Re: Irgendwo am Pontar Ufer | Schlag gegen Nilfgard
Verfasst: Mittwoch 15. März 2023, 08:59
Der Schattenläufer grinste zurück zu den Hexern. “Alles im Griff!”, antwortete er gegen den Sturm anbrüllend und ganz offensichtlich trotz des Wetters in guter Laune.
Gemeinsam mit den Seeleuten des Regenten brachten sie das Schiff erstaunlich routiniert dazu, sich in Bewegung zu setzen. Langsam, aber stetig.
Trotzdem dauerte die Rückfahrt eine gefühlte Ewigkeit.
Wäre das Wetter nicht so mies gewesen, die Personen an Bord hätten nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Sterne verdämmern sehen. Doch so blieb es dunkel, grau und äußerst ungemütlich.
Beide Hände am Steuer stand Jarel mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen an Deck des kleinen Schiffes. Gelegentlich musste er den Kurs korrigieren, wenn das Ufer plötzlich doch näher war, als es sollte. Aber knapp wurde es nie.
Wasser. Überall Wasser, ringsum, von oben, unter ihnen, von der Seite.
Auch seine Brauen schafften es nicht den Regen davon abzuhalten, ihm in die Augen zu laufen.
Er musste sich ordentlich festhalten, denn der fast waagerecht fallende Regen und die steife Briese wollte ihn wegreißen und von Deck spülen. Die für den vormals so schwülen Tag erstaunlich kalten Regentropfen bissen ihm ins Gesicht und Jarel meinte sogar, Graupel in all dem Nass zu spüren. Seltsames Wetter. Als würde ihnen jemanden zürnen. Jemand weit oben. Vor einigen Minuten hatte sich die Abfolge von Donner und Blitz erneut geballt, als wäre das Gewitter auf der Suche nach etwas wie der Blick eines wütenden Auges kurz von ihnen abgekommen und dann wieder zu ihnen zurückgekehrt. Und nun starrte es sie an. bedrohlich und intensiv.
Und noch mehr empfand Jarel als seltsam. Er konnte seine Gedanken kaum von der Kapitänin lassen. Die exotische Dame und er hatten nicht viele Worte gewechselt. Ohnehin verwunderlich, dass sie in der Lage gewesen war so schnell zu erwachen. Die wenigen gewechselten Worte brachten etwas in den Schattenläufer zum Klingen. Der Klang der Sprache, die Worte und nicht zuletzt das Gefühl in ihrer Nähe erinnerten ihn stark an Geschehnisse einer Vergangenheit, die er längst hinter sich gelassen glaubte. Unangenehme Geschehnisse. Gefährliche Geschehnisse.
Doch das war jetzt zweitrangig. Sie hatten gesiegt.
Sie hatten die Besatzung geschliffen, sogar Gefangene genommen und im Laderaum gefesselt untergebracht. Sie hatten einen seltsamen Mann unter Deck gefunden, über den es sicher einiges herauszufinden gab. Auf den ersten Blick ein Skelliger, aber wie war er hierher in Gefangenschaft geraten?
Es gab noch genug Zeit, dies herauszufinden. Erst einmal würden sie das erbeutete Schiff in den Hafen bringen. Sie fuhren kleine Fahrt, nur angetrieben durch das Focksegel.
Erstens war eine größere Geschwindigkeit nicht angezeigt, die Sicht war mehr als schlecht und den Hafen zu finden ohnehin schon eine Kunst. Mit Dunkelheit hatten seine Augen keinerlei Schwierigkeiten. Aber der Regen…er fiel dicht wie eine Wand. Zweitens wollte der Schattenläufer seine Kameraden nicht in die Wanten schicken. Auch wenn es sich um ausgebildete Seemänner handelte war das bei diesem Unwetter zu gefährlich.
Also blieb es bei zwischen zwei – zumindest für Jarel - buchstäblich ohrenbetäubenden Donnerschlägen gebellten Kommandos.
Bald würden sie im Hafen einlaufen, da hieß es nur noch den Anker abzulassen und die Segel zu streichen. Zu nah an die Kaimauer konnten sie bei dem Wetter ohnehin nicht.
Die Hafenarbeiter würden früher oder später den Rest machen und er…würde sich zu Slavas Wohnung stehlen und sich ein Bad gönnen. Nach all den warmen Tagen war dieser stechende Regen durchaus ungewohnt kalt und kroch sogleich bis tief in die schmerzenden Knochen. Er wurde alt.
Jarel versuchte auszumachen, wo sie sich befanden. Zeit war schon ein seltsames Konstrukt. Der ganze Kampf kam ihm vor, als wäre er mit einem Fingerschnippen vorbei … und die Rückfahrt zog sich wie Birkenpech.
Genug Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Er konnte segeln. Erlernte hatte er es, da war er gerade ein paar Jahre für den Geheimdienst der Krone zu Sturmwind tätig. Man hatte ihn ausgesandt, einen Zusammenschluss von Piraten im mittelbaren Umfeld von Beutebucht zu infiltrieren.
Es funktionierte nicht nur für ihn, er entdeckte in dieser Zeit sogar seine Liebe zur See.
Bis zu einem bestimmten, sehr unrühmlichen Punkt seiner Karriere zumindest.
Er hatte sich in die Crew von Zalzane Zukora, genannt ‚die blutrote Gischt‘, heuern lassen. Eine ebenso brutale und skrupellose Mörderin, die alles niedermetzelte, was auch nur einen falschen Wimpernschlag tat oder es wagte einfach zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Trotz allem, die charismatische Kapitänin mit der Schläue und Gerissenheit einer Galakhyäne hatte an ihm gleich einen Narren gefressen und ihn regelmäßig in ihr Bett gezerrt. Eine, für so einen jungen und unerfahrenen Kerl wie ihn damals eine anstrengende Sache, bedachte man, dass die Zwei Meter zwanzig große Halbtrollin mit dem struppigen roten Haar Tochter eines menschlichen Piraten und einer trollischen Schamanin war.
Trotzdem oder gerade deswegen erfuhr er innerhalb von Monaten alles, woran die Männer vor ihm gescheitert waren. Einen seiner Vorgänger mahnte ihn jedes Mal, wenn er ihre mit den Verstand verwirrenden Kram überfüllte Kajüte betrat aufs Neue zur Vorsicht: Er hing als Schrumpfkopf in einem Sammelsurium von magischen schamanischen Gegenständen an der Wand gegenüber des Fensters zum Heck und schüttelte bei jeder größeren Welle verneinend den Kopf. Oft hatte er das Gefühl gehabt, der gefallenen Spion sah ihm bei der Nummer aufmerksam zu. Neidisch vielleicht? Oder eher bedauernd? Vielleicht verglich er seine Leistung mit der eigenen. Obwohl Jarel in seinem jugendlichen Größenwahn sicher war, er wäre besser. Schließlich lebte er noch.
Wie sich herausstellte, war er für ‚Zazu‘ mehr gewesen als ein Spielzeug. Er hatte nicht zusehen können, wie sie nach Monaten der gemeinsamen Fahrt gefangen, abgeführt und in Ketten geschlagen wurde.
Er mochte sie zwar nicht, aber in all der Zeit hatte er sich irgendwie an sie gewöhnt.
Ob es Zufall war, dass er ihr im Verlies in Sturmwind noch einmal über den Weg lief, bevor sie gehängt wurde, würde er nie herausfinden. Was er herausfand war jedoch die ungefähre Bedeutung der Worte, die sie ihm in dem engen Gang entgegen spie, geschlagen in Eisen, verprügelt und von gleich vier Mann aus der Zelle gezerrt:
„Die See wird sich deine verräterische Seele holen. Sie wird dich greifen und aus dem Leben reißen, wenn du es nicht erwartetest und in ihrer Umarmung wirst du vergessen sein für die Welt.“
Im Trollischen klang das ganze schärfer, bedrohlicher, tatsächlich wie der Fluch, der er gewesen war.
Seitdem hatte er die offene See gemieden. In seiner Welt waren Flüche etwas sehr reales, wie er einige Jahre später schmerzlich am eigenen Leibe erfahren musste.
Heute spielte das keine Rolle. Sie waren nicht auf See. Sie waren auf einem Fluss unterwegs, der zu dieser Jahreszeit eigentlich geradezu zahm war in dieser Gegend. Eigentlich.
Wenn nur dieses eigenartige Wetter nicht wäre….
Mit noch immer zusammengekniffenen Augen spähte der Schattenläufer nach vorn. Sie müssten bald im Hafen sein…schade, dass man von hier das ewige Feuer nicht sehen konnte, das wäre sicher eine große Hilfe.
Heim kommen, Slava sehen, ’die Sache’ aus der Welt schaffen, ein Bad nehmen. Bald. Sehr bald.
Blitz und Donner gingen in der Zwischenzeit Hand in Hand. Seine Ohren verweigerten bei dem Lärm den Dienst, und so entging ihm das Knarren über ihm, gefolgt von einem Krachen und Pfeifen zur Gänze.
Aus dem Augenwinkel nahm er im Licht eines weiteren Blitzes eine Bewegung wahr, fuhr herum…
…dann geschah alles auf einmal. Er konnte die Arme noch instinktiv hochreißen, doch verhindern, dass ihn etwas traf und schmerzvoll gegen die Schläfe donnerte konnte er nicht.
In der gleichen Sekunde packte ihn etwas am Knöchel und riss ihn fort, schleifte ihn über das Deck, wuchtete ihn erst gegen mit einem luftraubenden Schlag gegen die Reling, zog ihn dann wie einen Fisch am Haken darüber.
Er hörte nicht mehr, wie eine erstaunlich kräftige Frauenstimme vom unteren Ende des Hauptmastes her ein "Mann über Bord!", brüllte, als ginge es um eine Person ihrer Crew, und nicht um den Feind.
Um Jarel herum befand sich nur noch Wasser.
Mit jeder Sekunde kälter werdendes, wirbelndes, pechschwarzes Wasser.
Etwas hielt ihm am Knöchel! Ein Monster? Hektisch riss er einen seiner Dolche aus dem Holster und hieb danach. Ein weiterer Blitz hinterließ ein brennend scharfes Bild auf seiner Netzhaut. Kein Monster. Ein Teil der Takelage hatte sich um seinen Knöchel gelegt und das daran hängende Fetzen des Segels riss ihn in die Unterströmung, raus ins Meer. Panisch begann er am Seil zu schneiden. Die Klingen gingen gut durch die gedrehten Fasern, doch wenn er eines der Seile durchtrennt hatte, waren da immer noch zwei übrig und weitere zwei….
Etwas traf ihn hart an der Schulter. Sein Arm wurde taub und im nächsten Blitz – einem Leuchten viel zu weit entfernt und gedämpft durch den in den Fluten treibenden aufgewirbelten Schlamm – sah er seinen Dolch in die Schwärze davontreiben. Und mit dem Leuchten des Blitzes erlosch sein Bewusstsein.
Die Kälte der See umfing ihn, nahm ihn in die Arme und trug ihn davon.
An Deck begann das losgelassene Steuer sich zu drehen, erst langsam, dann immer schneller.
Das Schiff drohte quer in die Strömung zu driften.
Gemeinsam mit den Seeleuten des Regenten brachten sie das Schiff erstaunlich routiniert dazu, sich in Bewegung zu setzen. Langsam, aber stetig.
Trotzdem dauerte die Rückfahrt eine gefühlte Ewigkeit.
Wäre das Wetter nicht so mies gewesen, die Personen an Bord hätten nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Sterne verdämmern sehen. Doch so blieb es dunkel, grau und äußerst ungemütlich.
Beide Hände am Steuer stand Jarel mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen an Deck des kleinen Schiffes. Gelegentlich musste er den Kurs korrigieren, wenn das Ufer plötzlich doch näher war, als es sollte. Aber knapp wurde es nie.
Wasser. Überall Wasser, ringsum, von oben, unter ihnen, von der Seite.
Auch seine Brauen schafften es nicht den Regen davon abzuhalten, ihm in die Augen zu laufen.
Er musste sich ordentlich festhalten, denn der fast waagerecht fallende Regen und die steife Briese wollte ihn wegreißen und von Deck spülen. Die für den vormals so schwülen Tag erstaunlich kalten Regentropfen bissen ihm ins Gesicht und Jarel meinte sogar, Graupel in all dem Nass zu spüren. Seltsames Wetter. Als würde ihnen jemanden zürnen. Jemand weit oben. Vor einigen Minuten hatte sich die Abfolge von Donner und Blitz erneut geballt, als wäre das Gewitter auf der Suche nach etwas wie der Blick eines wütenden Auges kurz von ihnen abgekommen und dann wieder zu ihnen zurückgekehrt. Und nun starrte es sie an. bedrohlich und intensiv.
Und noch mehr empfand Jarel als seltsam. Er konnte seine Gedanken kaum von der Kapitänin lassen. Die exotische Dame und er hatten nicht viele Worte gewechselt. Ohnehin verwunderlich, dass sie in der Lage gewesen war so schnell zu erwachen. Die wenigen gewechselten Worte brachten etwas in den Schattenläufer zum Klingen. Der Klang der Sprache, die Worte und nicht zuletzt das Gefühl in ihrer Nähe erinnerten ihn stark an Geschehnisse einer Vergangenheit, die er längst hinter sich gelassen glaubte. Unangenehme Geschehnisse. Gefährliche Geschehnisse.
Doch das war jetzt zweitrangig. Sie hatten gesiegt.
Sie hatten die Besatzung geschliffen, sogar Gefangene genommen und im Laderaum gefesselt untergebracht. Sie hatten einen seltsamen Mann unter Deck gefunden, über den es sicher einiges herauszufinden gab. Auf den ersten Blick ein Skelliger, aber wie war er hierher in Gefangenschaft geraten?
Es gab noch genug Zeit, dies herauszufinden. Erst einmal würden sie das erbeutete Schiff in den Hafen bringen. Sie fuhren kleine Fahrt, nur angetrieben durch das Focksegel.
Erstens war eine größere Geschwindigkeit nicht angezeigt, die Sicht war mehr als schlecht und den Hafen zu finden ohnehin schon eine Kunst. Mit Dunkelheit hatten seine Augen keinerlei Schwierigkeiten. Aber der Regen…er fiel dicht wie eine Wand. Zweitens wollte der Schattenläufer seine Kameraden nicht in die Wanten schicken. Auch wenn es sich um ausgebildete Seemänner handelte war das bei diesem Unwetter zu gefährlich.
Also blieb es bei zwischen zwei – zumindest für Jarel - buchstäblich ohrenbetäubenden Donnerschlägen gebellten Kommandos.
Bald würden sie im Hafen einlaufen, da hieß es nur noch den Anker abzulassen und die Segel zu streichen. Zu nah an die Kaimauer konnten sie bei dem Wetter ohnehin nicht.
Die Hafenarbeiter würden früher oder später den Rest machen und er…würde sich zu Slavas Wohnung stehlen und sich ein Bad gönnen. Nach all den warmen Tagen war dieser stechende Regen durchaus ungewohnt kalt und kroch sogleich bis tief in die schmerzenden Knochen. Er wurde alt.
Jarel versuchte auszumachen, wo sie sich befanden. Zeit war schon ein seltsames Konstrukt. Der ganze Kampf kam ihm vor, als wäre er mit einem Fingerschnippen vorbei … und die Rückfahrt zog sich wie Birkenpech.
Genug Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Er konnte segeln. Erlernte hatte er es, da war er gerade ein paar Jahre für den Geheimdienst der Krone zu Sturmwind tätig. Man hatte ihn ausgesandt, einen Zusammenschluss von Piraten im mittelbaren Umfeld von Beutebucht zu infiltrieren.
Es funktionierte nicht nur für ihn, er entdeckte in dieser Zeit sogar seine Liebe zur See.
Bis zu einem bestimmten, sehr unrühmlichen Punkt seiner Karriere zumindest.
Er hatte sich in die Crew von Zalzane Zukora, genannt ‚die blutrote Gischt‘, heuern lassen. Eine ebenso brutale und skrupellose Mörderin, die alles niedermetzelte, was auch nur einen falschen Wimpernschlag tat oder es wagte einfach zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Trotz allem, die charismatische Kapitänin mit der Schläue und Gerissenheit einer Galakhyäne hatte an ihm gleich einen Narren gefressen und ihn regelmäßig in ihr Bett gezerrt. Eine, für so einen jungen und unerfahrenen Kerl wie ihn damals eine anstrengende Sache, bedachte man, dass die Zwei Meter zwanzig große Halbtrollin mit dem struppigen roten Haar Tochter eines menschlichen Piraten und einer trollischen Schamanin war.
Trotzdem oder gerade deswegen erfuhr er innerhalb von Monaten alles, woran die Männer vor ihm gescheitert waren. Einen seiner Vorgänger mahnte ihn jedes Mal, wenn er ihre mit den Verstand verwirrenden Kram überfüllte Kajüte betrat aufs Neue zur Vorsicht: Er hing als Schrumpfkopf in einem Sammelsurium von magischen schamanischen Gegenständen an der Wand gegenüber des Fensters zum Heck und schüttelte bei jeder größeren Welle verneinend den Kopf. Oft hatte er das Gefühl gehabt, der gefallenen Spion sah ihm bei der Nummer aufmerksam zu. Neidisch vielleicht? Oder eher bedauernd? Vielleicht verglich er seine Leistung mit der eigenen. Obwohl Jarel in seinem jugendlichen Größenwahn sicher war, er wäre besser. Schließlich lebte er noch.
Wie sich herausstellte, war er für ‚Zazu‘ mehr gewesen als ein Spielzeug. Er hatte nicht zusehen können, wie sie nach Monaten der gemeinsamen Fahrt gefangen, abgeführt und in Ketten geschlagen wurde.
Er mochte sie zwar nicht, aber in all der Zeit hatte er sich irgendwie an sie gewöhnt.
Ob es Zufall war, dass er ihr im Verlies in Sturmwind noch einmal über den Weg lief, bevor sie gehängt wurde, würde er nie herausfinden. Was er herausfand war jedoch die ungefähre Bedeutung der Worte, die sie ihm in dem engen Gang entgegen spie, geschlagen in Eisen, verprügelt und von gleich vier Mann aus der Zelle gezerrt:
„Die See wird sich deine verräterische Seele holen. Sie wird dich greifen und aus dem Leben reißen, wenn du es nicht erwartetest und in ihrer Umarmung wirst du vergessen sein für die Welt.“
Im Trollischen klang das ganze schärfer, bedrohlicher, tatsächlich wie der Fluch, der er gewesen war.
Seitdem hatte er die offene See gemieden. In seiner Welt waren Flüche etwas sehr reales, wie er einige Jahre später schmerzlich am eigenen Leibe erfahren musste.
Heute spielte das keine Rolle. Sie waren nicht auf See. Sie waren auf einem Fluss unterwegs, der zu dieser Jahreszeit eigentlich geradezu zahm war in dieser Gegend. Eigentlich.
Wenn nur dieses eigenartige Wetter nicht wäre….
Mit noch immer zusammengekniffenen Augen spähte der Schattenläufer nach vorn. Sie müssten bald im Hafen sein…schade, dass man von hier das ewige Feuer nicht sehen konnte, das wäre sicher eine große Hilfe.
Heim kommen, Slava sehen, ’die Sache’ aus der Welt schaffen, ein Bad nehmen. Bald. Sehr bald.
Blitz und Donner gingen in der Zwischenzeit Hand in Hand. Seine Ohren verweigerten bei dem Lärm den Dienst, und so entging ihm das Knarren über ihm, gefolgt von einem Krachen und Pfeifen zur Gänze.
Aus dem Augenwinkel nahm er im Licht eines weiteren Blitzes eine Bewegung wahr, fuhr herum…
…dann geschah alles auf einmal. Er konnte die Arme noch instinktiv hochreißen, doch verhindern, dass ihn etwas traf und schmerzvoll gegen die Schläfe donnerte konnte er nicht.
In der gleichen Sekunde packte ihn etwas am Knöchel und riss ihn fort, schleifte ihn über das Deck, wuchtete ihn erst gegen mit einem luftraubenden Schlag gegen die Reling, zog ihn dann wie einen Fisch am Haken darüber.
Er hörte nicht mehr, wie eine erstaunlich kräftige Frauenstimme vom unteren Ende des Hauptmastes her ein "Mann über Bord!", brüllte, als ginge es um eine Person ihrer Crew, und nicht um den Feind.
Um Jarel herum befand sich nur noch Wasser.
Mit jeder Sekunde kälter werdendes, wirbelndes, pechschwarzes Wasser.
Etwas hielt ihm am Knöchel! Ein Monster? Hektisch riss er einen seiner Dolche aus dem Holster und hieb danach. Ein weiterer Blitz hinterließ ein brennend scharfes Bild auf seiner Netzhaut. Kein Monster. Ein Teil der Takelage hatte sich um seinen Knöchel gelegt und das daran hängende Fetzen des Segels riss ihn in die Unterströmung, raus ins Meer. Panisch begann er am Seil zu schneiden. Die Klingen gingen gut durch die gedrehten Fasern, doch wenn er eines der Seile durchtrennt hatte, waren da immer noch zwei übrig und weitere zwei….
Etwas traf ihn hart an der Schulter. Sein Arm wurde taub und im nächsten Blitz – einem Leuchten viel zu weit entfernt und gedämpft durch den in den Fluten treibenden aufgewirbelten Schlamm – sah er seinen Dolch in die Schwärze davontreiben. Und mit dem Leuchten des Blitzes erlosch sein Bewusstsein.
Die Kälte der See umfing ihn, nahm ihn in die Arme und trug ihn davon.
An Deck begann das losgelassene Steuer sich zu drehen, erst langsam, dann immer schneller.
Das Schiff drohte quer in die Strömung zu driften.