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Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Montag 23. Dezember 2024, 15:31
von Jakob von Nagall
Ablenken. Er musste Jarel irgendwie ablenken und seinen Verstand an etwas binden, was ihm Halt gab, mehr als die beiden Hände in seinen. Ganz automatisch wählte Jakob das Gebet, das ihn anfangs hier begleitet und getragen hatte und das Jarel daher zumindest der Bedeutung nach kannte: "Salve, Regina,
mater misericordiae; Vita, dulcedo et spes nostra, salve.*" Man hatte ihn in Meliteles Hände gegeben, was sollte er also vom Feuer reden? Melitele hatte für Jarel gesprochen und Melitele konnte ihn halten, besser als das Feuer es konnte.
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
zu dir seufzen wir
trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.
Wohlan denn, unsre Fürsprecherin,
deine barmherzigen Augen
wende uns zu
In diesem Elend.
Jakob blieb im Lateinischen, denn die Worte würden wohl bei den anwesenden Rittern nicht für Begeisterungsstürme sorgen und Jarel stieg tatsächlich auf das Gebet ein, begann selber zu sprechen. Leise, konzentriert und ebenfalls in einer Sprache, die der Foltermeister nicht verstand, nämlich in die seiner Geburtswelt. Auch Jakob kannte nur wenige Worte aus Jarels Muttersprache, was er aber verstand, war die Melodie. Gleich nach den ersten Worten wusste er, dass es sich ebenfalls um ein Gebet handelte. Und schon am Ende des ersten Satzes stieg in ihm eine Ahnung hoch, um welches Gebet es sich handelte, auch wenn der Ältere die angesprochene Person durch ein 'Elune' ersetzt hatte.
Beim zweiten Satz war der Knappe sich dann sicher: Jarel hatte das 'Ave Maria' aus der Welt des Jüngeren adaptiert und sprach es mit einer Inbrunst, die beinahe schon körperlich spürbar war.
Nach jedem Satz atmete der Verurteilte einmal tief durch und mit jedem Durchatmen wurde er ruhiger.... bis das Eisen ihn traf. Die Ablenkung hatte gewirkt, Lothars Hand setzte das Eisen sicher und fest. Es zischte und stank augenblicklich nach verbranntem Fleisch. Ein Geruch, der sich Jakob so tief ins Gehirn geätzt hatte, dass seine Hände selbst zu zittern begannen und ihm Adrenalin den Magen zusammen krampfte. Aber er hielt aus, weil er musste, weil er es versprochen hatte... und dann war es schneller vorbei als gedacht. Jarel war verstummt und wie Lothar das Eisen zurück zog, war es, als hätte er dem Ritter vor Jakob damit den Stecker gezogen und der sackte in sich zusammen.
Nicht nur Jakob packte reflexhaft zu, sondern auch der Kerkermeister, der hinter Jarel gestanden hatte und gemeinsam brachten sie den ehemaligen Ritter halbwegs schadlos zu Boden. Der Knappe blieb neben ihm hocken, selbst mit seiner Fassung ringend. Farbe hatte er jedenfalls keine mehr im Gesicht.
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*Sei gegrüßt, o Königin,
Mutter der Barmherzigkeit,
unser Leben, unsre Wonne
und unsere Hoffnung, sei gegrüßt!
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Montag 23. Dezember 2024, 21:34
von Lothar von Tretogor
„Nie ohne Fixierung“, stöhnte von Asheberg, als er den Bewusstlosen aus seinem Halt zu Boden sinken ließ. Er war dabei nicht sonderlich sanft, wenn auch nicht absichtlich grob. Es war einfach nicht seine Aufgabe Leute zu bemuttern. Außer sie mussten ihm noch ein paar Informationen geben. Das Kümmern überließ er deshalb dem Knappen und sorgte sich lieber um seine Gerätschaften.
Auch Ralt war nicht unbewegt geblieben und in wenigen Schritten wieder beim Geschehen. Fliehen würde nun niemand mehr. Ohne Worte hielt er fragend Jakob seinen Wasserschlauch hin und blickte auf den ehemaligen Vorgesetzten, der leblos zusammen gezuckt war.
Der Großmeister trat ein wenig zurück, auch er musste unschöne Erlebnisse runter schlucken: verbranntes Fleisch, verkohlte Leichen nicht zu unterscheiden zwischen Freund und Feind. Irgendwo darunter sein Leutnant. Lothar atmete ein.
„Die Ewige Flamme ist das Licht des Lebens und das Ende all dessen.“ Lothars Stimme war wieder gefasst und deutlich.
„Ins Licht werden wir geboren und ins Feuer gehen wir nach unserem Tod. Die Ewige Flamme reinigt unsere Seele, auf das wir wiedergeboren werden durch ihre Gnade. Im Kreis von Werden und Vergehen. Ende und Neuanfang.“ Er schlug den Kelch, segnete die Anwesenden. Es war vorbei, es war getan und Jarel bei Jakob in guten Händen. Sie würden es überstehen, auch Bruder Franz. Er selbst musste die Scherben an anderer Stelle zusammen kehren. Bevor er mit Ralt im Schlepptau wieder ging, nickte er noch einmal von Nagall zu, sollte dieser hersehen und seine Augen wünschten ihm für die folgenden Stunden alles Gute. Morgen zur Harfenstunde.
<hier weiter>
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 25. Dezember 2024, 13:24
von Jakob von Nagall
Dankbar nahm Jakob den Wasserschlauch von Ralt entgegen und trank ein paar Schlucke, um den Geschmack von Rauch und Asche aus der Kehle zu spülen, obwohl der nur in seinem Kopf existierte. Hilfreich war es dennoch und er gab den Schlauch mit einem Nicken zurück. Ebenso schlug er den Kelch, als Lothar das Glaubensbekenntnis sprach und sammelte sich damit weiter. Jene, die reinen Herzens sind, brauchen das Feuer nicht zu fürchten. Von Herrenlohs Worte tauchten aus dem Dunkel der Vergangenheit auf und Jakobs Hand, die auf Jarels Brust lag, hörte auf zu zittern. Er hob den Blick und begegnete jenem von Tretogors mit der ihm eigenen Verbissenheit. Würde alles werden, irgendwie. Ein Nicken, dann war der Großmeister samt Leibgarde verschwunden und er blieb mit Jarel und dem Kerkermeister zurück.
"Helf Ihr mir, ihn ins Spital zu bringen?", bat Jakob diesen schließlich, als Jarel nicht den Eindruck machte, bald zu sich zu kommen. Begeistert wirkte von Asheberg zwar nicht, ober er packte mit einem Knurren mit an.
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Montag 30. Dezember 2024, 16:42
von Jakob von Nagall
Gleicher Tag, nachdem Jarel im
Spital abgegeben wurde
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Sehr plötzlich wieder auf dem Hof stehend, musste Jakob sich einen Moment besinnen. Dann beschloss er, dass es Zeit wurde, sich um das zu kümmern, was Lothar schon gelobt hatte, ohne das Jakob wirklich viel Gelegenheit gehabt hatte, etwas dafür zu tun: das Quartett mit seinen Mitknappen. Aber eines stimmte durchaus - die drei waren von Jakobs Wahl des Liedes und dessen Art, ihre jeweiligen Stimmen zu nutzen, genug beeindruckt, dass sie sogar begonnen hatten, ohne ihn zu üben. Auch hatte es Jakob irgendwie geschafft, sie zu begeistern, obwohl er selbst nicht so genau wusste, wie ihm das gelungen war. Jedenfalls hörte er die Melodie schon, als er noch in den Gängen des Dormitoriums unterwegs war.
Er hatte eine Ecke in dem altem Gemäuer gefunden, in der es recht gute Akkustik gab und die hatten sie zum Üben genutzt. Nun fand er dort die drei anderen Knappen und lauschte einen Moment, bevor er unterbrechend in die Hände klatschte.
"Ihr macht das großartig. Wie echte Eunuchen.", begrüßte er sie.
Maxim deutete einen Faustschlag in die Magengrube an, den Jakob instinktiv mit der flachen Hand abwehrte.
"Du lässt uns alles alleine machen, von Nagall. Wo warst du schon wieder?"
"Sag uns lieber, wie es ausgegangen ist.", bedrängte ihn Janusz und Luka wollte wissen:
"Wirklich ein Werwolf? Sieht er aus wie in den Büchern?"
"Bis zur Abendmesse ist nicht mehr viel Zeit...", versuchte er sie abzuweisen.
"Rede Mann, sonst singen wir keinen Ton.", drohte Maxim, woraufhin Jakob sie mit einer Kurzfassung bediente.
"Im Ernst? Nur Verbannung? Der gehört verbrannt!", echauffierte sich Maxim daraufhin, ohne auf Janusz' Bemühungen zu achten, ihn zu bremsen. Denn der befürchtete schon die nächste Schlägerei und wirkte sehr überrascht, als Jakob unerwartet ruhig entgegnete:
"Vergebung ist der reinste Akt des menschlichen Geistes. Ich bin dankbar für die Güte des Großmeisters, der uns allen vor Augen geführt hat, dass auch das Ewige Feuer Gnade kennt."
Es entstand eine Pause, dann warf Maxim die Hände in die Luft.
"Was für eine gerührte Scheiße! Von Nagall, der wollte Hermann fressen und eine Meliteleschwester! Moore ist verflucht. Wer weiß wen er als nächstes angreift."
Jakob begegnete Maxims Blick und konnte dessen Sichtweise durchaus nachvollziehen, sah sich aber außer Stande, sie für sich selbst anzunehmen.
"Lass uns singen. Es ist weder an dir noch an mir, das Urteil in Zweifel zu ziehen." Und damit begann er seinen Teil des Liedes einzusingen, bis die anderen Drei schließlich nach gaben und einstimmten. So verbrachte er die Zeit bis zur Abendmesse damit, Feinheiten zu korrigieren und die vier Einzelstimmen allmählich zu einem ganzen zu fügen. Etwas, was er sich leichter vorgestellt hatte als es im Endeffekt war, denn das Lied musste von ihm auf Chor zurecht geschrieben werden und während seine Brüder schwierige Stellen übten, notierte Jakob in seiner verkürzten Notenschrift Änderungen, die er auf der Harfe ausprobieren wollte.
Gemeinsam machten sie sich schließlich auf den Weg zur Abendmesse, nicht ohne dass Maxim noch Äpfel für alle herbei
zauberte. Für das Jungvolk war die Spanne zwischen den Mahlzeiten oft schmerzhaft lang und eine Messe mit knurrendem Magen durchstehen Martyrium pur. Jakob fühlte erst durch den Apfel, das er mal wieder das Essen vergessen hatte und war dem dreisten Maxim daher dankbar für dessen kriminelle Energie.
Schon während der Messe hatte Jakob nach von Alensbach Ausschau gehalten und eilte diesem, kaum das die Menge der Ritter, Brüder und Knappen sich zerstreute, schleunigst hinterher. Trotzdem erreichte er ihn erst am Portal.
Ser von Alensbach! Ser, bitte, auf ein Wort."
Vorbereiten hatte Lothar gesagt. Wie bitte bereitete man jemanden auf einen Klotz am Bein vor? Jakob hatte keine Ahnung, daher würde er vermutlich einfach mit der Tür ins Haus fallen...
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 00:29
von Liam von Alensbach
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vom: Der Tempel des Ewigen Feuers|
Badehaus
nach: Der Tempel des Ewigen Feuers | Der Tempel des ewigen Feuers
Datum: 1. September 1278, Zur Abendmesse
betrifft: Jakob
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Der Abend war heran gebrochen und mit ihm die übliche Abendmesse, zu der auch von Alensbach sich sehen liess. Während der Messe hielt er sich wie immer in den hintersten Rängen auf, denn er kam oft als einer der Letzten und ging... als einer der Letzten. So musste Jakob wohl ein Weilchen warten, ehe der Gesucht sich endlich vor den Toren blicken liess. Mit dem Knappen hatte er nicht gerechnet, so dass Liam stutzte und die Brauen hoch schob.
"Mit Euch hatte ich nun nicht gerechnet, Jakob von Nagall. Was kann ich für Euch tun?"
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 19:59
von Jakob von Nagall
Sich den grauen Augen gegenüber sehend, kam es ihm plötzlich wie eine überaus blöde Idee vor. Wieso sollte von Alensbach ausgerechnet bei ihm ja sagen, wo er bisher nie einen Knappen hatte. Genau wie Jarel. Jakob klappte den Mund auf, dann wieder zu und bevor er aussah wie ein Fisch auf dem Trockenen, beschloss er doch einfach seine Frage vorzubringen. Mehr als ablehnen konnte der Ritter schließlich nicht.
"Also, Ser, ich dachte... also, nachdem Jarel ausgeschlossen wurde, fragte mich seine Exzellenz, was er mit mir machen soll. Und ich bat ihn, noch Knappe bleiben zu dürfen. Und naja..." Jakob fuhr sich mit der Hand durch das Haar. "Also, ich hatte gehofft, dass Ihr mich für eine Zeit als Knappe annehmen würdet." Doch, die Idee war blöd. Er sah zu Boden, dann wieder hoch. "Ser." Irgendwie vergessen.
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 21:02
von Liam von Alensbach
"Wie bitte?" entfährt es dem Angesprochenen überrascht und die Augen weiteten sich. Es dauerte, bis Jakobs Frage in seiner Vollendung bei ihm ankam. Wie kam Lothar darauf, dem zuzustimmen? Wie kam Jakob überhaupt auf die Idee, dass er - Liam - der Richtige für so eine wichtige Sache wäre. Er straffte die Schultern und sah sich um, doch der Platz begann sich langsam zu leeren und das war ganz gut so. "Gehen wir ein paar Schritte, von Nagall," wies der Ritter ihn an und tat genau dies. Er ging, die Hände hinter den Rücken geführt und auf dem Steiss abgelegt. Dabei haben die Finger der Linken das rechte Handgelenk umschlungen. "Mögt ihr mir Eure Gedanken eröffnen, warum ich es sein soll? Es ist eine Entscheidung, die gut abgewägt sein muss. Von Euch und von mir. Darum wünsche ich zu hören, was Euch dazu bringt, diese Frage, diese Bitte an mich zu richten." Liam spricht freundlich, wenn auch ernst und gemessen.
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 21:29
von Jakob von Nagall
Eine Millisekunde lange dachte Jakob, Liam würde ihn auslachen, so wie er im ersten Affekt reagierte. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen sah von Alensbach sich um, als stünde vielleicht jemand hinter ihm, den Jakob a: gemeint haben könnte oder b: dem er die Aufgabe schnell zuschieben konnte. Etwas bedrückt schlenderte er dem älteren Ritter schließlich einen halben Schritt zurück hinterher über den Klosterhof. Warum ausgerechnet er? Nun, Jakobs Verwunderung war zunächst viel basikalerer Art gewesen, denn man hatte ihn gefragt. Er war noch nie zuvor gefragt worden, dafür hatte man ihn herum gereicht wie eine faule Kartoffel. Hätte man ihn damals in Flagstaff gefragt, er hätte um Jade gebeten. Jade, der Underdog, mit der ihn dennoch irgendwie sowas wie eine Freundschaft verbunden hatte. Und hier und heute hatte er Liam von Alensbach gewählt. Wieso? Er musste tatsächlich einen längeren Moment darüber nachdenken und somit folgte er dem Ritter viele Schritte schweigend. Typisch für Jakob, wenn man ihn etwas länger kannte. Voreilige Antworten waren nicht seine Art. Manchmal waren nichtmal Antworten generell seine Art.
"Es ist schwer zu erklären.", begann er schließlich vorsichtig. "Ich hatte noch nie die Wahl und hätte ich sie gehabt, ich hätte immer anders entschieden. Bis ich her kam. Ich wählte Jarel, aus einem Bauchgefühl. Und nun Euch, weil..." Er suchte den Blick des Älteren. "...weil ich denke, wir sind uns aus einem bestimmten Grund begegnet. Das Ewige Feuer hat unsere Wege in dem Moment gekreuzt, in dem es mein Leben auf eine neue Bahn gelenkt und Euch wieder in die Mitte des Ordens geführt hat. Es hat Euer Herz besänftigt, als meine Euch offenbarten Ideen Euch jedes Recht gegeben hätten, mich als Ketzer aufzuspießen. Es hat uns zur rechten Zeit an die Ismena und in den Tempel der Melitele geführt." Er hob die Hände zu den Seiten. "Letzten Endes wieder Bauchgefühl. Ich vertraue dem Göttlichen Feuer und immer, wenn ich seinen Beistand beschwor, wart Ihr nicht weit." Ein bisschen kam er sich vor wie ein Bittsteller und hätte er Hosentaschen gehabt, er hätte die Hände darin vergraben.
Es gab noch so viele andere Gründe, die aber alle so lapidar erschienen, dass Jakob sie nicht anführen wollte. Allen voran, dass Liam der einzige Ritter in Wyzima war, den Jakob näher kennengelernt hatte und nicht unter lahmarschig, penetrant oder narzistisch abgelegt hatte. Außerdem war er ein alter Weggefährte von Jarel. Und er mochte die ruhige Art des Ritters, von der er wusste, dass sie seinem eigenen Naturell als Gegenpol gut anstand.
Erwartungsvoll sah er von Alensbach an.
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 22:22
von Liam von Alensbach
Jakob durfte laufen wo er wollte und Liam sagte nichts dazu, dass der Junge nun etwas versetzt ging. Umso aufmerksamer hörte er zu, während er auf den Brunnen zusteuerte. Ohne Hast, ohne Eile, bis er ihn erreicht hatte und dann erst betrachtete er von Nagall, der ihn erwartungsvoll ansah. Was sollte er dem Jungen nun sagen? Und so wandte sich Liam erstmal von ihm ab um ins Wasser des Brunnens zu sehen. Es war klar und als er mit den Fingern sanft über die Wasseroberfläche strich, da begann es sich zu wellen. Vermutlich spiegelten die Wellen auch seine Gedanken wieder. Sie kreisten und irgendwann zog er die Hand zurück. "Ich hatte noch nie einen Knappen," begann er mit ernster Stimme. "Und ich weiss auch nicht, ob ich deine Erwartungen erfüllen werde." Und doch schien der Junge sich Gedanken gemacht zu haben, dem Bauchgefühl zu folgen, einer inneren Stimme. "War ich das also?" Die Nachdenklichkeit auf den Zügen des Mannes waren greifbar. Doch wenn es so war, wie Jakob sagte, wenn das Feuer ihn immer im richtigen Moment zu ihm geführt hatte, dann musste das eine Bedeutung haben. Doch etwas in Liam sagte ihm auch, dass er aufhören sollte davon zu laufen. Dass er sich auch seiner Vergangenheit wieder stellen musste und den Brüdern, den alten Brüdern des Ordens zeigen, dass Liam von Alensbach noch immer da war. Und allen voran de Ardh. Unwillkürlich ballte der Ritter die Hände zu Fäusten, dann löste er sie wieder und atmete leise durch.
"In Ordnung," beschloss Liam schliesslich und nach so langem Schweigen, dass Jakob zu befürchten hatte, er würde ablehnen.
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Mittwoch 1. Januar 2025, 22:54
von Jakob von Nagall
Äußerlich ruhig beobachtete Jakob von Alensbach beim Denken. Sah die Wellen, die das Wasser aufwarfen und die Spiegelung zerrissen, hörte ihr leises Glucksen am Brunnenrand. Der Ritter ließ sich Zeit und Jakob konnte nur warten, sich mit jedem Augenblick, der vorüber driftete mehr dem Gedanken hingeben, dass der Ältere überlegte, wie er elegant ablehnen konnte. Es gab eine Menge Gründe, allen voran den, dass Jakob der Knappe eines Verstoßenen war. Eines Anderlings. An seinen Kleidern haftete der Gestank von Verrat. Und dann war da noch der Makel des Fremden.
Dann sprach von Alensbach wieder und Jakob blieb stumm. Erwartungen zu haben, hatte ihm das Leben schon sehr frühzeitig ausgetrieben. Denn Erwartungen konnten enttäuscht werden und je herber diese Enttäuschungen waren, desto schmerzhafter. Jakob hatte irgendwann damit aufgehört, irgendetwas von anderen oder gar dem Leben zu erwarten. Das Ergebnis war mit oder ohne Erwartung meistens negativ, doch ohne wog es nicht so schwer. Daher musste er sich nun ernstlich fragen, ob er jemals Erwartungen an Jarel gehabt hatte. Ja, leider. Und auch die waren enttäuscht worden. Jene, dass sein Rittervater seine Gelübde ebenso ernst nahm wie der Knappe, zum Beispiel. Es war nicht mehr wichtig, so viel war bisher passiert. Er hatte den Mut gefunden, zu verzeihen. Die Kraft, zu vergeben. Das war etwas, das unendlich währte... was waren da unerfüllte Erwartungen?
Und dann dauerte es noch einmal eine halbe Ewigkeit, bis Jakob schon nicht mehr daran glaubte, noch eine Antwort zu erhalten. Selten, dass er die gleiche Medizin zu schlucken bekam, die er selbst so gerne verabreichte.
Und dann...
In Ordnung.
Jakobs Augen weiteten sich und ein für den eher in sich gekehrten jungen Mann eher untypischer Freudenlaut entkam seiner Kehle, bevor er sich räusperte und gleich wieder ernst wurde. Haltung wahren.
"Danke, Ser." Das Gefühl, nicht fallen gelassen zu werden und weiter Teil der Gemeinschaft bleiben zu können, die ihm so wichtig geworden war - trotz all ihrer Fehler - ließ ihn aufatmen. Jetzt spürte er erst, wie angespannt er die ganze Zeit gewesen war. Doch nun war alles in neuen Bahnen. Jarel bei Melitele und er als Knappe an der Seite eines anderen Ritters.
"Danke.", diesmal formte er den Kelch. Der Dank galt seinem Gott.
weiter
Re: Der Tempel des Ewigen Feuers
Verfasst: Samstag 4. Januar 2025, 15:22
von Liam von Alensbach
Der Laut, der da Jakobs Kehle entkam, liess Liam leicht Lächeln. Kaum wahrnehmbar, aber es war da. Und es überraschte ihn auch ein wenig, dass sich von Nagall gleich derart freute ihm als Knappen deinen zu dürfen. Der Ritter war sich nicht sicher, ob der junge Mann das nicht später bereuen würde - oder er selber. "Nicht dafür," antwortete Liam, der nicht wusste, dass der Dank Jakob's Gott galt und nicht ihm. Er formte nun selbst den Kelch und wusste, der heutige Abend würde ein Gedankenschwerer werden. Er musste wissen, was und ob er seinem Knappen noch etwas beizubringen hatte. In welchen Bereichen und in welchen nicht. Und er musste sich selbst Gedanken darüber machen, was er nun zu tun hatte. Schliesslich sollte aus einem Knappen irgendwann ein Ritter werden und das musste wohl überlegt sein. "Und nun geh, Jakob von Nagall, verfüge über deinen Abend wie du es möchtest. Morgen sehen wir uns zur Frühmesse und dann auf dem Übungsplatz. Ich möchte mir ein Bild von dir machen."