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Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Donnerstag 12. Oktober 2023, 10:00
von Jakob von Nagall
Diese feinen Spitzen waren es, die ihn immer so herzhaft ins Fleisch piekten, dass er dem Russen einfach gern das Grinsen aus dem Gesicht prügeln wollte. Und der wusste genau, dass dem so war - was es nicht besser machte. Die Aggression, die das in seinem früheren Leben ausgelöst hatte, fand allerdings inzwischen einen Damm, den es seit nicht allzu langer Zeit gab. Sie schwappte dagegen und kehrte dorthin zurück, wo sie entstanden war. Den Damm hatte er mit Hilfe von Menschen errichtet, die es ihm wert waren, an einem solchen zu arbeiten. Die ihm Wege eröffnet hatten, die Wut anderweitig aufzulösen. Meistens gelang es ihm, vor allem wenn einer dieser Menschen so wie jetzt körperlich anwesend war. Ganz automatisch drehte der Knappe seinem Ritter das Gesicht zu, zeigte der Provokation damit buchstäblich die Schulter und fokussierte sich lieber auf Jarel. Wodurch er auch bemerkte, dass diesen langsam die Kraft verließ und er außerdem durch sein Körpergewicht verhinderte, dass der Ritter seine Decke weiter nach oben zupfen konnte. Sofort glitt er vom Bett, kam auf die Füße und half Jarel die Decke bis an den Hals zu ziehen. Das Widderfell, dass den Schattenläufer überall hin begleitete, zog er ebenfalls wieder zurecht.
Dann blieb er stehen, wandte sich Slava wieder halb zu. "Ich bin die Summe meiner Taten und ich trage alle Konsequenzen. 'Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei gut oder böse.' Prediger zwölf Vers Vierzehn.", sprach er fest. Und wo er gerade bei Bibelzitaten war: "Und der HERR spricht: 'Die Nacht ist vergangen, der Tag aber wird herbeikommen: so lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes.' Römer dreizehn Vers zwölf. Soll heißen: in diesem Punkt bin ich deiner Meinung. Niemand sollte seines Glaubens, seiner Geburt oder Gesinnung wegen um sein Leben fürchten müssen. Aber du weißt selber wie lange so ein Prozess dauert. Selbst unsere ach so aufgeklärte Zeit ist nicht frei von diesem Scheiß." Er atmete durch, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Jarel wieder an. Er sollte also wirklich ein Treffen zwischen Slava und Lothar organisieren... als Jarel die Bitte seinerseits noch einmal wiederholte, durfte Slava Zeuge der Verwandlung vom aufmüpfigen jungen Bock zum devoten Knappen werden. Jakob senkte das Kinn einen Deut weit und ließ die Arme wieder auseinander gleiten, um die Hände im Rücken zusammenzulegen. Ganz klar war es nicht Slavas Bitte, sondern Jarels Weisung, der hier Folge geleistet werden würde. Das Resultat war das Gleiche, aber die Implikation ein anderes Spiel. Jakob wartete einen Moment bis Jarel sicher ausgesprochen hatte, bevor er wieder die Stimme erhob.
"Willst du zuerst mit dem Großmeister sprechen? Und wie soll ich Slava vorstellen beziehungsweise den Grund für das Treffen erklären? Ich weiß nicht, was von Herrenloh ihm alles schon aufgetischt hat. Jedenfalls scheint Lothar bisher noch vor dir zu stehen, also kann es entweder nicht so wüst gewesen sein oder er hat mehr Charakter als unser Herr Großkomtur.", richtete er das Wort nun ganz und gar an Jarel, als sei Slava nicht mehr im Raum. Wenzel war für Jakob einfach noch nicht vom Brett und eine zu schwer einzuschätzende Figur. Was er bisher aus den vielen Gesprächen und Gerüchten herausgehört hatte war, dass die Machtverteilung im Orden deutlichen Gezeiten unterlag und gerade schwappte die Flut nach Nowigrad. Die Dinge waren in Bewegung.
Und dann die Erzpriesterin. Er schmunzelte halbherzig. "Ist das ein Rauswurf?", aber es klang gutmütig. "Recht hast du. Du brauchst Ruhe und wir helfen da gerade nicht wirklich mit dem Gezänk."
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Samstag 14. Oktober 2023, 10:02
von Vyacheslav Sokolov
Slava nickte. Zu Jarel vor allem. Er war nicht Bibelfest und wollte zumindest nicht offensichtlich spotten auch wenn die Verse genug Angriffsfläche boten.
Ans Protokoll halten.
"Ich gebe mir Mühe."
Das würde er wirklich.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Samstag 14. Oktober 2023, 17:45
von Jarel Moore
Aufmerksam war Jakob, fürsorglich und für all die kleinen Angriffe unempfänglich. Er machte sich, und dass nicht erst seitdem er Vater wurde.
Mit einem leisen Lächeln beobachtete der Ritter seinen Knappen und versuchte seinen Worten zu folgen. Viel Konzentration brachte Jarel allerdings nicht mehr auf. Dabei gefiel es ihm, wenn sein Knappe Zitate aus seinem Glaubensbuch vorbrachte. Meist lies die Wahl der Zitate mehr über den Lehrer erfahren als über den Belehrten. Dennoch fiel es ihm schwer. Er musste sich schon zusammenreißen um die gestellten Fragen halbwegs grade zu beantworten.
„Bitte von Tretogor, mich zuerst aufzusuchen.", erklärte Jarel heiser. „Und wenn du mit ihm sprichst, sei ehrlich. Er wirkt zwar nicht so, aber er hat feine Antennen für jegliche Art Flunkereien. Stell Slava als Mann der Krone vor.“
Jarel seufzte und schlug den Blick nieder. „Ich habe keine Ahnung, was von Herrenloh berichtet hat und ebenso wenig wie Lothar jetzt zu mir steht. Ich war lange Jahre seine Leibwache und…nun…wir haben uns ähnlich gut verstanden wie mit …“ Der Ritter schloss einen Moment den Mund um sich zu sammeln. „Wir haben uns recht gut verstanden.“ Damit war das Thema für ihn erledigt. Es gab mehr zu sagen, viel mehr. Doch dazu war er schlicht nicht bereit. Lange noch nicht.
Auch auf die Sache mit dem Rauswurf antwortete Jarel nur mit einem schiefen Lächeln. Zuzugeben, dass er die Erzpriesterin sehen wollte, weil es ihm schlechter ging, kam auch nicht in Frage.
Verstohlen sah Jarel zu Slava, der noch immer so -in Jarels Augen – niedergeschlagen am Boden hockte. Hoffentlich ging er nicht auch, denn das Bedürfnis des angeschlagenen Ritters mit seinen Verlobten zu reden brannte ihm unter den Nägeln.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Samstag 14. Oktober 2023, 21:59
von Jakob von Nagall
Damit war das wohl vorerst vorbei. Ausgestanden, auch wenn da noch genug unausgesprochene Dinge waren - in einem Punkt schienen Slava und er sich einig: Jarel brauchte Ruhe. Zumindest deutete der Knappe das in das Schweigen und die wenigen Worte des Mannes am Boden hinein. Jakob konnte fast spüren, dass Slava eine weitere Spitze auf der Zunge lag, aber er schluckte sie, Jarel zuliebe. Vielleicht konnten sie auf dieser Ebene ein Miteinander finden, obwohl er das persönlich auf die Dauer wohl nicht durchhalten konnte. Das war wie Weihnachten in Dauerschleife - für den Moment haben wir uns alle lieb, weil Weihnachten ist. Nein, diese 'Aussprache' würde noch ein paar Iterationen in Anspruch nehmen, aber nicht mehr hier und jetzt. Er nickte auf Jarels Worte hin, wandte dann doch noch einmal Slava das Gesicht zu. Er war weder taub noch blind - leider auch nicht für Subtexte. In diesem Raum war er selbst noch der Gesündeste und auch wenn der Spion den harten Mann merkierte, ihn mit Argumenten malträtierte und an seiner Moral herumzerrte wie ein Terrier am Hosenbein, so konnte Jakob trotzdem die Müdigkeit sehen, die einfach mit der Haltung am Boden und der blanken Geste einher ging. Sich dorthin gesetzt zu haben. Sitzen zu wollen, egal wo, nicht mehr stehen zu müssen. Sicher konnte der junge Mann sich nicht in den Körper eines der beiden Älteren hinein versetzen - dazu fehlte ihm tatsächlich die Fantasie und einfach auch die Lebenserfahrung, aber er hatte seine Parallelmodelle und die paar Fakten aus Slavas Monologen.
Im Grunde war es auch egal, ob er die zwei Spiegelneuronen zusammen kratzte, die er besaß oder einfach eine Geste dalassen wollte, die Jarel beruhigte und wenn es nur um des schönen Scheins Willen war. Vielleicht sogar etwas mehr - Bereitschaft zu mehr Mit- und weniger Gegeneinander. Wobei er noch nicht ganz sicher war, ob das eine gute Idee war, denn egal was auch immer ihn trieb - er traute Slava weiterhin nur so weit, wie er ihn sehen konnte. Dennoch gab sich der Knappe einen Ruck, löste seine starre Haltung auf und trat mit einem leichten Durchatmen an Slava heran, um dem Älteren die Hand zum Aufstehen zu reichen. Jakob hatte die Kraft in der linken Hand und auch Slava war Linkshänder, das wusste er irgendwie noch und darum gelang das Manöver soagr recht reibungslos, sobald der andere Mann sich entschieden hatte, die Geste anzunehmen.
"Ich sehe zu, dass ich Lothar heute Abend aufschlaue. Er wollte morgen Nachmittag sowieso kommen, also sollte sich das im Terminplan unterbringen lassen. Ich kündige dich also an und sage ihm, du möchtest die Gelegenheit deines Aufenthalts hier bestmöglich für diplomatische Gespräche nutzen. Wieso du ausgerechnet hier im Tempel bist, darfst du dir selber ausdenken." Jakob lächelte schmal, ohne das es bis zu seinen Augen durch kam.
"Ich bin nur ein unbedeutender Knappe und weiß nichts von den Beweggründen der Mächtigen." Dann wandte er sich Jarel wieder zu.
"Bis später. Ich sehe, ob ich Mutter Varelia finde." So blöd, nicht zu begreifen, wieso Jarel nach ihr fragte, war Jakob dann auch wieder nicht. Aber er ließ es so stehen und würde Schwester Philippa schicken, wenn er die Erzprieterin nicht auftreiben konnte. Hauptsache eine der heilkundigen Schwestern.
Er schlug der Zeichen der Flamme in Richtung Jarel und war im nächsten Moment zur Tür hinaus.
weiter im Kräutergarten
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 17. Oktober 2023, 08:07
von Vyacheslav Sokolov
Wie er seinen Besuch rechtfertigte würde er sich noch überlegen. Hier wäre er sicher nicht um eine Erklärung verlegen, daran zweifelte er selbst keinen Moment.
Hätte Jakob es nicht angeboten, vermutlich hätte er darum bitten müssen, aber letztlich half ihm der jüngere auf die Beine und Slava stand wieder.
Mit seiner Gesundheit stand es echt nicht zum besten. Und er konnte nicht einmal genau sagen , was es war. Der Rücken, der Kreislauf, jeder Muskel und jedes Gelenk.
Nur den Grund kannte er gut. Jahrelanger Raubbau und das vollständige ignorieren jeglichen ärztlichen Rates. Er hätte bestens als schlechtes Beispiel dienen können.
Was er zu Jarel sagen wollte wusste er nicht so recht, er wusste nur ebenso wie Jakob, das der Mann Ruhe brauchte und er hatte eben nach der Erzpriestern verlangt.
Die kam zwar nicht, aber Jakob hatte wohl sehr schnell Ersatz aufgetrieben.
Slava kam eben noch dazu, seinen Gehrock zu sortieren, da rauschte auch schon die resolute Frau, die ihm als Philippa vorgestellt worden war ins Zimmer.
"Ich weiß nicht an wen es besser adressiert ist, aber vielleicht könntet ihr der Erzpriesterin mitteilen, das ich mir ein Zimmer in der Stadt nehme, ich will euren Platz nicht über Gebühr beanspruchen. Richtet ihr meinen Dank aus."
Jarel schenkte er noch ein Lächeln, dann ging er.
Er bräuchte dringend ein Bad und wenigstens leichte Schmerzmittel.
<geht dann irgendwo in der Stadt weiter>
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 17. Oktober 2023, 09:59
von Jarel Moore
Mit schlecht verborgener Enttäuschung sah Jarel Slava nach. Er hatte mit ihm reden wollen.
Es ging dem Spion nicht gut, das war deutlich zu merken.
Hätte Slava gewartet, er hätte ihn – natürlich nicht ohne Eigennutzt – darum gebeten im Tempel zu bleiben, sich in die heilenden Hände der Schwestern zu begeben, sich helfen zu lassen.
Der Russe brauchte Ruhe, Erholung und die Möglichkeit zurück zu sich zu finden, sonst war der Rückfall in seine Sucht vorprogrammiert, oder noch schlimmer: Der nächste Infarkt.
Jarel schluckte schwer, als die Tür hinter seinem gehenden Verlobten zufiel. Er selber war an diesem Umstand nicht unschuldig. Er musste schnellstmöglich auf die Beine kommen. Schnellstmöglich.
Nur heute…würde das nichts werden, denn es wurde gerade nicht besser, eher schlimmer.
„Schwester Philippa…tut mir leid euch belästigen zu müssen.“ Er räusperte sich und atmete flach durch. „Das Atmen fällt mir schwer. Es sticht…recht unangenehm.“
Mit einem entschuldigenden Lächeln sah er zur Schwester.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 17. Oktober 2023, 21:25
von ERZÄHLER
Der Knappe hatte Schwester Philippa aktiviert und diese kannte den Zustand des Ritters, um den es diesem ging, gut genug, um ihre Arbeit liegen zu lassen und sofort nach dem Rechten zu sehen. Immerhin die Hände wusch sie sich noch - erst mit abgekochtem Wasser, dann mit einer Mischung aus Kräuterauszügen in Alkohol. Während sie sich die Hände an der Schürze abtrocknete, die Flecken von diversen Pflanzensäften aufwies, ging sie zurück ins Haupthaus und trat nach kurzem Klopfen in das Zimmer ein. Sie fand den Freiherrn vor, dessen Position zum Ritter sie noch nicht so richtig deuten konnte. Aber sie nickte freundlich, auch wenn ihr die Anwesenheit der regierenden Kaste immer etwas unangenehm war. Man wusste ja nie, wie man sich denen gegenüber verhalten musste. Immerzu waren sie beleidigt - zumindest die Leute der Statthalterin. Der Freiherr wirkte allerdings wie ein freundlicher Mensch und höflich war er obendrein, als er sie informierte, außerhalb Quartier zu beziehen. Schwester Philippa hatte sogar kur den Impuls zu knicksen, erinnerte sich aber rechtzeitig daran, dass sie hier eine Tempeldienerin war und nicht irgendwer auf der Straße. Diese Zeiten waren lange vorbei. Sie nickte also nur und sagte: "Is scho recht. Ich werd' es Mutter Varelia sag'n.", dann widmete sie sich dem Patienten.
Der Freiherr ging und der Blick, der ihm seitens des Ritters folgte, klärte für die Schwester die ein oder andere Frage. Auf die Worte hin winkte sie nur ab. "Iewo, dazu sa'ma da. Wo zwackt's denn?", wollte sie freundlich wissen und war schon dabei, Decke, Hemd und Verband vom malträtierten Körper des Ritters zu schälen. Die Brust des Mannes wies eine ganze Palette von Farbtönen auf. Zimperlich war man nicht mit ihm umgegangen - nicht in diesem Keller und auch nicht nach seinem Kollaps. Philippas Hände fuhren warm über die ihr gewiesene Stelle, fühlten mit sanftem Druck, tasteten. Sicher nicht angenehm, aber sie gab sich Mühe, ihren Patienten nicht allzu sehr zu quälen. Auf ihrer Stirn bildete sich eine steile Falte während sie sich einer Stelle ganz besonders investigativ widmete. "Mal so tief einatmen, wie's gaht. Zwackt's da?"
Letzten Endes würde sie aber wohl auf die Erzpriesterin warten, bevor sie ihren Verdacht formulierte.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 17. Oktober 2023, 22:05
von Jarel Moore
Ihm war selber nicht aufgefallen, wie er dem Freiherrn nachgesehen hatte und hatte auch nicht bemerkt, dass der resoluten Schwester gleich ein ganzer Kronleuchter aufging. Er hatte andere Sorgen. Und die Priesterin schien genau zu wissen, wo. Zumindest ihre Finger wussten es.
Tief einatmen kam nicht in Frage. Zumindest nicht wie die Schwester es erwartete.
„Es…ah…ja…genau da.“, jappste der Ritter und bemühte sich nicht auszusehen wie das Leiden…wie hieß der Gottessohn noch, von dem Jakob immerer zählte?
Das Leiden Tristan… Oder so…
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Samstag 21. Oktober 2023, 15:24
von ERZÄHLER
Schwester Philippas Augen fuhren kurz über das Gesicht des Ritters. In zehn Jahren als Heilerin in Wyzima und darüber hinaus mit Erfahrung in Feldlazaretten, konnte sie inzwischen sehr gut unterscheiden, wann sich jemand anstellte und wann jemand wirklich Schmerzen hatte. Und der Patient hatte Schmerzen über die gerichteten Rippen hinaus. Mit einem milden Lächeln ließ sie die Hand auf der schmerzhaften Stelle ruhen und den Ritter zu Atem kommen.
"Was so'ma sag'n. Is' a bissl was zu Bruch gange. Aber des krieg'n miar schon hin. Soll iech Euch was geg'n die Schmerzen richten? Wos leichts. Und dann is' sicher auch glei die Mutter Varelia do." Als wenn das Mut machen würde. In etwas so viel, als würde sie sagen: der Feldscher hat gleich nach der Amputation da hinten Zeit für dich. Philippa strahlte dabei Zuversicht aus, musste in Wahrheit aber einfach Rücksprache halten.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Samstag 21. Oktober 2023, 18:52
von Jarel Moore
So aufmerksam wie es ihm möglich war folgte Jarel den Ausführungen der Schwester, klebte regelrecht an ihren Lippen, was allerdings nicht zuletzt daran lag, der er dem schweren südlichen Akzent kaum zu folgen in der Lage war.
Schwester Philippa war freundlich. Eine gute Dienerin der Göttin. Mutter Varelia konnte wirklich stolz sein.
Schmerzmittel. Nur zu gern wollte Jarel ‚ja‘ dazu sagen. Nur leider wusste er zu gut, dass das schlimme Folgen haben könnte.
Er rang sich ein Lächeln ab. „Ich hätte gerne etwas gegen etwas gegen sie Schmerzen, wir müssen aber acht darauf geben, dass ich es auch…vertrage,“, orakelte der Ritter.
„Besser, wir sprechen das mit Mutter Varelia ab.“
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Montag 30. Oktober 2023, 08:21
von Erzpriesterin Varelia
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von:
Waisenhaus --> Quartiere
Datum: 29. August 1278
betrifft: Jarel
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Varelia hatte gelächelt und erwiderte:
"Zeigt Respekt den hier lebenden und ihren Ressourcen gegenüber, damit ist eigentlich alles nötige getan." Damit war sie zunächst in ihre privaten Räumlichkeiten verschwunden, nur um kurz darauf wieder durch die Bibliothek und nach draußen zu eilen. Und auf diesem Weg hatte Jakob sie dann gefunden und zu Jarel gebeten. Varelia sagte ihm zu, sich zu kümmern und ging dann zunächst dem nach, was sie eigentlich umgetrieben hatte.
Als sie an die Tür des Krankenzimmers klopfte und dann ohne langes Zögern öffnete, fand sie Philippa vor, die am Bett des Patienten saß und erleichtert wirkte, als sie sie sah.
"Oh, do seids ja, ehrwürd'ge Mutter. Unser Potient klogt..." Varelia unterbrach Philippa mit einem Seufzer.
"Schwester, bitte." Auch die Erzpriesterin hatte ihre Schwierigkeiten mit dem Dialekt aus dem südlichen Brugge. Philippa räusperte sich.
"Ich denk', da is' noch oi... eine Rippe ä we... ein wenig aus der Richtung. Er klogt über Schmerzen beim Atmen." Sie verzog die Lippen ein wenig trotzig.
"'S zwoackt, sogt'r."
Varelia setzte sich zu Jarel auf die Bettkante und musterte kurz seine zerschlagenen Züge, bevor sie selbst die vom Verband befreiten Rippen abtastete. Nicht ganz so einfühlsam wie Philippa, aber dafür zielstrebig.
"Die Methodik von Doktor Kostjunari rettet Leben, zweifellos, aber die Kollateralschäden sind der Preis den man zahlt. Die gebrochenen Rippen habt Ihr nicht von jenen, die Euer Gesicht verziert haben.", sprach sie dabei eher der Ablenkung wegen und runzelte konzentriert sie Stirn, als sie eine besonders interessante Stelle mit bohrenden Fingern erkundete und ihr Patient dadurch wohl eher mit sich beschäftigt war, als mit ihren Ausführungen.
Als sie ihre Untersuchung beendet hatte, schenkte sie Jarel ein mütterliches Lächeln.
"Wir beobachten das. Oft löst der Körper das Problem von selbst. Ich lasse dir etwas gegen die Schmerzen richten. Ganz nach deinen Bedürfnissen, nur keine Sorge."
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Montag 30. Oktober 2023, 08:53
von Jarel Moore
Die gebrochene Rippe also. Nicht, dass ihm dies nicht schon einmal…zweimal…und mehr passiert wäre. In einer anderen Welt. In einer, in der man solche Probleme mit Magie löste. Ein kurzes Fingergefuchtle, ein wahlweise güldenes oder grünes Leuchten – je nachdem welcher Professur der Heiler nachging – und das Problem war aus der Welt. Zerschlagene Knochen, beschädigte Organe…Fingerfuchteln, und alles war wieder heil.
Der angeschlagene Ritter tat einen weiteren flachen Atemzug, der gleich wieder mit einem gepressten Zischlaut seinen Lippen entfloh, als die ehrwürdige Mutter genau diese Stelle fand die…verflixt noch eines.
“Hrmpf.“, war der einzige Kommentar dazu, während er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Die Aussicht auf ein Schmerzmittel – und damit auch auf Schlaf – verbesserte seine düstere Stimmung jedoch enorm und er schaffte es sogar, die Damen anzulächeln.
„Vielen Dank.“, brummelte er und nickte erst Schwester Phillippa, dann Mutter Varelia dankbar zu.
„Eine Bitte hätte ich noch.", fügte er kleinlaut an. "Ich fürchte, Lothar von Tretogor wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Könntet ihr mir eine Schwester schicken, die mich weckt? Schlafend soll er mich auf keinen Fall antreffen.“
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Montag 30. Oktober 2023, 20:17
von Erzpriesterin Varelia
Varelia setzte sich ein wenig auf und betrachtete Jarel, nachdem sie Philippa mit den Anweisungen für einen leichten Trank gegen den Schmerz fort geschickt hatte. Einmal mehr fragte sie sich, wie es sein konnte, dass dieser stets besonnene und stolze Mann innerlich so von Selbstzweifeln zerfressen war. So vollumfänglich, dass alles, was ihm in dieser Welt wichtig geworden war, nicht mehr ausreichte, sich darauf zu stützen. Zu seinen Worten, wippte sie mit dem Kopf und den schmal zusammen gepressten Lippen war deutlich anzusehen, was sie grundsätzlich davon hielt, wenn Lothar hier herum schlich.
"Mir wäre es lieber, der Großmeister ließe dir deinen Frieden, bis du weit genug genesen bist, um ihn in seinem Kloster aufzusuchen. Aber wer bin ich, eure Pläne zu beschneiden. Also ja, wenn es sich einrichten lässt, lasse ich ihn nur vor, wenn du wach bist."
Sie erhob sich mit einem leisen Seufzen, griff nach den Bandagen, die Philippa bereit gelegt hatte und sagte: "Dann packen wir dich mal wieder ein. Denkst du, du kannst sitzen?"
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Montag 30. Oktober 2023, 22:06
von Jarel Moore
Der Blick, mit dem Varelia ihm maß, verunsicherte ihn noch eine Spur mehr als ohnehin schon.
Recht hatte sie. Es wäre wesentlich angenehmer, wenn er genesen und auf den eigenen Beinen dem Großmeister unter die Augen treten konnte. Und doch wünschte Jarel, es hinter sich zu bringen.
Wie stand seine ehemalige Schutzperson heute zu ihm? Es bestand immer noch die Möglichkeit, für seinen Verrat auf dem Feuer zu landen.
Hätte er weglaufen sollen? Nein. Er war vieles, aber kein Feigling.
Er würde sich stellen. Dann hatte er es hinter sich und würde entweder erleichtert sein, oder vom Spielbrett entfernt.
Die Frage, ob er sich hinsetzen könnte, rissen ihn aus dem Gedankengang.
Er nickte und atmete noch einmal durch, bevor er etwas nach hinten rutschte, sich aufrecht hinsetze und die Arme hob. Ja….das zwickte…
„So?“, brummte er leise und rang sich ein schiefes Lächeln ab.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 31. Oktober 2023, 08:57
von Erzpriesterin Varelia
Varelia maß ihn noch einmal mit genau diesem Blick und hob dann die Brauen leicht. Während sie begann, seine Rippen wieder in einen stützenden Verband zu wickeln, sagte sie: "Ich wünsche dir, dass du irgendwann einen Weg findest, deine Sturheit für und nicht gegen dich zu verwenden.", doch ihre Stimme war Milde und machte aus den Worten tatsächlich eher einen Wunsch als eine Rüge. Die Erzpriesterin befestigte das Ende des Verbandes so, dass es beim Liegen nicht störte und half Jarel, sich wieder bequemer hinzulegen. Sie strich ihm über das dunkle Haar. Was würde nur werden, wenn Lothar sein Urteil sprach? Und was würde sie tun? Noch war Jarel auf ihrem Grund und Boden, genoss den Schutz des Tempels. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, wenn der Großmeister her kam. "Melitele steht dir in allen Stunden bei, den dunklen wie den hellen. Sie sieht in unser Herz. Zu ihr können wir kommen, wie wir sind und sie wird uns lieben wie wir sind. Vergiss das nie." Dann klopfte es und Philippa kehrte mit einem Becher zurück.
Die Schwester reichte Jarel den Trank, einen stark ätherisch riechenden Tee, und sah dann Varelia an. "Ehrwürd'ge Mutter, dr Freiherr hots vorzogn in einer Taverne zu übernachten. Ich soll Eich Griaß bstell'n."
Varelia nickte. "Gut. Hat er gesagt, welche?"
"Nein, hatter ned."
Wieder ein Nicken und sie entließ Philippa mit einer Geste. Alle weiteren Anweisungen würde sie nicht vor dem Patienten erteilen. Unter anderem dass jemand nach ihm sehen sollte, auch nachts. Ihr Blick kehrte zu Jarel zurück. "Wann hast du das letzte Mal diese Medikamente genommen, die Jakob dir gebracht hatte?" Zur Nachtruhe wären sie sicher richtig eingesetzt.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Dienstag 31. Oktober 2023, 11:58
von Jarel Moore
Mit zusammengepressten Lippen folgte Jarel den Ausführungen der Erzpriesterin, folgte ihr mit den Augen, rührte sich sonst nicht.
Sein Sturkopf. Ja….sie hatte Recht, doch einen solch tief ausgetretenen Pfad zu verlassen würde schwer, wenn nicht unmöglich. Aber wenn er Slava nicht verlieren wollte, musste er sich wohl oder übel ändern. Zumindest ging der Schattenläufer davon aus.
Weiter darüber nachzudenken kam er jedoch nicht. Die einfache Geste, mit der die Mutter ihm übers Haar strich löschte sanft die zweifelnden Gedanken und die salbenden Worte schoben sie noch weiter fort.
‚…Melitele steht dir in allen Stunden bei…‘ Diese Worte würden Jakob gefallen.
‚...sie wird uns lieben wie wir sind…‘ Daran zweifelte der gefallene Ritter keine Sekunde und an dem warmen Gefühl, welches dieser Gedanke hervorrief, würde er sich die nächsten Stunden festhalten.
Mit einem leisen und gedankenverlorenen Lächeln nahm er den Becher entgegen und leerte ihn in einem Zug. Das Zeug war bitter und erinnerte an einen Kräuterbrand, den er in seinem letzten Leben häufig zugesprochen hatte. Er verzog nicht einmal eine Miene, schmeckte den Kräutern nach und versuchte sich zu erinnern, wie das Zeug damals gehießen hatte, als Mutter Varelia ihn nach dem Zeitpunkt fragte, an dem er zusetzt seine Medikamente eingenommen hatte.
„Ich glaube…vor dem Anfall.“, erwiderte er nach einer kurzen Denkpause. Das seltsame Gefühl in einer Zeitschleife steckengeblieben zu sein beschlich ihn für einen Moment.
Es fiel ihm schwer, die letzten Stunden und Tage in seinem Kopf zu ordnen. Es fühlte sich eher an, als wäre er schon Wochen hier und nicht…nun… wie lange eigentlich?
„Ja…vor dem Anfall.“ Er nickte sich selbst zu, konnte seine Unsicherheit jedoch nicht verbergen.
Er brauchte Schlaf. Das stand fest und so schwer, wie ihm gerade die Glieder wurden, würde eben dieser nicht lange auf sich warten lassen.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Sonntag 5. November 2023, 13:11
von Erzpriesterin Varelia
Varelia nickte leicht und wandte sich an Philippa:
"Die Phiole steht wohl noch in der Kammer der Jungfrau. Sei so gut und sieh danach." Die andere Schwester nickte und eilte wieder davon, während Varelia bei Jarel sitzen blieb.
"Ich war die ganze Zeit bei dir, vor dem Anfall, und kann mich nicht erinnern, dass du es genommen hättest. Nimm es jetzt und dann schlaf. Dein Körper braucht die Ruhe.", sagte sie sanft aber bestimmt.
Es dauerte eine Weile, bis Philippa zurück kam und in der Zeit erzählte Varelia Jarel von den Begebenheiten im Tempel seit seinem letzten Besuch, um ihn wach zu halten. Von der Stimme seiner Tochter und wie reizend sie Lieder sang, die kein Mensch hier verstand. Von der Ernte und auch von den Schwierigkeiten mit der neuen Statthalterin. Bis Philippa endlich wieder auftauchte und Jarel das Fläschchen reichte.
"Und nun schlaf. Melitele behütet dich." Eine segnende Geste folgte. Varelia würde sitzen bleiben, bis Jarel fort gedriftet war und dann eine
Taube nach Nowigrad schicken.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Montag 6. November 2023, 10:24
von Jarel Moore
Gehorsam riss der angeschlagene Ritter sich zusammen und blieb wach, versuchte den Ausführungen der Erzpriesterin zu folgen und seine Gedanken nicht abdriften zu lassen, doch das wurde von Satz zu Satz schwieriger.
Besonders, als Varelia von den Gesangskünsten seiner Ziehtochter berichtete, stahlen seine Gedanken sich davon wie ein Kater, der in der Küche die Wurst vom Brett gemopst hatte.
Er ahnte, um welche Lieder es sich handelte und schwelgte in der Erinnerung, wie er es nicht nur Violetta, sondern seinen anderen Kindern - Alystin und Clay – vorsang.
Wie er am geschnitzten Bett in Form eines Segelschiffs saß und den beiden Kleinen eben jenes Schlaflied vortrug, welches es immer wieder schaffte, die beiden quirligen Geister zu beruhigen und in Yseras Arme zu betten.
Der Stich, den ihm diese Erinnerung ins Herz trieb war ebenso spürbar wie der der gebrochenen Rippen. Er vermisste die beiden, nach all den Jahren kaum weniger als zu dem Zeitpunkt, an dem er aus seiner Welt gerissen und hierher katapultiert worden war.
Und er vermisste seinen damaligen Gefährten. Auch wenn er seit Tagen nicht an ihn gedacht und seine Gefühle nun anders lagen.
Sein Herz gehörte nun einem anderen Mann. Was nicht hieße, er würde Ilarion nicht gern wiedersehen. Zu erfahren, wie es ihm ging. Wie es den anderen ging. Allen, die er zurückgelassen hatte.
Dankbar, aus seinen Gedanken gerissen zu werden nahm er die Phiole und würgte das lebensrettende Medikament herunter.
Und dann durfte er schlafen. Endlich. Seine Glieder waren schwer, sein Gemüt verdüsterte sich zusehends und noch ehe Varelia den Raum verlassen hatte, driftete er fort schlief augenblicklich ein.
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Sonntag 12. November 2023, 15:48
von Vyacheslav Sokolov
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von hier:
Varelias Büro
nach hier: JArels Quartier
Datum: 29. August 1278 Abend
betrifft: Jarel
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Er klopfte nur leise an und trat unmittelbar ein. Selbst wenn Jarel nackt sein sollte würde ihn das nicht abhalten. Vielleicht sogar im Gegenteil. Und sonst... gab es verfänglich Situationen in denen er besser wartete? Egal was man sich ausdachte, es gab für ihn keinen Grund zu warten.
"Wie geht's dir?"
Re: Das Haus der Melitele - Quartiere
Verfasst: Sonntag 12. November 2023, 17:13
von Jarel Moore
Antwort bekam Slava auf seine Frage nicht, denn der Befragte bekam von der Frage nichts mit.
Ungewöhnlich wenn man bedachte, wie leicht der Schlaf des Schattenläufers sonst war...
Den Freiherrn empfing etwas Friedliches, Reines als er das Zimmer betrat.
Vom stetig emsigen Treiben des Tempels war hier kaum etwa zu hören, die Schlichtheit des Raumes wirkte beruhigend auf den Geist. Auch wenn diese mittelalterliche Welt wesentlich bunter war, als die Filme seiner Welt ihn glauben lassen wollten, waren die Farben in dem dämmrigen Licht dieses Raumes eher als monochrom zu bezeichnen.
Die Wände, die Laken und Decken, das Hemd in das sie den Retter gesteckt hatten waren von gebleichtem Leinen weiß, das schwarze Fell unter dem ausgetreckten Leib seines Verlobten ebenso ein Kontrast wie das lange lackschwarze Haar über die bandagierte linke Schulter gelegt.
Trotzdem man das Fenster kaum als mehr bezeichnen konnte als eine Schießscharte, war die Luft im Krankenzimmer nicht stickig. Wer auch immer den Tempel erbaut hatte, kannte die Funktion. Der hintergründige saure Geruch der Krankheit wurde zudem überdeckt von dem der scharfen Kräutermischung des Medikamentes, dessen nur noch zu einem Drittel gefüllte Phiole neben dem Bett auf dem Boden stand.
Jarel schlief, selig und süß. Und er träumte ganz offensichtlich etwas. Etwas angenehmes, denn neben den Bewegungen unter dem Augenlied des nicht zugeschwollenem Auges huschte immer wieder ein sanftes Lächeln über die aufgesprungenen Lippen.