Jarel wirkte besorgt, mehr als das, und der Grund lag auf der Hand. Der Großkomtur.
Auch für ihn war das Gespräch mehr als unangenehm gewesen, auch wenn er sich große Mühe gegeben hatte, es nicht zu zeigen, aber dass dieser Mann dermaßen viel wusste und er nicht den blassesten Schimmer gehabt hatte, nicht einmal eine Ahnung, dass man ihn beobachten könnte, das nagte an ihm.
Dennoch waren die Zeichnungen zum Teil wirklich schön. Nichts desto trotz war es Beweismaterial. Allmählich musste er sich Gedanken machen, was geschah wenn jemand hier einbrach. Ein Attentäter hatte es ja schon geschafft und es war eher Glück gewesen, dass nicht mehr zu Schaden gekommen waren.
Auf das Glück verlassen konnte man sich nicht. Auch er nicht.
Jarel indessen gab sich redlich Mühe, freundlich zu sein zu Schura, ehe er ging.
Zur Abendandacht, danach zu Wenzel, dann in seinen vier Wänden sein Medikament nehmen und in Morgengrauen zurück sein.
Den Abend und die Nacht war er also alleine, mit seinen Kameraden.
Nein, er wollte Jarel nicht los sein, aber er wollte sich auch nicht schwach fühlen, und das tat er zwangsläufig, weil er es nicht fertig brachte, seiner Sorge zu widersprechen. Jarel gegenüber wollte er ehrlich sein, konnte auch gar nicht anders, und es ging ihm eben nur den Umständen entsprechend gut, das war nicht wirklich hervorragend.
Aber Schura und Valentine konnte er herumkommandieren, die beiden würden es kaum wagen ernsthaft zu widersprechen. Sicher, eine etwas aufmüpfige Bemerkung hier und ein frecher Kommentar da, aber im Großen und Ganzen hatten sie Respekt vor ihm und aus diesen alten Mustern kamen sie auch jetzt nicht raus.
Nur Jarel kannte ihn eben nicht als den Kommandanten der Jäger.
Er bereitet Essen für sie zu und Slava aß auch mit großem Appetit, vielleicht war etwas von dem flauen Gefühl auch einfach Hunger gewesen. Ein wenig zumindest.
Dann verabschiedete sich der Ritter, mit einem langen Kuss. Ein wenig als gäbe es kein Wiedersehen. Aber Slava glaubte es besser zu wissen. Er würde sich weigern zu glauben, das Wenzel ihn einsperrte, nicht seinen ehemaligen Knappen. Ihn selbst schon eher. Und er würde sich weigern aufzugeben. Irgendeinen Weg gab es immer durchzusetzen was man wollte. Zumindest für ihn, das hatte sein bisheriges Leben ihn gelehrt.
Dann waren sie alleine.
Schura hatte ihm mit einem schwer deutbaren Blick nachgesehen. Irgendwann war er an den Tisch zurückgekehrt, hatte mit den Schultern gezuckt und gemeint.
"Ist ja ganz ok. wär's nicht deiner, dann würd ich ihn mir holen." und gezwinkert. "Ich nehme an, du verleihst nicht?"
Was Valentine dazu brachte, das letzte Stück Brot wieder auszuhusten und ihn ungläubig anzustarren.
"DU etwa auch?" Und weil Schuras Antwort nur ein Grinsen war. "Fuck, dann bin ich jetzt echt zwei Schwuchteln hierher gefolgt? Scheiße und ich hab echt nie was gemerkt... War ich denn der einzige Hetero im Team?"
Slava schüttelte nur den Kopf.
"Nein, und ich wusste es echt nicht. Schura hat es vorher schon irgendwie gespürt. Aber ich hab es echt langsam satt, dass das dauernd das Thema ist. Jetzt ein für alle mal: Ja, ich war beim GRU, ja, ich liebe jetzt einen Mann und ja, das ist echt absurd. Ab jetzt kein Wort mehr."
Nun verschluckten sich noch einmal Beide, während Arvijd, der inzwischen wieder zurückgekehrt war Tee aufsetzte und dem Schauspiel - immerhin sprachen sie wieder englisch - nicht folgen konnte und nur ab und zu von einem zum anderen blickte.
"GRU? ernsthaft?" Schura war jetzt etwas blass.
"Dass du in der Armee bist und kein echter Stalker war ja klar. Und das mit dem Oberst war glaub ich auch kein Witz von Wolodja, nehme ich an... aber der fucking Auslandsgeheimdienst?"
Auch Valentine war blass, mehr als das. Und er begann zu verstehen, schwieg aber.
"Fuck, das ist echt ein bisschen wie James Bond... James Bond in Mittelerde... nur eben auf russisch. Hast du eine Lizenz zu Töten?" Er fand seine Fassung doch schneller wieder.
"Wir nennen es nicht so, aber ja. Kollateralschäden werden einkalkuliert. Aber ich war immer vorsichtig und hab es auf das nötigste beschränkt."
"Skripal... warst das du?" fiel jetzt wieder Valentine mit ein. Er rührte nur noch etwas lustlos in der Suppe.
"Nein. Aber ich weiß natürlich mehr."
"Wirst du zurückgehen, wenn es möglich wäre? Ich meine jetzt, wirklich?"
"Nein. Ich denke, es könnte ermöglicht werden, es gibt ein Portal, mindestens eines, auch wenn es klein ist, aber es führt wohl permanent in die Zone und es gäbe vermutlich sogar einen Weg es magisch zu erweitern. Aber ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich hier bleiben werde. So schräg diese Welt ist, und auch sie hat ihre Herausforderungen, aber ich finde sie deutlich entspannter als unsere."
"Du hattest einen Herzinfarkt und auf dich wurde ein Anschlag verübt."
"Mag sein, aber das ist deutlich weniger als in der Zone. Und ich habe das Gefühl, hier kann ich noch etwas zum Guten verändern, während ich Zuhause alles eher schlimmer gemacht habe. Und was ihr über den Krieg erzählt habt, und dass sie alle aus der Zone abgezogen haben, alle unsere Leute zumindest... Zu einem großen Teil war unsere Abteilung mit am Aufbau der Legende vom Sondereinsatz beteiligt. Ich habe es also irgendwie kommen sehen... Nur immer gehofft, es würde doch nie so ernst werden. Aber im Grund... Nein, ich denke, in diese Welt will ich nicht zurück."
"Bist du der einzige gewesen?"
"Nein. Wolodja auch. Und Lew war in der Spezialeinheit, die für mich gearbeitet hat, Amir ebenso und Kovac. Der Rest... ihr alle, habt den Status von V-Leuten. Ihr wart auch immun und straffrei in der Zone. Leider nur dort. Straffreiheit in England konnte ich leider nie garantieren."
Valentine nickte nur. Er hatte es sich ja selbst zuzuschreiben. Immerhin hatte er in einem anderen Land eine Zukunft gehabt, nun... in einer anderen Welt?
"Und hier? Hier hast du auch Einfluss?"
"Und Starik? Und Viktor? Ulad...? Jura?" wollte gleichzeitig Valentine wissen.
"Alle V-Laute. Und ja. Ich werde jetzt noch fertig essen, dann werde ich ins Bad gehen. Dort treffe ich den Regenten der Stadt und damit dieses Teiles der nicht von Nilfgard besetzten Welt. Redaniens."
"Also den König dieser Welt?"
"Wir hätten die Zone also verlassen könne? Wie Ulad?" Valentine war noch immer in dem Gedanken gefangen.
"Ich habe mich bei jedem von euch dafür eingesetzt, dass ihr nach Ablauf einer gewissen Dienstzeit Straferlass und eine Abfindung bekommt. Vor euch auch schon Kostja... und Schura, so einfach ist es nicht... es ist eher ein wenig wie Europa im Mittelalter, Kleinstaaterei, ein kleines Königreich und Herzogtum am nächsten. Es gab vier große Reiche, die zwei größten davon waren Redanien und Temerien, dann noch Kaedwen und Aedirn. Aedrin und Temerien wurden vom Nilfgardischen Kaiserreich erobert, dem nun größten Reich der hier bekannten Welt."
"Das, wie ich verstanden habe, auch diese Stadt erobern will?"
"Und... ich? Hätte ich auch in Russland leben können?"
"Ja... hättest du. Ich hätte dir eine Wohnung besorgt und eine kleine staatliche Rente. Und... em... Richtig, Schura. Weil diese Stadt die Pontarmündung kontrolliert und damit verhindert, dass größere Truppen ans andere Ofer setzen können. Bisher ist das nur kleineren Stoßtrupps gelungen. Aber wenn es ihnen gelänge, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bekommen, dann würde auch der Rest des Nordens fallen und das will ich um jeden Preis verhindern."
"Und deswegen hast du Kontakt zu dem Regenten aufgenommen?"
"Und ich dachte ich habe nichts zu verlieren..."
"Ich bin sein Berater. Ich leite auch hier den Geheimdienst und ich muss ihn über ein paar neue Erkenntnisse informieren."
"Kann ich mitkommen?"
"Ich auch...? Und kannst du uns hier auch ein Leben organisieren?"
Slava grinste. Ein bisschen wie Kinder.
"Ja, solltet ihr sogar mitkommen, und ja, werde ich. Ihr seid jetzt meine Leibwache. Und ein Freiherr braucht Entourage. Lernt aber schleunigst die Sprache. Valentine, dir fällt vielleicht die Ältere Rede leichter, die klingt ein wenig wie eine Mischung aus holländisch, Plattdeutsch und Sindarin... also der Sprache aus Herr der Ringe." er zwinkerte. "Schura, ihr helft euch gegenseitig. Lehrer gibt es noch keine, ich hab es auch auf die harte Tour gelernt. Aber zwei Fremdsprachen zu beherrschen hilft schon. Nur jemand muss in der Zwischenzeit das Haus bewachen. Aber wozu gibt es die Stadtwache."
So kam es dann auch.
Entgegen Jarels Rat und im übrigen auch entgegen des Protests des Arztes machte sich Slava, nachdem er fertig gegessen hatte und auch den Tee getrunken hatte, auf den Weg zum Bad. Der Arzt - ihm hatten sie wieder den PDA gegeben zur Überwachung - und nun seine beiden Leibwächter, folgten ihm. Ein paar eilig herbeizitierte Wächter übernahmen die Bewachung der Wohnung, auch der Rückseite. Und Slava schilderte ihnen überraschend genau worauf sie achten sollten.
Das Bad allerdings war nicht weit und er hatte sich auch nicht die Mühe gemacht, noch einmal die Treppe hoch zu gehen und sich umzuziehen. Nur die Stiefel, nicht einmal eine Jacke, es war schließlich noch recht warm, und sie machten sich auf den Weg.
<geht dann im Bad weiter>