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Für keine Hand voll Oren.

Verfasst: Dienstag 23. November 2021, 16:13
von Thorben Denger
Thorben hatte eine Augenbraue hochgezogen, als der jüngere der beiden Männer den freien Vodka ablehnte. Seinen Kommentar dazu konnte er zwar nicht verstehen, aber er hatte das Gefühl, dass auch dieser nicht der Höflichkeit entsprochen hatte.
'Jake',... war das sein Name oder ein weiteres Wort seiner unbekannten Sprache? Zumindest hatte er mit keiner Geste dabei auf sich gedeutet. Warum mussten es die Kerle so schwierig machen? Naja, Jake konnte eine Form von Jakob oder Jakobus oder weiß der Geier was sein. Solche Namen gab es weiter im Süden schon häufiger, glaubte er zumindest.

Brüsk ging der Kleine an ihm vorbei und Thorbens andere Augenbraue schnellte in die Höhe, als der Typ seinen Frust an einer umgefallenen Säule ausließ. Besser an der Säule, als an einem armen Thorben jedenfalls. Er konnte den Blick des jungen Mannes nicht richtig einschätzen aber unter der Wut schien auch Trauer zu liegen, als er das schwelende Etwas in der Ferne betrachtete. Doch eine Rüstung oder ein Karren? War im Inneren jemand verbrannt?
"Na, der hast du es ja richtig gezeigt, Kleiner!" grinste er und schaute dann zu Slava, als dieser gerade auf seine erste Frage antwortete.

Der Zwerg blickte skeptisch drein. Ein Nilfgaarder also? Und dazu Soldat, klar. Machte Sinn, so nah an ihrem Heerlager. Etwas ungewöhnlich, dass sie einen Magier als Kundschafter entsendeten, aber wer wusste bei den Schwarzen schon, woran man war? Grundsätzlich hatte er erstmal kein Problem mit dem Kaiserreich. Man hörte oft von den harten Gesetzen, die in den eroberten Ländern durchgesetzt wurden, aber auch von vielen Verbesserungen. Sie brachten die Zivilisation mit sich, so sagte man und tatsächlich griffen die Schwarzen hart durch, was Unrecht und Verbrechen anging. In vielen Regionen hatten sich schon nach einem Jahr der Eroberung bessere Lebensumstände bemerkbar gemacht, als es zuvor der Fall gewesen war. Wie bei alldem Thorbens Berufswahl abschneiden würde, sollten die Nilfgaarder ganz Redanien und auch Novigrad einmal eingenommen haben, würde sich noch zeigen müssen. Grabraub war sicher ein heikles Thema in der imperialen Legislatur, aber da das Kaiserreich nicht sonderlich viel mit den Göttern zu tun hatte, konnte er vielleicht damit durchkommen, weiter die alten Elfenruinen zu durchforsten.

'Vyacheslav Sokolov' vernahm er dann, wie er vermutete den Namen des älteren Mannes. Na, das war zumindest mal ein Name, den er klar nach Temerien und Redanien einordnen konnte. Vielleicht war der Kerl nur ein Söldner für die Schwarzen. Dann sprach der Kerl wieder in dieser Skellige-Sprache mit dem Jüngeren. Echt unhöflich sowas.
Bei der anschließenden Frage zum Erforschen der Ruinen runzelte Thorben die Stirn und zog einen Moment nachdenklich an seiner Pfeife. Der Tabak hatte seine Nerven wieder ein wenig beruhigt und für einen kurzen Moment hatte er die sie umgebende Gefahr völlig vergessen. Er ließ seinen Blick über die zerstörten Mauerreste schweifen und konnte hier und da verwitterte Steinmetzkunst entdecken. Gravuren in Schlangenform und wenn ihn seine Augen nicht täuschten war das in einer Ecke eine in mehrere Teile zerbrochene, längliche Statue. Schnell fügte er sie im Geiste grob zusammen und kam zu dem Schluss, dass es sich ebenfalls um eine aufgerichtete Schlange handeln musste. Der Tempel zu Ehren des Schlangengottes, der im Sumpf vor langer Zeit einmal verehrt wurde. Die Chancen standen gut, dass es der Tempel war, den Lord Juskowiak erforschen wollte. Vielleicht war sein Ring ja noch zwischen alten Scheiß- und Knochenhaufen zu finden.
Thorben hatte noch einen Auftrag zu erfüllen und wenn die beiden oder zumindest der ältere Kerl ihm dabei helfen konnte, wer wäre er abzulehnen? Wenn es da unten noch mehr von den Biestern gab, würde er in den engen Gängen echte Probleme bekommen. Er hätte den Männern sogar ein paar Oren oder Kronen in die Hände gedrückt, wenn sie ihm aushalfen, aber davon war bisher keine Rede. Also tat er das einzig Sinnvolle und stimmte Slava zwinkernd zu.
"Genau! Alles ausrotten, bevor sie uns überfallen oder unserer Spur folgen. Die können Aas und wenn sie Hunger haben auch lebende Wesen über Meilen hinweg riechen." Thorben hatte keine Ahnung, ob das stimmte, oder er Slava einfach nur einen Bären aufband. Doch wenn er den Kerl mit Schauergeschichten dazu bekam, mit seinen Zaubersprüchen die Kellergewölbe der Ruine auszufegen, dann würde das sein Leben deutlich einfacher machen.

Sie drehten sich beide um, als sie neben sich ein feuchtes Platschen vernahmen. Dieser Jake hatte sich in das feuchte Gras fallen lassen, als wollte er Sumpfengel spielen und starrte beinahe schon katatonisch zum Himmel. Entweder hatte der Typ wirklich einen Schock oder Blutverlust erlitten, oder was Thorben mittlerweile ebenso wahrscheinlich vorkam, er war aus der Universität von Oxenfurt ausgebrochen. Und zwar aus den Kellern, von denen man munkelte, dass sich dort Zellen für geistig Erkrankte befinden sollten, die von den Professoren studiert wurden.

Der Zwerg blickte Slava fragend an.
"Das kommt wohl davon, wenn man seine Medizin nicht nimmt, was?"

Memento mori

Verfasst: Donnerstag 25. November 2021, 14:57
von Jakob von Nagall
Jacky.
Oh bitte nicht einer von den Typen, die es ungemein komisch fanden, anderen Männern Mädchennamen zu geben, um ihre eigene Männlichkeit, oder das was sie dafür hielten, hervor zu heben, während sie die des Gegenübers in Frage stellte. Der Hut war so alt, dass Jakob fasst verpasste, sich zu ärgern. Und dann tat er es auch nicht mehr. Leider fielen ihm passende Erwiderungen meistens ohnehin erst ein, wenn ihr Einsatz lächerlich wurde, weil zu viel Bedenkzeit vergangen war. Schlagfertigkeit zählte leider nicht zu seinen hervorstechendsten Merkmalen. Und so kam ihm erst beim Beobachten der Wolken der Gedanke, dass er dem Russen hätte eine Kusshand zuwerfen oder ihn darauf hinweisen hätte können, er sei nicht sein Typ. So blieb es bei Schweigen und die Beleidigung vorerst schlucken. Das wiederum konnte er sehr gut. Bis das Maß voll war.
Die zwei Typen lösten sich einfach nicht auf und auch so nahm die Welt um ihn herum immer mehr an Form und Farbe an, je weiter die Sonne am Himmel empor kletterte. Und eigentlich war es nur noch Jakobs fast grenzenlose Sturheit, mit der er sich an den Gedanken klammerte, in einem seltsamen Koma zu liegen. Der kalkulierende Teil seines Verstandes - und dessen Anteil war dummerweise nicht unwesentlich - begann sich längst zu fragen, wie es möglich sein konnte, dass er Arizona, ja die USA oder gar seine Welt einfach so verlassen konnte, um in einer anderen aufzutauchen.
Ein Name, den er im gleichen Moment wieder vergaß - er hätte ihn ohnehin nicht nachsprechen können. Soldat, das konnte er sich merken. Und er wollte ihm etwas erklären. Oh wie er Leute liebte, die ihm die Welt erklären wollten... Ein Weg zurück. Der Typ ging also auch davon aus, dass sie aus ihren jeweiligen Heimatgegenden hier her geraten waren - wo auch immer hier war. Mit der Lage arrangieren und nicht zu sehr auffallen. Das verstrahlte Gehirn des Pripyat-Soldaten hatte aber hoffentlich das kleine Leuchtfeuer bemerkt, dass er hier veranstaltet hatte. Mal abgesehen von seinem Aufzug... sicher hatte es das. Nicht auffallen war sein zweiter Vorname, ganz klar. Jakob schnaubte abfällig zu den Worten in englisch, bevor der Soldat wieder in jenes Kauderwelsch verfiel, in dem er sich scheinbar mit dem Zwerg unterhalten konnte. Wenn er sich konzentrierte und für einen Moment aus der sturen Ignoranz auftauchte, dann waren da Worte seiner Muttersprache und auch Englisch dabei, die Sinn machten. Dann wieder seltsam abgehaktes Genuschel. Er verstand was von 'unten', 'essen' und 'Hunger', zweifelte allerdings daran, dass die zwei ein Frühstück aushandelten. Und dann war da wieder das Wort 'Medizin'.
Jakob drehte etwas den Kopf in den Nacken. Irgendwas hatten die beiden vor.
Mit ihm? Miteinander? Auf jeden Fall nahm keiner von beiden ihn auch nur ein Stück weit ernst, dessen war er sich inzwischen sicher. Überhebliche Spinner. Wahrscheinlich machten sie Witzchen über ihn, in diesem komischen Gegurgel, das wohl eine gemeinsame Sprache war. Über den 'Kleinen', wie ihn nun auch der Russe genannt hatte. Klein. Ausgerechnet. Er wollte aufwachen und mit jeder Minute, die verging, musste er einsehen, dass das nicht passieren würde. Er benahm sich wie ein Idiot - darum behandelten die Zwei ihn auch so. Der Gedanke machte ihn wiederum wütend auf sich selbst, auf seine immer wiederkehrende Unfähigkeit, einfach mal irgendetwas richtig zu machen. Klug zu handeln.
Er konnte jedenfalls nicht ewig hier im nassen Gras liegen bleiben.

Ob es die langsam durch die Nähte kriechende Feuchtigkeit, der abfällige Tonfall des Soldaten oder der Spott des Zwergs war, jedenfalls brachte irgendetwas davon letzten Endes Bewegung in den Knappen und veranlasste ihn dann doch zu ein wenig Gehabe. Er zog in einer einzigen fließenden Bewegung die Knie zum Kopf, holte Schwung aus den Beinen, gab seinem Körper einen Impuls aus den Schultern und den neben dem Kopf platzierten Händen, und stand von einem Lidschlag auf den anderen wieder auf den Füßen, den beiden mit einer nachgezogenen Halbdrehung zugewandt, die Hand am Schwert. Die Kombi machte die Bewegungen zwar schwieriger, aber nicht unmöglich. Er hatte bei ihrer Auswahl nicht nur auf ihre Schutzfunktion geachtet. Er mochte ein Idiot sein, aber er war ein schneller Idiot.
Und ja, er hatte ein bisschen angeben wollen.
"Ich kann nicht verstehen, was ihr redet.", gab er im Kontrast zu der kleinen Einlage zu, richtete sich etwas auf. Im Vergleich zu den beiden Männern sprach er leise, doch deutlich. Seine Mutter hatte einmal gesagt, er hätte Musik in der Stimme - damals, als alles noch im Lot gewesen war. Heute tat er das als den sentimentalen Unsinn ab, den Mütter eben einfach manchmal sagten. Der manchmal irritierend starre Blick der hellen Augen ruhte auf dem Soldaten, denn auch wenn er ihn von Anfang an nicht mochte, er war hier offensichtlich der einzige, der eine Sprache sprach, die Jakob verstand. Seine Brauen zuckten kurz zueinander, als müsste er selbst die Worte in der englischen Sprache erst zusammen klauben, obwohl dem nicht so war.
"Ich mag nicht wissen, was geht, aber nenn mich noch mal Jacky und ich fädle dich auf mein Schwert, Soldat aus Pripyat."
Er hatte keine Ahnung, woher er den Mut nahm, nur das Zorn in seiner Brust war. Meistens entstanden solche Aktionen durch eine ungesunden Mischung aus Fatalismus, Langeweile und Lebensmüdigkeit. Dazu eine Prise Wut und jugendlicher Grenzensuche, die gerade bei ihm noch längst nicht abgeschlossen war. Oft genug fühlte er sich innerlich wie tot und versuchte dem zu entkommen, indem er seinen Körper dorthin zwang, wo er dessen Lebenwollen fühlte.
Wenn beide Reifen auf dem Asphalt kreischten und nach Halt suchten.
Wenn die Kluft zwischen zwei Häusern unter einem dahin flog.
Wenn die Nase unter der Wucht eines Schlages brach.
Ein Teil von ihm suchte stets nach diesem Quäntchen Lebenwollen und veranlasste ihn zu waghalsigen Aktionen oder schlichter Provokation. Fast wünschte er sich, der Russe würde es tun - ihn damit zum Handeln zwingen. Er hatte keine Ahnung, dass der gerade vorgeschlagen hatte, ins Dunkel hinab zu steigen und nach dem Nest dieser Viecher zu suchen - so erschreckend sie im ersten Moment auch erschienen waren, in seiner jetzigen Stimmung würde er wohl sogar einschlagen.

neue Wege, neue Wagnisse

Verfasst: Samstag 27. November 2021, 11:15
von Vyacheslav Sokolov
Dass er sich mit der Auskunft 'Soldat aus Nilfgard' auch ordentlich in Bedrängnis und an den Galgen hätte bringen können und das vielleicht auch noch tun würde, daran hätte er jetzt nicht einmal im Traum gedacht, aber vorerst war kein Sturm der Empörung losgebrochen, auch dass das daran liegen mochte, der der Kurze ein Zwerg war, ein Anderling, das konnte er nicht ahnen. Die komplexen Zusammenhänge und Ressentiments gegen Anderlinge und die Position der Nilfgarder in dem spiel waren ihm natürlich fremd. Wobei ihm der Rassismus an sich natürlich nicht fremd war, aber eine derartige Komplexität wie er es gewohnt war traute der dieser rückständigen Welt auch gar nicht zu. Wobei, komplex war es auch für ihn nicht. Eigentlich war alles ganz einfach.
Amerikaner waren dekadente oberflächliche Hohlköpfe. Hier deckten sich seine private mit seiner beruflichen Ansicht. Rein beruflich kamen noch ein paar Ethnien dazu. Hier war das Feindbild noch ein wenig ausgeweitet, auf Tschetschenen, Georgier, und noch ein paar andere, wobei auch die deutschen hart daran arbeiteten, mit auf die Liste gesetzt zu werden.
Doch derzeit war von denen keiner anwesend.
Nur Junge, vermutlich Europäer, aber vorerst würde er ihn ganz individuell betrachten.
Ein verzogener Bursche, vielleicht ein guter Kämpfer, aber eindeutig verweichlicht. Aber das war wohl ein grundsätzliches Problem des Westens. Wahrscheinlich würde er weinen, wenn er erfuhr, dass er hier kein weiches Federbett bekam und kein Frühstück ans Bett.
Der Kurze, Thorben war ein anderer Schlag und zeigte sich immerhin kooperativ, schien bereit, sich die Höhle anzusehen.
Gut.
Er nahm den Rucksack ab und begann nach etwas brauchbarem zu suchen, seine Taschenlampe hatte er... hm, wohl verloren aber da waren noch die PDAs, das Display leuchtete, meist war es abgeschaltet, denn so ein Bildschirm gab ebenfalls gute Zielkoordinaten für einen entfernten Schützen ab. Manche lernten das auf die harte Tour, und bei anderen blieb nichts übrig, das noch lernen konnte.
Aber wie er sich auf die Beine beförderte war durchaus beeindruckend. Er war gut trainiert, Kampfsportler vielleicht. Aber nichts konnte Erfahrung aufwiegen, und die fehlte ihm wohl.
"Dann wirst du das lernen müssen, wie ich auch..." antwortete er noch dem Jungen. "...und ich hab schon verstanden. Einer von den ganz harten. Klar. Kannst mich auch Slava nennen. Wir gehen jetzt nachsehen ob da unten noch welche von den Ghoul-mistviechern sind, ich hab keine Lust mich von denen überraschen zu lassen, und dann essen wir in Ruhe und reden. Ich hatte nämlich auch noch kein Frühstück."
Und wieder in der wirren Mischung:
"Gehen wir."
Und er machte sich voran auf den Weg nach unten. Einen der PDAs hielt er dabei wie eine Taschenlampe vor sich. dass Display lieferte etwas Licht, zwar keine Taschenlampe, aber gerade genug um zu erkennen was einige Schritte vor einem geschah.
So tastete er sich langsam in die dichter werdende Dunkelheit hinein.

<ab hier geht es unten weiter>

Carpe Diem

Verfasst: Sonntag 28. November 2021, 17:44
von Thorben Denger
Thorbens Hand zuckte nur kurz in Richtung seiner umgehängten Armbrust, als der jüngere Mann sich urplötzlich wieder in die stehende Position beförderte. Er hatte sich aufgrund der spontanen Bewegung zwar kurz erschrocken, war aber nicht sonderlich beeindruckt. Schließlich glaubte er ja noch immer, dass der Typ ein Hexer war. Und Hexer konnten sich wie Wasser bewegen, wenn sie nur wollten oder das richtige Zeug geschluckt hatten. Er hatte schon einmal einen Hexer in seine Dienste genommen. Ein grummeliger, verschrobener Kerl, der aber mit Thorben und gleichzeitig einer halben Kleinstadt den Boden hätte aufwischen können. Dementsprechend zog der Zwerg seine Hand wieder zurück und grinste nur weiterhin breit.
Zwischen dem Nilfgaarder und dem Hexer schien es zu knistern. Bevor die beiden sich gegenseitig an die Gurgel gingen, sollte er wohl lieber eingreifen. Oder zumindest für eine Ablenkung sorgen.

Der Hexer schien nicht zu verstehen, dass sie die Ruine betreten und von den Ghoulen befreien wollten. Dabei war er doch die Schlüsselfigur. Als Hexer sollte er ruhig voraus gehen. Als geübter Nahkämpfer würde er in den vermutlich engen und dunklen Gängen die Drecksarbeit machen müssen. Hauptsache Thorben konnte weiter hinten bleiben und Feuerschutz geben. Es war gut, ein menschliches Schutzschild zu haben, dachte der Zwerg vergnügt und überlegte, wie er dem Hexer klar machen konnte, was von ihm erwartet wurde. Auf jeden Fall sollten sie den anbrechenden Tag nutzen. Nur selten verließen Ghoule ihren Bau, wenn die Sonne am Himmel stand. Sie gingen zwar nicht sofort in Flammen auf, aber sie empfanden Sonnenlicht meist als unangenehm. Das nahmen sie allerdings gern in Kauf, wenn sie Hunger hatten oder Beute wittern konnten. Dennoch war es immer besser, die nachtaktiven Biester tagsüber zu jagen.
Dann grinste der Zwerg noch breiter, als ihm eine Idee kam und er zeigte auf den Eingang in die Kellergewölbe des alten Tempels. Danach steckte er sich die Pfeife in den Mund, hob beide Hände zu Krallen geformt links und rechts neben seinen Kopf, hüpfte von einem Bein auf das andere und gab Laute wie "Uwääääargh! Bluaaaaawargh!" von sich. Dann stand er wieder still, deutete auf Jakes Schwert und fuhr sich dann mit ausgestrecktem Daumen in der universellen und weltenumspannenden Geste zum Töten über den Hals. Danach stand er nur erwartungsvoll da und blickte den jungen Mann wie ein Honigkuchenpferd grinsend an.
Plötzlich regte sich der Nilfgaarder. Thorben runzelte die Stirn, als er ein leuchtendes Steintablett oder sowas hervorholte und sich zum Eingang der Ruine aufmachte. Er behielt die riesige Pfeife im Mund und biss fest auf ihren Stiel, damit er sie nicht verlor.

Mit nassem Tabak gefüllt, mochte das unförmige Gebilde ein gutes, halbes Kilo wiegen, doch der Zwerg hielt es sicher zwischen den Zähnen in Position. Einer der Gäste im stinkenden Stiefel hatte ihn einmal gefragt, wie er das machte und Thorben hatte ihm keine Antwort darauf geben können. Warum konnte das nicht jeder, war wohl die bessere Frage. Der Gast hatte gelacht und vermutet, dass Thorben einfach den lieben, langen Tag soviel Mist erzählen würde, dass seine Kiefermuskeln bereits so ausgeprägt, wie die eines Pferdes waren. Der Zwerg hatte dem nicht widersprochen und aus reiner Neugier einmal unterwegs der alten Bessie die Pfeife in ihr Maul gestopft, um vergleichen zu können. Doch schien ihr der Qualm nicht zu gefallen und sie hatte die Pfeife einfach wieder ausgespuckt. Glücklicherweise war niemand sonst in der Nähe gewesen, der ihn mit dem folgenden Waldbrand in Verbindung hätte bringen können. Und auf beschwerliche Weise hatte er aus dem Fehler gelernt. Pferde mochten Feuer nicht. Denn es hatte viel Zeit und Mühe gebraucht, die fliehende Bessie wieder einzuholen.

Thorben zog die Armbrust wieder von der Schulter, legte einen weiteren Silberbolzen ein und spannte sie. Dann ging er wachsam und feuerbereit dem Schwarzen hinterher. Wobei seine Wachsamkeit von dem leuchtenden Ding in dessen Händen stark abgelenkt wurde. Er deutete mit der Armbrust auf den PDA und fragte leise. "Magie? Artefakt?"
Dann drehte er den Kopf in Jakes Richtung, der noch zurückgeblieben war. "Ruhm und Reichtung erwartet uns da unten, Kleiner!"

Kurz blitzte der erste starke Sonnenstrahl auf einem Zahn des grinsenden Zwergen auf, voller Pathos, wie die abgebrochende Version eines Errol Flynns.
"Nutze den Tag!"

Re: Carpe diem

Verfasst: Montag 29. November 2021, 15:43
von Jakob von Nagall
Hätte Jakob geahnt, welche Gedanken Slava wälzte, vermutlich hätte dieser das Kunststück vollbracht, dem Deutschen ein Lachen zu entlocken. Weiches Federbett. Frühstück ans Bett. Jakob hätte nicht entscheiden können, was die höher rangingen Ritter als erstes dazu bewegte, sich Wohnungen in Flagstaff oder Phoenix zu suchen, anstatt weiter im Kloster zu leben: Die steinernen Schlafnischen mit der dünnen Isomatte und dem Laken als Decke, in denen man sich fühlte wie in einer Gruft, die gemeinschaftlichen Waschräume, in denen es nur kaltes Wasser gab oder das Essen, das je nachdem wer gerade Küchendienst hatte, von erträglich bis ungenießbar reichte. Lediglich der Kaffee war gleichbleibend gut, weil Jade sich dessen Zubereitung auf die Fahne geschrieben hatte und herrschsüchtig über die Utensilien dazu wachte. Grundsätzlich war aber fast all das egal, denn wenn man einen Tag oder/und eine Nacht Training unter Alexej hinter sich hatte, schlief man im Stehen und fraß den Dreck von den Wänden. Ohnehin drehte sich die Welt während der ersten Jahre nur noch um Schlafen und Essen. Als Knappe erlernte man also vor allem die Fähigkeit, auf Knopfdruck immer und überall sofort einschlafen zu können, egal in welcher Position oder auf welchem Untergrund. Bevorzugt allerdings während Meister Yahuros Meditationsübungen.
Zumindest wenn man nicht wie Jakob versuchte, jede Minute Schlaf zu vermeiden.
Federbett und Frühstück. Ja, vermutlich hätte er wirklich gelacht und vielleicht hätte das ihrer Beziehung einen Kick in die richtige Richtung gegeben. Tat es aber nicht. Statt dessen provozierte jedes weitere Wort nur zunehmend Jakobs Widerwillen. Der Russe ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und es hätte nicht viel gefehlt, dass genau das wiederum Jakob weiter in die Spirale aus Wut getrieben hätte, in die er viel zu oft und viel zu schnell geriet. Doch da begann der Zwerg mit Händen, Füßen und würgenden Geräuschen eine ziemlich schlechte Imitation der Ghoule, was für den Knappen so unerwartet kam, dass der aufkeimende Ärger gleich wieder im Keim erstickt wurde. Ein prüfender Blick huschte zu dem Zwerg, eine Braue zuckte in die Höhe. Thorben, richtig. Was hatte der denn in seinen Tabak gemischt? Erst die nachfolgende universellen Geste, gemeinsam mit Slavas Erklärung brachte Licht ins Dunkel. Die Zwei wollten tatsächlich da runter und nachsehen, ob noch mehr von den Viechern dort lebten und er sollte offensichtlich mit. Damit war es amtlich: irgendwas war in dem Kraut.

Slava. Das konnte er sich jedenfalls merken, obwohl er noch nicht entschieden hatte, ob er den Namen auch benutzen würde. Er hatte noch nicht mal wirklich entschieden, ob der die zwei Kasper nicht einfach ihrem Drogenrausch überließ und zusah, dass er auf eigene Faust hier weg kam. Skeptisch beobachtete er zunächst noch, wie Slava einen PDA aus dem Rucksack zog und diesen scheinbar als Lampe gebrauchen wollte. Nicht gerade eine Lichtquelle ersten Grades und schwer zu halten, wenn man gleichzeitig schießen wollte.
Was Jake schließlich dazu bewegte, eine Taschenlampe aus der Brusttasche seiner Kombi zu holen und das Schwert zu ziehen, war sicher nicht der knurrige Soldat. Etwas war an dem Zwerg, dass eine lange vergessene Seite in Jakob ansprach: die kindliche Abenteuerlust eines kleinen Jungen, der in dem alten Gemäuer des Templerhauses Ritter gespielt hatte. Und dann sagte der Kurze etwas, was sich fast nach grob verunstaltetem Latein anhörte. Carpe diem? Ernsthaft? Und wieder hätte nicht viel gefehlt, doch diesmal dazu, dass er das verwegene Grinsen mit einem Lächeln quittiert hätte. Doch statt dessen hob er in einer fast ergebenen Geste die Arme, zog das Schwert aus der Scheide und folgte den beiden Männern zur Treppe in die Tiefe.
Thorben schien die Nachhut bilden zu wollen, so wie er ihnen bereitwillig den Vortritt ließ. Jakob blieb neben ihm stehen, tippte auf die Armbrust und wies dann mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen. "Besser zielen diesmal.", murmelte er auf Deutsch, dann auf Englisch. Mehr als das konnte er vorerst nicht bieten, doch er ging davon aus, dass die Geste allein schon reichte. Aber den Zwerg nach dessen Vorstellung von Treffsicherheit hinter sich zu wissen, stimmte ihn nicht gerade zuversichtlich.

Dann stieg er Slava nach die Treppe hinab und als die Dunkelheit ihn umfasste, ließ er die Taschenlampe aufflammen. Wenn man Wesen der Nacht jagte, hatte man immer und überall Taschenlampen stecken. Eine Größere war mit der Ducati verbrannt. Diese hier war nicht viel mehr als ein Schlüsselanhänger und er hätte sie fast vergessen. Jakob hatte sie irgendwann vom Zündschlüssel entfernt, weil er feststellen musste, dass sie den Lack um das Zündschloss herum zerkratzte. Sie hatte dennoch drei helle LEDs in ihrem Reflektor und warf einen weißlichen Lichtkegel in den Treppenabgang. Lose Steine bedeckten die Stufen, einer davon wohl der, den er noch vor Kurzem hinein geworfen hatte, um - ja was eigentlich? Ghoule zu wecken? Zumindest nicht unwahrscheinlich, dass sie deswegen angekrochen waren. Wenn er es recht bedachte, war er gottfroh, dass sie nicht in der Nacht zu Besuch gekommen waren - vermutlich hatte er sich quasi aus versehen mit der Meditation genügend verborgen, denn dazu war sie eigentlich da. Da durfte er sich dann wohl gratulieren.
Jakob schloss zu Slava auf, die Lampe in der ansonsten unnützen Rechten.
"Kabelbinder sind leider Asche." Er sprach eher, um anzudeuten, dass er direkt hinter dem Russen war. So eine kleine Lampe hätte man sehr gut an dessen Waffe montieren können - so musste sie immer einer halten und im Dunkeln gab es nichts ätzenderes, als sich zwischen Waffe und Lampe entscheiden zu müssen.

Klär'n wir das draußen

Verfasst: Montag 13. Dezember 2021, 20:51
von Jakob von Nagall
Es ging zu schnell, sie redeten zu viel und er kam wieder nicht mit. Die Frau tauschte mit Slava irgendein Pülverchen und der rieb es sich auf die Zähne. Was war das nun wieder? Ein Friedenstrip? Ohne ihn - er hatte an Jade viel zu genau sehen und erleben dürfen, was die falschen Substanzen aus guten Menschen machten. Damit folgte er doch dem Impuls, der ihn zuvor schon fast zur Umkehr getrieben hatte. Die drei wirkten ohnehin abgelenkt - niemand würde merken, dass er in der Dunkelheit verschwand. Er konnte seine Tritte sehr leise setzen und der Gang führte geradewegs zurück zur Treppe, dafür brauchte er nicht mal unbedingt Licht. Draußen schien die Sonne, er würde den Zugang also schnell anhand des einfallenden Lichts finden.
So dachte er, als er gerade Kehrt machte.
Allerdings hatte er die Rechnung ohne Slava gemacht, der ihn plötzlich am Arm hatte und hinter sich her schleppte, als sei er ein Kind, das partout nicht über die Straße wollte.
Prinzessin.
Jakob fühlte, wie sich sein Magen zu etwas eisig kaltem, formlosen zusammenzog, doch er war zu überrascht und seine Füße folgten dem anderen Mann fast automatisch zurück an die Oberfläche.
Reden wollte er? Drauf geschissen.

Oben angekommen, versuchte Jakob sich erst loszumachen, aber der Typ hatte einen Griff wie in Schraubstock. Doch bevor er in Erwägung zog, das Schwert zu Hilfe zu nehmen, ließ Slava ihn doch los. Statt ihm also die Finger abzuschneiden, begnügte sich der Knappe damit, die Klinge zurück in die Scheide zu rammen.
Dadurch, dass Slava ihn hinter sich her die Treppe hoch geschleppt hatte, standen sie nun recht dicht beieinander und Jakob musste feststellen, dass er mal wieder den Kürzeren zog. Wie Alexej überragte auch Slava ihn um gut eine Handbreit. Was rührten die den Russenkindern ins Essen, dass die alle so groß wurden? Doch ebenfalls wie bei Alexej dachte Jakob nicht daran, auch nur einen Millimeter zurück zu weichen und reizte seine Statur so weit es ging aus. Die herablassende Art des Älteren war wie ein rotes Tuch, mit dem er ihm vor der Nase herum wedelte, geradezu darum bettelnd, dass er ihm die Visage umdekorierte. War eh ziemlich hässlich, vielleicht konnte man da was machen.
"Wieso sollte ich.", erwiderte er knapp. Wer hatte den Oger hier eigentlich zum Sheriff gemacht? Zumal er nicht wusste, wie er hier her gekommen war, schon gar nicht im Detail. Aber das ging Slava erst recht nichts an oder besser war Jakob sich ziemlich sicher, dass er dem Typen keine weiteren Angriffsflächen für Witze auf seine Kosten bieten wollte. Reichte jedenfalls schon, dass er sich für den großen Checker hielt und Jakob für den Deppen, der springen würde, wenn er es befahl. Vielleicht sollte er fragen, wie hoch, aber mehr Gegenwehr erwartete der Russe vermutlich nicht.

Jakob merkte kaum, wie er die Zähne aufeinander biss, die Kiefer dabei anspannte und die Fäuste ballte. Gerade seine Wut entzog sich häufig seiner Kontrolle, entlud sich oft genug sehr plötzlich und unerwartet, manchmal sogar für ihn. Das eben noch wedelnde rote Tuch, dass zu einem roten Schleier vor seiner Sicht wurde - es brauchte meist nicht viel.
Ein Blick, ein Wort.
Das er schon wieder nahe davor war, bemerkte er meistens erst, wenn es zu spät und der erste Schlag gesetzt war.

Re: Im Sumpf

Verfasst: Montag 13. Dezember 2021, 21:32
von Vyacheslav Sokolov
Der Junge zappelte, versuchte sich zu befreien, aber noch gab er ihn nicht frei.
"Weil ich deine einzige Chance bin zurückzukommen, Kleines, deshalb."
Er lachte. Der Kleine war stur und es entging ihm nicht, dass er so weit war, sein Schwert gegen ihn zu ziehen.
Hätte er es nur getan, dann hätte er auch gleich gelernt, wie effizient eine solche Halbdistanzwaffe im Nahkampf war. Er mochte nicht mehr ganz so gut sein, wie noch vor 10 Jahren, aber so einen grünen Jungen steckte er leicht in die Tasche, und das vermittelte er auch mit seiner Haltung.
Oder sprach hier das Metamphetamin aus ihm?
Er hätte ihm ja beinahe gefallen, aber er hatte auch noch im Kopf, wie er beim Anblick des Feuers fast einen Nervenzusammenbruch bekommen hatte und der Kleine musste entschieden stärker werden, wenn er hier lange genug überleben wollte zum zurück zu kehren, denn wenn sich die Portale hier auch nur annähernd so ähnlich verhielten wie jene in der Zone, dann lag noch eine gehörige Suche vor ihnen und es war nicht gesagt, dass ein Portal, dass sie fanden sie auch in die jeweils richte Welt führte. Bestenfalls hatten sie Sprung um Sprung durch Parallelen vor sich, schlimmstenfalls mussten sie hier zurechtkommen, so oder so, der Junge hatte stand jetzt kaum eine Chance.
Er erinnerte sich an das Verhör des Stalkers Strelok, das er damals geführt hatte.
Er hatte behauptet im Zentrum gewesen zu sein und auf dem Weg zahlreiche Sprünge durch Portale zurückgelegt zu haben. Lokalportale, aber er hatte viele Versuche gebraucht um die richtigen zu finden, und mit etwas Pech hätte ihn eines vielleicht auch gänzlich von dort weggebracht.
Seine eigenen Versuche mit den Portalen in Pripyat und mit den Portalen, die er spaßeshalber 'Waschmaschine' nannte, weil Dinge darin verschwanden, wie Socken in Mischmaschinen. Er hatte markierte Steine hineingeworfen, auch GPD Tracker. Sie waren schlichtweg verschwunden. Also war der Tracker außer Reichweite gelandet, auch der teure. Sprich, er befand sich nicht mehr auf dem Planeten, außer Reichweite der Satelliten. Oder... hier. Eine Idee, die er hatte. Nach dem ganzen Schrott zu suchen, den sie in der Zone in jene Portale geworfen hatten, deren Ende keiner kannte.
Und zuvor musste geklärt werden, ob sie beide aus der gleichen Welt stammten.

Er musste sich vor dem Jungen nicht aufbauen, statt dessen schlug er einen eher gleichgültigen Tonfall an, so als müsse der andere sich sein Interesse erst verdienen. Das hatte bisher immer am besten geholfen. So hatte er auch seine Leute in der Zone geführt. Sie mussten ihn nicht mögen, solange sie ihn respektierten.
Und dann war dieser Junge auch im Moment nicht mehr für ihn, ein verweichlichter Europäer, der in einem teuren Lederkombi auf einem teuren Sportmotorrad durch die Gegend kurvte und ansonsten alles in den Arsch gesteckt bekam.
Sicher, er selbst war auch ein Kind der Oberschicht und dafür hatte er bezahlt, in der Armee hatten sie ihn bezahlen lassen. Und dass hatte ihn stärker gemacht.
Er würde jetzt nicht das gleiche tun, aber seinen Respekt bekam er erst wenn er ihn sich anders verdient hatte.
"Also stell dich nicht an wie ein Kind, sondern erklär's mir. Woher kommst du und was ist der letzte an das du dich erinnerst? ...ehe deine Maschine im Sumpf in Flammen aufging? Hm? Jedes Detail. Seit du in deinem Bettchen aufgewacht bist, und seit deine Mami dir ein Honigbrot geschmiert hat, alles könnte wichtig sein."

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 08:30
von Jakob von Nagall
Mister Wichtig also. Achja - Mr. Wichtig mit dem Drang ihn wie ein Mädchen zu behandeln, damit er sich selbst männlicher fühlen konnte. Wie hatte er das nur vergessen können?
Slava lachte, sein Blick war kurz am Schwert hängen geblieben. Lach noch ein bisschen und deine Nase macht Bekanntschaft mit dem Schwertknauf., dachte Jakob finster. Wer behauptete eigentlich immer, nur die geschliffene Seite sei gut für einen Kampf? Die Realität hatte leider meistens wenig mit der Fechthalle gemein oder wie pflegte Alain zu sagen: der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis meist größer als in der Theorie. Und dann trat er einem auf den Fuß und man bekam das Heft des Schwerts um die Ohren. Vorzugsweise seitlich gegen den Kopf. Fairness war was für Wettkämpfe.
Jakob schüttelte die Erinnerung ab, ließ das Schwert an Ort und Stelle. Der Typ war es doch gar nicht wert, dass er die Waffe gegen ihn zog, versuchte er sich einzureden. Der Tonfall, den er anschlug, sorgte ohnehin eher dafür, das Jakob sich fast zurück gezogen hätte. Er wollte schließlich genau das: das der andere sich nicht zu sehr für ihn interessierte und aufhörte, Fragen zu stellen, die er nicht beantworten konnte. Die er sich selbst stellte und erst einmal ergründen musste, bevor er irgendwelche voreiligen Theorien aufstellte.

Was ihn allerdings anfraß, war die Wortwahl. Dieser Fazke war so anmaßend!
Bildete er sich ein, von einem Blick in sein Gesicht und ein paar gewechselter Wortfetzen irgendetwas über ihn zu wissen? Das er genaugenommen auf den gleichen Mechanismus verfallen war, reflektierte er allerdings nicht. Menschliche Überheblichkeit war eine artübergreifende Krankheit, nur ihre Ausprägung mochte variieren.
Jakob schlief seltenst in einem Bett, weil er so wenig wie möglich überhaupt schlief. Seine Mutter hatte er seit Jahren nicht gesehen. Sein Vater war tot. Seine Schwester war tot. Wer war dieser alte Bock, dass er es wagte, überhaupt nur einen seinen lästerlichen Gedanken an sie zu richten?
Was da in seiner Brust gegen die bewussten Beleidigungen zu toben begann war natürlich ein Kind, ein unerfahrenes und daher leicht zu manipulierendes Opfer. Ein kleines, nacktes Kind irgendwo in der dunkelsten Ecke von Jakobs Seele, das er vor dem Blick aller Augen zu verstecken suchte. Vor allem aber er selbst wollte dieses zitternde Kind nicht sehen, denn die Angst und die Gier in seinen Augen konnte er nicht ertragen. Die Angst vor jeder neuen Niederlage, die Gier nach Anerkennung. Er wollte gleichgültig sein, aber dieses Kind würde das niemals zulassen - nicht wenn man es so offen konfrontierte.

Und dann passierte es mal wieder - Jakob konnte sich dabei zusehen, weil nur ein Teil von ihm agierte, während der andere beiseite trat. Die Linke fuhr nach vorn, sein Körper drehte sich geübt hinter den Schlag, die Füße fanden wie von allein in den richtigen Stand. Jakobs Faust suchte und fand ihr Ziel - nicht im Gesicht des anderen, sondern in dessen Magen. Dieser war in einer guten Angriffshöhe für den kleineren Jakob und er legte wie immer die Kraft seiner Wut in den Schlag. Und wie immer ging es ihm nicht um saubere Technik, sondern um die die pure Entladung, ohne einen Gedanken an Effizienz, Abwehr oder einen nächsten Angriff zu verschwenden.
"Immerhin hab ich eine Mutter und bin nicht aus irgendeinem Affenarsch gekrochen.", presste er zwischen den Zähnen hervor.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 09:06
von Vyacheslav Sokolov
Slava hätte ja gelacht, hätte er das noch gekonnt.
Er hatte zuvor praktisch zusehen können, wie sich das Gesicht des Jungen erst verschloss, wie ein kurzer Wiederstreit ausbrach ob er sich umdrehen und gehen sollte, oder in die Offensive gehen. Als Verhörspezialist mußte er so etwas sehen, wobei, Spezialist war zu hoch gegriffen. Markin konnte man so nennen, in dem hatte auch er seinen Meister gefunden, aber er war trotzdem ganz gut darin Menschen zu manipulieren. Und auf seine Provokation hin hätte es kein richtig und kein falsch gegeben was die Reaktion anging. Außer für ihn.
Dass hatte gesessen.
Er hatte mit einem Kinnhaken gerechnet, und sein Schädel hätte es wohl ausgehalten, aber das saß.
Der Scharfschütze auf der Zementfabrik... er hatte nur überlebt, weil der die Geduld verloren hatte, kein Profi, und weil zu lange mit Arkadij diskutiert hatte. Unter dem Vordach... der Winkel... nur deswegen kein Kopftreffer. Abe vier ordentliche Schüsse in den Unterbauch. So lange war es noch nicht her. Er war natürlich zu früh aus dem Krankenhaus verschwunden. Auch dafür hatte er Gründe.
Die ihm gerade nicht einfallen wollte.
Einen kurzen Moment tanzten bunte Flocken vor seinen Augen, ehe er sich wieder fing. Er war alt und angeschlagen, und jetzt bekam er die Quittung.

Es dauerte einen Augenblick. Was hatten sie ihnen in der Ausbildung beigebracht? Damals, zur Spezialeinheit? Sie hatten sie windelweich geschlagen damit sie lernten, trotzdem noch zu funktionieren. Und we jeder gute Soziopath hatte er schnell gelernt zu dissoziieren. Alles abspalten was gerade nicht funktionierte.
Ein kurzer Blick auf seine Hand, die er sofort instinktiv auf den Bauch gepresst hatte, als müsse er so seine Gedärme daran hindern herauszuquellen, aber es rann nichts warmes darüber, es färbte sich nichts rot. Also gut, das war nun nicht mehr die Prüfung für den Jungen, ob der hart genug war, das wird nun die Prüfung für dich, alter Mann.
Er war immer der bessere Nahkämpfer gewesen, aber in er Regel legte er es darauf an schnell zu töten, wieder verlor er einen Moment in dem er über weniger letale Maßnahmen nachsann. Ein Schlag auf den Kehlkopf... nicht optimal. Er atmete einen Moment länger durch, Zivilisten hatten meist eine Hemmung, gegen jemanden vorzugehen, der durch seine Körperhaltung Schmerz signalisierte, es war nicht ganz leicht, diese abzutrainieren, zumindest nicht wenn die Spiegelneurone normal funktionierten. Das nutzte er aus.
Er bekam ihn zu greifen, packte den Arm, den er für den gesunden hielt und drehte ihn ihm auf den Rücken. Mit der freien Hand überstreckte er seinen Kopf, in der Hoffnung, dass der Junge sich jetzt nicht einfach nach hinten abstieß. So war es schwer, auch noch genug Körpeerspannung aufzubringen um nach vorne wegzukommen.
Die Beleidigung hinsichtlich eines Affenarsches war ihm ziemlich egal, verbal ließ er sich kaum provozieren.
"Was hat dich so aufgebracht, kleine Prinzessin? Das Honigbrot? Stehst du mehr auf Nutella?" mit weicher Stimme, direkt an seinem Ohr. Eine Hand an seinem Hals. Zu nahe, zu weich, zu eindringlich. Bei den homophoben Russen hätte es sicher noch besser gewirkt, aber er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, die Grenzen dieses Jungen auszuloten, und er musste wissen worauf er ansprang und worauf nicht.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 10:18
von Jakob von Nagall
Das sein Schlag derart saß, hätte ihn in einer ruhigeren und überlegteren Stimmung wohl überrascht. Aber sein Denken war für den Moment abgeschaltet und er fühlte nichts außer Wut - keine Genugtuung, kein Entsetzen, erst recht kein Mitleid. Vielleicht ein leichtes Pochen in seinen Knöcheln, als körperliche Reaktion. Das es eine natürliche Hemmung war, die ihn davon abhielt, direkt nachzusetzen, hätte ihn zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht sogar interessiert - die Lehrstunde war gerade allerdings weniger theoretischer Natur. Fakt war: er zögerte und fand sich im nächsten Moment gegriffen, eine Hand auf den Rücken gedreht, Slavas Finger an seinem Hals.
Die Stimme an seinem Ohr, der Atem, der über die empfindliche Haut direkt darunter strich - das alles löste ganz andere Ängste als gegenüber so etwas Profanem wie zu viel Nähe mit einem anderen Mann in Jakob aus.
Zähne, die nur darauf lauerten, einem die Halsschlagader aufzureißen, während man in einem Zustand der Verklärung willig darauf wartete, auszubluten.
Süße Einflüsterungen von ungeahnten Wonnen, bis hinein in den Tod.
Er spürte, wie sich seine Muskeln verspannten. Wie die Wut zugleich weiter an ihm zerrte.
Slava spielte mit ihm - der beobachtende Teil seiner Selbst war sich dessen nur allzu bewusst, aber er hatte gerade nichts zu melden.

Jakob war nicht wirklich gut im Nahkampf, doch die Position spielte ihm in die Karten, denn sie war genau das, worauf man sie immer wieder drillte:
Sie kommen von oben. Sie greifen dich von hinten. Sie wollen an deinen Hals.
Es war genau der eine Griff, aus dem man sich als Templerknappe als erstes zu befreien lernte, möglichst bevor die geistige Beeinflussung einen handlungsunfähig machte und auch wenn Jakob in seinen Zornesanfällen gerne alle guten Ratschläge in den Wind schoss, war sein Kleinhirn doch zur Genüge auf diese Situation konditioniert. (96/100) Entsprechend hatte er schon in dem Moment, als Slavas Finger sich um sein Handgelenkt spannten, seine Hand gedreht und seinen Arm gegen den Hebel gespannt. Und während der andere seine Zeit mit Spielchen verschwendete, anstatt den Hebel vollends zu Ende zu führen, streckte Jakob sein gefangenen Arm in einem Ruck nach unten aus und drehte sich zugleich. Das Slava ihn gar nicht wirklich verletzten wollte, kam ihm dabei nicht in den Sinn und selbst wenn, wäre es ihm reichlich egal gewesen.
Überhaupt dachte er nicht wirklich viel nach, aber er war wild entschlossen. Und eine Antwort blieb er mal wieder schuldig.
Seine Rechte war keine große Hilfe, aber die Linke befand sich noch im Griff des Russen, also nahm er den Schwung der Drehung mit in einen rechten Haken. (63/100)
Die verletzte Schulter unter der Orthese protestierte.

Re: Im Sumpf

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 10:56
von Vyacheslav Sokolov
Er antwortete nicht, aber er blieb in Rage, ein wenig hatte Slava sogar den Eindruck, dass seine Worte gar nicht erst zu ihm durchgedrungen waren. Er konnte ihn also mit einem zuviel an männlicher Nähe gar nicht erst drankriegen, da hatte es schon viel früher einen Trigger gegeben und ihm den Verstand ausgeschaltet. Feuer... gab es hier keines. Der Haltegriff? War er einmal in den Flammen eingeschlossen gewesen? War das seine Angst? An Vampire dachte er natürlich nicht, wobei er tatsächlich selbst an eine Begegnung mit einem Blutsauger zurückdenken konnte, die ein ganz ähnliches Ziel verfolgten, allerdings benötigten Sie keine Haltegriffe, dazu hatten sie Tentakeln rund um das entstellte Maul, und auch keine süßen Einflüsterungen, die verwendeten Chemie. Ein natürliches Betäubungsmittel und einen Gerinnungshemmer. Bis man merkte was geschah war man verblutet. Er war davongekommen... glaubte er zumindest. Wenigstens ein paar mal. Wieder spielten ihm seine Erinnerungen Streiche.
Der Junge entwand sich seinem Griff. Nicht schlecht. Slava grinste, es gefiel ihm tatsächlich. Der Bursche hatte schnell reagiert, irgendwer hatte ihn wohl ausgebildet, aber an der Psychischen Verfassung musste man noch arbeiten.
Den Haken fing er nur halbherzig ab, und auch eher um zu sehen wie kräftig der offenkundig verletzte Arm war. Die Beweglichkeit schien etwas eingeschränkt. Dieser Arm war wirklich kaum eine Gefahr, also ließ er den Schlag durchgehen, drehte aber rechtzeitig den Kopf, so dass er am Hinterkopf abprallte.
Die Linke ließ er dabei los. In erster Linie wollte er sehen, was der Junge konnte, mit Links.
Dabei behielt er jedoch das Schwert im Auge, wenn er das zog würde er ihn ausschalten müssen, und auch Slava war klar, dass so ein Teil mehrere gefährliche Enden hatte, auch wenn er es tatsächlich noch nie mit einem Schwert zu tun hatte, aber mit Messern, die er für deutlich gefährlicher hielt und die durchaus ein Griffende hatten, das, gegen die Schläfen gerammt durchaus wirksam war - dass sie hier ganz ähnlich dachten hätte ihn vermutlich trotzdem verblüfft.
Nur war etwas abstand zwischen ihnen, eine Armlänge in etwa, nicht ganz genug für einen Tritt, doch Slava blieb auf alles gefasst. 4auf die Beine würde er verzichten müssen, auch sein Knie war nicht gerade in der Verfassung, schnelle Drehkicks auszuführen, auch hier war er früher schon mal besser gewesen. Als er noch jünger war und leichter hätte er vielleicht gegen seinen Kopf getreten aber ein kaputtes Knie und 15 Kilo mehr auf den Rippen kratzten etwas an seiner Leichtfüßigkeit.
Den Wettkampf mit Lew hatte er auch nur gewonnen, weil der Junge zu viel nachdachte. Und der hier zu wenig.
Den Trigger finden.
Aber in seiner Welt kam einfach nur ein begrenztes Spektrum an Gefahren in Frage, und eben keine Vampire.
"Wovor hast du solchen Schiss, Kindchen, dass du dir fast in die Hosen machst? Hm? Fürchtest du dich vor Feuer? Mal gezündelt und die Bude abgefackelt? Warst du drin gefangen? Ist es deswegen?"
Und gleich drauf ein schneller Angriff, mit flachen Händen, er wollte nur sehen, ob er durch die Deckung kam, schaffte er es, würde er ihm eine Ohrfeige geben, oder zwei, oder drei, je nachdem.
seine Rekruten mussten da auch immer durch. Unvorbereitet. Und an ihrer Gegenwehr konnte er immer ganz gut ablesen was sie tatsächlich beschäftigte und was sie kalt ließ. Nur Yurij, der Lehrer hatte es tatsächlich geschafft, ihn dabei zu überraschen.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 11:23
von Jakob von Nagall
Sein Schlag verpuffte am Kopf Slavas, doch immerhin war seine Linke nun wieder frei. Der Russe hatte ihn losgelassen, aber das registrierte er nicht als Mutwillen. Er hatte die Hände wieder frei, nur das zählte, und zumindest hob er sie in eine halbherzige Deckung, als der Kerl wieder das Schwafeln anfing. Er hätte auch die Laute von Charlie Browns Lehrerin von sich geben können, der Effekt wäre aktuell der gleiche gewesen. In dieser Stimmung war Jakob taub und blind, lief entsprechend fast in den Angriff Slavas hinein, selbst darauf forkussiert, wieder wie wild anzugreifen. Wie gefangen in einem Tunnel, nur das es am Ende kein Licht gab.
Dafür leuchtende Punkte, als ihn die erste Ohrfeige traf.
Bei der zweiten Ohrfeige berührten Jakobs Finger immerhin fast Slavas Arm.
Die Dritte wehrte er ab.
Slavas Attacken zwangen ihn zum Rückzug, den er nicht so antrat, wie man es tun sollte, wenn man ein Schwert an der Seite trug. Statt dessen wechselte er den führenden Fuß und geriet prompt ins Stolpern.
Fing sich selbst und gleich noch eine Ohrfeige dazu.
Der Tunnel wurde enger, die Spannung in seinem Nacken unerträglich.
Er duckte sich und rannte mit einem wütenden Aufschrei einfach gegen den anderen an, mit gesenktem Kopf unter den attackierenden Händen durch, in bester Kneipenschlägereimanier und nur mit dem Ziel, ihn von den Füßen zu holen.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 12:00
von Vyacheslav Sokolov
Spätestens jetzt war Slava klar, dass der Junge wirklich nichts mehr mitbekam. Er reagiert nicht, auf keines seiner Worte, er wich zurück, reagierte nur noch Instinktgesteuert, stolperte fast. Im Tunnel.
Fremdgesteuert.
...und dann schickte er sich an, ihn einfach umzurennen. Brachial. Aber Mut hatte er, der konnte man davon noch sprechen, wenn einer so im Dunkeln tappte.
Ein wütendes Brüllen, genug Zeit, zu reagieren.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, mitzuspielen, aber noch einen Treffer in die Magengegend wollte er vermeiden. Also manövrierte er ihn nur aus, brachte ihn zu Fall und fixierte ihn bäuchlings am Boden.
Wie er ihn aus dem Tunnel bekam war nun die andere Frage.
Hatte einen ein Kontroller in seiner Gewalt half manchmal nur Gegengewalt, Schmerz. Das konnte hier nicht falsch sein.
Er verpasst ihm eine weitere Ohrfeige, dieses mal aber kräftiger. Er kniete über seinem Rücken und hielt ihn am Boden fast.
Wie alt mochte er sein? 18? Nein, sicher schon etwas älter... deutscher... wieviel PS hatte die Maschine wohl gehabt? Aber sicher mehr als 50 PS und 125 ccm. Wenn sie aus der gleichen Zeit kamen musste er über 24 sein, aber jede Neuerung der Führerscheinregelung in Deutschland kannte er nicht, und auch dass er die eine mal recherchiert hatte war einem Zufall geschuldet. Er versuchte sich zu erinnern, wie er selbst mit Mitte 20 gewesen war. Ein Vollidiot, das musste er zugeben. Aber auch ein Soldat, Spezialeinheit, er hatte sich mit Tschetschenen herumgeschlagen, hatte eine desaströse Geiselnahme miterlebt, besser gesagt, das Ende derselben. Danach Terrorabwehr und verdeckte Ermittlungen.
Und schließlich hatte er die Entstehung der Zone miterlebt... wobei, da war er schon fast 30 gewesen.
"Gut, genug gespielt. Jake. Aber es wäre nun besser, du erklärst es mir, so ganz schlau werd ich noch nicht. Was stimmt mit dir nicht?"
Er wechselte ins Deutsche, in der Hoffnung, dadurch einen Bruch herzustellen.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 13:29
von Jakob von Nagall
Du hast ihm einen Zahn ausgeschlagen, Jakob! Spinnst du? Schau wie er blutet. Was stimmt mir dir nicht, Mann?!
Was stimmt mit dir nicht?
Was.stimmt.mit.dir.nicht.


Slava holte ihn von den Füßen, den Aufschlag bekam er kaum mit. Klar, es musste so kommen - vielleicht hatte er genau darum gefleht, auch wenn er sich noch gegen die Fixierung zu wehren versuchte. Bis ihn wieder ein Schlag am Kopf traf und diesmal seinen ganzen Schädel vibrieren ließ. Schmerz half ihm selten aus seinen wütenden Anfällen. Eigentlich half gar nichts wirklich, nur Erschöpfung. Das Erreichen des Punktes, an dem der Körper erst revoltierte und dann den Dienst quittierte, aber davon war er gerade noch Meilen entfernt, auch wenn sein Atem stoßweise ging. Das lag eher an dem Oger in seinem Kreuz. Wenn es um Ausdauer ging, war er leider ziemlich gut in Form und das wiederum machte es schwer, die Grenze zu erreichen.
Was ihn allerdings dazu brachte, still zu halten, war seine Muttersprache. Stark akzentuiert zwar, aber eindeutig Deutsch. Es kam ihm so lange her, so unendlich fern vor. Im Kloster sprach man Englisch, Französisch und in den Lehrstunden oft Latein. Deutsch war für ihn in Vergessenheit geraten, seit er nach Flagstaff gegangen war. Er hatte es hinter sich gelassen, gemeinsam mit all den bitteren Erinnerungen an seine Heimat und den Deutschen Orden. An das Haus, dass ihn nicht wollte. Dem er eine Last gewesen war, weil sie nicht fertig wurden mit ihm und seinen Launen. Den sie aber auch nicht fort schicken durften, weil er ein Wissender war. Maximilian hatte sich seiner angenommen, ihm hätte er vertrauen können. Mit der Zeit. Doch der Großmeister unterrichtete längst keine persönlichen Knappen mehr und so fiel seine Akte an Alexej. Alexej mit seinen Psychospielchen und der Kerl in seinem Rücken kam ihm wie eine Reinkarnation des Templers vor - hätte nur noch gefehlt, dass er auch anfing über Halo-Effekte zu schwafeln.

Hätte Jakob geahnt, um welche Zusammenhänge sich die Gedanken des anderen derweil drehten, sie hätten wohl was zu lachen gehabt. Nur weil er erst 21 war, sollte ihn das von seiner Maschine abhalten? Er fuhr so Dinger seit er die Schalthebel erreichen konnte - wen interessierte da die Legalität? Doch es blieb vorerst ungesagt, wie so vieles. Vermutlich hätten sie sogar einige Gemeinsamkeiten gefunden, hätten sie einander die Chance gegeben - besser: hätte Jakob Slava die Chance gegeben. Ein Neustart? Erzwungener Maßen, wenn man bedachte, wer hier grad das Gesicht im nassen Gras und einen Oger auf dem Rücken hatte.
Aber scheiße nochmal keine gute Basis, von beiden Seiten nicht.

Was stimmt mit dir nicht.

Die Feuchtigkeit des Bodens drückte allmählich durch den Stoff des Funktionsshirts, das er unter der Jacke trug. Slava ließ zu, dass er den Kopf zur Seite gedreht hielt und so konnte er die Steine und Grashalme in der näheren Umgebung sehen. Er versuchte nicht einmal, die Augen so zu drehen, dass er den Soldaten sehen konnte - er starrte einfach geradeaus, jede Sehne gespannt wie jene auf dem Bogen der Elfe.
Elfe. Zwerg.
Wieso fragte der Typ, was mit ihm nicht stimmte? Er passte doch zusammen mit dem Oger ganz wunderbar in diese bekloppte Welt.

Atmen, Jakob.
Es war eher ein Schnaufen, weil er die Zähne immer noch so fest aufeinander gepresst hielt, dass die Kiefer schmerzten.
Er hoffte fast, Slava hielte ihn noch eine Weile fest, denn er konnte noch nicht garantieren, dass nicht alles von vorn los ging, sobald er frei kam. Sein Körper war wie eine Feder unter Druck, eine falsche Bewegung und sie würde zu irgendeiner Seite davon springen. Ab und an prüfte er sogar, ob er sich nicht los machen konnte. Es geschah ohne Zutun seines Kopfs, rein instinktiv. Er spielte nicht. Er wünschte, er würde nur spielen.
Atmen.

Was stimmt mit dir nicht.

Waren es nur Sekunden, Minuten oder Stunden? Er fühlte, wie sein Blut sich tatsächlich abkühlte, wie er wieder zu einem Ganzen wurde. Der Schmerz erreichte endlich sein Bewusstsein: die Schulter, Slavas Griff, die Knöchel seiner Hand. Ein Stein drückte sich in seinen Unterbauch. Seine Brust war kalt. Allmählich ließ der Druck im Nacken nach, hörte sein dauerndes Gezappel auf, bis die Muskeln sich so weit entspannten, wie es möglich war, wenn jemand auf einem drauf hockte.
Und wie immer befiel ihn eine an Depressionen grenzenden Melancholie, die es jetzt allerdings zu überspielen galt. Es war nur eine weitere Wunde, eine weitere Schwachstelle, die Angriffspunkte lieferte.

"Du meinst außer der Tatsache, dass ich mir einbilde mit einer Elfe, einem Zwerg und einem Oger in eine Märchenwelt voller Monster geraten zu sein?", erwiderte er nach einer Pause, deren Länge er nicht im entferntesten abschätzen konnte, auf Englisch. Er wollte kein Deutsch sprechen. Nicht mit diesem Kerl. Eigentlich mit niemandem.
"Sag du's mir." Er war doch der mit den Psychospielchen, oder war das doch nur Alexej und er brachte Dinge durcheinander?

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Dienstag 14. Dezember 2021, 15:52
von Vyacheslav Sokolov
Er hielt ihn fest. Noch eine ganze Weile. Sehr lange zappelte er noch, wehrte sich sich gegen den Griff, wollte sich aufbäumen.
Vermutlich ahnte Slava sogar, dass er ihn ermüden musste, die Ohrfeige zeigte jedenfalls keine Wirkung, also ließ er es. Man mochte ihm viel unterstellen, aber Sadist war er keiner.
Jake begann ruhiger zu atmen.
Slava lockerte etwas den Druck.
Langsam schienen sich die Muskeln in seinem Nacken zu entspannen und ​sein Wiederstand erstarb,
Kraft hatte er ja, und kaum ein Gramm Fett zwischen Muskeln und seinem Knie.
War das ein hysterischer Anfall? Dunkel erinnerte er sich ans Studium. Wurden nicht auch Autisten so behandelt? Der Druck beruhigte das Nervensystem. Irgendwie so.
Eine Weile hielt er ihn noch aufrecht dann ließ er los, als er den Eindruck hatte, der Junge würde ihm nicht gleich wieder ins Gesicht springen.
wobei, er hatte es ja provoziert.
Nur entschuldigen würde er sich sicher nicht.
Doch irgendwann sprach er sogar.
"Ich meine, wie du auf das Feuer reagiert hast und auf meine Provokation. Lass mich raten, ich erinnere dich an wen, wir kennen uns nicht und du hast dich viel zu leicht von mir auf die Palme bringen lassen. Und danach... du warst wie in Trance, das ist kein gesunder Zustand, wenn man kämpfen und funktionieren soll..."
Er ließ sich neben ihm auf den Boden fallen. Er war selbst ein wenig außer Atem, mehr noch als wohl der junge Mann. Zwei lange Aufenthalte im Krankenhaus hatten seiner Kondition merklich zugesetzt.
Gras wuchs zwischen den Steinen der Ruine, an manchen Stellen hatte sich Wasser gesammelt. Die Sonne stand hoch am Himmel. Wie spät mochte es sein? Wenn es wirklich nicht die Erde war? Wenn sich die Sternbilder so unterschieden. An der Stelle hatte auch Slava einen Klos im Hals, doch er schluckt ihn schnell, kontrollierbar war ihre Situation ohnehin schon lange nicht mehr. Trotzdem... später Mittag, Nachmittag? Er hatte Hunger, bohrenden Hunger und Schmerzen in der Seite.
Er gab der Versuchung nach, Pullover und Unterhemd hochzuziehen wo ihn der Magenschwinger erwischt hatte. Die vier Narben waren gut zu erkennen, gerötet, aber keine davon war aufgebrochen. Das war auch nicht zu erwarten gewesen, aber wer einmal gesehen hatte wie das Blut wie aus einer Quelle aus seinem Körper sprudelte vergaß das Bild nie wieder und es dauerte eine Weile bis er wieder das Vertrauen in die Dichtigkeit der Haut zurückgewonnen hatte.
Drogen waren da zwar nur zum Teil hilfreich, aber vor allem halfen sie, die Schmerzen zu überstehen, und seien es nur noch Phantomschmerzen.
"Du hast gut getroffen, gleich beim ersten Schlag. Aber was zu Hölle ist ein Oger, so etwas wie ein Ork? Ach, du meinst mich... HaHa.. Sehr lustig."
Er hatte eine vage Vorstellung, er las selbst Fantasyromane, sah Filme, aber Oger waren bisher eher selten darin vorgekommen.
"Wir sitzen hier wahrscheinlich für ne Weile fest und nachdem wir nach meinen bisherigen Erkenntnissen die einzigen aus einer anderen Welt sind sollten wir zusammenarbeiten um hier weg zu kommen. Und Elfen und Zwerge sind wohl nicht das schlimmste was dir hier begegnen kann... Ghule kennst du jetzt auch schon... und ich hab dir noch 'Ertrunkene' voraus."

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Mittwoch 15. Dezember 2021, 10:15
von Jakob von Nagall
Slava zog sich zurück und Jakob rollte sich fast sofort auf den Rücken, setzte sich auf. Trotzdem wirkte seine Haltung im ersten Moment ein bisschen wie der sprichwörtliche geprügelte Hund, aber immerhin hörte er zu. Nach ein paar Atemzügen kratzte er ein wenig mehr Spannung zusammen, zog ein Bein an und legte den Ellenbogen des bösen Arms auf dem Knie ab. Andere, auch er früher, hätten jetzt vielleicht irgendwas in den Fingern gebraucht - einen Grashalm ausgerissen oder dergleichen. Aber er ließ die Hand nur hängen, stützte die andere am Boden ab und sah einer Ameise zu, die versuchte seinen Stiefel zu überqueren. Sein Kopf suchte nach Worten.
Feuer und Provokation. Tollwut, wollte er schon bockig erwidern, atmete lieber noch einmal tief durch. Statt dessen: "Ja." Punkt. Ja, Slava erinnerte ihn definitiv an jemanden und ja, nicht gut, wenn man eigentlich fokussiert bleiben sollte. Bisher hatten seine zwei Hälften das allerdings sehr gut in den Griff bekommen - Monster töten, kein Problem. Sich in soziale Gefüge einordnen, großes Problem. Niemand einen Ritter im Team, bei dem man nie wusste, ob er nicht im falschen Moment ausrastete, hinschmiss oder eine Prügelei unter Kollegen provozierte, während sich ein paar Marillions bereit machten, ihnen die Köpfe abzureißen.
Dennoch: "Ich funktioniere ganz gut.", setzte er mit einem Blick auf die stinkenden Kadaver, die unweit von ihnen in der Sonne gärten, hinzu. Nur mit der Sozialkompetenz hatte er es nicht so.
Funktionieren. Er gab dem Wort einen verächtlichen Ton, denn er konnte es in diesem Zusammenhang nicht leiden. Wieder so eine Parallele zu Alexej - das war schon fast unheimlich. Aber wieso nicht? Vielleicht war das hier so etwas wie eine Parallelwelt mit einem Parallelalexej. Dieser Mistkerl verfolgte ihn einfach.
Jakob spürte an seiner Reaktion auf so einfache Gedankenspiele deutlich, dass er bei weitem noch nicht raus war. Der Hormoncocktail, der einen Mann seines Alters von einem Extrem ins andere zu peitschen imstande war, rauschte noch in seinen Adern und er musste vorsichtig mit seinen Gedanken sein. Nicht wieder zu viel interpretieren. Nicht reinsteigern.
Er stand auf. Ging ein wenig herum. Zu viel Energie.
Die Sonne brannte auf das schwarze Leder seiner Jacke und er schüttelte sie ab, ließ sie achtlos hinter sich ins Gras fallen. Seine Augen folgten derweil Slavas Bewegungen, dessen prüfenden Blick unter das Shirt. Vier nicht gerade hübsche Narben kamen dort zum Vorschein. Schusswunden, wohl noch nicht lange her. Ja, auch der Dienst auf der Krankenstation gehörte zur Ausbildung eines Knappen und bei Eliel hatte es Jakob sogar fast gefallen. Für ein Medizinstudium oder eine Ausbildung in der Richtung brauchte man allerdings einen Schulabschluss...
Slava lobte ihn auch noch für den Schlag. Jakob blinzelte.
"Scheiße, Mann..." Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, doch eine Entschuldigung blieb auch er dem anderen schuldig.
Er ging ein bisschen herum, aber er hörte zu. Kam zurück. Setzte sich auf einen Mauerrest.

Ghule. Ertrunkene. Und Slava sprach tatsächlich von diesem Ort, als wäre es eine andere Welt. Eine Welt, aus der man wieder entkommen konnte. Und er ertappte sich bei der Frage, ob er das wollte. Es hörte sich viel zu verlockend nach einem Neuanfang an, auch wenn diese Welt ihn gleich am ersten Tag hatte verschlingen und ausscheißen wollen. Also war es wohl wirklich besser, sich erstmal Verbündete zu suchen, auch wenn es schwer fiel.
Flügellahm, hm? Dann sieh mal zu, dass du immer einen rechten Flügelmann hast.
"Alexej. Mein..." Wie sollte er es sagen, ohne das der Typ ihn endgültig unter 'Spinner' ablegte? Wobei, in der Schublade war er vermutlich eh schon. Trotzdem. "Mein Lehrer. An den erinnerst du mich."
Während Jakob sprach, schob er den Ärmel seines Funktionsshirts bis zum Ellenbogen hoch - die Antwort auf die Frage nach dem Feuer und irgendwie wollte er wohl auch etwas beitragen, zu diesem kleinen Austausch von Schwächen. Fast wie Kriegsveteranen, die sich gegenseitig ihre Narben zeigten... Die Haut überspannte Hand und Unterarm fleckig und faltig, die Muskulatur darunter wulstig und unförmig. Die Flammen hatten das Gewebe tief geschädigt, auch die Knochen nicht geschont. Löcher und anders geformte Narben zeigten Stellen, mit transplantierter Haut. Teils seine eigene, teils künstliche. Jakob wusste nicht, was man damals alles mit ihm angestellt hatte, denn die meiste Zeit hatte er in einem künstlichen Schlaf verbracht. Sein damals noch im Wachstum befindlicher Körper war verhältnismäßig schnell geheilt, doch den Anblick seines brennenden Arms, der brodelnden Haut auf dem Handrücken, während seine Finger sich in den schmelzenden Stoff einer Jacke krallten. In die Jacke irgendeines Ritters, längst tot. Die Schmerzen, auch noch Wochen und Monate danach, würde er wohl sein Lebtag nicht vergessen. Doch schlimmer waren die Bilder. Seine Seele war dort verbrannt, sein Verstand hatte wohl mit Abstand den meisten Schaden genommen.
"Kann mich kaum daran erinnern.", log er, seine vernarbten Finger betrachtend. "Hab die Wochen nach dem Brand im Krankenhaus verschlafen." Wobei Schlaf wohl nicht das richtige Wort für diesen Zustand zwischen Leben und Tod war. Doch er war ein halbes Kind gewesen und das hatte er daraus konstruiert. Einen langen Schlaf mit vielen bösen Träumen. "Seitdem kommt die Angst meistens nur im Schlaf. So wie eben passiert's nur, wenn's mich überrascht." Was kümmerte es ihn eigentlich? Konnte dem Russen doch egal sein, ob er beim Anblick eines Streichholzes schreiend in den Wald lief. Dann war er ihn los. Die Herablassung, mit der er ihn behandelt hatte, war Jakob noch gut im Gedächtnis und er interpretierte es als das, was er immer darin sah: Ablehnung. Eine Last, die man lieber früher als später los wäre. Nur dass Slava von Zusammenarbeit sprach, passte nicht so ganz in sein Weltbild und bewegte ihn wohl zu den für seine Verhältnisse fast schon epischen Ausführungen.
Er krempelte auch den anderen Ärmel nach oben, machte Anstalten wieder aufzustehen, blieb aber dann doch sitzen. Normalerweise würde er in so einer Situation laufen gehen, sich an einem Sandsack austoben oder sich auf sein Motorrad setzen. Nichts davon war gerade möglich.

"Phoenix, Arizona. Da komm ich her." Nicht ganz, aber auch das war Teil eines Drills. Das Kloster in Flagstaff existierte für Unwissende nicht.
"Hab ne Abendrunde gedreht. Bisschen Dampf ablassen." Er rieb sich den Nacken, als ob er dort noch den Schlag des Kampfstabes spüren würde, der ihn auf die Bretter geschickt hatte. Mal wieder. Als er merkte, was er tat, ließ er die Hand sinken, stützte die Arme auf die Knie. "Ich kenn' die Strecke, jeden Millimeter. Jedes Schlagloch." Und entsprechend flott war er unterwegs gewesen. "Da war was auf der Straße, mitten in der Kurve - Sand vermutlich. Hab noch bremsen wollen, ich Idiot." Er schüttelte leicht den Kopf. "Da steht so eine kleine Kapelle in der Kurve, in die bin ich rein geflogen - also denk ich. Danach bin ich hier aufgewacht." Wieder ein Kopfschütteln voller Unverständnis. Er hätte sich alle Knochen, wenn nicht sogar das Genick brechen müssen.
Wenn er mehr sprach, wurde deutlich, dass Englisch noch nicht lange seine Hauptsprache war. Die Sätze waren kurz, grammatikalisch alles andere als ausgefeilt, die Worte zum Teil unsauber gesprochen. Deutlich von den Amerikanern um ihn herum geprägt. Und von seiner mangelnden Übung.

Re: Im Sumpf

Verfasst: Mittwoch 15. Dezember 2021, 13:42
von Vyacheslav Sokolov
Jake setzte sich auf, legte den Arm auf sein Knie, der verletzte Arm, wie Slava bereits erkannt hatte.
Die Unruhe war noch nicht ganz weg und interessiert beobachtete Slava jede Regung. Der junge Mann legte die Jacke ab und begann umher zu wandern. Slavas Blick folgte ihm.
Wie er das Wort 'funktionieren' ausspuckte... Es war ein Begriff, den er selbst nicht mochte. In der Spezialeinheit wurde man zerlegt, zerbrochen und nach deren Wünschen neu zusammengebaut. Bis man nur noch funktionierte, ganz wie sie es wollten. Slava hatte von Anfang an zu gut ins System gepasst, bei ihm hatte man zunächst nicht viel zerbrechen müssen, aber auch er hatte Schäden davongetragen, und nicht zu knapp. Und er funktionierte. Wenn Markin sagte 'spring', dann fragte er nur "wie weit."
Und ihm fielen seine Narben auf, frisch genug waren sie ja. Er hätte echt noch die Reha mitnehmen sollten, wie bescheuert war er eigentlich?
Eine Entschuldigung erwartete er nicht, er hatte es provoziert, nach einer Prügelei entschuldigte man sich nicht, und er wusste es durchaus zu schätzen, dass er vielleicht unbewusst genau seine Schwachstelle gefunden hatte. Das machte vielleicht den Unterschied zwischen einem echt guten Kämpfer und einem, dem man es nur beigebracht hatte.
"Ein Scharfschütze. Hätte mich dieses Mal fast endgültig unter die Erde gebracht."
Er stopfte das gestreifte Unterhemd wieder in die Hose.
Er erinnerte ihn also an einen Alexej. Seinen Lehrer. Vielleicht waren Lehrer immer gleich. Alexej, auch ein Name der bei ihm eine Saite anschlug.
"Ich war selbst Ausbilder beim Militär... gibt dafür bei uns nur eine Blaupause. Deswegen sind alle gleich." Er grinste.
Und Jake zeigte seinen Arm. Sah nicht gut aus, sie hatten viel an ihm herumgeschnitten, Krankenhaus... Verschlafen.
Ihm war deutlich bewusst, was das bedeutete. Noch eine Ähnlichkeit.
Der Einsatz vor vielleicht 15 Jahren, bei dem ihn Lew rausgeholt hatte.
Er hatte sich selbst als Köder eingesetzt, verwanzt. Das war nötig, denn es war der Neffe eines Generals, den sie überführen mussten - das erforderte Opfer. Und er wusste, dass er es bringen musste denn er kannte die Konsequenzen.
Und Alexej... das war der Name des Mannes, der ihn mit einem Baseballschläger weichgeklopft hatte. Im Wahrsten sinne des Wortes. Die Wochen danach hatte er auch 'verschlafen'
Die Narben waren kaum noch sichtbar, es war viele Jahre her und vieles war Arthroskopisch geflickt worden.

"Ja, Scheiße, Mann."
Ein wenig war der Junge wie ein viel jüngeres Abbild seiner selbst, mit geringfügigen Modifikatoren. Sein Trauma zum Beispiel.
Den Auslöser kannte er jetzt, wie er ihn ein und ausschaltete würde er sicher schnell lernen, und das war notwendig.
Angst, die einen im Schlaf überraschte...
Die kannte Slava zwar nicht, sie hatten ihn jedes Mal zu mehreren Sitzungen beim Psychologen verdonnert, und das hatte sicher auch geholfen. Er mutmaßte allerdings, dass der Psychologe von seinen Schilderungen nun Alpträume hatte, immerhin hatte er beim zweiten Mal die Zusammenarbeit kategorisch verweigert. Aber Slava träumte nicht, nicht davon.
Seine Alpträume waren andere. Solche, die ihn in den Wahnsinn trieben, so dass er oft nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Traum unterscheiden konnte, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen sich und... ja, was auch immer.
Der Fluch der Zone. Sein Fluch.
Seit er damals bei ihrem Entstehen dabei gewesen war.
Seit er damals gestorben war.
Doch er hatte gelernt, seine Dämonen zu ignorieren.
Und Jake kam also aus den USA. Lebte dort. Als Deutscher.
Nicht gerade sein bevorzugtes Reiseziel. Den Hintergrund ahnte er nicht mal, noch ging er von einem privaten Vergnügen aus. Der Junge war wortkarg, sagte nur das nötigste. Aber etwas hatte er bei ihm bereits erreicht.
"Arbeitest du dort?"
Er selbst wurde in mehreren Bundesstaaten gesucht. Das hieß, nicht er selbst, eine seiner vielen Alias, und sein Gesicht kannten sie auch nciht. Aber er mußte vorsichtig sein. Die Einschläge waren bedrohlich nahe gekommen. Vor einigen Jahren hatten sie die Spur einer seiner Aktionen bis in die Zone verfolgen können. Nur er selbst blieb ungreifbar.
Natürlich würde er das nie erwähnen. Er hatte dort genug Schaden angerichtet.

"Pripyat, Ukraine... der Weg vom Krankenhaus zum Stützpunkt...ich kenn den Weg auch wie meine Westentasche."
Wie viel sollte er sagen? Wenn er helfen sollte musste er zumindest von den Portalen erzählen, von den markierten Steinen und den GPS Trackern.
"Aber im Unterschied zu Phoenix wissen wir dort von der Existenz von Portalen... deswegen hab ich ne grobe Vorstellung davon was passiert sein muss. Und vielleicht gibt es einen Weg zurück. Wenn wir hier einen Endpunkt finden. Wenn."
Im Gegensatz zu Jake sprach Slava praktisch akzentfreies Britisch Englisch, wenn er wollte, und er ging dort als Auswanderer durch, er hatte es auch schon als Schotte versucht, das passte besser zu seinem eher rothaarigen Typus.
"Wir können auch auf deutsch weiter reden. Nur mein Finnisch ist eher mies."
Er blieb bei dem russischen Akzent. Eigentlich hasste er die Geheimniskrämerei, die sein Beruf mit sich brachte, die Lügen, die Verstellung. Wie lange schon wünschte er sich eine Chance, das hinter sich zu lassen, die Zone weit hinter sich zu lassen. Aber die Pflicht. Weglaufen war keine Option. Aber das hier?
Hätte er geahnt, dass ihnen ganz ähnliches durch den Kopf ging, es hätte ihn vielleicht sogar amüsiert.

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Donnerstag 16. Dezember 2021, 08:13
von Jakob von Nagall
Eine seiner Brauen war in die Höhe gezuckt.
Verdammt schlechter Scharfschütze., ging es ihm durch den Kopf, während er Slava dabei zuschaute, wie er sich wieder anzog. Jakob behauptete von sich, ein recht guter Schütze zu sein - nicht nur mit dem Revolver auch mit moderneren Waffen. Er hatte die Nervenstärke, auch wenn man ihm das bei seinen gelegentlichen Ausbrüchen nicht zutrauen würde. Aber die kamen nur bei persönlichen Konfrontationen - allein mit einem Problem konnte er eine unendliche Geduld entwickeln und er hatte ein schnelles Auge. Sein erster Ritter war ein Waffennarr gewesen, allerdings eher fasziniert von der alten Technik und weniger von Automatiken. Die hatten es widerum Jakob angetan - bis er Dienst auf der Krankenstation hatte tun müssen. Das hatte die Faszination in Respekt umschlagen lassen, dennoch ging er jeden Tag wieder auf den Schießstand. Er sagte sich, wenn er Vampire mit einem sauberen Schuss erledigen konnte, war das für alle Beteiligten das Beste. Zu einer Prüfung im Feld war es allerdings leider nie gekommen und Alexej hielt wie viele Ritter in Flagstaff nichts von modernen Waffen. Schwert, Stab und Bogen, was anderes hatte er von ihm nicht in die Hand bekommen. Um zu schießen, musste er sich raus schleichen. An Waffen zu kommen war in den USA wiederum nicht schwer und ein paar Dosen fanden sich auch immer.
Slavas Grinsen erwiderte er nicht - was solche Gefühlsäußerungen anging war er noch schwerer aus der Reserve zu locken, als wenn es um Antworten ging. Immerhin wurde er mit jedem Wort, jedem Herzschlag und jedem Atemzug ruhiger.
Alexej Oblow. Ein russischer Offizier, parallel dazu Angehöriger der Tempelritter. Vielleicht tatsächlich ein Abbild von dieser Blaupause, zu der auch Slava sich zählte. Zumindest ein ziemliches Arschloch, wenn man Jakob nach seiner Meinung fragte. In Russland gab es seit einigen Jahren kein Templerhaus mehr - Gabriels Diener waren sehr stark in Moskau, eng verflochten mit Regierung und Geheimdienst, und die wenigen Templer, die es aus dem Massaker von '98 geschafft hatten, waren in der Welt verstreut. So wie Oblow.
Jakob hing den Erinnerungen nach. Sein ungewohnter Anfall von Redseligkeit kam allmählich zum Stillstand, Slavas Frage schien er überhört zu haben, denn die Ameise fesselte wieder seine Aufmerksamkeit. Sie sah seltsam aus, hatte ein gelbes Band um die Mitte. Eilig turnte sie an einem Grashalm empor und dann wieder hinab - auch die zuckenden Fühler hatten ein gelbes Segment. Während er sie beobachtete, war er in eine fast steinerne Reglosigkeit verfallen. Auch eine Eigenart von ihm, die dafür sorgte, dass er oft übersehen wurde, wenn er irgendwo stand und nur beobachtete.

Pripyat. Das weckte ihn wieder. Ach ja, der Soldat aus Pripyat, wo man offensichtlich aufeinander schoss. Passte irgendwie zu seinem Bild zum Ostblock. Aber wieso ausgerechnet das Gebiet um den havarierten Atomreaktor? Wurde den Leuten etwa immer noch verkauft, dass die Strahlung nur den Westen heimsuchte? So wie damals in der ehemaligen DDR? Der Wind teilt die Wolke und der Fallout geht nur auf Westdeutschland nieder... ein hoch auf die Propaganda. Esst weiter Pilze! Jakob wandte sich von der Ameise ab und sah Slava einen Moment lang an, Skepsis furchte seine Brauen. Was redete der Typ da von Portalen? Damit war dann wohl klar, dass er nicht der einzige hier war, der dringend mal eine Therapie brauchte. Oder einen ordentlichen Schlag auf den Kopf.
Jakob schüttelte den Seinen. "Nein." Auf Englisch. Kein Deutsch. Vielleicht irgendwann. Und wenn er wollte, konnte Slava es auch auf seine erste Frage beziehen.
Die Skepsis in seinem Blick blieb. Finnisch? Und dann noch die ganze Palette von Sprachen, mit denen Slava Thorben konfrontiert hatte. War der Typ sowas wie ein Agent? Genosse 007? Ein Gefühl warnte ihn davor, das anzusprechen - später vielleicht.

"Pripyat.", wiederholte er statt dessen, zog die Brauen hoch und gestikulierte grob in Slavas Richtung. "Müsste dir dann nicht - keine Ahnung - 'n dritter Arm wachsen oder so?" Das die Auswirkungen von Strahlung durchaus nicht auf diese Art zum Tragen kamen und weit weniger witzig waren, wusste auch der Knappe. Nur glaubte er immer noch, Slava nehme ihn auf den Arm. Er zuckte leicht die Schultern. "Ich mein, ist doch grad mal 20 Jahre her - na gut, 24." Mit Halbwertzeiten kannte er sich nicht aus, aber es kam ihm definitiv zu kurz vor. Hatten sie nicht erst kürzlich mit dem Bau einer neuen Hülle begonnen, die sie den 'neuen Sarkophag' nannten? Das Projekt sollte noch Jahre dauern und die alte Schutzhülle umschließen... Hin wie her, so richtig glaubte er Slava nicht.
Das er die Frage nach seinem Aufenthalt in den USA gänzlich umging, fiel Jakob nicht einmal auf. Die Konditionierung saß viel zu tief, als das er wirklich bewusst wahrnahm, wie er den Orden und alles was damit zusammen hing vor einem Unwissenden verbarg. Slava mochte ein Agent sein, aber was Geheimniskrämerei anging, waren die Templer wohl die Meister seit Jahrhunderten.

Re: Im Sumpf

Verfasst: Donnerstag 16. Dezember 2021, 13:25
von Vyacheslav Sokolov
Dem Gedanken hätte er wohl beigepflichtet. Ja, ein schlechter Schütze, ein Anfänger.
Hatte die Nerven verloren statt zu warten. Ahnte wohl, mit wem er es zu tun hatte und wollte es schnell hinter sich bringen. Kovac hatte ihn erwischt, aber nicht genug übrig gelassen für eine Befragung. Auch ein Anfängerfehler, in dem Fall aber ein verzeihlicher. Die Personalien hatten sie immerhin feststellen können. Einfach ein Stalker wie viele andere, ein ambitionierter Zivilist, ehemaliger Häftling. Jemand hatte ihm ein Scharfschützengewehr in die Hand gedrückt und viel Kohle und gesagt wo er sich wann verstecken sollte und auf wen zielen. Er hatte es mit der Angst zu tun bekommen, der Winkel war wohl auch ungünstig und das Dach hatte seinen Kopf geschützt. Nur den Bauch nicht. Was aber schlimmer war... er hatte es nicht kommen sehen. Es hatte ihn vollkommen unvorbereitet erwischt.
Überhaupt waren die Erinnerungen dünner geworden, weniger. Als ginge es dem Ende zu.
Also Ja, ein schlechter Schütze.
Danach wieder Krankenhaus, Wochen... Auf die Reha hatte er verzichtet. Markin bearbeitete ihn, endlich den aktiven Dienst aufzugeben und wieder Ausbilder zu werden, Nachwuchs trainieren, weitergeben was ihn so besonders machte.
doch wie konnte er ihm erklären, dass das nicht ging, dass er nicht wirklich etwas 'konnte' das man jemandem beibringen konnte. Dass er im Grund nur ein Psychopath und ein Versager war, den sich die Zone aber aus irgendeinem Grund als Werkzeug auserkoren hatte? Das war nicht reproduzierbar.

Zu viele Gedanken.
Der Oberst wurde halt doch langsam wahnsinnig.


Slava stand auf, streckte sich. An seinem Körper war schon so viel kaputt gewesen, alles knackte wenn es sich streckte.
Er registrierte, dass der Junge eine Ameise verfolgte, und nicht auf seine Fragen antwortete. 'Nein'
Nein zu deutsch? Nein zur Arbeit?
Er ließ es wohl bewusst offen.
Jungen in seinem Alter waren wohl so. die berühmte 'Kein Bock' Mentalität. Oder war das bei Jüngeren?
Dass er einfach auch nur versuchte Geheimnisse zu bewahren, seine Leute zu schützen, dass er selbst einem Geheimbund angehören konnte... Darauf kam er nicht. Noch unterschätzte er ihn wohl gründlich.
E wanderte hin und her, versetzte einem Ghul einen Tritt. Fliegen stoben hoch.
Aber hier wurde Slava nun hellhörig.
20 Jahre... nein, 24.
Zumindest die Katastrophe aber war gesetzt. Er kannte keine Variante in der sie sich an einem anderen Datum ereignet hatte und keine einzige in der es nicht geschehen war, nicht dass sie unausweichlich war, aber ihm war längst klar geworden, dass ein Zustand mit der Existenz der Zone verknüpft war, deswegen konnte er nur diesen Ausschnitt sehen. Aber es gab Zeitlinien, in denen es nur die Katastrophe gab, keine Zone.
Um die die Katastrophe wusste er also. Fast alles bis 2006 war ähnlich verlaufen, danach wichen etliche Linien spürbar ab. Bis zum März oder bis zum Juni... das war die Frage.
2010 waren der erste Sperr-ring schon errichtet und die ersten Stalker schlichen sich rein. Aber hatte sich das bis in die USA herumgesprochen?

Experimente wurden abgesagt, andere nicht, manche liefen schief, manche nicht.
Manche Kombinationen führten noch im gleichen Jahr zur Entstehung der Zone.
Wo er vor Ort war, Teil eines Teams, Spezialeinheit 'Metsch', damals noch Unteroffizier. Sie waren da um die Vorfälle aufzuklären, nach den verschwundenen Touristen zu suchen, tatsächlich... um Spuren zu beseitigen.
Von 6 Mann hatte keiner überlebt, nur er. Oder eben auch nicht.
Der 10. Juni 2006...
Wochenlang musste er danach umhergeirrt sein, bis er einer Militärstreife in die Arme lief. Er erinnerte sich an nichts, bis heute.
Es folgten unendliche Verhöre, warum er überlebt hatte, und wie. Was mit dem Rest des Teams geschehen war. Was mit ihm geschehen war.
Und dann hatte er den Film gesehen, 'Brat 2', schon seit einer Weile in den Kinos, er war nie dazu gekommen, jetzt lief er im Fernsehen, in der Psychiatrie, in die sie ihn gesteckt hatten, zur Beobachtung.
Und ab dann war es noch schlimmer geworden, nur er wurde immer besser darin es zu nutzen und zu verbergen.

Leere Städte, und die Zeit ist wie Wasser, in der Schusslinie...
Der Oberst wurde wahnsinnig.


Anfangs triggerte immer wieder dieses Lied Erinnerungen. War es ein dummer Zufall?
Hätte man seinem Leben ein Lied als Soundtrack zuordnen müssen, dann dieses.
"Полковнику никто не пишет*" von BI-2.
Worum es ging hatte er nicht behalten, zumindest nicht den Film.
Hatte es einfach in seinem Unterbewusstsein etwas angesprochen und aktiviert?
Das war sein Auslöser. Kannte den Jemand... Er wäre vielleicht genauso ausgetickt wie Jake zuvor.
Aber später kamen die Erinnerungen auch so, im Traum, in Situationen, die ähnlich waren, Geisterbilder, Déjà-vus. Er hatte sich daran gewöhnt, wie man sich eben daran gewöhnen konnte den eigenen Tod wieder und wieder zu sehen, genau zu wissen, wie es endet. Man biegt um eine Ecke und weiß plötzlich, diese Linie endet.
Und alles hatte mit der Zone zu tun.
Er ahnte plötzlich Ereignisse voraus, es erlaubte es ihm vor Ort zu sein ehe etwas geschah, er wusste was wann geschehen würde.
Er fiel die Karriereleiter hoch, rief das Projekt 'Nachtwache' ins Leben, übergab es an Markin um selbst aktiv zu werden.

2010 war vieles davon noch nicht bekannt, anderes schon.
Er musterte Jake als könne er durch ihn hindurch die Wahrheit sehen.
War selbst in Gedanken versunken gewesen. Wie lange?
Hatten sie sich angeschwiegen?
Kam er einfach nur aus seiner Vergangenheit oder aus einer gänzlich anderen Linie?
9 Jahre...
In seiner Welt wäre er bereits... Anfang bis Mitte 30. Die Führerscheinregel musste er nun noch einmal neu überdenken. Es hatte Gesetzesänderungen gegeben in der letzten Zeit. Ein paar mehr Faktoren kamen hinzu, aber es spielte auch nur eine untergeordnete Rolle.

Wie viel konnte er ihm sagen?
Wenn er aus seiner Welt kam und nur 9 Jahre früher? Brachte er ihn zurück konnte er immensen Schaden anrichten. Kam er aus einer anderen Welt...
Hätte er geahnt, dass dieser Jake aus einer Welt kam in der es Vampire und Tempelritter gab, vielleicht wäre er offener gewesen. So traf Templer auf Geheimdienstler und sie schwiegen sich an.
Nur die Zone selbst war kein Geheimnis, zumindest nicht in ihrer Welt.
"Die Strahlung ist nicht überall gleich hoch, man kann dort leben, an manchen Stellen. Aber dort ist etwas geschehen. Es gibt unerklärliche Phänomene... Deswegen wurde eine Sperrzone eingerichtet, sie..."
Er musste sich entscheiden, wie viel er preisgab. In der Zone war es essentiell, sich nicht zu verplappern. Sie und Wir. War man einmal als Militär entlarvt bekam man eine kugeln in den Kopf oder brauchte schnell einen neuen Namen. Zum Glück war es in der Zone verhältnismäßig leicht unterzutauchen und spuren zu verwischen wenn man wusste worauf es zu achten galt.
Aber wollt er dem Jungen nun erklären worum es gibt und nicht viel Zeit verschwenden.
"...wir lassen keinen mehr rein und keinen raus. Und dort sind Biester aufgetaucht wie die hier."
Er trat gegen einen Ghul.
"...nicht ganz die gleichen, aber ähnliche. Bisher haben wir gedacht, es könnte die Strahlung sein, aber Strahlung lässt einem eben keinen zweiten Arm wachsen, die meisten Mutationen führen zu keinem sinnvollen Resultat. Aber es ist eine gute Erklärung für Laien." Die Theorie über Sowjetische Experimente mit Supersoldaten ließ er dabei freilich aus. Die Lieblingstheorie mancher Stalker, und er musste zugeben, was manche Mutanten anging war es auch nicht von der Hand zu weisen. Er selbst hatte Order, alles was darauf hindeutete zu konfiszieren und gegebenenfalls zu vernichten. Das sagte alles.
"Und dort sind Portale entstanden. Die meisten nur lokal. Man steigt durch und kommt ein paar Kilometer weiter entfernt wieder raus."
Dass sich noch mehr veränderte, nicht nun die Überbrückung der Entfernung, und was er selbst wohl ausgelöst hatte, was vielleicht nur er wusste, verschwieg er ebenfalls.
"Meine Kameraden und ich haben kleine Steine durchgeworfen, markierte Steine. Später GPS Tracker. Manche haben wir wiedergefunden, manche nicht. Manche könnten hier sein. Wenn wir die finden, finden wir vielleicht auch ein Portal."
Und können beweisen dass es eine Verbindung gibt.
"Wieviel weißt du denn über die Zone?"

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* "Niemand schreibt an den Oberst"

Re: Klär'n wir das draußen

Verfasst: Freitag 17. Dezember 2021, 08:20
von Jakob von Nagall
Jakob lauschte nur auf die Bewegungen des anderen Mannes: seine Schritte auf dem sumpfigen Boden, der Tritt gegen eines der Monster. Fliegen summten wütend auf. Wie schafften es diese Viecher eigentlich immer gleich in Scharen an Ort und Stelle zu sein? So als würden sie sich aus dem Nichts manifestieren, kaum das irgendwo etwas starb. Das seine Worte Slava aufmerken ließen, entging ihm daher fast. Das nachfolgende Schweigen allerdings bewegte ihn dazu, den Kopf zu wenden und dem durchdringenden Blick zu begegnen. Als wollte er ihn durchbohren, bis zum Kern schauen. Das Spiel konnte Jakob allerdings eine Weile mitspielen. Er blieb sitzen, noch immer vorn über gebeugt und auf seine Knie gestützt, abwartend und zugleich überlegend, ob er irgendwas Missverständliches gesagt hatte. Oder ganz Falsches. Etwas beleidigendes wohl kaum - das hatte ja schon bewusst nicht funktioniert, wieso sollte es aus Versehen klappen? Die Augen des Soldaten, ihr Blick, hatten etwas Irrtierendes und Jakob spürte, dass sich seine Aufmerksamkeit zusammen zog, Ameise und Fliegen fallen ließ, um sich allein nach Slava auszurichten. Wenn der jetzt allerdings wieder auf ihn anlegte, dann könnte er sich nur in den Treppenabgang stürzen und das klang schon in Gedanken schmerzhaft.
Gerade überlegte er, ob er irgendetwas sagen sollte. Vielleicht sogar fragen, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Da sprach der Andere doch wieder.
Von Strahlung und unerklärlichen Phänomenen, Mutationen und Portalen. Wäre Jakob nicht selbst ein Wissender, ein Mensch, dem durchaus klar war, dass es mehr gab zwischen Himmel, Erde und Hölle als nur dem, was irgendjemand für Normal definiert hatte, er hätte in diesem Moment wohl aufgehört zuzuhören oder sogar gelacht. Es für Unsinn abgetan. Horrormärchen. Doch das waren Vampire auch, für die Unwissenden. Also lachte er nicht, tat es auch nicht als Unfug ab, sondern versuchte es einfach in sein Weltbild zu integrieren. Trotzdem nicht leicht.

Er erhob sich ebenfalls wieder. Seine Gedanken rasten. Zone - was meinte er mit Zone? Die erwähnte Sperrzone um den Reaktor? Die ehemalige DDR nannte man auch so, aber die gab es seit '90 nicht mehr - nur manche Witzbold nannten die neuen Bundesländer immer noch 'die Zone'. Aber nein, die meinte Slava ganz sicher nicht. Was wusste er also über diese andere Zone? Genaugenommen?
"Nichts, eigentlich."
Er wanderte zu Slava hinüber, betrachtete den Ghul zu dessen Füßen. Konfrontierte sich bewusst mit dem Gesicht der Abscheulichkeit. Wenn hier noch mehr und andere solche Viecher rum liefen, war es besser, man versteinerte nicht vor Schreck allein bei ihrem Anblick. 'Ertrunkene' hatte er erwähnt. Wie sahen die wohl aus? Wenn er es recht bedachte, wollte Jakob es gar nicht herausfinden. Das Vieh zu seinen Füßen hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Ghoul aus seiner Welt. Diese waren Menschen, gewöhnliche Menschen. Immer etwas blass um die Nase, manche mit einem leicht wirren Ausdruck in den Augen, aber nicht alle. Es kam auf ihre Herren an. Marillions ließen ihnen mehr von ihrem Geist übrig als Angels, freie Vampire hatten keinerlei Muster - von willenlosen Sklaven bis normalen Ehepartnern war alles vertreten. Manche Ghoule erwarben sich irgendwann die Gnade der Wandlung, wie sie es nannten. Gnade. Unfug. Doch auch dann wurde nicht so ein Biest aus ihnen. Zumindest nicht nur.
Jakob drehte mit der Stiefelspitze den Kopf des Ghuls ein wenig, dass er das Maul mit den Fängen sehen konnte. Mehr wie zwei Fangzähne, eher zum Reißen als für das Öffnen einer Ader. Die saugten wohl eher kein Blut, sondern fraßen einen gleich im Ganzen. Außer der Begrifflichkeit gab es dann wohl keine Gemeinsamkeiten. Ob es hier Blutsauger gab? Wenn sie beide hierher gelangen konnten...

Daran, dass er und Slava aus unterschiedlichen Zeiten kommen könnten, dachte Jakob nicht. Der PDA war für Jakob Stand der Technik, was die Waffe anging waren die Russen doch immer lieber mit guter alter Technik unterwegs, oder? Er warf Slava wieder einen Blick zu. Wieso hatte er nur das Gefühl, dass sie beide um einen heißen Brei tanzten, der eigentlich gar nicht so heiß war? Und seine Antworten schienen den Anderen nicht zufrieden zu stellen. Konnte er ihm nicht verdenken - waren ja kaum von Gehalt.
Jakob verschränkte die Arme vor der Brust, was er sogleich bereute. Die kleine Eskapade eben war nicht wirklich gut für deine verletzte Schulter gewesen.
"Weiß von Tschernobyl nur, was man so im Internet findet. Das sie grad anfangen einen neuen Sarkophag zu bauen und das es so paar Spinner gibt, die für ein schauerliches Foto dorthin fahren. Katastrophentourismus, oder wie soll man das nennen?" Er widerstand dem Drang, die Schultern zu heben.
Er musterte die Züge des Soldaten. Die anderen Knappen wurden immer unruhig, wenn er sie so ansah - so als wolle er sie schälen. Sezieren. Und meistens entstand ein Streit daraus.
"Willst du das denn? Zurück?" Für sich selbst konnte er die Frage noch nicht mal wirklich beantworten. Doch Slava sprach von Kameraden, implizit von einer Aufgabe. Er hatte vermutlich eine gute Position, da wo er her kam. Befehlsgewohnt. Ein Ort, an den er gehörte oder wo er zumindest das Gefühl hatte, hinzugehören. Doch Jakob? Er fühlte sich schon seit langem nirgendwo mehr zugehörig. War am liebsten allein unterwegs. Eine Existenz am Rande des Absturzes, immer mit Vollgas an der Grenze entlang. Vielleicht hatte er so einen Crash herbei gesehnt, damit es endlich endete. Und vielleicht hatte Gott gelacht. Jetzt war er hier.

In diesem Moment ging eine Erschütterung durch den Boden und kurz darauf stieg nicht weit entfernt eine Staubwolke zwischen ein paar Mauerresten auf.
Wie das Schwert so schnell in seine Hand gekommen war, konnte Jakob meistens nicht wirklich erklären.