas nach vorn sinken, sodass seine Stirn die seines Rittervaters berührte.
Jakob schloss einen Moment die Augen. "Danke. Für alles. Und pass auf dich auf."
Doch so schnell und für Jarel vielleicht überraschend, wie dieser Moment kam, so schnell löste Jakob ihn auch wieder auf, indem er sich aufrichtete und dann bäuchlings auf der Pritsche ausstreckte. Nicht ganz lautlos. Aber die Muskeln zu entspannen, tat einfach gut. Der nächste Blick, den Jakob Jarel schenkte, war schon wieder aufmüpfiger. "Kannst du mir was zu schreiben organisieren?" Obwohl sie beide wussten, dass er nichts außer Wasser, trockenes Brot und seine Gedanken bei sich haben durfte.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 11. November 2022, 23:22
von Jarel Moore
Dem Ritter stockte der Atem. Ehe sich Jakob ihm entzog, legte er ihm eine Sekunde lang die Hand auf die Wange.
„Schlaf. Wenn du erwachst, wird alles da sein.“, versprach der Ritter und erhob sich.
Die Dunkelheit in seinem Blick war in dem Moment erloschen, als die vom Schweiß bereits wieder kühle Stirn des Jungen die seine Berührt hatte.
Doch er wusste, er würde sie rufen kommen. Die Wut, den Hass und die damit einhergehende Energie.
Er ging zur Tür , schob leise die Tür ins Schloss.
Hier gehts weiter.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Montag 21. November 2022, 13:55
von Jakob von Nagall
Jakob schreckte aus dem Schlaf hoch und war sofort hellwach. Das ruckartige Aufsetzen ließ ihn zischend die Luft einsaugen, denn das Leinen mit der Salbe auf seinem Rücken klebte an den frischen Wunden und riss nun daran. Seine Hände zitterten und sein Atem ging flach.
Er hatte geträumt. Er saß an einem Feuer wie damals in Velen, auf der Reise hierher. Würfelte, nur um was, das wusste er nicht mehr. Ein Mädchen kreischte. Er riss den Kopf herum und an einen Baum gefesselt sah er Iola, an die sich sein Kommandant heran machte. Ein großer Mann mit hellgrünen Augen und militärisch kurz geschorenen, roten Haaren. Er wollte einschreiten, doch dann tauchte aus dem Schatten neben ihm eine schwarze Gestalt auf, vermummt und unmenschlich schnell. Er kam noch dazu seinen Dolch aus dem Stiefel zu reißen, dann spürte er Schmerz, gleich darauf Kälte. Dennoch rammte er seinen Dolch in die Seite des Angreifers. Dessen Gesichtsschleier verrutschte und das leichenblasse Gesicht darunter war schrecklich vertraut. Doch die Augen des Mannes glühten in einem unheiligen Feuer.*
Dann war er aufgewacht.
Da er auch nach mehreren Versuchen keinen Schlaf mehr fand, begann er unter der dauerhaft brennenden Pfanne an der Wand zu beten. Das immer leicht harzig riechende Feuer führte seinen Rauch durch einen Schlitz unter der Decke ab und frische Luft kam nur unter der Tür hindurch. Halluzinationen und seltsame Träume waren in diesen Kammern daher keine Seltenheit. Aber der Traum war Jakob so real vorgekommen, dass er noch immer bebte. Mit gefalteten Händen und nicht wie sonst unter den Brüdern hier üblich mit bittend geöffneten Armen. Und zur Heiligen Mutter Maria, dass sie schützend die Hand über alle halte, die ihm wertvoll waren.
Er betet lange, doch das nagende Gefühl der Unruhe blieb.
Nachdem der schweigende Bruder ihm am frühen Morgen frisches Wasser, etwas Brot gebracht und neue Verbände angelegt hatte, zog er einen Bogen Papier aus dem Versteck und begann einen
Brief an Iola, an dem er eine gefühlte Ewigkeit brütete. Auch weil seine Gedanken dauernd zu dem Traum zurück drifteten.
*Bezogen auf
diese Szene
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Dienstag 29. November 2022, 09:44
von Jarel Moore
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von:
Slavas Wohnung --> Orden der Flammenrose
Datum: Morgen des 5. August 1278
betrifft: Jarel ggf. Wenzel oder ein anderes Ordensmitglied
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Jarel meldete sich direkt bei seiner Ankunft bei den Torwachen zurück und begab sich auf direktem Wege in sein Quartier. Der Quersack mit der besudelten Rüstung landete erst einmal in einer Ecke. Das Leder zu reinigen und zu flicken nahm er sich für später vor. Erst einmal gab es anderes zu tun.
Er hatte Pläne für den Tag. Zuerst würde er die Einnahme seiner Medikamente hinter sich bringen.
Zur Mittagsmesse würde er wieder auf den Beinen sein, am Mittagessen teilnehmen und danach versuchen Wenzel abzufangen um mit ihm zu reden.
Mit etwas Glück erfuhr er mehr darüber, was es mit dem Hemmelfart Spross auf sich hatte.
Und wenn nicht, würde er eigenen Nachforschungen nachgehen.
Aber eines nach dem anderen.
Erst einmal legte er einen Teil seiner Rüstung wieder ab, machte einen Abstecher zum Abort, legte nach der Rückkehr den übergroßen Umhang über die Schultern und schluckte eine abgemessene Menge seines Medikamentes.
Auf dem Bett sitzend, den Rücken an die Steinmauer gelehnt zog er den schweren Wollstoff enger um die Schultern und rief sich die Erinnerungen an die vergangene Nacht ins Gedächtnis.
Das Gefühl der warmen Haut in seinem Rücken, des ruhigen Atems zwischen seinen Schulterblättern, des herbes Duftes seines Liebsten.
Er würde ihn wiedersehen. Schon heute Abend.
Mit einem Seufzen und einem verklärten Lächeln auf den Lippen driftete er weg.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Donnerstag 1. Dezember 2022, 09:54
von Jarel Moore
Bereits weit vor dem Läuten zur Mittagsmesse erschien Jarel vor den Toren des Tempels.
Mit ruhigem Blick und erstaunlich entspannt betrachtete er das rege Treiben auf dem Platz, grüßte mit der ihm üblichen verhaltenen Freundlichkeit und horchte in sich.
Die Verletzung war spürbar, vor allem weil sein Kreislauf noch zu tun hatte, aber er hatte weder Schmerzen, noch fühlte er sich unwohl. Ganz im Gegenteil. Das Feuer in ihm brachte Energie und Konzentration und die herumschwirrenden Pheromone Zuversicht und Ruhe.
Selbst die Wut auf den Hemmelfart Spross spornte ihn eher an, als ihn zu auszubremsen oder abzulenken.
Vor der im steinernen Pavillon brennenden Flamme nahm er Aufstellung, verschränkte die Hände vor dem Körper, senkte das Haupt und spitze die Ohren.
Er war nie der geselligste gewesen unter den Brüdern, aber stets ein aufmerksamer Gesprächspartner und – wie er hoffte – auch ein angenehmer.
Wer weiß, vielleicht suchte sogar jemand das Gespräch.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 2. Dezember 2022, 14:53
von ERZÄHLER
Tatsächlich trat nach kurzer Zeit jemand neben den Klingenmeister und warf einen weiteren, kürzeren Schatten neben den Jarels. Der Neuankömmling reichte dem hohen und breiten Mann gerade bis an die Schulter, hatte einen leichten Bauchansatz und schütteres Haar, das er trotz der Wärme des Mittags unter der Kapuze eines Halbmantels verbarg. Seine Größe und die dennoch recht breiten Schultern verliehen ihm die Form eines Fasses, sodass er kaum dem Bild des asketischen Ordensritters entsprach. Er war vielleicht auch nicht die hellste Kerze auf der Torte, dennoch durfte man Harald Tannenfels auf keinen Fall unterschätzen. Zumindest nicht als Gegner im Kampf, denn was den Umgang mit dem Kriegshammer anging, suchte man Seinesgleichen lange. Unter den Rittern war er bekannt als Harald Dampfhammer und das nicht nur seiner manchmal recht direkten Art wegen.
"Ah, da bist du ja. Hab' dich bei der Morgenmesse auf unserer Altherrenbank vermisst." Harald postierte sich neben Jarel und hakte die Finger in den Gürtel. "Fällt so auf, dass ich nicht singe, wenn du nicht neben mir stehst.", brummte er und warf dem größeren Mann einen Seitenblick unter der Kapuze heraus zu.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 2. Dezember 2022, 16:13
von Jarel Moore
Jarel tat etwas, dass man bei ihm selten bis gar nicht sah. Er grinste, während er zum ‚Dampfhammer‘ runter sah.
Aus den Gesprächen, denen er bisher lauschen konnten brachten ihn nicht weiter, warum also nicht eine angenehme Unterhaltung stattdessen?
„Glaub mir Harald, wenn du doch singst, fällt das mehr auf.“, flachste er im freundlichen Ton.
Der Schattenläufer sah sich um. „Gehen wir ein Stück?“, fragte er und setzte sich in Bewegung.
Sein Ziel war das hintere Gelände. Da hatten die Wände immer noch Ohren, aber wesentlich weniger.
„Wie geht es deinem Jungen?“, fragte er, während Tannenfels neben ihm her ging. Obwohl der untersetzte Ritter wesentlich kürzere Beine hatte hielt er locker Schritt. Wäre das nicht eine unermessliche Beleidigung gewesen hätte Jarel vermutet, es hätte sich irgendwo im Stammbaum seines Bruders einen Zwerg gegeben.
Ob Lebenstein-Zergs Rittervater von der Krankheit seines Schützlings wusste? Und warum in aller Schatten Namen trug er bei dem Wetter eine Kapuze?
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 2. Dezember 2022, 21:45
von ERZÄHLER
Harald lachte bellend und folgte Jarel dann arg- und kommentarlos auf den kleinen Spaziergang. "Ach komm. Mein 'Me Aenye' ist legendär.", spann er den Witz auf seine Kosten munter weiter. Hätte er allerdings die Mutmaßungen seines Gegenübers geahnt, wäre der Humor des Ritters schnell am Ende gewesen. Zwergenblut schimpfte ihn niemand ungestraft, nicht einmal der Großmeister höchstselbst.
Den langen Schritten Jarels zu folgen, machte Harald nicht viel Mühe und an eventuelle Ohren verschwendete er zunächst keinen Gedanken.
"Mein Junge...? Achso, Henselt meinst du. Spielt den tödlich beleidigten Adelsspross." Wobei er selbst klang, als sei er wegen irgendetwas beleidigt. "Bisschen Zeit zum Nachdenken tut dem mal ganz gut. Kann er mal probieren, ob er sich selbst aushält."
Sie wanderten an der hinteren Mauer des Tempels entlang, vorbei am Richtplatz und hinauf auf eine Art Wehrgang. Jenseits der Mauer prallte das Meer weit unten gegen die Felsen, auf denen der Tempel errichtet war. Harald blieb stehen und stützte sich auf der Mauer ab. Der nächste Blick zu Jarel war unsicher. Was wusste der Klingenmeister?
"Und Jakob? Hat er... dir... Also meinst du, sie haben wirklich... ?", eierte er ungeschickt drauflos.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Freitag 2. Dezember 2022, 22:25
von Jarel Moore
„Haben sie nicht.“
Jarels Stimme klang ruhig, sogar relativ unaufgeregt. Seine Wut darüber, dass Jakob wegen der Verleumdung verletzt und seiner Freiheit beraubt worden war verbarg er. Dafür schwang Sorge im Bass des Ritters mit. Und Misstrauen.
Aber nicht Harald gegenüber. Zumindest nicht offensichtlich.
Er mochte Tannenfels zwar, aber zu einhundert Prozent vertraute er ihm nicht. Neunzig vielleicht. Aber nicht einhundert. Und neunzig war für seine Verhältnisse schon verdammt viel.
Der Umgebung traute er gerade wesentlich weniger und spitze die Ohren, schärfte seine Sinne. Bei deinem Gespräch durfte es keine Zeugen geben. Auf keinen Fall.
Er musste also vorsichtig vorgehen. Erst herausfinden, was sein Glaubensbruder über den Vorfall dachte. Und ob er ihn gegebenenfalls dazu nutzen konnte, mehr herauszufinden.
Er sah herunter zu der Gestalt unter der Kapuze, musterte ihn, fixierte ihn, sah ihn ganz offen an.
„Ich glaube Jakob. Glaubst du Henselt?“, fragte er, ohne den Blick abzuwenden. Blinzelte er überhaupt?
„Was denkst du, irrt sich der Neue? Oder…steckt da etwas anderes dahinter?“
Weiter gehen durfte er nicht. Noch nicht.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Samstag 3. Dezember 2022, 08:28
von ERZÄHLER
Harald brummte nur zustimmend und nestelte an seinen Ärmelaufschlägen herum. "Mir sagt der Kerle ja nichts.", murrte er. Dann zuckte er mit den breiten Schultern. "Aber kann schon was anderes gewesen sein. Henselt ist nicht immer so auf der Höhe.", gab er vage zu. Weniger auffällig als Jarel sah er sich dabei um, sicher stellend, dass sie allein waren. Man sah ihm sogar an, dass er kurz den Impuls hatte, näher zu rücken, aber dann fiel ihm ein, dass es vielleicht komisch aussähe. Als ob sie tuschelten. Innerlich lobte er sich für seine Klugheit und gab sich äußerlich als würde er gelassen plaudern, was er allerdings auch etwas überzog.
"Das ist ein Hemmelfart. Dem hat man die Schrift doch von Geburt an eingebläut. Vermutlich sieht er überall Blasphemie.", erwiderte er, blickte sich noch einmal um.
"Vielleicht trägt mir der Hierarch auch immernoch die Sache mit dem Sukkubus nach und will meinen Ruf endgültig zerstören. Aber was sollte er gegen dich haben?", setzte er mit gesenkter Stimme hinzu. Die besagte Geschichte war gute drei Jahre alt. Damals war Harald ein Sukkubus entwischt und er im Wille der Verfolgung - aus welcher Motivation auch immer - mit heruntergelassen Hosen zwei Landsknechten des Rates in die Arme gefallen. Eine Treppe hinunter... Im Wappenrock verheddert. Die Sache war von Seiten der Räte ziemlich aufgebauscht worden. Zwar hatte von Herrenloh wie immer zwischen der wütenden Obrigkeit und seinem Ritter gestanden, aber es hatte lange gedauert, bis der Ruf nach dem Bann verklungen war. Zumal Harald in Rage bei einer Befragung gebrüllt hatte, der Hierarch wolle den Sukkubus doch nur für sich. Er hatte widerrufen, aber Hochwürden hatte seither nicht viel für den einfachen Ordensritter übrig. Jarel dagegen war in Haralds Augen Ritter ohne Tadel. Gegen den konnte man nun wirklich nichts haben.
Er seufzte. "Müsst ich nicht aus diesem Burschen einen Ritter machen, wäre ich längst in Toussaint.", gab er leise zu. Doch er entschärfte die nicht ganz ungefährliche Bemerkung mit einem Lachen und einem: "Harald, Ritter von der merkwürdigen Gestalt."
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Samstag 3. Dezember 2022, 13:51
von Jarel Moore
Zwei Dinge erstaunten Jarel. Henselt schien seinem Rittervater nicht so weit zu vertrauen, dass dieser von seiner Krankheit wusste. Und das obwohl Tannenfells die Probleme mit der Konstitution seines Schützlings durchaus schon aufgefallen waren.
Unterschied sich seine Beziehung zu Jakob so vehement von denen der anderen Ritter zu ihren Knappen? Wahrscheinlich. Wieder tat es in Jarels Innerem einen kurzen Stich, als er sich an den Abschied erinnerte. Hoffentlich heilten die Narben auf der Seele des Jungen. Die auf seinem Körper würden das nie.
Das Zweite, worüber der größere der beiden sich wunderte war Haralds Annahme, er habe den Verdacht, die Verleumdung zielte auf ihn ab. Wie kam er darauf? Vermutlich schloss er von sich auf andere. Oder es hatte sich einfach aus der Art des Gespräches ergeben. ‚Hörst du Hufschlag, denk an Pferde, nicht an Zhevras.‘ Trotzdem behielt der den Gedanken im Hinterkopf.
Damals, nach dem Vorfall mit der Sukkubus hatte der Schattenläufer selber kurz an der Motivation des ‚Dampfhammers‘ gezweifelt. In den nachfolgenden Untersuchungen hatte Harald jedoch den Hierarchen in seiner Rage angeprangert. In einer Kurzschlusshandlung, die ihn beinahe seine Reputation, seine Freiheit oder sein Leben gekostet hätte.
Von Herrenloh hatte sich schützend vor ihn gestellt. Und Jarel sich hinter ihn, auch wenn er das nie erfahren würde. In Wut ausgesprochene Vermutung oder nicht, in den Augen des Schwarzhaarigen war er in dem Moment ein ganzes Stück vertrauenswürdiger geworden.
Statt seinen Bruder für die Fluchtgedanken zu tadeln löste er endlich den Blick und sah aufs Meer hinaus. „Toussaint soll besonders zu dieser Jahreszeit sehr schön sein.“, entgegnete er in leisem, unverbindlichem Ton und genoss einen Moment das an- und abschwellende Tosen der Brandung, den Salzgeruch in der Luft und die optische Unendlichkeit des Meeres. Ein Bild, aus ihm immer geholfen hatte Ruhe zu finden, beinahe so sehr wie ein Aufenthalt im Tempel der Melitele.
„Wenn du etwas erfährst, was die Verleumdung erklären könnte, sagst du es mir.“, verlangte Jarel mit freundlichem Nachdruck, richtete seinen Blick wieder auf den Dampfhammer, fügte ein versöhnliches „Bitte.“, hinzu und lächelte sogar leicht.
Kurz huschte sein Blick zu allen Seiten, bevor er Harald Tannenfels einen Moment die Hand schwer und warm auf die Schulter legte, ihm kurz zunickte und sich dann zum Gehen abwand.
Auch während der Messe suchte er Tannenfels Nähe. Trotzdem sang er nicht mit an diesem Tag.
Noch immer wurde ihm gelegentlich schummrig und niemand sollte merken, dass etwas nicht stimmte.
Auch der Predigt konnte er nicht recht folgen. Dass lag aber eher daran, dass er in Gedanken der Nacht nachhing als an seiner Konstitution.
Nach der Messe nickte er ‚Dampfhammer‘ knapp zu und versuchte seinen Großkomtur abzufangen. Am besten allein. Obwohl das schwierig werden würde.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Samstag 3. Dezember 2022, 20:27
von ERZÄHLER
Harald hatte versprochen, die Augen und Ohren offen zu halten, und war Jarel dann zur Messe gefolgt. Wie immer saß er bei Jarel im hinteren Bereich und fragte sich im Stillen, wieso dieser nicht wie sonst volltönend und angenehm melodisch die Liturgie bestritt. Statt dessen wirkte er abwesend, was der gutmütige Ritter kurzerhand darauf bezog, dass Jarel sich wohl um seinen Knappen sorgte. Immerhin wusste jeder, dass der sonst so schweigsame und zurückgezogene Klingenmeister eine unerwartet enge Bindung zu seinem Knappen aufgebaut hatte. Damit beruhigte er sich selbst und nickte Jarel, wie er hoffte, aufmunternd zu, als dieser sich nach der Messe entfernte.
Wenzel war wie immer nach der Andacht in die Sakristei gegangen, um die geweihten Gewänder wieder gegen seine gewöhnliche Tracht zu tauschen. Danach verließ er den Tempel durch eine Seitentür, an der ihn bereits Ealco erwartete, die Hände im Rücken und nur auf ein Zeichen lauernd, dass sein Herr bereit war, die weiteren Tagesordnungspunkte entgegen zu nehmen. Ealco, Adjuntant, Ordonanz und Ministrant in Personalunion, zeichnete sich durch ein lückenloses Gedächtnis aus und hatte daher den Vorzug, dass Wenzel nicht alle seine Termine selbst im Kopf haben musste. Gerade wollte der zierliche Laienbruder Luft holen, da schwenkte de Ardh in ihren Weg und heftete sich ebenfalls an Wenzels Fersen. Der Großmarschall machte genau jenes Gesicht, das Wenzel sagte: der Mann wollte was von ihm. Unangenehm, denn er konnte sehr penetrant sein.
"Sir, ich wollte noch einmal auf die Sache mit dem jungen Hemmelfart kommen.", ließ er nicht lange auf den Punkt warten.
"Robert, ich habe Euch gesagt, meine Entscheidung steht noch aus. Ich hatte noch nicht einmal selbst Gelegenheit mit ihm zu sprechen."
Sie passierten den Tempelplatz und Wenzel steuerte auf das Hauptgebäude zu, in der Hoffnung, de Ardh, der ein nicht wenig gefragter Mann war, irgendwo abzustreifen.
"Ich möchte einfach noch einmal betonen, dass ich es für richtig und wichtig halte, ihn einem ranghohen Ritter zur Unterweisung zuzuordnen."
Und so weiter.
Wenzel warf Ealco einen fast schon hilfesuchenden Blick zu, doch der war zu sehr damit beschäftigt, seinen Füßen beim Gehen zuzusehen, als das er den Wink verstehen würde.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Samstag 3. Dezember 2022, 21:41
von Jarel Moore
Was sein Adjutant übersehen hatte, bemerkte ein anderer. Woher auch immer er gekommen war, mit einem Mal räusperte sich Jarel neben den dreien.
„Großmarschall, ich hoffe ihr verzeiht, darf ich euch den Komtur entführen?“, brummte der schwarzhaarige Ritter entschuldigend und deutete eine Verbeugung an.
Hoffentlich ließ der Großmarschall sich vertreiben. Wenzel sah aus, als wollte er am liebsten fortlaufen. Mal sehen, ob dieses Kunststück gelang.
Der Großkomtur hatte an der Situation also auch zu knacken. Es gab immer einen, der über einem stand. Immer einen, der einen kontrollierte und auf die Finger sah.
Nur wurden es weniger, je höher die Position war. Das war der einzige Unterschied.
Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad
Verfasst: Sonntag 4. Dezember 2022, 20:43
von ERZÄHLER
Ealco riss den Kopf in die Höhe und drehte diesen wie ein Huhn, dass die Bäuerin mit den Salatresten kommen hört, kaum das die Stimme Jarels erklang. Wenzel reagierte weniger aufgescheucht, blieb nur kurz stehen, ohne den Neuankömmling eines Blickes zu würdigen und fixierte stattdessen de Ardh mit einem Blick, der diesen ebenfalls stoppte - verbal wie körperlich. "Robert, ich bin mir Eurer Sorgen und Eures Anspruchs bewusst und ich werde beides gebührend bei meiner Entscheidung berücksichtigen. Und jetzt entschuldigt mich." Erst jetzt wandte er den Kopf, widmete allerdings als nächstes Ealco einen dieser eigens vom Großmeister gepachteten Blicke. "Ealco, verschieb' mein Gespräch mit dem Bewahrer um eine Kerze." Er hob die Hand, als dieser offenkundig Protest anmelden wollte. "Und alles danach entsprechend. Du machst das schon."
Nun war Jarel an der Reihe, doch die Farbe im Blick des Herrn über die Komturei war in diesem Fall eine Nuance anders. "Klingenmeister.", kurz, aber einladend, dann ging er schon weiter, fest damit rechnend, dass Jarel wie immer auf seinen Kurs einschwenken und einen Halbschritt hinter ihm folgen würde. Kaum außer Hörweite der beiden anderen Männer murmelte Wenzel ein leises, aber deutlich aufatmendes: "Danke."
Sie betraten das Hauptgebäude, Wenzel fing einen der Knappen ab, der unvorsichtigerweise auf dem Weg zum Refektorium war und befahl eine kleine Mahlzeit für ihn und den Klingenmeister in seine Arbeitsräume bringen zu lassen. Der junge Mann machte Kehrt und eilte wieder in die Küche, während Wenzel die Treppe erklomm. Ab und zu blickte er mit leicht gekrauster Stirn zu seinem Begleiter, schwieg aber, bis die schwere Holztür seiner Amtsräume sich hinter ihnen geschlossen hatte.
"Du siehst nicht gut aus." Einmal davon abgesehen, dass die Treppe dem anderen Mann scheinbar mehr abverlangt hatte, als dies normalerweise der Fall sein sollte. Wenzel bohrte nicht weiter, aber er sah, wenn jemand mit den Folgen größeren Blutverlustes zu kämpfen hatte. Es unterschied sich deutlich von einem Kater und was das anging, konnte er bei Jarel ohnehin gleich ausschließen. Was also? Der Ritter vor ihm war, soweit Wenzel wusste, nicht wieder im Feld gewesen. Gerade aus Wyzima zurück und eigentlich mit den Vorbereitungen zu der ihm gestellten Aufgabe betraut. Nachwirkungen der Geschehnisse im Stammort des Ordens also?
Wenzel wies auf die kleine Sitzecke, legte allerdings selbst erst den schweren Wappenrock ab. Ein Luxus, den er sich im Beisein eines ihm vertrauten Ritters für eine kleine Pause leistete.