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Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Sonntag 4. Dezember 2022, 21:46
von Jarel Moore
„Stets zu Diensten.“ Andere hätten das vielleicht für Frotzelei gehalten, aber Wenzel wusste, sein Klingenmeister meinte das Ernst. Im Fall der Fälle sogar todernst.
Natürlich war der Schattenläufer gefolgt, ganz wie es sich gehörte etwas zurück und mit leicht gesenktem Haupt.
Nicht nur um seine Ergebenheit zu demonstrieren, auch um – und vor allen Dingen deswegen – um zu verbergen, dass er schnaufte wie eine Dampflock.
Von Herrenloh bemerkte es trotzdem. Er kannte ihn einfach zu gut. Schwer ließ Jarel sich auf die Sitzgelegenheit fallen. „Harte Nacht.“, brummte er. So viel zur Vermutung, die Ursache der gesundheitlichen Probleme könnte aus Wyzima stammen.
Durchamtend lehnte er sich zurück und legte die Arme auf der Rückenlehne ab. Dieses Büro war ein sicherer Bereich für Jarel. Er war unter Freunden. Nunja. Eher einem Freund. Einem der mehr von ihm wusste als der Rest des Ordens. Hoffentlich. Und dem er doch nicht alles erzählen durfte.
Er wartete nicht ab, bis der Großkomtur das Wort erhob. Keine Höflichkeiten, kein Geplänkel, er kam direkt zur Sache.
„Der Großmarschall…es ging um Hemmelfart. Was gibt es Neues?“, fragte er frei raus und sein Blick huschte auf der Suche nach etwas seinen Durst zu löschen durch den Raum.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Montag 5. Dezember 2022, 21:27
von ERZÄHLER
Wenzel blieb kurz neben Jarel stehen und blickte mit jener Miene auf ihn, die fast schon zwingend eine gehobene Augenbraue erfordert hätte, diese aber niemals auch nur zuckte. Trotzdem hatte man das Gefühl mit genau dieser Braue konfrontiert zu sein. Der Komtur setzte gerade zu einer Erwiderung an, da klopfte es. Anstatt ein Herein zu erbitten, marschierte der Herr über diese Räume selbst zur Tür, öffnete, nahm einen Korb entgegen und schickte den Laienbruder aus der Küche wieder fort.
Ein wenig Zeit, zu überlegen und die richtige Formulierung zu finden. Wenzel machte sich nichts vor - wenn man ihn ausspionieren wollte, dann war es gerade hier besonders leicht. Zumal es in den Räumen des Großkomturs Gänge und Treppen gab, die verborgen in den Wänden nach draußen, in die Kerker und auch in die privaten Gemächer führten. Die Komturei hatte eine bewegte Vergangenheit. Es gab sogar einen verborgenen Erker, um bewusst einen Mithörer zu verbergen. Wenzel widerstand dem Drang, einen Blick zu dem Wandteppich zu werfen, hinter dem der gerade mal mannsgroße Hohlraum versteckt lag.
Statt dessen stellte er den Korb auf den Tisch bei Jarel, ging dann zu einem der Schränke aus fast schwarzem Holz und holte Becher sowie einen Krug Wasser. Dabei fragte er im Plauderton: "Privatvergnügen oder sollte ich etwas wissen?", und überging damit zunächst die an ihn gerichtete Frage den Hemmelfart-Burschen betreffend.
Becher und Krug stellte er ebenfalls auf den Tisch, dann holte er einen halben Laib Brot, eine kleine Kasserole, zwei Teller nebst Löffel und zwei abgedeckte Schalen aus dem Korb. Der kleine Topf enthielt eine ätherisch riechende, cremige Suppe, die Wenzel, ganz als sei er nicht der oberste Ritter eines einflussreichen Ordens, für Jarel und sich in die Teller füllte und aus einer der Schalen je eine Scheibe mit Zwiebel und Käse verbackenem und geröstetem Weißbrot darauf setzte. Die andere Schale enthielt Obst.
Das dunkle Brot zu schneiden, überließ er Jarel und ließ sich in den anderen Sitz fallen. Müde war er mit einem Mal. Nicht körperlich, eher der seit Tagen immer gleichen Fragen und Diskussionen. Und nun fing sein ehemaliger Schüler auch noch an in diese Kerbe zu schlagen. Wenzel griff nach dem Teller.
"Was würdest du mit ihm machen? Ihn wem geben?", fragte er zurück, doch er wartete die Antwort nicht ab. "Vielleicht sollte ich ihn selbst ausbilden, dann bin ich all diese Diskussionen los." Und hatte dafür die doppelte Aufmerksamkeit des Hierarchen sicher - was wollte man mehr?

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Dienstag 6. Dezember 2022, 13:12
von Jarel Moore
Aus nicht ganz so wachen dunklen Augen wie sonst beobachtete Jarel seinen Schwertherrn.
Er hatte seine – nennen wir es Unpässlichkeit – also bemerkt. War ja auch kaum zu überhören.
Im Gegensatz zu Wenzel befürchtete der Klingenmeister nicht ausspioniert zu werden. Zumindest nicht in den hochheiligen Hallen den Großkomturs. Er verließ sich ganz auf die Sinne des Wolfes, vor allem auf sein Gehör. Hoffentlich überschätzte er sich damit nicht.
Der ihm vorgesetzte Ordensherr bewirtete ihn ohne irgendwelche Allüren. Es fühlte sich fast an als wäre er bei einem gleichberechtigten Bruder zum Essen geladen. Doch nur fast, denn selbst in diesem freundschaftlichen Rahmen strahlte von Herrenloh eine Autorität aus, die einem allein durch seine Anwesenheit auf seinen Platz verwies. Etwas, dass der Schattenläufer stets Bewunderung abrang.

„Privatvergnügen.“, log der dunkelhaarige Ritter ohne auch nur eine Spur rot zu werden.
Wenn von Herrenloh erfuhr, was für ein Gemetzel sie angerichtet hatten war es nicht nur mit seinem Vertrauen in ihn vorbei. Kurz huschten die Erinnerungen an die Nacht in seinen Gedanken vorbei. Blut, Tod und Verderben. Und sein Gewissen regte sich nicht. Nach dem wievielten Mord war er eigentlich so abgestumpft? Selbst in seiner Zeit bei den Defias hatte er es verhindern können zu töten. Das war erst später geschehen. Viel später sogar, als ein Spion hinter Ilarions Geheimnis gekommen war. Das Geheimnis, zu dessen Vertuschung er eigens unter dem Deckmantel des Personenschützers angestellt worden war. Wie lange war das nun her? Mehr als dreißig Jahre. Er konnte sich an das Gesicht des Sterbenden noch immer erinnern, als wäre es gestern gewesen. An den Ausdruck in den brechenden Augen, das stumme „O“ auf den Lippen.
Und gestern? Wie viele hatte er überhaupt auf aus dem Leben gerissen gestern? Von der ganzen Nacht hatte sich nur ein einziges Gesicht in seine Erinnerung geprägt. Selbst das hätte er vergessen und verdrängt, hätte er es nicht für den Bruchteil eines Liedschlags für das seines Knappen gehalten.
Seltsam. War das bei den anderen Assassinen auch so? Dass man einfach irgendwann aufhörte zu zählen, ja nicht einmal mehr konkret wahrnahm, was man tat?

Er nahm den Becher dankbar an und trank. Der Durst war noch immer vorherrschend bei seinen körperlichen Bedürfnissen, der Hunger aber auch nicht ohne. Ohne große Hektik schnitt er das Brot in gleichmäßige Scheiben. Die gereichte Suppe war perfekt. Nicht nur geschmacklich, auch für den Elektrolyte- und den Energiehaushalt. Es konnte durchaus ein guter Tag werden.
„Es ging mir bei der Frage nicht darum, wem der Junge unterstellt wird.“
Der Klingenmeister nahm die Schale in die Linke und das Brot in die Rechte und trank – ungeachtet der Etikette – einen großen Schluck Suppe und fuhr erst fort, als dieser seinen Magen angenehm wärmte.
„Es ging mir darum, ob sich hinter dem Erscheinen des Hemmefart Sprosses etwas anderes verbirgt. Ob es da einen Plan gibt, eine Verschwörung, einen Hinterhalt.“
Hungrig wie ein Wolf tat er sich als nächstes am Brot gütlich. Trotz des ernsten Themas schlich sich ein leises Lächeln auf seine Lippen. Essen und Trinken hielt wahrlich Leib und Seele zusammen.
Etikette hin oder her, immerhin kaute er erst auf, bevor er seine Vermutungen äußerte.
„Und wem er unterstellt wird, könnte durchaus essentiell sein. Nimmst du ihn selber, hast du vielleicht einen besseren Einblick auf sein Wirken, aber auch den Hierarchen selbst im Nacken. Gibst du ihm einem anderen Ritter, könnte dir seine eigentliche Absicht entgehen.“
Er nahm einen weiteren großen Schluck Wasser.
„Nenn mich ruhig paranoid, aber das ist doch kein Zufall, dass er ausgerechnet hier landet.“

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Dienstag 6. Dezember 2022, 19:29
von ERZÄHLER
Wenzel beobachtete den Mann, der erst aus Bauchgefühl und Notwendigkeit, später aus Sympathie und Augenmaß für sein mitgebrachtes Können heraus sein Schützling und Schildträger gewesen war. Der den Ritterschlag von ihm selbst erhalten und in dessen Händen seither mehr als einmal sein Leben gelegen hatte. Die Zeit und die miteinander durchgestandenen Kämpfe hatten sie zusammengeschweißt, zu Schwertbrüdern und vielleicht sogar Freunden gemacht. Wobei Wenzel diesem Wort eine große Bedeutung beimaß und sich niemals der Illusion hingegeben hatte, ein Mann seines Ranges fände leicht einen wirklich vertrauten Freund. Falsche Freunde sammelte man dabei viel zu leicht ebenfalls mit auf und daher wurde es schnell einsam auf der Spitze dieses Berges.
Jarel betrachtete der Komtur durchaus als einen Vertrauten und gab sich entsprechend offen, doch ganz konnte er nie aus seiner Haut, sodass er selbst jetzt noch sorgsam abwog, was er sagte und was nicht. Währenddessen löffelte er die Suppe, stach hin und wieder von dem Klumpen aus Weißbrot, Zwiebel und Käse ab und biss nebenher in das Brot. Auch er war hungrig. Sein Tag begann üblicherweise ohne Frühstück. Das hatte er zugunsten seines eng gestrickten Terminplanes irgendwann weg rationalisiert und betrachtete es inzwischen als feiertäglichen Luxus, den er sich manchmal gönnte.
"Wieso Seine Heiligkeit ihn ausgerechnet jetzt und zu uns schickt, weiß einzig Er allein.", erwiderte von Herrenloh auf jene kryptische Weise, die bei ihm vieles bedeuten konnte. Von: Finger weg! bis: Ich will es auch wissen, Such! Der kurze Blick, den er über den Rand seines Tellers warf, wies allerdings eher auf Letzteres, denn daraus sprach die Ungnade, die Wenzel befiel, wenn sich ihm etwas nicht zur Gänze erschloss. Er teilte Jarels Paranoia durchaus.
Doch es blieb der einzige Hinweis in dieser Richtung.
"De Ardh will ihn haben und der Hierarch ist ebenfalls der Ansicht, dass Plenius beim Großmarschall gut aufgehoben ist. Ich hab nicht mehr die Geduld für diese Kinder.", gab er statt dessen offen zu. "Gerade diese Sache mit Lebenstein und Nagall. Meinen diese Burschen wirklich, Gräfin von Lebenstein schickt mir ihr fragiles Nesthäkchen kommentarlos? Oder der Bewahrer der Kirche in Lebenstein lässt mich nicht wissen, dass er den Spross für besessen hält? Man möchte sie schütteln, alle beide, dafür dass sie dem jungen Hemmelfart so eine Zielscheibe bieten." Seufzend stellte er seinen Teller ab und lehnte sich zurück. "Gerade weil es so ein Unfug ist, macht es mich misstrauisch. Was ist der Zweck?" Er musterte Jarel eindringlich, der auf ihn heute einen ungewöhnlich entspannten Eindruck machte. Trotz das er sich offenkundig die Nacht um die Ohren geschlagen und sich verwunden lassen hatte.
"Bist du gerade an etwas bestimmten dran?" Damit war klar, dass Wenzel nicht daran glaubte, Tannenfels sei das Ziel dieser Kette an "Zufällen". Dafür war sein lieber Klingenmeister viel zu gut darin, in den richtigen Dreckhäufen zu wühlen und unangenehme Dinge zu Tage zu fördern. Ob nun Privatangelegenheit oder eben nicht.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Dienstag 6. Dezember 2022, 20:52
von Jarel Moore
Jarel war tatsächlich äußerst ruhig, zufrieden und eins mit sich. Zum Glück ahnte der Mann dem er einen solchen Respekt zollte nicht warum.
Im Gegensatz zu seinem Schwertherrn waren kryptische Nachrichten nicht Jarels Ding. Er war wie er war. Geradeaus und direkt.
„Ich finde heraus auf wen diese Spitze zielt.“, erklärte er ruhig, leerte seine Suppenschüssel und wischte sie mit dem dunklen Brot aus. „Und auch den Zweck. Bis dahin ist er bei De Ardh in meinen Augen am besten aufgehoben.“
Er nahm einen weiteren Schluck Wasser und leerte damit bereits den zweiten Becher.
„Ich bin an etwas dran, ja.“, gab er zu, nahm sich in aller Seelenruhe eine Pflaume und hob die Augen. Er erwiderte Wenzels Blick, ohne zu blinzeln oder sich irritiert zu zeigen. Im Gegenteil war da eine gewisse Kälte, die in den warmen braunen Augen nur selten zu finden war. Wenzel von Herrenloh war einer der wenigen, der diesen Blick kannte. Ein Blick der die Lösung eines Problems versprach. Eine baldige und endgültige.
„Ich werde alles notwendige berichten, sobald ich die Informationen zusammen habe.“, versprach er, lehnte sich zurück und biss herzhaft in die süße Frucht.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Mittwoch 7. Dezember 2022, 20:31
von ERZÄHLER
Wenzel nickte nur knapp. De Ardh also - so wie der Hierarch darauf gedrängt hatte, wäre es wohl ohnehin keine kluge Idee gewesen, sich allzu sehr dagegen zu sperren. Auch wenn Wenzel das ungute Gefühl beschlich, damit zwei in ein Geschirr zu spannen, die man besser vor verschiedenen Kutschen beließe. De Ardh war eine Akte für sich, aber damit wollte er Jarel jetzt nicht beeinflussen. Er selbst hatte dem Großmarschall Absolution erteilt und würde somit vorerst nicht hinter dessen Rücken Misstrauen sähen. Vorerst würde es also so werden, wie die Robert und der Hierarch es sich vorstellten. Wenzel nahm sich ebenfalls eine Pflaume, drückte daran herum, bis sich die Hälften teilten und pulte den Stein heraus, bevor er sich eine Hälfte in den Mund schob. Der Großkomtur schluckte und machte eine Handbewegung, als werfe er Jarel etwas zu.
"Gut. Ich verlasse mich auf dich. Du hast freie Hand - wie immer. Aber vergiss bei all dem deinen offiziellen Auftrag nicht.", erinnerte er den Klingenmeister, auch wenn der es beleidigend auffassen könnte. Wenzel war es wichtig, dass die Dinge im Orden äußerlich weiter ihren gewohnten Gang gingen. "Eines noch." Der Komtur erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch, bedeutete Jarel, zu ihm zu kommen. Wortlos schlug er eine der Mappen auf, auf deren steifen Lederdeckeln das Wappen des Ordnes prangte. Zuoberst lag ein Bogen Papier, dicht beschrieben mit schnörkelloser Schrift. Jarel erkennte die Hand seines Schwertherrn sofort und auch, dass es sich um eine Abschrift handeln musste, denn schon die ersten Sätze ließen deutlich erkennen, dass es sich um einen Brief von Plenius an den Hierarchen handelte. Das er verschlüsselt gewesen war, erkannte der Klingenmeister ebenfalls, denn sein Herr hatte den Schlüssel auf dem Kopf des Papiers notiert. Sehr einfach, doch effektiv genug.
Wenzel ließ Jarel nicht die Zeit, den ganzen Brief zu lesen. Er faltete das Papier und reichte es dem Klingenmeister. "Ich fürchte, die Zeit drängt.", kommentierte er nur, sah Jarel dabei mit einem seltsamen Blick an. Sorge? Kurz wirkte es, als wollte er noch etwas sagen, dann besann er sich aber und schwieg. Jarel war nicht dumm und in dem, womit Wenzel ihn betraut hatte, äußerst geschickt und effektiv. Er musste Vertrauen haben. Und das hatte er, sonst besäße Jarel nicht die Siegel, derer es bedurfte, um in die tiefsten Archive des Ordens und der Glaubensbruderschaft zu steigen oder Leute wie die Bewahrer zum Reden zu zwingen.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Mittwoch 7. Dezember 2022, 20:53
von Jarel Moore
Jarel wischte sich die Finger an einer Servierte ab. Er erwiderte den Blick mit fester Sicherheit. Noch wusste er nicht, was in diesem Schreiben stand.
Etwas wunderte er sich, dass er das Schreiben mitnehmen sollte, ließ es aber kommentarlos irgendwo in seinem Oberteil verschwinden.
Die Zeit drängte. Und es war etwas in Wenzels Blick, dass ihn aufmerken ließ. Sorge?
Da war noch etwas. Der Schattenläufer mochte es nicht, wenn ein Elekk unausgesprochen im Raum standen. Nein, er hasste es. Zu oft war in seinem Leben schreckliches passiert, weil er geschwiegen hatte. Oder gezögert. Oder beides. Nein. Nicht heute. Nicht einem Freund gegenüber.
Darum blieb er stehen, legte den Kopf schief, kniff die Augen eine Spur zusammen.
„Wenzel. Was?“

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 8. Dezember 2022, 20:17
von ERZÄHLER
Wenzel begegnete dem durchdringenden Blick Jarels ruhig und es vergingen noch einige Augenblicke, bis er sich durchrang, seine Sorge mit jemandem zu teilen. Das Problem an seinem Posten war einfach, dass man sich Sorgen und Nöte anderer anhörte, Rat und Hilfe gab, und dabei selbst verlernte, die eigenen Sorgen in Worte zu fassen, weil man sie ohnehin für sich behalten und sie irgendwie allein tragen musste. Die Jahre begannen einfach, ihn mürbe zu machen. Die kühle Ruhe in den grauen Augen veränderte sich leicht, als Wenzel durchatmete.
"Es ist eher ein Gefühl. Der Hierarch lässt mich fast täglich antreten und verfolgt mein Tun. Er befragt mich über Dinge, die er nur von mir oder einem der Räte wissen kann." Wenzel seufzte bei dem Gedanken daran, dass einer seiner ranghohen Ritter die Themen aus dem Rat des Ordens brühwarm in den Hierarchenpalast trug. "Jedenfalls habe ich das Gefühl, ich verliere bei ihm an Ansehen." Einmal los getreten, rollte die Lawine und weitere Befürchtungen und Sorgen drückten nach. Wenzel legte eine Hand auf die Schulter des größeren Mannes, seine Finger gruben sich in den Stoff. "Sei auf der Hut bei deinen Unternehmungen, egal ob für mich oder privat. Unter Umständen kann ich dich irgendwann nicht mehr schützen."
Er ließ Jarel los und zog ein paar weitere Papiere aus der Mappe, darunter Protokolle und Wachberichte. Der Klingenmeister würde schnell darauf kommen, aber Wenzel machte es ihm leicht. "Wenn ein Mann, nach dem man fünfzehn Jahre lang Uhr und Kalender stellen kann, seine Gewohnheiten ändert, fällt das nicht nur mir auf." Ein leichtes Kopfschütteln. Die Privatangelegenheiten seiner Ritter versuchte er möglichst unangetastet zu lassen - kaum einer, der nicht irgendwelche Leichen im Keller hatte. Er hob den Blick wieder von der Mappe und betrachtete seinen geschworenen Ritter einen weiteren Herzschlag, bevor er abschloss: "Das der Hierarch einen Getreuen als Knappen schickt, wo er doch scheinbar einen unter uns führenden Rittern hat, der ihm Bericht erstattet, lässt nur einen Schluss zu." Nämlich den, dass es noch immer treue Räte gab, die zu ihm, Wenzel, standen und an die der Mann des Hierarchen bisher nicht heran gekommen war. Und dann waren die unerfahrenen Nachfolger eine gute Quelle. Ihm war nur allzu bewusst, wie geschwätzg diese Kinder manchmal sein konnten, wie sie voreinander prahlten mit Dingen, die niemanden etwas angingen und wie schnell sich etwas verbreitete, was nicht verbreitet werden sollte.
"Wie ich sagte. Kinder." Wenzel wusste, wie wichtig Jarel sein Knappe inzwischen war, dennoch... "Alles muss seinen gewohnten Gang gehen." Mehr als eine Woche konnte er den Burschen nicht aus der Aufmerksamkeit ziehen, dann musste Normalität her.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 8. Dezember 2022, 21:11
von Jarel Moore
Der Ritter betrachtete die Berichte.
Und das Auffälligste an der Sache war…er selber, knapp gefolgt von den Auszeiten, die Wesniak sich nahm. Die Sache mit der Wäscherin war auch interessant. Vielleicht konnte er aus den daraus folgenden Informationen einen Vorteil ziehen. Aber in diesem Moment erschien diese Gegebenheit Jarel als zweitrangig.
Der Schwarzhaarige hob den Blick von den Papieren, über die er sich gebeugt hatte und sah Wenzel in die Augen. Dann warf er einen letzten Blick auf die Namen, Orte und Daten und richtete sich auf.
„Auf dem Papier sehe ich interessant aus.“, gab er schief grinsend zu.
„Nur…was ist auffälliger: Ein Mann der sich verändert hat, oder eine Veränderung die verschwindet, sobald man sie näher betrachtet?“
Jetzt plötzlich seine alten Gewohnheiten und die fixen Rituale wieder aufzunehmen würde seine Verfolger mit der Nase darauf stoßen - wie ein Trüffelschwein auf seinen liebsten Pilz – dass die Beobachtung beobachtet wurde.
Und trotzdem, er musste die Position wechseln. In die Offensive. Den Jäger jagen.
Der Schattenläufer sah seinem Schwertherrn direkt in die Augen.
„Ich danke für deine Offenheit.“ Er deutete sogar eine Verbeugung an.
Vielleicht war es an der Zeit, seinem Schwertherrn seinen Dank zu zeigen und nun umgekehrt ihn zu schützen.
„Ich sehe mir das genauer an und erstatte dir Bericht.“, versprach er und wand sich zum Gehen.
„Ach…eine Bitte hätte ich noch.“, erklärte er auf dem halben Weg zur Tür.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 8. Dezember 2022, 21:52
von ERZÄHLER
Wenzel strich sich den sauber gestutzten Bart glatt. "Da magst du recht haben.", erwiderte er nachdenklich. Es war, wie es war und Jarel nun gewarnt. Damit hatte er Gelegenheit, sich eine gute Geschichte rund um die Veränderungen zu überlegen, sollte dies notwendig sein. Wenzel beschloss, das nicht weiter zu erörtern. Vorerst. Ein leichtes Nicken quittierte den Dank. Er riskierte viel, doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Der Komtur nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, als Jarel sich anschickte zu gehen, und sortierte die Papiere säuberlich zusammen. Als die Stimme des Klingenmeisters noch einmal erklang, hob er den Kopf und erwartungsvoll die Brauen.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 8. Dezember 2022, 22:07
von Jarel Moore
„Sollte ich irgendwann nicht zurückkommen. Nimm dir Jakob an meiner Stelle an. Er ist ein guter Junge. Und er braucht einen guten Lehrer.“
Sprachs und ging.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Freitag 9. Dezember 2022, 06:05
von ERZÄHLER
"Lass dir nicht einfallen zu verschwinden, bevor der Kerl ein Ritter ist. Ich sag doch, ich habe keine Geduld mehr für diese Kinder.", brummte von Herrenloh seinen Papieren zu, ohne mit den guten Ohren des Anderen zu rechnen, denen wohl auch der raue Unterton nicht entging. Denn die Worte seines geschworenen Bruders versetzten Wenzel einen Stich und entgegen seiner Erwiderung würde er dessen Wunsch natürlich erfüllen, sofern es ihm möglich wäre und nicht sein eigener Kopf neben dem Jarels dereinst auf einem Spieß auf dem Platz des Hierarchen stecken würde. Dann wäre ein Lehrer ohnehin die geringste Sorge des Jungen, den die Umstände mit in dieses Spiel ziehen würden - ob Jarel wollte oder nicht.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Freitag 9. Dezember 2022, 18:36
von Jarel Moore
Ein kurzes Lächeln huschte über Jarels Gesicht.
Er wusste, Wenzel würde ihm diesen Wunsch erfüllen und Jakob würde es an seiner Seite gut geben. Streng, aber gerecht. Und unter der rauen Schale ein durchaus feinfühliger, aufmerksamer Mensch.
Jarel begab sich direkt in sein Quartier, versicherte sich allein zu sein, breitete das Schreiben auf seinem Tisch aus und las. Einmal. Zweimal.
Nachdenklich tippte er mit dem Finger auf einem Satzteil herum, der ihm besonders Sorgen bereitete, bevor er das Schreiben nahm, zum Ofen ging und es in Asche verwandelte.
‚…die anderen hole ich mir im Schlaf…‘
In seinem letzten Leben hatte er jemanden gekannt, der in solchen Dingen eine Referenz gegolten hatte. Jemanden, der schnell herausgefunden hätte was sich hinter dieser Aussage verbarg.
Aber…woher sollte er hier einen Inkubus nehmen, mit dem man reden konnte.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als es selber herauszufinden.
Heute…würde er erst einmal auf ganz gewöhnliche Art herauszufinden versuchen was vor sich ging.
Aufmerksam zusehen. Und zuhören.
Mit einem Grummeln machte der Schattenläufer sich auf den Weg.

Für Jarel geht es hier weiter.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Freitag 9. Dezember 2022, 20:07
von Jarel Moore
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Slavas Wohnung
von: Goldener Stör
Datum: Vormittag des 6. August 1278
betrifft: Jakob, Jarel
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Süß. Etwas roch süß.
In der kleinen Kammer intensivierte sich der Geruch, multiplizierte sich, erschlug Jakob beinahe.
Als er die Augen aufschlug glaubt er endgültig den Verstand verloren zu haben.
Neben seinem Bett stand ein Hocker, mit einem weißen Tuch eingedeckt, darauf ein halbes Brot, ein großes Stück Käse, ein Stück Schinken, zwei Äpfel. Und eine geöffnete Tonflasche, aus dem der Duft in den Raum schwappte.
Erst danach bemerkte Jake, dass ihn jemand beobachtete. Jemand hockte auf dem Boden, auf der anderen Seite des Hockers mit untergeschlagenen Beinen.
„Wie geht es dir?“, fragte Jarel, der gewartet hatte bis Jakob ihn bemerkte. Er lächelte, hätte nie gedacht dass ihm das Spiel im Schatten eines Tages wieder solche Freude machen würde.
Und dass er sich einmal so freuen würde, seinen Schützling zu sehen. Verdammt ja, er vermisste ihn, sogar seine frechen Antworten und seine Art ihm die kalte Schulter zu zeigen. Er vermisste ihn. So sehr, dass er umgeplant hatte und nach einem Abstecher in die Küche hier gelandet war.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Freitag 9. Dezember 2022, 20:54
von Jakob von Nagall
Das Seltsame an diesem Ort, tief in den Eingeweiden der Komturei, war, dass man schon nach sehr kurzer Zeit das Gefühl für eben diese verlor. Der Körper nahm einen eigenen Rhythmus auf, befahl einem entledigt von der Last regelmäiger Mahlzeiten und der Diktatur eines Tagesablaufs einfach aufs Geratewohl, wann es richtig war zu schlafen, wann zu trinken oder das dürftige Mahl zu sich zu nehmen. In Jakobs Fall dehnten sich die Wachphasen, zwischen denen er statt zu schlafen meditierte, manchmal döste. Der Traum hatte ihn wieder daran erinnert, wie kraftvoll Träume waren und er brauchte eine gewisse Zeit, um wieder das Vertrauen in dieses Ding namens Schlaf zu fassen, dem er schon seit so vielen Jahren so oft es ging auszuweichen versuchte. Weil es ihn fraß, ihn zerkaute und als zitterndes Wrack ausspuckte. Seit er hier war, war dieser Effekt weniger geworden - zumal körperliche Anstrengung dafür sorgte, dass er wie ein Stein schlief. Aber dieser seltsam reale Traum erinnerte ihn schlagartig daran, dass es auch andere Nächte, andere Gespinste gab und das hielt ihn ab, sich wieder auf der harten Pritsche auszustrecken. Sein Rücken schmerzte ohnehin bei jeder Bewegung, vor allem wenn die Verbände und die Salbe darunter frisch waren, so wie jetzt. Dann strahlte der Schmerz in alle vier Glieder und überzog sie mit einer Gänsehaut der unangenehmen Art.
Und dann, so wie jetzt, betete er halb, halb meditierte er. Die Grenzen waren fließend geworden.
Doch etwas störte ihn heute, hier und jetzt. Der süße Duft bildete den Abschluss dieser Störung, aber davor gab es bereits etwas, das ihn aus der Meditation holte, aufmerksamer machte, ohne das er die Augen aufschlug oder sich regte. Vielleicht nur en Gefühl, vielleicht auch etwas, dass längst bestand, über die Wochen und Monate gewachsen war und nun so fest im Zentrum des Knappen verankert, dass er genau wusste, wen er sehen würde, sollte er gleich die Augen öffnen und den Kopf wenden. Doch einen Atemzug lang spürte er dem Eindruck noch nach, genoss ihn vielleicht ein wenig, denn er war geboren aus Vertrautheit und Vertrauen.
Ein tiefer Atemzug - selten machte der junge Mann so einen in sich ruhenden Eindruck - dann schlug er die hellen Augen auf und blickte genau dorthin, wo Jarel saß. Kein Schreck. Aber Freude, die er zu verbergen suchte - aber ja, er freute sich, seinen Mentor zu sehen.
Wie ging es ihm? Jakob drehte sich vollends herum und musterte den Hocker mit den Leckereien, die Jarel entgegen aller Regeln dieser Zeit der Askese herein geschmuggelte hatte. Das ernste Gesicht des Knappen wandte sich wieder dem Ritter zu, aber in den Augen funkelte es spitzbübisch. "Oh ausgezeichnet, ich hab endlich mal meine Ruhe.", erwiderte er. Seine Bewegungen allerdings waren steif - körperlich ging es ihm alles andere als gut - aber sein Kopf war munter. "Zeit zu lesen und so..."
Dann wankte seine Beherrschung doch etwas und die Mundwinkel zuckten verräterisch. "Und dir? Muss schrecklich langweilig sein, so ohne mich." Er griff nach einem der Äpfel oder besser, er wollte, aber das Leinen an seinem Rücken ziepte bei der Bewegung und ließ ihn zusammenfahren. So lässig, wie das hatte aussehen sollen, so kläglich endete der move mit einem vorsichtigen wieder in die Ausgangsposition zurück kehren. Nur den zugehörigen Fluch schaffte er zu unterdrücken und bewegte statt dessen zaghaft den Rücken.
"Schön dich zu sehen.", setzte er etwas kleinlauter, aber echter hintenan. Wenn man bedachte wie sie sich getrennt hatten, war er gleich mehrfach froh, Jarel in einem Stück vor sich zu sehen. Und dann war da noch der Traum, der ihm keine Ruhe gelassen hatte... bis jetzt.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Freitag 9. Dezember 2022, 22:45
von Jarel Moore
Sieh an. Er erschrak nicht. Er schien sogar zu wissen wo sein Rittervater sich befand. Sein Blick fand ihn, ohne zu suchen. Die Verbindung war intensiver als gedacht. Ob Jakob wusste, was das bedeutete? Wusste er denn selbst, was das bedeutete? Ja. Jarel wusste es. Und er wusste wie weit so etwas gehen konnte, was daraus erwachsen konnte. Es wunderte ihn einzig, dass er diese Art Verbindung mit Jakob eingegangen war und nicht mit Slava.
Nun…obwohl…da war dieser grün leuchtende Traum. Nein, darüber würde er jetzt nicht nachdenken.
Jarels Lächeln war von vornherein von Sorge belegt gewesen und geriet beim Anblick Jakobs schmerzverzerrten Gesichtes noch ein wenig schiefer.
„Warte. Lehn dich zurück.“ Er stand auf – vielleicht noch immer eine Spur steifer als sonst - nahm einen der Äpfel, wartete bis Jakob sich ausgestreckt hatte, zog einen Dolch – nein ein seltsames, langes Stilett ohne Parierstange - irgendwoher und nahm auf der Bettkante Platz. Er schnitt den Apfel in Spalten und hielt sie seinem Knappen mit den Fingern hin, die Klinge auf dem Hocker abgelegt.
„Die Schmerzen sind schlimm, hm?“
Dem Ritter zerriss es fast, seinen Jungen so zu sehen. Unverdient bestraft, verletzt und isoliert, während er … nun….während er jegliche erdenkliche Freiheit genoss, sogar seiner alten Berufung nachging und eine Nacht hinter sich hatte, die er nie mehr vergessen würde. Die Welt war ungerecht.
Zwar war er nicht schuld an Jakobs Inhaftierung gewesen, trotzdem biss ihn sein Gewissen. Hätte er es verhindern können? Hätte er den Jungen schnappen und fliehen sollen? Eingreifen?
Jarel seufzte. Nein. Das hatte nicht in seiner Macht gelegen. Aber er hatte es vielleicht in der Macht zu verhindern, dass so etwas noch einmal geschah. Oder schlimmeres.
Und er hätte daran denken können von der schmerzlindernden Salbe mitzunehmen. „Ich bringe dir morgen etwas gegen die Schmerzen.“ Er grinste wieder.
„Und ja. Es ist unglaublich langweilig ohne dich.“ Er gab sich nicht einmal Mühe, die Aussage echt klingen zu lassen.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 10. Dezember 2022, 14:57
von Jakob von Nagall
Jakob biss die Zähne aufeinander und zog die Beine unter sich, um sich auf die Knie zu stemmen. "Bruder Leonedes, zu dem mich Mutter nach...", er verzog das Gesicht, kletterte auf das Bett und nutzte den Moment, umzudenken und eine andere Formulierung zu wählen. "...der in Hamburg für mich zuständig war, hat gelehrt, dass die Geißelung des Körpers dem Geist dabei hilft, sich von den Gelüsten des Fleisches frei zu machen.", er schnaubte. "Ich seh es eher andersrum...", knirschte er durch die Zähne. Zurück lehnen - an irgendwas lehnen - kam nicht in Frage, statt dessen streckte er sich wieder Mal bäuchlings auf der harten Matratze aus und bettete das Kinn aufatmend auf die verschränkten Hände. "...je besser man sich weg konzentrieren kann, desto erträglicher wird es. Ich hab Übung." Jarel kannte die Landkarte aus Narben auf dem Körper seines Schützlings gut, nur die Geschichte dazu fehlte wie so oft bei dem wortkargen jungen Mann. Doch ein paar Tage Isolation und selbst ein Mensch wie Jakob fing an in mehreren Sätzen zu reden, ohne dass man ihn dazu auffordern musste.
"Danke... die Guten Brüder verarzten mich aktuell mit diesem Höllenzeug - du weißt schon, diese Paste, die wie Teer aussieht und nach Pferdepisse stinkt." Und die brannte, als gieße einem jemand flüssiges Metall in die Striemen, setzte er im Geiste hinzu. Sein Rittervater schaute ohnehin schon aus der Wäsche, als hätte er ihn persönlich vertrimmt, also gab Jakob sich betont lässig.
Der Knappe fühlte, wie die Matratze sich leicht unter Jarels Gewicht neigte, doch die spitze Bemerkung bezüglich dem dicken Hintern, die ihm dazu auf die Zunge rutschen wollte, blieb ihm im Halse stecken, als sein Ritter den Dolch auf dem Hocker ablegte. Sekundenlang hing Jakobs Blick daran, sodass er zunächst nicht auf den hingehaltenen Apfelschnitz oder die Bemerkung reagierte. Kurz war er wieder in seinem Traum, empfing wieder den Dolchstoß von genau so einer Waffe und sah Jarels unnatürlich blasses Gesicht mit dem Schal vor sich.
Jakob stützte sich auf die Ellenbogen hoch und nahm den Dolch, drehte ihn nachdenklich zwischen den Händen, wobei er mit der einen die Spitze und mit der anderen den Griff hielt. Ohne den Blick von der Klinge zu wenden, sagte er sehr leise: "Ich hatte einen seltsamen Traum in der ersten Nacht. Iola kam darin vor und du und... so eine Waffe." Erst dann wandte er den Kopf bis an die Schmerzgrenze und drehte die Augen in die Winkel, um seinen Rittervater anzusehen. Ein wenig blass wirkte der tatsächlich, aber kein Vergleich zu der Leichenblässe aus seinem Traum.
Der Knappe legte den Dolch zurück auf den Tisch, griff endlich nach dem Apfelspalt und ließ sich wieder in die vorige Haltung sinken. Nachdenklich biss er ein kleines Stück ab, allerdings beschäftigte ihn tatsächlich schon nicht mehr die Parallele zum Traum, sondern eher die Frage, wie Jarel sich und all den Kram an den guten Brüdern vorbei geschmuggelt hatte.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 10. Dezember 2022, 16:30
von Jarel Moore
Die Sache mit der Geißelung hat einen bösen Haken.“, erklärte Jarel in seltsam ruhigen Ton. „Es befreit den Geist immer nur für eine befristete Zeit. Und wie bei jeder Sucht wird diese Frist kürzer und kürzer. Und wenn der Körper nicht rechtzeitig heilen kann, kippt die Sache. Wie bei jeder Sucht.“
Nachdenklich rief sich Jarel das Muster auf Jakobs Rücken ind Gedächtnis. Der Junge hatte lange Zeit auf dieser Reise abwärts verbracht. Er würde aufpassen müssen, dass er nicht wieder in alte Verhaltensweisen rutschte. Vor allen bei den aktuellen Belastungen auf der zerbrechlichen Jungen Seele.
Darum würde er das, was er jetzt herauszufinden versuchte, vorsichtig anfassen müssen. Sehr vorsichtig.
„Möchtest du über den Traum reden?“, fragte er sanft und machte sich darauf gefasst seinen Verdacht bestätigt zu bekommen. Und suchte bereits nach Worten Jakob zu erklären, was vor sich ging.
War dies der richtige Rahmen dafür? Der richtige Moment? Er würde Jakob allein lassen müssen. Schon bald.
Anderseits war der Junge erstaunlich zäh und hatte schon viel mehr verkraftet als eine mentale Verbindung zu seinem Rittervater.
Es galt also abzuwarten.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 10. Dezember 2022, 20:09
von Jakob von Nagall
"Ja." Kaum zu hören, ein wissender Hauch. Er dachte an Jade. An Samuel, diesen Teufel. Er dachte an sich selbst, trudelnd von einer Grenzerfahrung zur nächsten, eine selbstzerstörerischer als die davor. Vielleicht suchte er Dank gewisser Bekanntschaften nicht das Heil bei klassischen Suchtmitteln, aber es gab in seiner Welt tausende Alternativen. Hier war die Liste überschaubarer, doch Jarel hatte Recht - der Schmerz wirkte nur kurz wirklich klärend. Zumindest bei ihm. Früher hätte er der geschundenen Haut keinen Tag gegeben. Der Körper musste zur Heilung finden, doch Herz und Seele ebenso.
Du tust mir gut., stand in dem Brief, der gut verborgen nun unter dem Laken direkt unter Jakobs Brust schlummerte. Worte, die er eins zu eins so auch auf Jarel anwenden könnte, aber niemals so einfach über die Lippen brächte wie zu Papier. Dazu könnte er auch gleich noch schreiben, welche Angst er davor hatte, dass sie beide sich tatsächlich irgendwann auf unterschiedlichen Seiten wiederfanden, so grundlegend anders wie manche Ansichten waren. Doch solche Gefühlsduselei machte ihn nervös, prallte heftig gegen die strenge Erziehung 'zum Mann', die ihm sein Vater hatte angedeihen lassen und sorgte immer dafür, dass sich Scham einstellte. Scham und die Angst nicht zu genügen, schwach zu sein. Sicher wusste sein Verstand es inzwischen zumindest was Jarel anging besser, aber das Kind dahinter würde es vielleicht niemals neu lernen und zwang ihn zu schweigen.
Langsam schüttelte Jakob den Kopf. "Nur ein verrückter Traum, wie man sie hier unten eben träumt. Dieses Harz und die schlechte Luft." Mit einem weiteren Kopfschütteln schob er sich hoch, um sich zu Jarel zu setzen, doch es fehlte das entschärfende, etwas schiefe Grinsen. Langsam bewegte sich der Knappe, erlernte Bewegungen, die bei solchen Verletzungen am schmerzfreiesten waren. Er ließ die Beine auf dem Bett hinter Jarel liegen, stützte sich auf einen Arm und klaute einen weiteren Apfelschnitz. Mit der angebissenen Hälfte wies er auf das kleine Picknick.
"Wie hast du dich und das da an den Guten Brüdern vorbei gebracht und woher weißt du, dass nicht gleich einer von ihnen hier auftaucht?", ließ er seinen Gedanken freien Lauf in jene Richtung, die ihm gerade mehr behagte... und tatsächlich brennend interessierte. Er hatte nicht vergessen, was Jarel ihm angeboten hatte und auch wenn die Fähigkeiten des Mannes ihn im ersten Moment an die geschworenen Feinde seiner Familie und seines früheren Ordens erinnerten, so reizten sie ihn doch ungemein, seit er seinen Entschluss gefasst hatte.

Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Sonntag 11. Dezember 2022, 12:05
von Jarel Moore
Jarel sah Jakob lange an. Nachdenklich, unsicher.
Er wog ab, wie es jetzt weitergehen sollte in diesem Gespräch. Einerseits brauchte es in Jakobs fragilem Zustand eine einfühlsame Hand. Und der Schattenläufer wusste, eben dies war nicht seine Stärke. Seine Art war eher ein Schlag mit dem Eichenbrett ins Genick als ein sanftes Streicheln.
Andererseits war es längst passiert. Jakob stand schon auf einem Weg, der ihn zu einem Punkt führte, der sein Leben – und vor allem seine Sicht auf diese Welt – verändern würde.
Wenn er diesen Weg denn ging. Und wenn er ihn ging, dann lieber nach einer bewussten Entscheidung als mit verbundenen Augen und blind.
Jarel räusperte sich, seine Stimme war noch immer rau von der körperlichen Anstrengung des Vortages, egal wie sehr er das zu verbergen versuchte. Er schob den Hocker mit den geschmuggelten Lebensmitteln so nah ans Bett, dass Jakob sie selber erreichen konnte und rückte in spartanischen Bett des Knappen am unteren Ende so weit nach hinten, dass er sich mit dem Rücken an die Zellenwand lehnen konnte.
Dass er Jakob damit Platz nahm löste er, in dem er die Beine des jungen Mannes vorsichtig hochnahm und dann auf seinen platzierte.
Für den Schattenläufer, der körperlichen Kontakt sonst gern minimierte eine ungewöhnlich distanzlose Handlung. Zum einen der Tatsache geschuldet, dass er selber nicht ganz auf dem Damm war und trotz der stickigen Hitze in der kleinen Kammer noch immer fror. Viel mehr jedoch, weil ihm einfach danach war. Es war längst mehr als das blanke Schüler- Lehrer Verhältnis. Und wenn er seinen Jungen nicht schützen hatte können, dann wenigsten für ihn da sein, auf welche Art auch immer.
Noch immer betrachtete er seinen Knappen, jederzeit bereit sich zurückzuziehen.
Jakob war Christ. Ein tiefer gehendes Verständnis für die Bedeutung dieser Worte hatte der Ritter nicht. Er wusste aber, es ging sehr viel um eine Art liebevoller Göttin. Und um ganz viel Licht. Licht war das Gute. Und alles andere….
…lag eben auf dem Weg, den er ihm nun zeigen würde. Ob er diesen Weg wählte? Oder würde er umkehren und sich abwenden?
„Jakob, bei dem Gespräch das jetzt folgt. Egal wie du dich entscheidest, ich werde so lange dein Rittervater bleiben, wie du es für richtig hältst.“, orakelte er.
„Niemand hat bemerkt, wie ich die Sachen in der Küche stibitzt habe und niemand hat mich gesehen, als ich mich durch die Gänge hier her bewegt habe, weil ich im Schatten ging.“
Er atmete noch einmal durch. „Du hattest dein Interesse daran ja bereits bekundet. Bevor wir mit dem Training anfangen – so du es denn noch willst – möchte ich dir aber erklären, was es damit auf sich hat.“ Er versuchte lässig zu klingen und beiläufig. So ganz gelang ihm das nicht.
„Für einen Schattenläufer ist der Schatten nicht das fehlen von Licht. Für u…mich sind die Schatten lebende Wesen. Magisch wenn du willst. Sie können dir gewogen sein und dich schützen, dich umhüllen und verbergen. Als Schattenläufer kannst du ihnen nicht befehlen. Wenn sie dir gewogen sind, kannst du dich in sie kleiden, dich von ihnen verbergen lassen, dich in ihnen bewegen. Sehr schnell sogar.“
Jarel versuchte seine trockenen Lippen mit der Zungenspitze zu befeuchten, was nicht besonders gut gelang. Zeit etwas zu trinken hatte er später noch.
„In meiner Welt gibt es auch Wesen, die den Schatten befehlen können. Sie rufen, binden, bündeln und als Waffe einsetzen. Als Schattenläufer ist uns…ist das nicht möglich. Wir können rufen, bitten und eintauchen. Nur befehlen können wir…“
Er räusperte sich noch einmal. Wir. Warum nicht. Er ließ das wir zu, denn Jakob war längst auf dem Weg dahin.
„…können wir nicht.“
Ehe Jakob eine Frage stellen oder eine Bemerkung machen konnte sprach Jarel weiter.
„Um das Schattenlaufen zu lernen benötigte es drei Dinge. Das erste ist der Zugang zum Schatten. Nennen wir es einen Samen, den du in deine Seele pflanzen kannst um sie dort wachsen zu lassen. Das zweite ist einen Lehrer, der dir den Weg zeigt, die Begabung zu kultivieren.“
Er machte eine kurze Pause und dachte darüber nach, wie es bei ihm von statten gegangen war. Er nickte kurz bei dem Gedanken daran. Im Grunde war es bei ihm ganz ähnlich gelaufen wie bei Jakob.
Ja, die Veranlagung war von Anfang an da gewesen. Und er hatte schnell einen Lehrer gefunden. Nur leider hatte sich der dritte und wichtigste Teil der Konstellation mit dem eigentlich ausgewählten Lehrer nicht funktioniert.
Die Verbindung tauchte nach Wochen einfach auf, nicht zur geplanten Person, sondern ausgerechnet zum Anführer des Trupps. Der hatte sich seiner zwar mit Feuereifer angenommen, doch das hatte Eifersucht, Hass und Neid geschürt. Der Anfang vom Ende.
Lange her. Längst vergangen. Mit Jake würde es besser laufen. Das glaubte er fest. Und je nachdem, was Jakob von seinem Traum zu berichten wusste, würde er das am Ende dieses Gespräches nicht mehr glauben, sondern wissen. Unumstößlich.
„Das Dritte ist das schwierigste und lässt sich nicht erzwingen. Es muss passieren. Schüler und Lehrer gehen eine Art Verbindung ein.“ Bei Sargeras schiefen Zähnen, das zu erklären fiel dem Schattenläufer wirklich schwer. „Eine Art…verweben der Energien…Scheiße ist das schwer zu erklären…“ Er gestikulierte in kleinen, kreisenden Bewegungen mit beiden Händen, bevor er sie wieder in einer seltsam selbstverständlichen Geste auf Jakobs Unterschenkeln ablegte..
„Die Druiden in meiner Welt haben ein hochtrabendes Wort dafür, das mir nicht gefällt.“ Er atmete noch einmal durch.
„Jakob…mach es mir einfacher. Sag mir, was hast du geträumt.“