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Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Dienstag 1. Oktober 2024, 20:30
von Jarel Moore
Mit kraus gezogener Stirn betrachtete Jarel die Phiole, die er zwischen zwei Fingern vor sich hielt. „Hmpf. Bisher hatte ich nach einer Verwandlung für einige Tage Ruhe. Fühlt sich aber nicht so an, als wäre das noch so.“ Mit einem weiteren Brummen umschloss er die Phiole und barg sie in der Faust.
Wenn er das Zeug jetzt nahm, würde er sein Ziel nicht mehr erreichen. Aber auch wenn er es nicht nahm, war es ihm nicht möglich…
Aber erst einmal Jakobs Frage beantworten. „Ist es dir schon einmal passiert, dass du ein Werkstück… ein Material gesehen hast und es hat dir sogleich mitgeteilt, was es werden will?“
Ihm war das schon einige Male passiert. Eines davon befand sich in seiner Truhe in Novigrad und wartete darauf Augen zu bekommen. Augen aus Halbedelsteinen, die er nicht verbaut, sondern verschenkt hatte. Ein Geschenk für Slava, dass er vielleicht nie bekommen würde.
„Eigentlich suchte ich nach Material für einen Türstock. In Varelias Werkzeugschuppen fand ich eine Wurzel, die mir laut und deutlich mitgeteilt hat, was aus ihr werden soll.“
Mit einem Seufzen hielt er die Phiole hoch. „Wenn ich das Zeug nehme, ist die Nacht gelaufen. Wenn ich es nicht nehme, werde ich wahrscheinlich auch nicht rechtzeitig fertig.“
Er betrachtete Jakob und legte den Kopf schräg. „Wie gehen sie mit dir um im Orden? Sind sie fair, oder musst du viel ertragen?“
Wenn sie alle so waren wie Pieter, musste Jakob einiges einstecken. Mehr als gut war. Mehr als er würde ertragen können.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Donnerstag 3. Oktober 2024, 15:46
von Jakob von Nagall
Jakob erhob sich flexibel wie immer, hielt mit der Rechten das linke Handgelenk fest und kreiste die Hand, öffnete und schloss die Finger. Wieso auch ausgerechnet ein Baum? Rilmitz' Visage hätte wenigstens nachgegeben. Aber im Sinne seiner eigenen Reputation im Orden war der Baum dann doch wieder die bessere Wahl. Immerhin hatte er noch das Mittel, Rilmitz mit dem Schwert herauszufordern. Der Mann war ihm ein Dorn im Auge und das Schlimmste war, er brauchte gar nicht lügen. Ganz im Gegenteil. Das, was er gesehen hatte, ausgedrückt in der Weltanschauung des Ordens war schlimm genug, ohne etwas hinzuzudichten. Verzerrung vielleicht, aber Lüge war gar nicht nötig. Trotzdem konnte Jakob ihn fordern, immerhin das, um seinen eigenen Stolz wieder etwas aufzupolieren. Diesbezüglich rechnete er sich gute Chancen aus, denn auch wenn er "nur" Knappe war, hatte er an der Klinge quasi laufen gelernt und nun auch wieder seine Rechte Hand zur vollen Verfügung. Den Vorteil der Beidhändigkeit musste er nun schleunigst ausbauen und... seine Gedanken stockten. Hatte er nicht heute Morgen noch das Schwert nieder legen wollen?
Er folgte mit den Augen Jarels Blick zum Schuppen und wog den Kopf leicht zu den Seiten. "Nicht in der Form. Ich schaue manchmal auf eine Mechanik und weiß, wo es ihr "weh tut". Wo bald etwas kaputt geht oder wie man es verbessern kann. Oder wenn es nicht mehr funktioniert, sagt mir ein Geräusch oder Gefühl oft, woran es hakt. Ich bin nicht so der Handwerker, weißt du ja.", erwiderte er nun wieder ziemlich ruhig. Fast schon zu ruhig. Jakob sah Jarel wieder an, versuchte in dessen Zügen zu lesen, wie es ihm ging und fühlte sich fast ertappt, als die braunen Augen des Ritters seinen Blick kreuzten.
Er hob die Schultern. "Ich halt viel aus. Sollen sie sich das Maul zerreißen. Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein." Er konnte das. Nichts konnte er besser, als die Meinungen anderer zu seiner Person ignorieren. Was es aus ihm machte, wusste er auch, aber es wäre nur eine Rückkehr in altbekannte Gefilde. Nichts, was er nicht ertragen konnte. Sein täglich Brot seit Jahren. Außerdem war er nun stärker als früher - er hatte das Ewige Feuer gesehen, es durchschritten und trug die Kraft dieser Erkenntnis in seinem Herzen. Das Göttliche war an seiner Seite, was sollten Menschen ihm also antun. Gewalt. Schmähung. Auch Mord. Mehr nicht. Hatte er nicht eben bewiesen, dass seine Wurzeln bis in die Feuer des Erdkerns reichen konnten, wenn er nur wollte? Was nicht hieß, dass er sich nicht auf ehrenhaftem Weg für den Rotz revangieren konnte.
"Lass mal sehen." Er wies Richtung Schuppen, das Thema Orden fallen lassend.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Sonntag 6. Oktober 2024, 20:42
von Jarel Moore
Noch einem Moment ruhten die braunen Augen des Älteren auf den hellen des Knappen.
Was würde der Junge ertragen müssen, wenn sie seinen Rittervater richteten?
Kurz zuckten seine Mundwinkel, bevor Jarel Jakob zum Schuppen führte.
Er würde sicher nicht das sehen, was er sah und dem verdrehten Stück Holz. Aber vielleicht verstand er das warum. Warum er diese Arbeit begonnen hatte. Und was es ihm bedeutete.
Der Ritter schob mit einer Hand schob er die aus groben brettern zusammengenagelte Schuppentüre und ließ Jacob den Vortritt.
In der kleinen Hütte herrschte stickige Wärme und gedämpftes Licht. Es roch – stank beinahe – nach Erde, getrockneten Kräutern, Pilzen, Harz und vor allem nach Schweiß. Nach Schweiß, Testosteron und etwas saurem, üblem, das sogar den scharfen Schweißgeruch übertönte.
An der Rückwand der Hütte, im Halbdunkel an das Jakobs Augen sich erst gewöhnen mussten, stand ein Hauklotz. Auf dem Hauklotz stand ein Holz, nicht ganz einen Schritt hoch beinahe einen Schritt breit und einen halben Schritt tief. Auffällig bunt gemustertes, verdrehtes und verflochtenes Holz. Zumindest höchstwahrscheinlich Holz, denn das Gebilde sah im Halbdunkeln aus wie ein in der Bewegung erstarrtes Monster mit unzähligen kleinen Armen, Tentakeln, oder was auch immer.
Der Knappe wusste, der Schattenläufer sah auch bei diesen Lichtverhältnissen bestens. Der gefallene Ritter hatte die gefundene Wurzel vor ihm bearbeitet und in groben Zügen Konturen herausgearbeitet.
Viel war noch nicht zu erkennen, nur dass das entstehende Bildnis ein dreigeteiltes war, das linke Drittel was wirrste, das in der Mitte eine Spur ruhiger und das rechte etwas niedriger als die anderen.
Mit viel, viel Phantasie konnte man drei Personen erahnen, eine in jedem Drittel.
„Kannst du etwas sehen?“
Jarel sprach – warum auch immer – leise, flüsterte beinahe. Vielleicht lag das an der eigenartigen Atmosphäre im Raum.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Montag 7. Oktober 2024, 20:51
von Jakob von Nagall
Jakob hatte den Blick seines Rittervaters wie immer offen und auf diese irritierende Art erwidert, die sezierend wirkte und als müsse er niemals blinzeln. Etwas am Äußeren Jarels beunruhigte ihn, aber er konnte den Finger nicht darauf legen und der Moment war zu schnell vergangen und der Ritter schon unterwegs zum Schuppen. Jakob folgte und betrat wie gewiesen als erster das Halbdunkel. Aus dem grellen Sonnenlicht kommend, sah er einen Moment lang die Hand vor Augen nicht, dann schälten sich Konturen aus der Dunkelheit. Der Karren, an den Wänden Werkzeuge und Hölzer, weiter hinten Stapel von Feuerholz und Abschnitte, die es werden sollten. Dort stand der Hauklotz, auf dem er selbst auch schon genügend Scheite gespalten hatte und auf dem Hauklotz stand... etwas. Langsam ging er näher und besah sich das Stück Holz, das in seinen Augen erstmal eines war: ein verdrehtes Biest, an dem man sich mit der Axt nur die Arme ausrenken konnte. Solche Stücke hatten ihn immer Kraft und Nerven gekostet. Das sah er darin. Arbeit. Aber das war nicht, was Jarel mit seiner Frage meinte.
"Ziemlich dunkel. Kannst du so arbeiten?" Da war Jakob anders. Er hatte bei seinen Schraubereien immer sämtliche Lichter an, die die Garagen hergaben. Aber er wusste natürlich, dass Jarel im Dunkeln deutlich besser sehen konnte, als er selbst. Er machte noch einen Schritt auf das Gebilde zu und identifizierte es zumindest mal als Wurzel, die durch was auch immer verschiedene Farben zu haben schien. Er hätte gerne irgendwas künstlerisch wertvolles von sich gegeben aber... "Tut mir Leid, ich sehe ein verdrehtes Stück Holz, dass zu spalten mich drei Keile kosten würde. Was wird das?", erwiderte er ehrlich und wandte sich Jarel wieder zu.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Montag 7. Oktober 2024, 21:38
von Jarel Moore
„Ach ja...für dich ist es hier dunkel. Hier ist irgendwo eine Kerze…“, der Schattenläufer drehte sich auf der Stelle, um die beschriebene Kerze zu suchen, vergaß das jedoch, als er sich einmal um die eigene Achse gedreht hatte und seinen Blick wieder auf das Werkstück richtete.
„Ein Abbild der dreifaltigen Göttin.“, erklärte Jarel mit einer Begeisterung, die nur ein Künstler für sein Werk – oder ein Elternteil für ein Kunstwerk ihres Kindes – aufbringen konnte.
Er fuhr sich mit der Hand über die Magengegend, befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen, bevor er fortfuhr.
„Zur linken die junge Melitele, das Mädchen, tanzend in einem Kleid mit Schürze. Hier…“ – Jarel deutete auf die wirren, verschlungenen, verdrehten Tentakeln – „…sind ihre in der Drehung fliegenden Zöpfe. In der Mitte die Mutter, aufrecht stehend, auf dem rechten Arm den Säugling, die linke haltbietend in Richtung des betenden ausgesteckt.“ Der alte Mann schwärmte, verträumt, ganz in dem Anblick gefangen, den nur er sah.
„Und zur rechten die Alte. Gebeugt, auf einem Stock gestützt, weise und freundlich lächelnd.“
So detailliert wie der Schattenläufer das Bild sah, würden alle andere erst dann sehen, wenn das Werk fertig gestellt wurde. Wenn. Und wenn es gelang. Viele Wenns.
„Ich gehe noch einmal zum Brunnen. Der Durst macht mich wahnsinnig.“, brummelte Jarel.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Dienstag 8. Oktober 2024, 16:26
von Jakob von Nagall
Jakob näherte sich dem Gebilde noch einen Schritt und versuchte zu erkennen, was Jarel beschrieb. Dabei entgingen ihm zum Einen die feinen Zeichen, die ihn normalerweise geradezu angesprungen hätten, um ihm zu sagen, dass es Jarel nicht wirklich gut ging. Zum Anderen wurde er nicht wirklich erleuchtet. Für die Augen des Knappen blieb das ein Stück knorrige Wurzel, so lange er es auch anstarrte. Wäre es Musik, drei Sätze mit drei Themen, die das Bild darstellten, er hätte es vielleicht eher verstanden als das hier. Dafür war er einfach blind wie ein Stein und außerdem hatte er andere Sorgen als eine Holzstatue, die nie fertig werden würde. Die hier im Zweifel ewig unfertig stehen und jeden daran erinnern würde, dass der Künstler es nie zu Ende bringen konnte.
Erst als er Jarels Stimme wieder brummen hörte, merkte Jakob, dass er die Fäuste geballt hatte und erst jetzt drang auch der Schmerz aus der Linken zu ihn durch.
Er sah Jarel nach, als dieser wieder zur Tür ging, um erneut zum Brunnen zu tappen. Dann blickte er wieder auf das Holz und rang den Wunsch nieder, sich mit der Axt daran auszutoben. Es war lange her, dass er sich so gefühlt hatte. Dass der Wunsch etwas zu zerschlagen, zu zerstören nahezu übermächtig war. Aber dieses Bildnis der Unvollendung forderte seine ganze Kraft und endlich riss er seinen Blick los, um Jarel zu folgen. Die Bewegung sorgte dafür, dass er sich abregte. Zumindest etwas. Die Hormone kochten nach dem Zwischenfall mit Pieter einfach noch in seinem Blut und verlangten nach Einsatz. Entsprechend wirr sprangen seine Gedanken herum - zwischen ungezügelter Gewalt und dem Wunsch zu Iola zurück zu gehen, suchte sein Instinkt nach einem Ventil. Sein Verstand rang dagegen um Beherrschung.
Ablenkung. "Heute wird es nicht mehr fertig, so oder so. Ich denke, du solltest wirklich das Zeug nehmen und dich ausruhen. Du brauchst morgen einen klaren Kopf und willst doch aufrecht vor den Rat treten, nicht gebeugt wie ein kranker alter Mann." Den Gedanken hielt schon Jakobs Stolz nicht aus, wie also Jarels?
Plötzlich brannte ihm ein anderer Gedanke unter den Nägeln. "Großmeister von Tretogor will sich anhören, was ich in meiner Vision gesehen habe. Das, was das Feuer zu mir gesprochen hat. Kann ich mich ihm anvertrauen?" Oder würde er dann gleich neben Jarel auf dem gleichen Haufen enden? Nein, er musste aufhören, so zu denken. Noch bestand Hoffnung. Noch war niemand Asche, ganz gleich, was Rilmitz von sich gab. Und von Tretogor erinnerte Jakob so intensiv an Garcia, dass er sich schon fast automatisch unter dessen Urteil stellen wollte. Nur hatte er in diesem Orden gelernt, das gerade den Mächtigen nicht zu trauen war und solches Wissen war bei einem grundsätzlich misstrauischen Naturell wie Jakob Öl im Feuer.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Dienstag 8. Oktober 2024, 21:39
von Jarel Moore
„Hmm…“, brummte Jarel und stellte den Eimer ab, den er ein weiteres Mal hoch geholt und zum Teil leer getrunken, zum Teil über sich ausgekippt hatte.
„Du kannst Lothar vertrauen.“, erklärte er und nahm auf dem Rand des Brunnens Platz.
„Aber rede allein mit ihm. Und achte auf die Zeichen. Wenn er nicht hören will was du zu sagen hast, wird er es dir zu verstehen geben. Dann beende das Thema. Aber ich rechne nicht damit, dass er …nun…er wird dir zuhören…“ Nachdenklich wischte sich der Schattenläufer mit dem Handrücken über die Stirn.
„Wo war ich? Ach ja. Du kannst Lothar vertrauen. Fang nur keinen Streit mit ihm an. Er sitzt definitiv am längeren Hebel.“
Mürrisch betrachtete der gefallene Ritter die Phiole, die er an seinen Gürtel gehakt hatte und rieb sich abermals mit der flachen Hand über seine Körpermitte.
„Und du hast Recht. Ich sollte mich Waschen, das Teufelszeug nehmen und ausruhen. Ich will aufrecht und bei Verstand vor das Gericht treten.“
Etwas stimmte nicht mit ihm. Darum konnte er sich kümmern, wenn alles vorbei war.
Und wieder ein wenn.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Mittwoch 9. Oktober 2024, 20:52
von Jakob von Nagall
Keinen Streit anfangen. Darin war er ja so besonders gut. Aber er nahm sich die Worte zu Herzen. Auch, dass er allein mit ihm reden sollte. Was hieß das? Ohne die allgegenwärtigen Leibwächter? Vermutlich. Aber die waren ohnehin meistens nicht zu sehen, wenn er zur Harfenstunde auftauchte. Jakob rieb sich erneut die schmerzende Hand und musterte Jarel skeptisch. "Muss ich dich bis in Bad und Bett begleiten oder kann ich mich drauf verlassen?" Der Knappe kannte den Dickschädel seines Ritters und traute ihm zu wieder im Schuppen zu verschwinden, kaum dass das Tor hinter dem Jüngeren zugefallen war. Für ihn wurde es wirklich langsam Zeit. Er war zwar freigestellt, aber kein Training hieß nicht, dass er keine Aufgaben hatte. Und er brauchte Ablenkung oder zumindest irgndwas, um den Kopf frei zu bekommen.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Mittwoch 9. Oktober 2024, 20:55
von Jarel Moore
Jarel warf schmunzelnd einen letzen Blick in Richtung Schuppentür, dann auf die Phiole in seiner Hand.
"Ich bringe dich zum Tor.", erwiederte er, ohne die Frage zu beantworten.
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Donnerstag 10. Oktober 2024, 19:50
von Jakob von Nagall
Jakob nickte, aber er war unaufmerksam. Die Gedanken überall und voller innerer Anspannung. Die Kollision mit Rilmitz hatte mehr angerichtet, als er nach außen zeigte. Er steckte nicht gern zurück, nicht vor so einem. Da war Jakobs Intuition schon immer ein guter Kompass gewesen - von Alensbach, von Tretogor, Jarel sowieso, alles Ritter, denen er den nötigen Respekt zollen und sich ergeben zeigen konnte. Andere wiederum lösten seinen Widerstand aus. In diese Liste gehörte von Tretogor zwar auch, aber anders als Rilmitz.
Er folgte Jarel zum Tor, dann blieb er noch einmal stehen, um Jarel in die Augen zu sehen. Forschend, etwas skeptisch vielleicht, sodass Jarel schmunzelnd brummte:
"Vertrau mir." Zwei Worte, die für Jakob weit mehr waren, als nur eine Floskel. Denn das sein Knappe so etwas wie Vertrauen überhaupt in Erwägung zog, geschweige denn fühlte, hatte den Ritter viel Zeit und Mühe gekostet. Entsprechend ging Jarel mit diesem Gut um und Jakob hatte gelernt seinem Rittervater tatsächlich zu vertrauen.
Er hob die Rechte zwischen ihnen bis auf Brusthöhe und sollte der Ältere sie ergreifen, würde er diesen in eine kurze Umarmung ziehen.
"Wir sehen uns morgen. Ich werde da sein." Zumindest so weit man ihn vor ließ. Und damit verließ er den Tempel und machte sich auf den Rückweg zum Ordenskloster.
Weiter im Kloster
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Freitag 11. Oktober 2024, 22:23
von Jarel Moore
Nur zu bereitwillig ließ Jarel sich in die Umarmung ziehen, setzte noch einen drauf und legte seine warme, klebrig verschwitze Stirn kurz an die seines Jungen.
Ihm war egal, ob ihnen jemand zusah, oder was die anderen dachten.
Vielleicht war dies das letzte Mal.
Eine Weile stand der gefallene Ritter noch am Tor und sah seinem Knappen nach. Sein Junge hatte sich enorm entwickelt. Er würde ein großartiger Ritter werden. Wenn sie ihn ließen.
Wenn sie ihn nur ließen…
Gedankenverloren schickte sich der Schattenläufer an den ‚Anweisungen‘ Jakobs folge zu leisten.
Waschen, Medikamente nehmen, ausruhen, zu Verstand kommen…
Re: Das Haus der Melitele - Hof und Wirtschaftsgebäude, Waisenhaus
Verfasst: Mittwoch 30. Oktober 2024, 15:10
von Jarel Moore
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Datum: 01. September 1278 – Vormittags
betrifft: Jakob und Jarel
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Zeitig vor der Mittagsmesse tauchte die Person am Tor des Meliteletempels auf, auf die Jakob voller hoffen und bangen gewartet hatte.
Jarel erschien, Gebadet, mit glatt gekämmten, zu einem strengen Kopf gebändigtem Haar, einem sauberem naturfarbenem Leinenhemd, das in seiner üblichen einer Spur zu engen schwarzen Lederhose steckte.
Im Gegensatz zu den üblichen kniehohen Lederstiefeln, die sich farblich nicht vom Beinkleid abhoben war er barfuß unterwegs.
Sein Blick wirkte wach und der wächserne Glanz seiner Haut vom Vortag war verschwunden. Seine Medikamente hatte er brav genommen, geschlafen, sich zu Recht gemacht und überpünktlich.
Sein Gesicht zeigte außer Wachsamkeit keine erkennbaren Gefühle und auch bewaffnet schien er nicht zu sein.
Genau so, wie es gewünscht war. Fast.
Jarels Knappe wartete am Tor, an der Hand die auf Hochglanz gestriegelte Mariposa, gesattelt und gezäumt. Am Sattel der Zweihänder und über dem Arm des Knappen ein dem Ritter bekannter Wappenrock samt Gürtel. Der Jüngere trug die gesamte Ausstattung eines Knappen des Ordens, in einer so peniblen Ordnung, wie Jarel sie selten an Jakob gesehen hatte.
Die hellen Augen wanderten forschend über Jarel und endeten bei den bloßen Füßen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Jakob wenig von der Aufmachung Jarels als Bittsteller hielt.
"Noch bist du ein RItter des Ordens, Jarel und du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen, was es rechtfertigt, wie ein Bettler vor den Rat zu treten." Auffordernd hob er den Arm mit dem Wappenrock.
Kurz zuckten jarels Mundwinkel.
Recht hatte er. Auch wenn er sich anders fühlte.
Langsam uns sorgsam kleidete er sich an, richtete alles und sagte dann mit einem fragenden Blick und einem leisen Schmunzeln auf den Lippen mit ebenso leiser Stimme zu Jakob.
"Schön dich zu sehen."
Es war viel mehr, was er sagen wollte.
'Danke, dass du da bist.'
'Danke, dass du mir bestehst.'
und noch viel mehr. Doch mehr als die vier Worte brachte er nicht hinaus. Vielleicht war auch nicht mehr als das nötig, denn Jakob kanne ihn besser als jeder andere. Sogar besser als...
Er bremste seine Gedanken und begrüßte Mariposa, die trotz der grauen Nüstern und leicht ergrauten Flanken prachtvoll aussah, wie sie so herausgeputzt vor ihm stand. Auch das Tier spürte die Unruhe seines Herrn und scharrte einmal mit dem Huf. Für sie schon eine erstaunliche Reaktion.
So wie Jakob all das Ungesagte durchaus verstand, war seinem Rittervater klar, dass die Schroffheit des Knappen nur dessen Anspannung widerspiegelte. Er hatte kaum schlafen können, hatte die halbe Nacht und fast den ganzen Vormittag beim Gebet verbracht, um irgendwie zu innerer Ruhe zu kommen. Trotzdem fühlte er sich wie eine aufgezogene Feder.
"Stiefel sind in der Satteltasche." Das zweite, eher ungeliebte, aber repräsentativere Paar. Ebenso poliert wie alles, was Jakob mitgebracht hatte. Denn wenn er nicht gebetet hatte, hatte er geputzt. Oder beides zusammen.
Als Jarel fertig war, hielt er sinnloser Weise den Steigbügel, ebenso den Zügel. Noch war es seine Aufgabe. Noch noch...
Kurz, ganz kurz nur legte sich Jarels Pranke auf Jakobs Schulter. Ein ebenso kurzes Nicken und der Ritter schwang sich kraftvoll und sogar ansatzweise elegant in den Sattel, hielt die Stute mit einem unsichtbaren Kommando davon ab gleich loszuschreiten und wartete, bis Jakob ebenfalls aufgestiegen war.
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