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von:
Die Scherben | in den Straßen --> Ferneck | in den Straßen
Datum: 8. September 1278, kurz vor 19 Uhr
betrifft: Stadtwache
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Sjevik schwitzte. Der Schweiß rann ihn in Rinnsalen von den Schläfen in den Bart, den Nacken hinunter und von dort durch das Haar auf dem Rücken. Sein Hemd klebte, seine Hände fassten die Stange des Karrens zwar fest, aber hinterließen ebenfalls feuchte Abdrücke am Holz. Das Zeug war schwer. Selbst für einen Zwerg seiner Kraft und Ausdauer. Und die Straßen waren uneben, auch wenn sie gepflastert waren. Der Karren rumpelte durch jedes verdammte Loch und blieb schweißtreibende Sekunden hängen, bevor Sjevik ihn weiter rollen konnte. Wer glaubte, Nowigrad sei auf einem mehr oder weniger ebenen Plateau errichtet, der sollte mal so einen Karren von den Scherben zum Oxenfurter Tor ziehen. Man entdecke Steigungen und Senken, die hatte man noch nie zuvor wahrgenommen. Sjevik schnaufte, machte aber keine Rast. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er nicht trödeln durfte. Die Räder ächzten mit ihm und dann
KRACK und das ganze Gefährt stockte, neigte sich bedrohlich zu einer Seite.
Passanten sprangen aus dem Weg, andere sprangen dazu. Man hätte sicher spannendes über verschiedene Charaktere lernen können - oder über Verwünschungen, sofern man Zwergisch beherrschte. Denn Sjevik fluchte, dass es jeder Hurenmutter die Röte auf die Wangen getrieben hätte. Er beschimpfte den Wagen in den buntesten Farben, erst auf Zwergisch und dann auf Gemein, bis er sich schnaufend einkriegte und mit der Hand über den Kopf fuhr. Eine gebrochene Speiche. Immerhin nicht die ganze Achse, trotzdem beschissen.
Mit Hilfe der wenigen Charaktere, die sich nicht selbst vor den schweren Fässern in Sicherheit hatten bringen, sondern das Gefährt stabilisieren wollten, brachte er den Karren etwas zur Seite. Dann begannen sie Fässer abzulagen und unter den Karren zu stellen, darauf Bretter und Steine und was es so gab - bis das Rad in der Luft hing. Ein Stellmacher war natürlich weit und breit keiner am Platz - die hatten ihre Werkstätten an lukrativeren Orten. Am liebsten da, wo es häufiger mal krachte. Nicht hier mitten in der Stadt. Sjevik musste improviersieren und das tat ein Schmied üblicherweise mit Metall. Er schiente gewissermaßen das Rad mit Bändern, die er zur besseren Tarnung dabei hatte. Aber hin wie her, es dauerte und so stand die Sonne schon tief, als der Wagen vorsichtig wieder auf die Räder gestellt und beladen werden konnte.
Sjevik beeilte sich, endlich weiter zu kommen. Dennoch pausierte er kurz, als das Tor in Sicht kam. Zu außer Atem sollte er besser nicht sein, sonst schöpfte noch jemand Verdacht. Es war ohnehin schon ungewöhnlich genug, dass ein Wagen mit Öl und Pech um diese Uhrzeit noch die Stadt verließ. Verdammter Mist aber auch. Bald war Toresschluss.
Eine Weile beobachtete Sjevik das Tor, das Kommen und gehen, die Motivation der Wachen. Raus war immer einfach, sagte er sich. Mit einem Tuch wischte er den gröbsten Schweiß aus seinem Gesicht, stemmte sich wieder gegen die Stange und rollte gemessen, aber entschlossen auf das Tor zu, als gerade von der anderen Seite Reisende passieren wollten. Er hoffte einfach unbehelligt durchzuschlüpfen.