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Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Dienstag 28. November 2023, 16:09
von Pandora
"Komm schon... komm schon...", murmelte Jordan durch die Zähne, nachdem sie zum zweiten Mal geklopft hatte und lauschte. Der schlief bestimmt wie ein Stein. Soffen die Russen nicht alle? Und nach dem Saufen schlief man doch steinemäßig, oder? Zumindest war das bei Peach so - wenn der gesoffen hatte, musste sie ihn mitsamt Matratze aus der Koje kicken, um ihn auch nur ansatzweise wach zu bekommen. So ein bisschen Klopfen würde da nicht helfen, also wieso sollte es hier irgendwas bewirken. Jordan sah sich um, zappelte ein wenig auf der Stelle herum und setzte sich dann einfach auf die Schwelle. "Scheiße. Scheiße...", und so weiter. Vielleicht doch noch mal zurück in den Eisvogel und nochmal alles durch gucken? Oder eben bis morgen früh warten.
Warten.
Jordan kratzte sich am Hals.
Wie lange sollte das dauern? Wie spät war es denn, zum Kuckuck? Wieder ein sinnloser Blick auf die Uhr, deren Zeiger nur wenig weiter gerückt waren. Und den Sekundenzeiger bei seiner Reise über die Zahlen beobachten machte es auch nicht besser. Im Gegenteil, es machte sie nervös.
Tick. Tick. Tickeditick.
Bewegte sich da drinnen was? Jordan sprang auf, lauschte an der Tür, klopfte nochmal mit dem Handballen. Zum Glück sah sie sich nicht selber. Erbärmlich war das. Nur dachte sie da grad nicht dran. Sie dachte nur an das schwarze Paket oder besser dessen Inhalt.
Und dann ging die Tür auf und eine Lampe blendete sie, obwohl es nur eine Öllampe war. Draußen ar es so dunkel, dass das Licht ausreichte, damit Jordan die Augen zusammenkniff und abwehrend eine Hand hob. Gleichzeit frohlockte es in ihr und es war schon hart, sich nicht einfach an dem Mann vorbei zu drängeln und auf die Suche nach ihren Tabletten zu gehen. Seine Blicke, sein Gesichtsausdruck, alles nicht so relevant und ohnehin von der Lampe für Jordan verborgen. Sie war deutlich weniger aufmerksam als noch am Nachmittag, spähte unsinniger Weise bereits an ihm vorbei, bevor er den Weg ins Innere freigab.
Sie stolperte auf dem Weg in den Wohnraum fast über die Schuhe im Eingangsbereich, hatte aber nicht den Sinn dafür, dass ihre eigenen eigentlich auch da hin gehörten. Während sie sich mit einer halben Drehung vor einem Sturz bewahrte und dann fahrig die Unordnung zu sortieren versuchte, die sie angerichtet hatte, sagte sie: "Sorry Mann, ist echt spät oder früh - ich weiß, aber ich hab was Wichtiges vergessen oder besser verloren." Sie kam wieder auf die Beine, ging noch einen wippenden Schritt rückwärts, fuhr mit einer Hand durch das kurze, etwas wirre Haar und sah sich mit einer Drehung um sich selbst um. Scheiße, war das dunkel hier! "Kannst du mal Licht machen?"
Der Daumen kratzte die Haut unter dem Ohr.
"Schwarzes Päckchen, etwa so groß" Jordan hielt die Hände vor sich und zeigte damit etwa die Größe, sah sich allerdings schon wieder in Richtung Zuber um. Ungeduldig drehte sie ab und steuerte auf die finstere Ecke zu, auch wenn man dort die Hand nicht vor Augen sehen konnte. "Hatte es kurz ausgepackt und wohl vergessen." Warum machte der denn kein Licht? Mit der Ungeduld kam in ihrem Fall auch schnell eine latente Aggressivität auf. "Scheiße ist das dunkel!", brach sich diese in Form von Wort gewordenen Gedanken Bahn.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 30. November 2023, 09:13
von Vyacheslav Sokolov
Tat sie ihm leid? Er musste überlegen während er ihr zusah. Hektisch und mit Scheuklappen, sah nicht nach links und nicht nach rechts, nur vorwärts. Süchtig.
Irgendwie ja schon. Es war auch nicht so, dass er komplett drüber stand, er kannte das nur zu gut. Wie lang war er der Befriedigung der Sucht nachgejagt, hatte es sogar mit Fisstech versucht, etwas wie Crystal Meth, nur vermutlich noch mit magischer Komponente. Die Folgen unabsehbar. Und er hatte sogar bewusst versucht, die Sucht zu verlagern, aber Arbeit und Zigaretten und Alkohol waren eben auch kein guter gangbarer Weg.
Er hatte das Päckchen natürlich zuvor gesehen, wie auch nicht, Fremdes fiel sofort auf. Dann hatte er nur kurz hineingesehen und die Medikamente entdeckt und sofort alles so liegen gelassen. Vor allem weil er selbst nicht erst in Versuchung geführt werden wollte. Da wäre sicher etwas für ihn dabei gewesen, irgendein starkes Opiat. Aber soweit durfte es gar nicht kommen. Allein Jarel zuliebe.
Er nahm an der Tischkante Platz, sah ihr erst einmal nur zu und ließ sie machen.
Der Entzug würde hart werden, wenn das Zeug aus war. Er hatte Jarel gehabt, und sie? Sollte er für sie da sein? Wer sonst? Valeska?
Fuck.
"Neben dem Zuber." dirigierte er sie, seine Augen war schon einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, andererseits, ehe sie noch irgendwo drüber fiel... Er fischte den PDA aus dem Bund seiner Unterhose. Das würde sie in ihrem Zustand vermutlich gerade eh nicht registrieren, außerdem war er in ihrer Gegenwart irgendwie eher wieder der Soldat, der Stalker, dem all das adelige Getue am Arsch vorbei ging. Rollen konnte er immer schon wechseln wie andere die Socken.
Er wischte es etwas am Hausmantel an und mit dem Display leuchtete er ihr ein wenig, dass sie das Täschchen fand. Vielleicht auch ein kleiner Aufmerksamkeitstest. Wie tief steckte sie schon drin? Prüfend musterte er sie währenddessen.
Fahrige Bewegungen, innere Unruhe, definitiv.
"Was genau nimmst du ein? Und wie lang schon?"
Das klang nun eher nach der Arzt oder Psychologenrolle, die eine, die er nie hatte spielen wollen.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Freitag 8. Dezember 2023, 09:43
von Pandora
Was auch immer er da für eine Funzel hatte, sie war nicht wesentlich heller als die Ölfunzel mit der er sie empfangen hatte. Scheiß Welt. Scheiß Dunkelheit. Scheiß Pillen - zeigt euch! Neben dem Zuber. So schlau war sie auch schon gewesen oder zumindest ahnte sie, dass sie das Päckchen da irgendwo liegen gelassen hatte. Ihre Finger glitten über den Boden, nahmen mit einer unangenehmen Deutlichkeit jede Riefe im Holz und jeden Ast wahr, bis sie endlich gegen den vertrauten, groben Stoff stießen. Von da an war jeder Handgriff blinde Routine. Sie musste nicht sehen, um zu wissen, welche Form was war und das Knistern der Verpackung verriet auch dem Hausherrn, dass Jordan fündig geworden war. Nur überlegte sie jetzt, ob sie gleich was nehmen sollte, um wach zu bleiben oder lieber was, dass ihre innere Unruhe nieder kämpfte, damit sie vielleicht noch ein paar Minuten Schlaf fand. Nur störte Sokolov ihre Gedankengänge mit Fragen.
Was faselte der schon wieder? Was sie nahm und seit wann? Klang schon wie ihre Mutter! Nein, die nicht, die hatte keine Ahnung was Jordan zu ihren Bestzeiten so alles einwarf. Klang schon wie... Peach. Ach komm, Weltenwechsel-Portal-Scheißdreck mit Zeitsprung, aber die selbsternannten Kindermädchen wurde sie nicht los? Gott musste sich ja einpissen vor Lachen über seine eigenen blöden Witze.
Gar nichts antworten war aber auch nicht so die feine Art, vor allem, wenn man sich zu nachtschlafener Stunde so mir nichts dir nichts Zugang zu einem fremden Haus verschaffte und den Hausherrn um seinen Schlaf brachte. Jordan drückte allerdings zuerst gleich zwei Pillen aus dem Blister, den sie aus der Tasche gefummelt hatte und warf sie sich in den Mund. Die Handelsnamen benutzte sie meistens nicht, mit der chemischen Bezeichnung war sie zwar vertraut, aber das klang ihr immer zu geschwollen. Unter Kameraden war von Blues die Rede und die gerade unter Kriegsveteranen gerne genommen wurden, um plötzliche Angstzustände zu dämpfen und die Nerven zu beruhigen.
"Nur was zum ruhiger schlafen. Manchmal was zum klarer denken." Und seit wann? Das ging ihn eigentlich einen Scheiß an. Jordan ließ sich auf den Hosenboden fallen, verschränkte ihre zitternden Hände zwischen ihren Knien und versuchte ruhig zu bleiben, bis die Chemie in ihrem Kreislauf übernahm. Für sie ungewöhnlich lange saß sie sehr ruhig da, nur unterbrochen von einem gelegentlichen Zucken einer Hand oder eines Fußes. Die Frequenz wurde größer, die Impulse schwächer, und während sie wartete, überlegte sie. Da war wieder der Zwiespalt. Sie selbst gegen die Soldatin gegen die Patriotin. Eigentlich ein Dreispalt. Persönlich hatte Jordan beschlossen Sokolov zu mögen, beruflich musste sie ihn per se als Feind betrachten und als Amerikanerin sah sie in ihm "den Russen", was auch immer das genau bedeutete. Eben einen von den anderen, dem man misstrauisch begegnen musste, weil sie einen bestimmt übers Ohr hauen wollten.
Wer war sie jetzt gerade?
Ehrlich betrachtet einfach nur eine müde Frau, die schlecht geträumt hatte.
Und wer war er? Ein müder Mann. Soldat wie sie.
Soldat der anderen Seite. Test.
"Seit Vietnam.", gab sie nach. Zum einen, weil sie neugierig war, wie er darauf reagierte und zum anderen weil ein Teil von ihr ziemlich genau wusste, dass sie bald in Schwierigkeiten sein würde. Spätestens am Ende aller Blister. Er war Soldat und sie würde die Packung mitfressen, wenn er nicht genau wusste, worum es hier ging. Vielleicht sogar einen Weg kannte oder Substitute oder was auch immer. Hauptsache nicht runter müssen. Darauf hatte sie echt keinen Bock.
Jordan blinzelte ins Licht der Lampe, welches die Schatten um ihre Augen geisterhaft dunkel machte, während der Rest des Gesichts sehr hell wirkte. Oder was war das für ein Ding? Ein kleiner Bildschirm? Irritiert krauste sie Stirn. So eine kleine Röhre? Oder war das dieses moderne Zeug von dem gerade alle Welt redete? Wie hieß das noch? L-F- L-C... genau Flüssigkristallanzeigen. Bildschirme flach wie Bücher oder Heftchen. Aber die brauchten doch Strom und zumindest so weit war sie wieder klar, dass sie sich erinnerte, dass es hier keinen Strom aus der Steckdose gab. Wie also funktionierte das?
"Was ist das?" Schon war die Neugier wieder da.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 14. Dezember 2023, 12:28
von Vyacheslav Sokolov
Ob ein gewisser Peach oder auch ein Alexej, beide kannte Slava nicht, aber mit beiden wurde er verglichen. Es hätte ihn vermutlich amüsiert, von dem zweiten zu wissen. Dem Kindermädchen. Dabei war es ihm im Prinzip egal, was sie mit ihrer Gesundheit anstellte, aber jemand mit Entzugserscheinungen war nie ungefährlich und erst Recht nicht jemand fremdes. Es war kein Altruismus sondern eher Pragmatismus.
Und es ging ihn vielleicht einen Scheißdreck an, aber irgendwann würde es an relevant gewinnen, dass er davon Kenntnis hatte.
Ruhig schlafen und klarer denken. Sicher doch.
Er hatte auch nur etwas zur Behandlung der Schmerzen genommen.
"Du kannst mir erzählen was du willst und du kannst dich selber belügen aber egal wie, Die Pillen werden nicht ewig reichen und hier gibt es keinen adäquaten Ersatz. Ich war auf Opioiden als ich hier ankam. Seit... ich würde sagen, seit dem Hinterhalt im Getreidesilo, klingt nicht halb so heroisch wie Vietnam. Auf jeden Fall einige Jahre... und es wird nicht leichter."
Vietnam, der Krieg hatte ein paar Jahre gedauert. Keine präzise Angabe, er ging aber nicht davon aus, dass sie erst in den letzten Monaten damit angefangen hatte... so oder so, es waren wohl mehrere Jahre.
"Das einzige, was es hier gibt ist Fisstech, aber das ist wie Crystal Meth... nur noch ein wenig verheerender. Mohnsaft vielleicht noch, aber der ist wiederum nicht stark genug. Wie du es auch drehst, du wirst Schwierigkeiten bekommen. Ich rate dir also, was mir keiner hat raten können: Verwende den Rest den du noch hast zum ausschleichen, das erleichtert dir vieles."
Krampfanfälle und erbrochenes am Boden.
Wobei ihn der ganze Mist andererseits auch Jarel näher gebracht hatte.
Er zuckte mit den Schultern und hielt ihr wortlos den PDA hin.
Kein modernes OLED Display wie bei dem Gerät, das Schura mitgebracht hatte sondern einer der älteren, aber für Pandora dürfte das keine Rolle spielen, das war trotzdem Hightech. Da hatte sich in den letzten 50 Jahren dermaßen viel getan, da konnte einem schwindlig werden.
"Ist wie diese Teile aus Star Trek... man kann damit kommunizieren und Notizen machen und sogar Fotos."
Und Musik war darauf gespeichert.
Die Erwähnung des Internets sparte er sich, aber die Idee mit dem Mesh blieb, er kam nur nicht dazu es endlich umzusetzen.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Mittwoch 20. Dezember 2023, 08:56
von Pandora
Immerwieder erstaunlich, wie schnell der Metabolismus sich den Stoff einverleibte und eine angenehme Ruhe sich breit machte, die erfahrungsgemäß schnell in Müdigkeit überging. Jordan hörte, was der Mann sagte, aber wirklich durch kam er nicht. Wäre ja auch noch schöner, wenn plötzlich irgendein Fremder Zugang bei diesem Thema finden würde, an dem sich vertrautere Menschen schon den Mund fusslig und die Zähne brüchig gelabert hatten. Sie hörte nicht, dass es keine Substitute gab, sie hörte, dass da ein Mittel namens Fizztech existierte, dass Ice ähnelte. Und was? Magisch war? Wow, klang abgefahren - sollte sie vielleicht mal ausprobieren.
"Heroisch war Vietnam für mich leider nicht. Die F-4 ist nich' für den Nahkampf gemacht. Die sind gefallen wie die Fliegen, da konnte man noch so gut sein. Diese scheiß MiGs waren immer besser, schneller, wendiger. Das war wie Magie. Ich hab's erst begriffen, als ich selber eine geflogen bin." Jordan schüttelte den Kopf. Sie merkte nicht mal, dass sie unter den Blues auch wie immer viel zu ehrlich wurde. Es war ihr ab einem gewissen Punkt schlicht egal, was sie so erzählte und ob ihr Ego im Normalbetrieb was dagegen hätte. Ebenso ob sie jemanden beleidigte. "Ein Ivan hat's echt auf mich abgesehen gehabt. Drei Mal haben wir uns über den Dschungel gejagt - ich sag dir, das war heiß, echt. Zwei Mal musste ich zurück stecken. Und beim dritten Date hat der Sack mich getroffen und Vietnam war für uns vorbei." Sie untermalte ihre Worte mit den Händen, vollführte Flugmanöver und schließlich stürzte eine Hand ab.
Sie lachte ein bisschen dümmlich. "Getreidesilo klingt wie 'ne Agenten-Story. Der Schurke wird im Getreidesilo gestellt oder so." Allmählich gerieten ihre Worte schleppend und sie verfiel in Schweigen, nahm das kleine Gerät entgegen, das Sokolov ihr hinhielt. Ihre technische Intuition reichte immerhin, um zu begreifen, dass das Ding wohl irgendwie mit Batterie funktionierte, auch wenn in Jordans bisherigem Weltbild nur Taschenlampen und dergleichen mit Batterien funktionierten. Und das nicht sonderlich lange. Aber dieses Teil sah wie ein echter Stromfresser aus, wobei sie sich zunächst eher für das Gerät an sich als für dessen Inhalt interessierte. Sie drehte und wendete es in den Händen, suchte einen Weg ins Innere, aber die meisten Türchen waren mit winzigen Schrauben verschlossen zu denen ihr das Werkzeug fehlte. Sonst hätte sie das Ding wohl auf der Stelle auseinander genommen, um sein Inneres unter die schlecht beleuchtete Lupe zu nehmen. Also umdrehen und darauf herum drücken. Auch hier half ihre Intuition und zusätzlich der Umstand, dass sie die Begriffe lesen konnte, die auf der Anzeige erschienen.
Während sie spielte, arbeitete ihr Mundwerk schon wieder weiter. "Aber ich denk, für Bilder, die man lieber wieder aus dem Kopf haben will, braucht's keinen Krieg. Da reicht schlechtes Timing beim Betreten des elterlichen Schlafzimmers. Huch..." Der Bildschirm wurde dunkel. Sie schüttelte die Kiste, wie sie es bei einer Taschenlampe tun würde, aber nichts geschah. Hatte sie es kaputt gemacht?
Um es Sokolov zurück zu geben, wollte die Pilotin aufstehen, aber weder ihre Beine noch der Rest von ihr war Willens, diesem Befehl folge zu leisten. Sowas. Befehlsverweigerung im eigenen Gleichgewichtssinn! Oder war der Boden nur puckelig? Jedenfalls kam sie halb hoch, nur um dann wieder hinzuschlagen, halbherzig mit einer Hand am Zuber halt suchend. "Hoppla.", murmelte sie. "Ich muss kurz... ich bleib einfach mal liegen." Sprachs und streckte sich an Ort und Stelle auf dem Boden aus. So viel hatte sie doch nicht genommen. Oder doch? Ihre Gedanken waren so träge. Jordan hob den PDA wieder hoch vor ihr Gesicht, aber der blieb dunkel. "Uh. Braucht neue Batterien." Oder sie hatte ihn unwissentlich runter gefahren. Wie sich selbst.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 21. Dezember 2023, 13:04
von Vyacheslav Sokolov
Fast hätte Slava gelacht, wäre die Geschichte nicht so bitter gewesen.
"Es war eine Agentenstory. Der Schurke war nur ich... gestellt, das kommt hin. Eine Falle haben sie mir gestellt."
Der böse Oberst Sokolov, als Gauner getarnt hatte er die friedlichen Stalker unterwandert, hatte sich in ihre Reihen geschlichen und ihr Vertrauen gewonnen um sie dann zu auszuliefern. Selbst ihre größten Helden hatte er heimtückisch betrogen und deren Kameradschaft missbraucht sie dann zu verraten. Ein ehrloser Schuft, Verräter, Betrüger... und noch viel schlimmeres hatten sie ihn geheißen.
Oder anders ausgedrückt: Er hatte einen Weg gefunden in einem vermeintlich rechtsfreien Raum die schlimmsten Verbrecher doch der Gerichtsbarkeit zu überantworten. Nicht mehr und nicht weniger. Er war der Arm des Gesetzes. Wobei manchmal auch das Urteil ohne Richter vollstreckt wurde und der Arm vielleicht ab und an eigenmächtig handelte.
Es gab eben kein schwarz oder weiß sondern nur unterschiedlich schmutzige Graustufen, aber dreckig grau waren alle.
Seine Truppe hatte eben im Verglich zu früheren eher halbherzigen Versuchen recht effizient die kleine Fische verwendet um an die großen zu kommen und sie dann oft ganz unkompliziert an Ort und Stelle direkt erledigt. Er hatte eben alles genutzt was die Zone an Werkzeugen bot, denn er kannte sie. Es ging um jede Art von Schmuggel, Waffen, Drogen, Artefakte. Wobei letzteres zum Gefährlicheren zählte und während Waffen und Drogen in der Regel der Beifang waren, richteten die Artefakte draußen einen Schaden an, der kaum zu beziffern war, die galt es vor allem einzudämmen. Und eben dafür war jedes Mittel recht gewesen als es überhand genommen hatte. Und jedes Mittel war eben der eher als Person eher unangenehme Emporkömmling, damals noch Major Sokolov, der Menschen als Schachfiguren sah und jeden zu instrumentalisieren wusste, sich selbst dabei nicht schonte. Das war die Geheimwaffe gewesen und als dann noch sein Rivale, Markin das Spielfeld betrat und die beiden sich einigten und ihre Reviere jeweils abgesteckt hatten funktionierten sie als Team effizient und grausam.
Und eben jenen Sokolov, als Stalker 'Ochotnik' genannt, den hatten einige der Stalker in eine Fall gelockt. Sie hatten damals noch Hilfe von einem Maulwurf gehabt - den würde diese Aktion am Ende auch entlarven, und das wiederum würde man als Erfolg bei der Aktion verbuchen. Kollateralschaden war Slava selbst gewesen - aber an der Stelle würde die Geschichte eindeutig sehr lang werden. Und unangenehm.
"...und es hatte was mit nem Baseballschläger zu tun und endete für mich mit mehr als einem Jahr im Krankenhaus, mehr als vier Monate Langzeitnarkose, danach im Rollstuhl. Überlebt hab ich, offenkundig... aber da hat's das erste mal gedauert, bis ich von dem Scheiß losgekommen bin."
Und es hatte ihn auch verändert. Allerdings nicht nur zum positiven.
"Ich war in Afghanistan und Tschetschenien.... kurz, ging aber auch gegen die Yankees..."
Eine kleine Revanche und er zwinkerte. Wobei ihm die despektierliche Bezeichnung mit 'Iwan' eigentlich egal war. Für ihn waren diese abwertenden Begriffe aus häufigen Namen... oder Lebensmitteln, entlehnt, mehr mit alten Filmen verknüpft als mit der Realität.
'Tommys', das waren die Engländer und 'Krauts' die Deutschen, 'Spaghettis' die Italiener... Und seine Leuten 'Iwans'. Aber eben: nur noch in Filmen.
"...mein längster Einsatz 13 Jahre lang, bis mich das Portal erwischte, war in einem Katastrophengebiet einer Sperrzone, die eingerichtet wurde nachdem ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen ist. Danach wurde es dort irgendwie kompliziert." die knappe Erklärung. Alles zu erzählen hätte sie vermutlich wieder nur überfordert, vor allem, weil sie sich sichtlich entspannte, vermutlich das erste Mal seit dem Absturz.
Nur schien sein Gast nun Schwierigkeiten zu haben, hochzukommen. Er hätte ihr geholfen, reagierte aber zu spät, schließlich entschied sie, liegen zu bleiben.
Der Steinboden war zwar kühl, aber im Sommer nicht zu kalt, warum also nicht.
Langsam und mit bedachten Bewegungen ließ er sich neben sie sinken. Lehnte sich mit dem Rücken an die Zuberwand und zog den Mantel enger um sich.
Wie oft hatte er mit einem der Jungs in der Zone irgendwo gesessen, meist im großen Aufenthaltsraum der Wohnung in Pripyat, in der sie residierten, wo die Server standen und von wo aus sie die Kommunikation ihrer Einheit überwachten, PDAs mit Peilsendern trackten... die ganze Technik war dort aufgehoben und sie waren das Gehirn der Operation 'Nachtwache'... dort saßen sie unter den Panzerglasfenstern an die Wand gelehnt und tranken Vodka oder Cognac oder was es gerade gab. Mit Lew, mit Schura oder Viktor, Valentine... Verdammt.
Amir... zu viele hatten hier schon ihr Leben gelassen, noch mehr zuvor in der Zone.
Wortlos nahm er zwischenzeitlich den PDA und aktivierte ihn wieder. Sie war auf den Knopf gekommen, der das Display deaktivierte.
"Spielt auch Musik." allerdings kaum amerikanische. Ein paar seltsame Rap Songs hatte er gefunden und gleich gelöscht gehabt. Er fand dafür etwas von KINO, irgendwie nahm er an, dass das am wenigsten Kulturschock auslöste. Gitarre und Schlagzeug, kaum Synthesizer und Nachbearbeitung, wie es heute normal war.
Er fand
'группа крови', (Blutgruppe). Zoi sang von der Blutgruppe am Kragen und der Personalnummer, und 'Wünsch mir Glück'. Es war klar, dass es um den Krieg ging. Über das Elterliche Schlafzimmer lachte er.
"Bilder, die ich nicht mehr loswerde hab ich genug für mehrere Leben, auch ganz ohne die Eltern beim Sex gesehen zu haben."
War ihm nie passiert, zum Glück. Vielleicht hatten seine Eltern auch tatsächlich nur ein einziges mal den Beischlaf praktiziert? Aber umgekehrt war es sehr wohl passiert, fast. Der arme Oleg, ein Kollege, hatte ihm einmal erwischt, mit der Sekretärin seines Chefs in deren Vorzimmer. Und es war ihm nicht einmal wirklich peinlich gewesen. Eher...
Wieder einmal drifteten auch seine Gedanken ab. Aber auch er entspannte sich.
Er vermisste die Zeit damals. Es war gefährlich gewesen aber einfacher: Für ihn, der es gewohnt war mit viel Technik zu hantieren, jede Information jederzeit zur Verfügung zu haben, in Echtzeit Nachrichten zu empfangen. Und jetzt saß er hier und war selbst nicht weit davon entfernt, irgendetwas einzuwerfen Notfalls Fisstech, denn es brachte Zuversicht, unnatürliche, aber es war doch auch egal oder? Er schloss selbst kurz die Augen, atmete tief durch und rief sich sein Versprechen Jarel gegenüber wieder ins Gedächtnis. Wobei es eigentlich keine
Der PDA spielte weiterhin etwas blechern Musik, aber bei KINO tat das kaum einen Abbruch.
Als nächstes kam
'Пачка сигарет' (Packung Zigaretten), auch ein Klassiker. Wenigstens nicht Ljube, das war dann doch immer ein wenig zu patriotisch für Ausländer. Valentine hatte immer die Nase gerümpft, während er mit Kino immer gut klar kam.
"Du wurdest also abgeschossen? Wurdest du schwer verletzt?" hakte er ein.
Vielleicht würden sie die ganze Nacht hier sitzen. Vielleicht.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Freitag 22. Dezember 2023, 09:34
von Pandora
Jordan rollte sich auf die Seite, den Kopf auf dem angewinkelten Arm, als Sokolov anfing von seiner Agentenstory zu erzählen. Nur schade dass die Realität so selten mit der Fiktion zusammen passte und am Ende der Held tot war. Oder verkrüppelt. Ihre Augen wurden allerdings größer - nicht wegen der Erwähnung von Ländern in denen er gekämpft hatte, sondern wegen des explodierten Atomkraftwerks. Atomkraft war doch sicher und die Errungenschaft der energiehungrigen Menschheit. Hatten diese Hippies mit ihren dauernden Parolen gegen alles doch Recht?
Ihre Augen folgten ihm, als er sich etwas hüftsteif neben ihr nieder ließ und sie überließ ihm das kleine Gerät. Spielt auch Musik - schon fing es an und ihre Gedanken sprangen weg von nuklearen Katastrophen, hin zu der kleinen Dose. Klang... poppig. Sie nahm es zurück, drehte sich wieder auf den Rücken und das Kästchen in den Händen, hielt es sogar ans Ohr. Ganz nebenbei bemerkte sie:
"Im linken Fach sind Diaz und Oxys drin. Entspannt auch den Rücken.", während sie mit den Nägeln wieder an dem Gehäuse rum knibbelte. Eine Unart von ihr. Sie demontierte während Briefings auch meistens alle verfügbaren Kugelschreiber.
"Ich würd's gern aufmachen...", sinnierte sie dabei in einem Tonfall, der an einen gewissen blauen Doktorfisch aus Jordans cineastischer Zukunft erinnerte. Sie schüttelte die Box, betrachtete dann wieder den Bildschirm.
"Genau genommen bin ich kein Yankee. Ich komme aus Texas.", quittierte sie etwas verspätet seine Retourkutsche. Gedankenverloren wischte sie auf dem Gerät herum und wechselte wohl den Ordner, auf jeden Fall spielte plötzlich ein anderes Lied.
Полина Гагарина - Кукушка Sie verstand den Text nur in Teilen.
Liegen wie ein Stein oder brennen wie ein Stern.
Hand. Faust. Verstand.
So viel, was sie nicht übersetzen konnte, aber es war ganz nett anzuhören und bevor sie noch wieder was änderte, legte sie das Gerät zwischen sie beide auf den Boden, wo es weiter dudelte, als säße die Sängerin in einer Blechdose.
"Ausbildung in Lackland - dann Kuba - dann Vietnam.", vervollständigte sie ihre Liste. Ein bisschen wie dieses Kartenspiel, bei dem man sich gegenseitig PS, Hubraum oder sonst was um die Ohren warf und der bessere bekam die Karte des anderen.
Zu den Eltern lachte sie kurz. Es klang belegt, als müsste sie sich mal räuspern, was sie aber nicht tat. Klar war das nur ein dummer Spruch gewesen. Aber sie dachte lieber an vögelnde Eltern als an verbrannte Kinderleichen.
Stopp. Kurz blinzeln. Ein leichtes Zucken des Kopfs.
Zurück zu den Fickern.
Und zum abgeschossen werden.
"Weißt du, die von der Navy, die können wenigstens noch versuchen zu schwimmen. Oder die Army, die laufen wie die Hasen wenn's ihnen zu brenzlig wird. Aber wir, wir können nur fallen. Abspringen und hoffen. Das der Fallschirm aufgeht, das Flugzeug nicht explodiert, unten kein Hai wartet ... oder ein Schlitzauge mit ner Knarre. Ich hab nich' mal ne Knarre, nur ein Messer und meine große Klappe." Zumindest diesmal nicht. Im Einsatz, klar. Acht Schuss und ein gezielter Wurf oder so ähnlich. Sie überlegte kurz.
"Die F-4 war 'ne beschissene Entscheidung, das hab ich dem Colonel so oft gesagt. Und dann haben sie sie umgerüstet und aus dem zahnlosen Tiger eine bewaffnete Mastgans gemacht." Ein Thema, über das sie sich normalerweise in Rage reden konnte, aber die chemischen Dämpfer in ihrem Hirn ließen gerade keine Rage zu, ebenso wenig wie das ewige Abwägen, was sie sagen konnte und was nicht.
Jordan verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
"Ich gehöre zu den besten Piloten der Airforce. Ich war Top Gun Ausbilder und später Ausbilder bei den Red Eagles. Ich kann fliegen. Aber ich weiß auch, was ich nicht kann. Niemand vom Kommando auf diesem scheiß Schiff wollte hören, was ich zu sagen hatte, obwohl das Flugdeck jeden Tag leerer wurde. Dann hat's mich erwischt und sie haben uns aus dem Wasser gefischt und ich hab dem Colonel den Arsch aufgerissen. Er hat mir angedroht mich vors Kriegsgericht zu bringen, aber dann haben sie doch angefangen was zu tun." Die Antwort verborgen im Durcheinander ihrer Erinnerungen: Nein, sie war nicht verletzt worden außer vielleicht in ihrem Stolz.
"Viel zu spät."
Sie schnaufte, dann lachte sie wieder auf diese raue Art, das man meinte, sie müsste sich mal räuspern oder husten, was aber wieder nicht passierte.
"Ich hab in der Regel mehr Glück als Verstand und jetzt kommt der Witz: was den Krieg für mich beendet hat, war so groß." Sie deutete mit Daumen und Zeigefinger etwa einen Zentimeter an.
"In diesem Dschungel will einen einfach alles umbringen. In meinem Fall eine Malariamücke. Ich lag ewig im Krankenhaus, dann Flugtauglichkeit wiederherstellen und trallala." Sie schwieg eine Weile.
"Das beschissene am Abstürzen sind die Flashbacks. Und die tausend Tests mit denen sie einen echt mürbe machen. Ob man noch tauglich ist oder schon durchgeknallt. Wie soll man das bitte überstehen? Jeder nimmt irgendwas, damit er weiter fliegen darf. Immer schön die Karriereleiter hoch." Sie kam von Hölzchen auf Stöckchen, von Arschbacken auf Kuchenbacken, und merkte es nicht mal.
"Wie soll man da sonst mithalten." Vor allem als Frau. Sie sprach es nicht aus, aber es klang wohl schon irgendwie mit. Dieser hart schwanzdominierte Militärwelt hatte Jordan so oft psychisch fertig zu machen versucht, dass sie sich manchmal wünschte, die Pimmelträger würden das auch einfach mit einem Baseballschläger lösen. Dann wüsste man wenigstens woran man war. Das war was echtes, aber soviel Respekt zeigten die Männer dem Störenfried mit Titten in ihren Reihen nicht mal.
"So. Und in der Zukunft? Kann man also Tote zum Leben erwecken, wie sie in den Science Fiction Büchern schreiben? Oder wie überlebt man es, gestellt, gefoltert und zerschlagen zu werden? Wie überlebt man ein explodierendes AKW? Ich bin grad bisschen langsamer, sorry." Diesmal drehte sie nur den Kopf und sah Sokolov unter halb geschlossenen Lidern an. Dann grinste sie plötzlich.
"Vielleicht bin ich ja abgesoffen und das hier ist sowas wie die Vorhölle."
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Freitag 22. Dezember 2023, 12:27
von Vyacheslav Sokolov
Sie bekam beim Atomkraftwerk große Augen.
"War nicht die erste große Havarie. 1986 Chernobyl in der Ukraine, 2011 Fukushima in Japan. Nur bei uns ist noch etwas anderes passiert, schwer zu erklären, außer jetzt mit Magie. Es tauchten Monster auf anderer unerklärlicher Kram. Ganz ähnlich wie hier.... Und nicht jeder Russe heißt 'Iwan' manche heißen auch Alexej oder Sergej." und Slava zwinkerte. Manche Namen häuften sich tatsächlich in erschreckender Weise.
Der PDA spiele 'Kukuschka' in einer neueren Coverversion.
"Nicht aufmachen, sonst ist es hin. Ich habe nicht mehr viele davon. In meiner Zeit sind diese Geräte nicht dafür gemacht geöffnet zu werden. Man sieht eh nichts. Nur Chips und Leiterbahnen. Ich hab aber noch einen der kaputt ist, den kannst du zerlegen."
An den Schwanzvergleich per Trumpfkarten dachte Slava auch. 'Mein Haus, meine Yacht...' Er hielt aber nicht dagegen. Apropos... Er hätte auch viel lieber über spaßigere Themen nachgedacht. Wie lange war es her...
"Vielleicht ein Glück, dass ich zu groß war zum Fliegen... Noch schlimmer ist es nur in den U-Booten."
Er dachte kurz an Lew, ein Cousin von ihm war Kapitän gewesen und umgekommen. Allerdings lange bevor er ihn getroffen hatte. Nur den Namen kannte er damals eben schon aus den Nachrichten und hatte daher nachgefragt.
Und er griff nicht einmal die Vorlage auf, weder zuvor noch jetzt, dass die amerikanischen Bomber, um es vorsichtig auszurücken, nicht das beste waren was der Flugzeugmarkt zu bieten hatte. Weder damals noch heute. Wartungsintensiv, selten einsatzbereit... Andere Inhalte zogen seine Aufmerksamkeit deutlich mehr an.
Dass hinter allem was sie schilderte immer ein
'...als Frau und das in dieser Zeit...' stand war Slava überdeutlich bewusst. Seinen Respekt hatte sie jedenfalls, die hatte Nüsse. Sie gefiel ihm immer mehr. Ob sie Beute gewesen war... oder wäre, hätte er nicht Jarel gehabt... wer weiß. Aber er konnte sich gut vorstellen, sie Kamerad zu nennen. Er verstand sie viel zu gut dafür.
"Ich mach dir keinen Vorwurf." Tat er wirklich nicht.
Diazepam und Oxycodon. Letzteres war genau war er gerade wollte. Fuck. Nahuj Bljad.
Er wollte nicht, und wollte doch. Es war kein verdammtes Fisstech, von dem man nie wußte wie die Konzentration gerade ausfiel. Es waren normale Schmerzmittel wie man sie von Arzt bekam. Kontrollierbar...
Und noch während er sich das ganze schön redete nahm er tatsächlich eine Tablette. Irgendwie wanderte sie ganz automatisch in seinen Mund. Nur einmal wieder schmerzfrei schlafen, einmal wieder am nächsten Tag aufstehen und sich nicht fühlen wie 80. Sogar sein alter Vater bewegte sich zuweilen gewandter als er.
"Wem sagst du das. Wenn ich nicht bei der Reha war, dann war ich beim Psychologen. Die können einen fertig machen... dabei..." und wieder grinste er.
"...hab ich ja selbst nen Abschluss in Psychologie. Braucht man für meine Laufbahn. Hat mir nicht geholfen, dass sie mich als Psycho abstempeln."
Und während er drauf wartete, dass es sich besser anfühlte.
"In meiner Branche kann man auch nicht einfach weglaufen. Am Anfang Spezialeinheit... du gehst da hin wo die anderen vorher schon getürmt sind um aufzuräumen was sie liegen gelassen haben. Und später Undercover."
Aber die meisten Einsätze taugten auch wieder einmal mehr für die Vita des Schurken als für die des Helden. Kurz überlegte er, ob er von dem Einsatz 2006 erzählen sollte.
Damals hatte es angefangen, er war der einzige überlebende, Befragungen die er nur nicht Verhör nannte, weil er im Training unter der Oberbegriff schon schlimmeres erlebt hatte. Hatte er fahrlässig gehandelt, täuschte er die Amnesie nur vor, klebte an seinen Händen Blut? Das der eigenen Kameraden... damals hatten sie ihm alles zugetraut und dieser Makel war in Form eines Berichtes auch nie aus seiner Personalakte verschwunden.
Bis heute wusste es keiner ganz genau und erst die Hypnose durch Cyron hatte etwas davon ans Licht gebracht, was ihm damals widerfahren war.
15 Jahre zu spät.
Es war zuviel für diesen Abend, ein anderes mal.
Auch seine Gedanken begannen schon friedlich zu plätschern wie ein Bach anstatt wie Strudel der einen immer weiter in die Tiefe zog.
Dann ein Gedankensprung.
Konnte man Tote zum leben erwecken... Er war schon weit weg von seiner Behandlung und in der Zone.
"Tote nicht, aber dort... in der Zone, dort wurden Körper am Leben erhalten, die viel zu schwer verletzt waren um sich noch zu bewegen, das Hirn der Männer war... so gut wie tot bis auf die rudimentären Funktionen. Sie konnten nur noch vorwärts gehen und brüllen und manche konnten noch den Abzug drücken. Man musste sie schon so kaputt machen dass sie sich auch nicht mehr rühren konnten... was das bewirkte hat, eine Strahlungsquelle. Verdammte Zombies hat es aus ihnen gemacht! Es hat auch Kameraden erwischt... Ich habe so verdammt viele Leute verloren."
Es war schon wieder viel zu viel
Wie überlebte man die Explosion... Hatte er doch von 2006 erzählt und es wieder vergessen?
"Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich wirklich überlebt habe."
Oder doch die Folter?
Der PDA spielte mittlerweile
"Би-2 — Лётчик" deutlich Elektrolastiker. Es ging um einen abgestürzten Piloten... Irgendwas war mit ihm und der Musik. Es tauchten immer wieder die passenden Songs auf, als versuchte jemand sein Leben mit einem Soundtrack zu versehen. Oder in dem Fall das von Pandora.
"Die Medizin ist weit. Sie haben alles wieder zusammengeschraubt was gebrochen war und irgendwie haben sie mich durchgebracht."
Bis heute war er nicht ganz sicher, ob das gut gewesen war. Sicher, er hing am Leben, aber die Schmerzen... die jetzt langsam wegflossen, er wollte sich noch nicht bewegen, aus Angst es könnte doch nicht wahr sein.
"Vorher... Es sind viele gestorben. Später ist etwas passiert..."
Dann ließ er sich ein wenig weiter an der Zuber wand hinabgleiten und legte sich auch hin. Achtete nicht mehr darauf, dass der Hausmantel wirklich alles verdeckte.
"...aber ein anderes mal, das wird zu viel für heute. Du bist gerade erst in diese Welt gefallen, und ich erschrecke dich mit Horrorgeschichten aus meiner Heimat... Das hier... Das kann Segen oder Fluch sein... ich kann es nicht sagen. Ich habe es mir auch nicht ausgesucht. Man muss das beste draus machen... klingt auch abgedroschen. Ich versuche es, aber... es ist so nervtötend langsam hier, bis man an wichtige Informationen kommt, und die Medizin ist hinterm Mond. Man kann an einem kaputten Zahn sterben weil es keine Antibiotika gibt. Und wenn man versucht etwas zu ändern landet man schnell auf dem Scheiterhaufen. Ich gebe mir Mühe, aber ich kämpfe gegen Windmühlen. Es ist einfach oft so frustrierend... auch wenn ich freundliche Menschen getroffen habe, wie Novka... oder... Jarel... Ich will dir helfen, wirklich... so gut ich kann."
Vielleicht machte ihn das Medikament auch ein wenig rührselig.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Freitag 22. Dezember 2023, 20:49
von Pandora
Er machte ihr keinen Vorwurf.
Komisch. Wieso sollte er auch? Was ging sie ihn an? Oder ihre Pillen. War doch ihr Problem, nicht seins. Immerhin kannten sie sich gerade mal einen Tag. Nicht mal. Er war zu dem Thema los geworden, was er los werden musste, sie hatte es mehr oder weniger nachhaltig abgespeichert. Jordan überlegte kurz, ob ihre Worte nach Rechtfertigung geklungen hatten. Naja, ein bisschen vielleicht.
Dafür drückte sie ihm auch keinen Spruch, als der Blister knackte und die Tablette ihren Weg nahm. Er war der, der eben noch meinte, sauber zu sein. Aber mal ehrlich, wer kam von dem Stoff schon jemals ganz weg, wenn ihn nicht irgendwas dazu zwang und wenn es das Fehlen eben dieser Mittel war? Jordan beobachtete Sokolov, während er erzählte und erzählte und gar nicht mehr aufhörte. Und ganz entgegen ihrer Natur schwieg die Pilotin sogar einfach und ließ ihn reden. Hörte sich eh alles an wie Alpträume geschaffen von einem umwölkten Gehirn. Da war sie wieder: die Russen soffen also doch alle ständig und dann kam so ein Zeug dabei raus.
Wenn er nur nicht so überzeugend wäre dabei.
Und was meinte er mit Zombies? Dem Tonfall nach nichts Gutes und die Beschreibung davor klang tatsächlich grausam. Man schießt und die laufen einfach weiter - so oder so ähnlich geisterten diese fremden Wesen kurz durch Jordans Vorstellung. Kameraden. Auf Kameraden hatte sie bisher nie schießen müssen außer im Training. Da machte sie sowas dauernd, aber es war eben Training.
Lebten sie beide nicht mehr und erzählten sich in der Zwischenwelt ihre Geschichten, damit sie später vor dem Richter wieder wussten, wofür man angeklagt wurde?
"Wiegt ein Kamerad schwerer als eine Bauernfamilie?" Sehr leise, über die Musik fast nicht zur hören. Hatte sie überhaupt gesprochen? Nur kurz flackerte das Reisfeld vor ihrem inneren Auge auf, dann spülten die Blues das Bild zuverlässig fort. Jordan blinzelte einmal sehr langsam, wobei sie die Augen so lange schloss, dass es fast wirkte, als wolle sie einschlafen. Komischerweise war sie sehr wach, wenn auch etwas milchig im Kopf. Wie kam sie auf solche Vergleiche? Er hatte nur 'verloren' gesagt, sie hatte selbst den Finger am Abzug gehabt.
Als der Soldat an der Zuberwand hinunter rutschte, stammte Jordan sich erst auf die Arme und dann in eine halbwegs sitzende Position, direkt neben ihm. "Das Fegefeuer hab ich mir immer anders vorgestellt. Heißer und weniger hart.", maulte sie und rutschte etwas herum. Ihre Schulter berührte so gerade eben nicht seine. Sie stellte das ihm abgewandte Beine an und umfasste das Knie mit beiden Händen.
"Ich verrate dir ein Geheimnis.", flüsterte sie mysteriös und kippte den Kopf dabei ein wenig in seine Richtung. "Ich bin kein kleines Mädchen. Man kann mich nicht so leicht erschrecken." Und er hatte Glück, dass sie voll auf Blues war, sonst wäre sie gerade gleich mal ordentlich geplatzt. Er wäre überrascht, wie abgebrüht sie tatsächlich war - oder auch nicht. Was wusste sie schon von dem Typen? So wenig wie er von ihr. Sie sah einen Kerl von den Ivans, Speznas oder schlimmeres und er sah irgendeine Yankee-Frau, die zufällig einen Flugschein hatte. Oder Schlimmeres.
Helfen wollte er ihr. Ach scheiße, langsam lief der Motor ihrer Abwehrmechanismen doch an, wie immer wenn sie das Gefühl hatte, irgendein Typ musste dem Mädchen die Hand halten, weil es sonst in Ohnmacht fiel oder völlig orientierungslos durch sein Leben irrte. Erschreckt. Nicht vergessen.
Fast hätte sie geglaubt, er wär anders. Aber naja, man wurde am wenigsten enttäuscht, wenn man keine Erwartungen hatte. Jordan zog die Nase hoch und dann ihr Matcho-Grinsen an.
"Ich bin schon groß, weißt du, und an Starthilfe mit dem Katapult gewöhnt. Endet schon mal im kalten Wasser, aber - noch ein Geheimnis - ich löse mich nicht auf, fange nicht an zu heulen und schwimme in der Regel. Soll heißen, ich komm schon klar." Sie atmete einmal durch, bremste gedanklich wieder ab ohne wirklich Schwung geholt zu haben. Zu Wort kommen ließ sie ihn allerdings auch nicht. "Novka ist ein nettes Mädchen. Ein bisschen schnell dabei die Probleme anderer zu ihren eigenen zu machen, aber sonst ganz süß. Und wer ist Jarel? Die Frau, die zu diesem Ring gehört? Schläft sie oben und macht uns gleich eine Szene, wenn sie mich hier mit dir erwischt? Ich mein, ich geb mir gern Mühe, aber als Saufkumpel geh ich vermutlich nicht durch.", wechselte sie dezent das Thema. Ihr war langsam auch nicht mehr so richtig nach Trübsal blasen. Erfahrungsgemäß konnte das bei diesen Mittelchen einen ganz schönen Abwärtsstrudel geben.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Samstag 23. Dezember 2023, 11:09
von Vyacheslav Sokolov
Was wog schwerer, Kameraden oder Bauernfamilie?
"Man sollte gar nicht in die Situation kommen den Wert von Leben gegeneinander abzuwiegen."
Er wandte sich ihr mehr zu, den Kopf auch auf den Ellbogen gestützt und beobachtete sie.
Für die Die Veränderung in ihrem Tonfall war er gerade ganz besonders sensibel.
"Und es hat nichts damit zu tun, dass du eine Frau bist... wobei ich mir da nicht einmal ganz sicher bin, jedenfalls hast du dickere Eier als viele Kerle, die ich kenne. Es geht darum, dass du eine Reisende bist aus einer Zeit, die sich von der hier grundlegend unterscheidet und auch was in meiner Welt passiert ist, ist dermaßen fremd, das muss dosiert aufgenommen werden. Und ich habe jedem Fremden aus anderen Welten hier Hilfe angeboten, Elfen, Menschen... Und anderen. Einfach weil ich in der Position bin zu helfen."
Bei 'und anderen' hatte er 'Dämonen' sagen wollen, aber das klang einfach so sehr nach Fantasy.
"Ich trau dir sehr wohl zu, dass du jederzeit auch alleine klar kommst, aber es ist leichter wenn man zusammenhilft. Vielleicht brauche ich ja irgendwann deine Hilfe. Und Ja, Novka will überall dabei sein und alle Probleme lösen... aber das ist besser als die meisten Wächter, die lieber ersteinmal wegsehen wenn jemand ausgeraubt wird oder im Hinterhof massakriert. Da ist sie mir 100mal lieber. Und was die Zone angeht... das ist ein abendfüllender Vortrag und komplex... Das meiste verstehe ich auch nciht und kann es nur beschreiben. Für heute ist das einfach zu viel. Nicht weil ich dir nicht zutraue damit umzugehen, sondern weil es mir für diesen Abend zu viel ist. Ich rede zu viel, oder?"
Er war entspannt, die Schmerzen hatten nachgelassen und er würde sogar alleine und ohne Hilfe aufstehen können. Vielleicht hielt die Wirkung ja lange genug und er würde auch die Begegnung am nächsten morgen mit den Hexern nicht wie ein alter Mann bewerstelligen. Die Hexer frustrierten ihn jedes Mal wenn er mit ihnen zu tun hatte. Beide über 90, angeblich, Geburtsurkunden gab es ja keine, aber sprangen herum wie mitte 30 und wenn auch zerschrammt so waren sie doch topfit. Er spürte jede Verletzung und jede Narbe die er sich zugezogen hatte. Er war körperlich... er musste fast Krüppel sagen. Wenn er etwas einwarf oder magisch unterstützt einen guten Tag hatte konnte auch er wieder ein Lager mit Nifgardern niedermachen, aber ohne diese Hilfe mußte er froh sein wenn er alleine aus dem Bett kam.
Den Gedanken schob er ersteinmal weit weg.
Ein Geheimnis.
"Und ich verrate dir auch etwas. Ich glaub dir. Ich sehe, dass du ordentlich Schnied hast. Die Zone, diese Sperrzone ist ein grausamer Ort und sie macht alle grausam, die darin überleben wollten. Und ich habe sehr sehr lange überlebt. Da ist vieles worauf ich nicht stolz bin. Ich will jetzt einfach nicht darüber reden. Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt. Vielleicht auch nicht."
Auch ihm war klar, dass man sehr schnell in dieses Fahrwasser geriet und gerade er. Er kramte dann alles hoch, wirklich jede wiederliche Tat, die ihn zu einem verachtenswerten Wesen machte. Aber nicht jetzt, nicht hier.
Jarel gegenüberr hatte er schon versucht sich zu demontieren, der kannte alle Details...
Und warum hatte sie nur das Thema Sex in sein Gehirn gepflanzt. Eine unbedachte Äußerung über elterliche Schlafzimmer. Und dann... Machte sie das absichtlich?
Und wie sie so nebeneinander am Boden lagen.
Es hätte romantisch sein können.
"Wir können ja nach oben gehen, dort gibt es ein Bett und auch ein Sofa. Und das Bett ist groß genug, wir müssen uns nicht zu Nahe kommen. Es ist aber sicher bequemer als das Sofa." lenkte er schnell ein, weil er befürchtete, dass sein Gehirn einen Weg finden würde, das, was er dachte auch auf die Zunge zu bringen. Dabei wollte er sie wirklich nicht angraben.
Aber was sprach sie auch von heiß und hart... Das die das Fegefeuer meinte war zunächst ausgeblendet. Er blendete es wieder ein um aus dem Fahrwasser weg zu kommen.
"Ich kenne sogar einen Dämonen... und es gibt so etwas wie Vampire... vermutlich sind wir wirklich in der Vorhölle." lachte er.
"Aber im ernst... gehen wir nach oben, ehe sich doch noch einer von uns verkühlt. Und es gibt keine Frau namens Jarel. Davon kannst du dich auch gerne überzeugen. Ritter Moore ist..."
Fuck, was? Nur ein Kollege...? Wollte er es leugnen? Wollte er wirklich jetzt damit anfangen? Er wollte doch offen dazu stehen.
"Mein Lebensgefährte. Ja, zu ihm gehört der Ring." gab er schließlich zu.
Und musterte sie. Ein Russe und schwul. Bei Maximilien hatte dass für einen akuten Ausbruch von Heiterkeit gesorgt. Er war nun umso mehr gespannt auf ihre Reaktion.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Mittwoch 27. Dezember 2023, 20:07
von Pandora
"Muss man immer. Und wenn es das eigene gegen ein Fremdes ist.", hielt sie dagegen. Dann schlich sich Skepsis in ihren Blick und das Grinsen verlor sich allmählich. Was schaute er jetzt so?
"Analysierst du mich grad?" Sie hatten es ja von den Psychologen gehabt, zu denen er per Studium angeblich gehörte, und auch Jordan hatte schon mit genügend Seelenklempnern zu tun gehabt. Hatte vor Wachsstiften gesessen und IMMER fehlte der schwarze Stift. Der, nach dem niemand fragte, der seinen Job behalten wollte.
Ihre Antwort war kein Ja, sondern eine Einschätzung und Erklärung, mit der er sie tatsächlich etwas besänftigte. Ihre Gedanken wieder auf andere Wege brachte. Er wollte nicht darüber reden, nicht wegen ihr, sondern wegen sich selbst. Gut, sie hatte eigentlich auch nicht gemeint, dass er sein Leben vor ihr ausbreiten sollte. Ihr Einwand war eher grundsätzlicher Natur. Man musste sie nicht vor der Welt beschützen, das hatte Novka auch schon gemeint tun zu müssen. Aber gut, Schwamm drüber. Ein fast zu übersehendes Nicken.
Was anderes denken.
Psycho. So hatte er sich selbst genannt. Verspätet fiel ihr das wieder ein. Sie war grad wirklich langsam im Kopf.
Psycho. Wer dachte da nicht zuerst an einen Duschvorhang und den Schatten eines Messers? Und dann diese Musik. Streicher auf LSD.
Psycho. Und nun feilte er weiter an diesem Bild einer Zone, in der nur überlebte, wer grausam war. Knallhart. Trotzdem machte es für die Pilotin keinen großen Unterschied zum Krieg. Überleben hieß Du oder Ich, um jeden Preis und selbst wenn der die eigene Seele war. Es erschreckte sie nicht. Sie war keinen Deut besser und lebte genauso damit. Sie waren Soldaten, es gehörte einfach zur Jobbeschreibung, moralisches Zwiedenk zu beherrschen. Gerade wenn man wie sie Befehlsempfänger war. Ausführendes Organ. Exekutive mit Flügeln und Maschinengewehr.
Jetzt lächelte sie sogar und grinste dann regelrecht. "Ja Mann, du solltest echt Pastor werden, so viel wie du quatschst." Sie stemmte sich ganz hoch, in eine nahezu sitzende Position. Das sein Angebot, nach oben zu gehen, so zweideutig war, dass es schon wieder eindeutig wurde, störte sie nicht im Mindesten. Sie überging es schlicht für den Moment, obwohl es sogar dafür sorgte, dass sie sich fast wohl fühlte, weil damit irgendwie alles im normalen Bereich angekommen war. Sie war schon so lange Teil einer Männerwelt, dass sie selber andauernd mit dem nicht vorhandenen Schwanz dachte. Witze machte, die eine Lady wie ihre Mom erst erbleichen und dann zornrot anlaufen lassen würden.
"Für unmoralische Angebote bin ich noch nicht stoned genug. Aber die Couch nehm ich gern." Sie lachte, nicht mal verlegen. Zusammenhalten hatte er gesagt. Scheiße, sie dachte echt grad nur an Sauzeug.
Und dann packte er den Hammer des Abends aus. Jarel war keine Frau und oben drauf ein Ritter. DIESE Ritter?, fragte da gleich ein Stimmchen in ihrem Kopf. Die, die hier jeden anzünden, der nicht ins Schema F passte? So Schwule zum Beispiel? Das war von all den Informationen der letzten Stunde wohl die, die am meisten an Jordans Sozialisierung und dem sauber gezimmerten Männerbild ihrer Zeit rüttelte. Oder beidem besser gesagt eine Nase drehte.
Bääääh - damit hast du nicht gerechnet JJ.
Jordan blieb trotzdem ruhig (nichts anderes war noch möglich, so stark war die Dämpfung in ihrem Gehirn gerade). Ruhig und plötzlich wieder versöhnt. Schon komisch. Manchmal begegnete man Leuten und obwohl anfangs alles dagegen sprach, dass man zueinander passte, passte es auf geheimnisvolle Weise trotzdem. Nicht im Sinne einer erotischen oder romantischen Beziehung. Jordan hatte für beides nicht wirklich Sinn oder Motivation, sondern eher auf einer pur menschlichen Ebene. Ich und du, ohne er, sie oder es. Menschen. Lebende Wesen. Zwei mal Verstand, Kopf und Herz, die irgendwie zusammen passten. Gleiche Wellenlänge sagten manche dazu.
Sie sah ihn von oben herunter an, forschend so wie er sie ansah. Seinerseits eher abwartend, was sie nun aus der Information machte. Zumindest nicht lachen, auch nicht angewidert weglaufen oder abwehren. Sie schaute nur gefühlt mehrere Minuten diesen Typen an, der sie irgendwie bewegte und das ganz im Gegensatz zu seinen Gedanken, nicht auf anrüchige Art. Und der etwas los trat. Tief in ihr.
Viel reden. Konnte sie auch, wenn einmal losgelassen von der selbst angelegten Kette.
"Meine Mom gab mir den Namen Mary-Ann, Jordan kam von Dad dazu. Sie hab ich mit meiner Art wahnsinnig gemacht, er hat mir Flügel gegeben. Ich hab vier Brüder, die mich alle irgendwann abgehängt haben. Selbst mein Kleiner. Also hab ich mit 17 meine Papiere gefälscht und mir von irgendeinem Hinterhofstümper Gebärmutter und Eierstöcke entfernen lassen. Die Infektion danach war irgendwie scheiße und nicht geplant, aber zu Hause gibt es ja Antibiotika. So'n Eingriff ändert ne Menge im Kopf und im Körper und so bin ich halt jetzt. Und bis heute der Meinung, dass Gott am Tag meiner Schöpfung die Pimmel ausgegangen sind." Wie so oft zog sie diese Verzweiflungstat mit einer Lächerlichkeit gerade. "Ich nehm auch Steroide für den Muskelaufbau, also pass auf, falls du nochmal an mein Päckchen gehst. Nicht dass dir ein zweiter Schwanz wächst." Pillen, die es hier ebensowenig gab. Ach verdammt.
Jordan zog das andere Bein auch noch an und legte die Ellenbogen auf den Knien ab, die Hände locker baumeln lassend. Selten das sie mal so frei über das Dilemma ihres Lebens sprach. Wieso gerade jetzt und genau mit diesem Kerl war schwer zu sagen. Vielleicht weil man bei Fremden weniger zu verlieren hatte, als bei solchen, für die man schon ein gewisses Bild gezeichnet hatte, welches man nicht zerstören wollte. Zumindest ging es ihr bei den Kameraden so. Da riss man zotige Witze, tanzte in ihrem Fall immer auf der Grenze von Sprüchen unter der Gürtellinie und unvorsichtiger Einladung. War ja gerade schon wieder passiert, aber das war eben so. Sie arrangierte sich damit, wusste im Zweifel wohin treten, wohin stechen und hatte für eine Frau Kräfte, mit denen Mann nicht unbedingt rechnete. Dazu wenig Skrupel diese auch einfach freizusetzen. Zaghaftigkeit war keins ihrer Attribute.
So machte sie sich keine Gedanken, wo das hier enden könnte.
Luft holen, den Kopf an den Zuber lehnen.
"Was ich damit genau bin, keine Ahnung. Meistens hab ich mich an die Konvention gehalten. Die paar Partner, die ich hatte, waren vermutlich eher homosexuell und auf der Suche nach jemandem, der nah genug ran kommt, ohne das es auffliegt. In Texas ist Homosexualität bis heute eine Straftat und wird hart verfolgt. Es gibt diese Bewegung von Frauen: Raus aus dem Wandschrank, raus auf die Straßen. Dagegen rennen die Konservativen Sturm und die Kirchen sowieso. Du sagst, ich hab Schneid, aber nicht bei sowas. Sei du gerne weiter so mutig. Ich lass es einfach sein, leb mein Leben. Fliege. Nicht fragen, nichts sagen. So läuft das bei unserm Militär." Was jetzt nicht mehr ging. Also fliegen. Scheiße.
Die Pilotin drehte den Kopf und sah den Mann neben sich wieder an. "Danke für's Angebot. Das hier ist sowas von ne Traufe, dass mir dazu langsam wirklich die optimistischen Gedanken ausgehen.", lenkte sie letzten Endes also wirklich ein, bevor sie einen Zeigefinger und die Brauen hob. "Wenn auch nicht die dummen Sprüche. Die. Niemals." Die gleiche Hand vollführte eine nachdrückliche Geste.
"Jetzt wissen Sie zu viel, Agent Sokolov." Sie zielte mit zwei gestreckten Fingern einer imaginären Pistole auf ihn und grinste. "Aber ich vermutlich auch.", drehte die Hand und lies die beiden Finger an ihrer Schläfe ruhen. Das sie Profi im Lügen und Vertuschen war, musste er ihr jetzt einfach zutrauen.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Sonntag 31. Dezember 2023, 17:05
von Vyacheslav Sokolov
"Jemand wie wir wurde dazu dressiert, das eigene Leben für das des Kameraden zu geben, das zählt nicht." er versuchte den Satz mit dem Ausdruck aus der Tierhaltung ironisch zu überziehen, aber genau so war es. Man bekam von Anfang an eingebläut, dass das eigene Leben nur ein Hebel war den man ansetzte und der Notfalls dabei brach, wenn es der Sache diente. Einmal Soldat, immer Soldat.
"Und ich stand auch vor dem Dilemma, dass Zivilisten als lebende Schutzschilde missbraucht wurden, nicht nur einmal. Man kann sich nur falsch entscheiden. Ich habe mehr als einmal getötet um andere zu schützen, auch von Angesicht zu Angesicht."
Man gewöhnte sich dran. Nicht einfach, nicht schnell, aber man gewöhnte sich. Und weil sie bei den Psychologen waren und das auch für ihn der Kontext gewesen war, warf er mit einem Grinsen ein:
"Musstest du mal dein Umfeld als Tiere aufstellen? Das hat einer der Gutachter mit mir gemacht. Plastiktiere, für Freunde, Familie, Partner, Kameraden und Vorgesetzte... so zum repräsentieren."
Er hatte damals alle als Nagetiere aufgestellt und kleine harmlose Wesen, Haustiere... Nur Markin hatte er als Ochsen aufgestellt, aber den Witz hatte nur er selbst verstanden, der Psychologe hatte das heillos überinterpretiert. Und für sich selbst hatte er den Dinosaurier gewählt. Vermutlich hätte er die Schlange genommen, wenn diese im Maßstab zu all den Kaninchen und Mäusen und Eichhörnchen nicht so klein gewesen wäre. Der Raptor schien ihm viel passender. Das hatte ihm aber noch 4 weitere Wochen Reha eingebracht, bis er sich eine unangreifbarere Konstellation ausgedacht gehabt hatte.
Pastor sollte er werden...
"In guter Sowjettradition kommt mein Beruf dem schon recht nahe."
Nicht stoned genug für unmoralisches... Er jedenfalls war entspannt genug um nichts mehr so richtig ernst zu nehmen. Allerdings blieb fast immer ein kleiner Rest Vernunft aktiv, wenn auch nur um meist ignoriert zu werden. Also... würde er mit ihr vögeln, wenn sie Bereitschaft signalisieren würde? Provozieren und Anspielungen machen und schlüpfrige Witze waren das eine. Aber würde er Jarel untreu werden? Wobei ein Fick zum Ablenken nicht gleich Untreue war... sie hatten nie darüber gesprochen... wobei, doch. Jarel hatte erwähnt, wie sehr es ihn immer verletzt hatte, dass dieser Illarion fremdgegangen war, selbst wenn er jedesmal zu ihm zurückkam... Er wollte Jarel nicht verletzen. Er hätte vermutlich eingelenkt. So aber musste er gar nicht.
Auf seine Outing reagierte sie ruhig. Er hatte es ihr recht schonungslos vorgesetzt. Das war manchmal seine Art. Einen derart kapitalen Happen einfach hinknallen und dann zukucken wer sich daran verschluckte und sich amüsieren. Jetzt war er jedoch nicht mehr amüsiert als sie es ihm mit barer Münze zurückgab. Einmal mehr wuchs sein Respekt vor dieser Person.
Dass ein Teil ihrer Ruhe den Medikamenten geschuldet war... er jedenfalls rechnete den Verdienst ihrem Charakter an.
Mit 17 schon...
Die Gebärmutter entfernt... hier schluckte Slava merklich. Damit hatte er nicht gerechnet, nicht mit einer solchen Aktion und nicht mit einer solchen Offenheit. Das war hart.
Und sofort setzte sein analytisches Denken ein. Wenn beides entfernt wurde...
Er war mit einer Ärztin verheiratet gewesen, einer Internistin, und auch wenn er wenig Zeit für die Familie gehabt hatte oder hatte haben wollen, ihren Schilderungen aus beruflicher Sicht hatte er immer aufmerksam zugehört. Aufmerksamer als ihr damals wohl bewusst gewesen war.
Aber er schluckte den nächsten Klugscheißerkommentar runter. Er dachte an Hormonersatztherapie und dass sie bald möglichst einen Alchemisten aufsuchen mussten.
Wieder blieb sein Blick bei ihr hängen. Da war etwas zwischen ihnen, das Freund und Feind verband...
Sein Herz schlug ihm wieder im Hals und kurz dachte er an einen weiteren Infarkt. das war es aber nicht. Er überlegte fieberhaft ob er noch eine weitere Enthüllung drauflegen sollte, eine, die er bisher nur Jarel anvertraut hatte als der ihm durch den Entzug geholfen hatte. Etwas, das er jetzt wieder torpedierte.
"Fuck... das ist übel... Dass es nötig war... Ich wurde etwa im gleichen Alter Opfer einer Vergewaltigung durch Kameraden... ist nicht unüblich in der Armee... Egal wie man es relativierte... Er redete zu viel, eindeutig.
"Scheiß Tragödien Quartett... Das Leben ist beschissen, aber ein anderes gibt es halt nicht..."
Jetzt irgendwie wieder die Kurve bekommen in eine andere Richtung.
"Und ja, eigentlich müsste ich dich jetzt auch erschießen."
Er richtete sich langsam auf, schneller als sonst oft, es war dermaßen befreiend, schmerzfrei zu sein...
"Denk nicht, dass ich in Russland ein Queer-Aktivist gewesen wäre. Ich war auf Linie und habe selbst Homosexuelle, Transsexuelle und alles was nicht eindeutig Mann und Frau war, verfolgt. Auch unsere Politik ächtet so etwas und es gibt Pläne, die solchen Aktivismus als Extremismus stempeln und ebenfalls unter Strafe stellen. Ich habe mich auch angepasst und mir war selbst nicht klar... oder besser, ich habe mich selbst ebenso belogen wie meine Freunde, meine Vorgesetzten und auch meine Frau."
Vielleicht hatte er die Untreue auch deshalb nicht übel genommen... Und wenn er noch zwei Puzzlestücke zusammenbrachte... Dass Oleg ihn erwischt hatte, dass er es war... er wollte es sich die meiste Zeit nicht erlauben dahin zu denken, aber wenn er ehrlich war, dann hatte er an Oleg immer viel größere Interesse gehabt... Fuck auch.
"Diese Welt ist kaum besser. Aber dass ich aus meinem sozialen Geflecht gerissen worden bin hat mich gewissermaßen befreit. Ich habe den Mut gehabt, hier die Partnerschaft einzugehen... die ich brauchte. Aber auch hier wird man verfolgt... nicht zuletzt vom Orden."
Jarel war bereist darüber gefallen. Wie tief, das würde sich noch zeigen, oder ob er einen Hebel fand, den er ansetzen konnte, oder ob er damit riskierte als Verräter gerichtet zu werden.
"Falls ich mal aus politischen Gründen eine Partnerin vorweisen muss, dann weiß ich an wen ich mich wende. Umgekehrt, wenn du mal jemanden zum vorzeigen brauchst..."
Er grinste dabei, aber es war Realität. Über kurz oder lang würde man sein Auftreten bei Empfängen erwarten und er hatte schon überlegt, wen er da vorbringen sollte. Novka sicher nicht. Sie könnte eher seine Tochter geben, oder den Sohn. die Alchemistin vielleicht, oder eben dieses Exemplar hier.
Und er bot ihr die Hand an. Nicht weil sie eine Frau war, sondern als Kamerad.
"Nun komm, gehen wir nach oben. Ich versprech dir auch dich nicht zu erschießen..."
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 4. Januar 2024, 12:15
von Pandora
Dressieren hatte er gesagt.
Dressieren wie einen Hund oder ein Pferd. Jordan glaubte nicht an einen Schnitzer in der Wortwahl, dazu sprach dieser Mensch ein zu sauberes Englisch. Sauberer als ihres jedenfalls. Zwar hatte sie sich in all den Jahren, in denen man mit verschiedensten Leuten aus diversen Bundesstaaten und Ländern zusammenarbeiten und auch über Funk verstanden werden musste, eine ziemlich klare Aussprache angewöhnt, aber hier und jetzt rutschte sie deutlich ins Texanische, wobei sie oft klang als balanciere sie eine heiße Kartoffel auf der Zunge.
Sie zog ihre Hundemarke aus dem Ausschnitt und spielte damit herum. Die eingravierten Zahlen und Buchstaben ihrer Dienstnummer konnte sie im Schlaf herbeten. W18 623.091.
Dressieren also.
Nein, das konnte sie so nicht stehen lassen.
"Mag ja bei euch so sein, aber als Soldat der Vereinigten Staaten von Amerika wird man ausgebildet, die Schwächeren zu verteidigen. Soldaten sterben, aber sie tun es für die Gerechtigkeit und stehen vor denen, die nicht kämpfen können. Freiwillig, weil das unser Job ist und weil Leute sterben, wenn wir den Job nich' richtig machen. Das ist eine Frage der Ehre, keine Dressur, Mann." Nette Gehirnwäsche. Als hätte sie nicht selbst oft genug auf die Vietkong geschossen, die sich unter Dörfern eingegraben hatten und bei denen man die Feinde und die Zivilisten nicht mehr auseinander halten konnte. Wer also "die Schwachen" waren, das definierte die Propaganda und die oberste Heeresleitung. In erster Linie beschützten sie das amerikanische Volk. Zum Beispiel vor Kommunisten mit Atomraketen. Oder solchen, die zu viel redeten.
Aber das Gespräch wanderte schon weiter, hin zu den Psychotests und Jordan lachte ihr raues Lachen, als er von den Tieren anfing. Dressieren. Tiere. Verdammter Zoo hier oder was? Ihr Colonel hatte über einen Haufen Marines, die wegen einer Verlegung auf der Airbase rumlungerten und sich mit Airforce-Leuten angelegt hatten mal gesagt: 'Nicht mein Zoo, nicht meine Affen', als es darum ging, Disziplinarmaßnahmen festzusetzen. Ein ganzer Zoo fiel Jordan also ein, als sie darüber nachdachte, wie sie bei so einer Aufgabe wohl wählen würde. Sofort dachte sie an Peach. Der wäre einer dieser kleinen Affen, die so flink herum hopsten, Sachen klauten und einem in den Finger bissen, wenn man diese wieder haben wollte. Lärmend und bissig und flink, aber irgendwie possierlich. Sie schüttelte den Kopf. "Ich musste immer malen. Und ich kann nicht malen.", und so wirklich umfangreich waren die Tests sowieso nie gewesen. Leicht zu durchschauen, wenn man den Doc kannte. "Kam immer mehr auf die körperliche Fitness an als auf die Psyche. Hauptsache, du kannst dein Gewehr schleppen." Ob du damit dann Amok läufts oder es dir in den Hals schiebst, interessiert im Grunde erst, wenn es passiert ist. Und bis dahin gibt es bunte Pillen. In den Zeiten, in denen Jordan lebte, brauchte das Militär jeden Soldaten und stellte durchaus weniger Fragen als das vielleicht in späteren, friedlicheren Zeiten der Fall war. Manpower war buchstäblich kriegsentscheidend, vor allem wenn man gegen ein Land agierte, das so verflucht viele Ressourcen in die Waagschale werfen konnte. Lebende wie materielle.
Und dann waren sie in dieses Bingo getrudelt - noch einen drauf und noch einen drauf. Hätte der Oberst den Klugscheißer nur raus gelassen... Dann würde sich Jordan wenigstens daran erinnern, dass es die Spritze, die alle paar Monate dafür sorgte, dass sie nicht zu einem migränegeplagten Nervenbündel wurde, hier auch nicht gab, und nicht erst wenn die unweigerlichen Veränderungen einsetzten, die mit dem Ausbleiben der Hormone kamen. Sie würde sich verändern, hier in dieser Welt und noch hatte sie zu viel Angst davor, darüber nachzudenken und noch mehr Angst vor den Fakten als solchen. Schön verdrängen, unter Pillen ersticken, bis es nicht mehr ging. Und dann...
Zeit. Noch war Zeit.
Nötig. War es nötig. Für ihr Seelenheil allemal. Ein Gewaltakt gegen sich selbst, aber wirklich nötig eigentlich nicht. Was wusste man schon als halb depressiver Teenager? Sie hatte eine impulsive Entscheidung getroffen und vergessen darüber nachzudenken, dass es vielleicht auch anders gegangen wäre. Bereute sie? Kein Stück. Dafür war sie zu sehr jemand, der immer nur nach vorne sah, auf das große Ziel. Sie brauchte ein Neues. Unbedingt.
Dann stolperten ihre Gedanken. Der Kerl machte sie echt fertig. Morgen früh würde sie dieses Gespräch bereuen, jetzt aber konnte sie sich nur ergeben. Äußerlich ließ sie den Kopf gegen den Zuber fallen. Der gab ein leises 'Tonk' von sich und Jordan schloss kurz, aber fest die Augen, als hätte Sokolov nach ihrer Nase ausgeholt und sie erwartete den Treffer. "Scheiße.", atmete sie dazu flüsternd aus.
Augen wieder auf und geradeaus auf diesen Typen, der gerade die Hosen runter ließ. Im übertragenen Sinne.
"Full House, Mann." Da konnte sie keinen mehr drauf setzen. Jordan hatte sich nie sexueller Übergriffe erwehren müssen und sich das immer vornerum damit erklärt, dass sie einfach kein Opfer war und sich auch nicht so platzierte. Aber die schnöde Wahrheit war ein Gesetz, das Frauen im Militär gleichstellte und schützte. Sexuelle Belästigungen bis hin zu einer Vergewaltigung waren das Einzige, womit sie ihre Kameraden und Vorgesetzten an den Eiern kriegen konnte und daran direkt vors Militärgericht schleifen. Das Resultat war ein gewisser Schutz vor dieser Form von Gewalt, im Umkehrschluss entstand eine perfide Kreativität, wenn es um andere Formen der Disziplinierung ging, sei es durch Vorgesetzte oder untereinander im Korps. Als Frau musste man viele Hürden nehmen, viele Härten ertragen - nur die eine nicht, die den Männern direkt als Boomerang wieder ins Genick schlug. Konnte man jetzt sehen, wie man wollte - Jordan war recht froh darum, aber sie konnte mit allem anderen auch umgehen. Sie war keine Zuckerblüte.
Die Pilotin blinzelte. Stimmt ja, er hatte Frau und Sohn erwähnt.
Wenn es einen raus riss, wird Man(n) also mutiger? Wie mutig sollte sie denn dann werden? Mutig genug sich ihren Ängsten zu stellen, von denen sie immer gedacht hatte, sie wären tief genug verbuddelt, dass keine davon je wieder auch nur einen Finger nach ihr ausstrecken konnte?
Und dann brachte er sie wieder zum Lachen. Das bekam er außerordentlich gut hin.
"Ich bin mir nicht sicher, ob du dich nicht lieber gleich als Witwer darstellst bevor du dir mich antust.", lachte sie höchst amüsiert bei der Vorstellung wie eines dieser Weiblein draußen auf dem Markt demütig gesenkten Hauptes neben ihm her zu trotten. "Oder ist dir so daran gelegen, dein Ansehen komplett zu ruinieren? Kurz die Fakten: Ich bin laut, rede mindestens so viel wie du und davon die Hälfte dummes Zeug, hab keine Manieren und stolpere im Kleid nach zwei Schritten über den Rock. Das ist verifiziert, auch wenn die Datenlage knappe dreißig Jahre alt ist. Aber sonst, klar. Ich bin 'nen super Flügelmann." Sie nahm die angebotene Hand, aber nicht wie einen Handschlag, sondern als wollte sie Armdrücken. Gekreuzte Daumen, ein fester Griff um seinen Handballen. Die Frau hatte Kraft, auch wenn sie müde war so wie jetzt und wirklich einen gewissen Zug seinerseits brauchte, um auf die Beine zu kommen. Jordan ließ auch nicht sofort los, denn ihr wurde sofort wieder schwindelig. "Heilige Scheiße, ich hätte nicht zwei von den Dingern einwerfen sollen. Mein Gleichgewichtssinn ist schon im Koma." Mit der anderen Hand hielt sie sich am Zuberrand fest. Oben. Na das würde ein Spaß werden, diese steile Treppe rauf...
Sie sah Sokolov wieder in die Augen. Noch vor ein paar Stunden hätte sie ohne zu fragen auf ihn geschossen, ohne Skrupel oder schlechtes Gewissen. Einfach weil er zu denen gehörte, auf die man eben aktuell schoss und dies das Normativ ihrer Gegenwart war.
Vor ein paar Stunden, als noch alles normal gewesen war und sie in der Luft.
Und jetzt.
"Versprich mir lieber, mich rechtzeitig zu erschießen, falls irgendjemand hier auf die Idee kommen sollte, ich tauge als Brennmaterial." Diesmal redete sie kein dummes Zeug, sondern war plötzlich todernst. Sie würde sowas von niemandem verlangen, außer von einem, dem sie es verflucht nochmal auch zutraute.
Sie würde dieses Gespräch morgen (oder besser heute) früh wirklich bereuen. Diese Pillen machten sie einfach immer viel zu ehrlich.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Freitag 5. Januar 2024, 13:49
von Vyacheslav Sokolov
Dabei war 'dressieren' sogar noch recht freundliches Wort für die Ausbildung, die er genossen hatte. Der Einsatz von Prügeln, Pfefferspray und Foltermethoden, physischer wie psychischer, hätte jedem Sadisten wahre Tränen der Rührung ins Gesicht gezaubert.
Zu dem recht idealisierten Bild der Army sagte er nichts, er konnte die Faktenlage nicht vergleichen, aber zu seiner Zeit wußte jeder, dass es ganz anders war, das Bild nur noch ein Klischee und er fragte sich wer das wirklich noch glaubte. Sie vielleicht, aber das war noch eine andere Zeit gewesen. Damals stimmte es vielleicht noch... Vielleicht.
Sie hatte mit ihrer Hundemarke gespielt. Er kannte die Geste von Kameraden. Es war etwas, an dem man sich festheilt, etwas vertrautes, das man immer bei sich hatte. Ein Teil der von der Armee gespendeten Identität. Er selbst hatte nicht lange welche getragen, nur die kurze Zeit bei der Spezialeinheit. Sobald der GRU ihn einkassiert hatte, waren die abgelegt. Wäre ja auch blöd, am Flughafen mit der Erkennungsnummer aufgegriffen zu werden. Er tat sich auch so schon schwer genug den Zivilisten zu geben.
Und ja, er hatte selbst gute Erfahrungen im einkassiert werden.
Aber der Gedanke ließ ihn nicht los. Setzte er sich denn für die Gerechtigkeit ein?
Es mochte Anfangs so gewesen sein, als er eben noch ein einfacher Soldat war. Da hatte er auch gedacht, für jeden Terroristen, dem er eine Kugel in den Kopf jagte starben weniger Zivilisten. So brachte man es ihnen bei.
Aber das hatte nie gestimmt.
Das hatte der Einsatz im Musicaltheater deutlich bewiesen. Er war damals nicht verantwortlich gewesen sondern nur mitgelaufen aber auch er hatte später dazu geschwiegen als die Sache öffentlich heruntergespielt und Fehler vertuscht wurden. Und später? Später hätte er durchaus die Macht gehabt einzugreifen... Hatte er aber nie. Politisch Andersdenkenden etwas anhängen, sie systematisch in den Selbstmord zu treiben oder die Familie diskreditieren... überlebten dadurch mehr Unschuldige? Es sicherte vor allem langfristig die Macht eines Mannes an der Spitze und dessen Stab, zu denen weit unten auch er gehört hatte. Nicht zum engsten Kreis, aber eng genug um die Hand des Präsidenten bereits mehrmals geschüttelt zu haben.
Die Dressur hatte aber schon früh eingesetzt. Das Zerbrechen und neu Zusammensetzen. Das begann von Anfang an, mit dem haten Drill, ungerechten Disziplinarstrafen und den Misshandlungen, die praktisch normal waren, wer sich beschwerte war ein Weichei. Da packte niemand aus, denn irgendwann wurde jeder zum Täter. Oder zerbrach. Er hatte damals tatsächlich intern ermittelt, allerdings ohne Auftrag und auch ohne die Ambition, das mit der Auslandspresse zu teilen. Er war immer noch loyal und hätte nie den Whistleblower gegeben. Seine einzige Motivation war es gewesen, die eigenen Peiniger ausfindig zu machen. Was sonst an Dreck mit hoch kam interessierte ihn wenig. Er hatte damals geplant gehabt, Vergeltung zu üben. Mit einem Scharfschützengewehr auf dem gegenüberliegenden Dach... und er hatte sich vorgestellt abzudrücken, sich vorgestellt wie das Blut und Gehirn an der Wand einen größeren Fleck hinterließen als der Borscht, den die nichtsahnende Ehefrau vermutlich im Raum verschütten würde, den Schreck der Kinder... Er hatte damals in seiner Verbohrtheit und Bitterkeit tatsächlich dort in der Kälte ausgeharrt. Aber er war nie ein Scharfschütze gewesen und hatte auch damals Zweifel, dass er wirklich treffen würde. Und dann war er zu dem Entschluss gekommen, dass es ihm reichte, die Macht zu haben über das Leben des Mannes zu entscheiden und dass der mit seiner Mittelmäßigkeit mehr gestraft war als mit einer Kugel im Kopf. Er hingegen hätte jede andere Möglichkeit, ihm das Leben zur Hölle zu machen, seines und das der anderen Mittäter. Und er hatte sich zurückgezogen.
Damals war er ein anderer gewesen als heute.
Das zumindest redete er sich heute gerne ein.
Einen kurzem Moment sah er sich wieder auf dem Dach liegen, dann kam er zurück ins hier und jetzt.
Und eben weil man ihm so etwas vermutlich zutraute und es immerhin um eine gehobene Offizierslaufbahn ging bei der es irgendwann dazu kommen konnte, dass ein Psychopath wie er dem Präsidenten die Hand schüttelte, eben deswegen hatte man ihn gründlich durchleuchtet. Verständlich im nachhinein. Nicht gründlich genug allerdings.
"Ha, wenn ich mich als Witwer ausgebe, dann verkuppeln sie mich mit der erstbesten adeligen Schreckschraube die sie in die Finger bekommen. Irgendeiner verknöcherten Hexe, bei der man sich Spreißel einzieht schon wenn man nur dran denkt, seinen ehelichen Pflichten nachzukommen."
Die junge Dame, die so gar keine war lachte sich darüber fast tot. Buchstäblich, denn zum einen wäre sie rückwärts die recht steile Treppe runtergefallen, hätte Slava sie nicht gehalten und dann droht sie noch fast zu ersticken.
Und weggewischt war das Katastrophen Quartett. Er hatte auch nicht gewinnen wollen, aber irgendwie hatte sie die Wahrheit verdient und vielleicht hatte ihm auch die Pille die Zunge gelockert oder... und so würde er sich das später wohl am ehesten erklären: Je öfter man es aussprach, umso mehr verlor es an Macht über einen. Wenn es einen nicht verletzen konnte, dann konnte es auch kein Feind als Waffe einsetzen. Nicht Cyron und nicht ein mutierter Inkkubus oder ein Kontroller, der das unterste der Psyche nach oben mischte.
Und er musste weiter lachen.
"Hast du eine Ahnung, was ich mir schon selbst an Ruf ruiniert habe. Ich bin dem Großkomtur des Flammenordens gegenüber getreten... Zugegebenermaßen hab ich da auch was eingeworfen wegen der Schmerzen, aber ich bin ihm ziemlich über den Mund gefahren und hatte nicht mal eine Entourage dabei, das erwarten sie hier... Das war von Herrenloh, der Großkomtur kommt einem Bischof vermutlich nahe, ist der dritt- oder viertmächtigste Mann in der Stadt. Denke ich. Zum Glück ist mein direkter Chef, der Regent, selber... nun, wie soll ich sagen, direkt. Der nimmt mir so etwas nicht übel. Wir kommen wunderbar miteinander aus. Und als mich dann der Großkomtur besucht hat... hab ich ihm im Bademantel die Tür geöffnet..."
Was nicht ganz stimmte. Er hatte im Bett gelegen, nach dem Herzinfarkt. Aber das wollte er gerade nicht mehr erzählen, das wäre nicht lustig gewesen.
"Du siehst, viel schlimmer kann man es kaum mehr machen."Erklärte er, während er ihr die Treppe hoch half. Kameraden, die zu viel gesoffen hatten.
Im ersten Stock machten sie kurz halt, und als sie dann wieder Luft bekam war die Antwort:
"Alles klar, Mann, die Herausforderung nehm' ich an."
Wobei er nicht ganz sicher war, ob sie nun tatsächlich versuchen würde, ihn noch weiter zu blamieren, aber man musste es wohl drauf ankommen lassen.
Ein wenig hatte er vielleicht gehofft, sie mit dem Namedropping - oder besser Titel - des Regenten beeindrucken zu können, aber wenn sie das war, dann zeigte sie es nicht. Aber man konnte ja später noch eines draufsetzen. An welche Stelle ihn das in der 'mächtigste Männer der Stadt' Skala stellte war auch offen, jedenfalls war auch hier die Nummer sicherlich noch einstellig.
Im ersten Stock stand das eher unbequeme Kanapee, Novka hatte es mal genutzt und Cyron auch und Sindra, oder Cat oder wie auch immer.
"...wenn du hier bleiben willst bring ich dir gleich Decken, das Bett oben ist aber echt besser."
stellte er es ihr zur Wahl.
"Und ich verspreche es. Brennen ist echt kein schöner Tod. Aber noch habe ich Möglichkeiten, so etwas zu verhindern."
Und wenn die einmal wegfielen... daran wollte er nicht denken, denn das konnte bedeuten, dass auch andere mit ihm brannten... oder hingen. Ein anderer Gedanken vertrieb diesen Unschönen sehr schnell:
Und zwar ob er sie auch dem Regenten vorstellen sollte? Jedenfalls wäre der sicher sehr interessiert, vor allem an dem was sie über's Fliegen wissen musste. Er behielt den Gedanken mal im Kopf.
"Die Couch ist perfekt. Ich schlaf überall, selbst im Zuber. Ist andressiert." kam prompt noch eine Retourkutsche. Slava schmunzelte nur und brachte ihr die Decken.
"Hättest du das nicht gleich sagen können, dann hätt ich dich nicht hochgeschleppt." schickte er noch hinterher.
Dann zog auch er sich nach oben zurück, in das breite Bett, das ihm allein leer vorkam. Gestern war Jarel noch hier gewesen, gestern... heute war er unterwegs nach Wyzima, nächtigte vermutlich irgendwo im Freien.
Er seufzte und schlief über den Gedanken vermutlich irgendwann ein.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Montag 8. Januar 2024, 13:52
von Pandora
Jordan war zunehmend entspannt, was an ihrem Gelächter über den eigentlich ziemlich respektlosen Witz abzulesen war. Normalerweise setzte sie bei sowas nach anstatt zu lachen und grinste nur vor sich hin, aber gerade war ihr Kopf zu langsam für flotte Antworten und die selbst antrainierten Verhaltensweisen ziemlich aufgelöst. Die gute Kinderstube dagegen, die solcherlei Witze verboten hätte, war vergraben und vergessen in watteweichen Wolken. Die würde sie dann wohl irgendwann mal wieder ausgraben müssen, wenn der Typ Ernst machte mit seinem Vorschlag. Zusätzlich Sokolov leider ziemlich sympathisch und auf der gleichen Welle unterwegs, auch wenn er vielleicht bewusst auf genau diese aufsprang. Jordan war nicht gut genug darin, hintenrum zu denken. Zwar war sie zu Hause absolut auf Linie gewesen und von sich aus nie auf den Gedanken gekommen, Menschen hinter den roten Sternen zu suchen, aber so rum war sie Opfer ihres Naturells. Wen sie mochte, den mochte sie einfach und machte sich keine Gedanken darüber, ob der vielleicht eine Rolle spielte, damit sie ihn mochte. Solche Denkmuster waren ihr völlig fremd, dafür war sie wiederum zu einfach gestrickt.
Dann waren sie oben und Jordan ließ sich auf das Kanapee fallen. Sehr hart, grober Stoff, aber trotzdem besser als die Strohsäcke. Und besser als das Bett, dass ihm und seinem Partner gehörte. Darin war Jordan wiederum furchtbar konservativ, vor allem, weil sie viele Jahre lang kein Bett gehabt hatte, was nicht schon hundert Ärsche vor ihr durchgefurzt hatten. Da nahm ein eigenes Bett einen gewissen Stellenwert im Privatleben ein, ein Möbelstück von höchster Intimität, das man einfach nicht teilte oder wenn, dann nur mit jemandem, mit dem einem mehr verband als der Zufall und das Bedürfnis nach Schlaf.
Sie fing die Decken auf. "Nächste Mal bau ich mir ein Nest im Zuber, aber erst wenn ich ein Greifenei zum Ausbrüten hab!", rief sie ihm noch hinterher, reflexhaft immer das letzte Wort haben müssend. Sie pfiff demonstrativ durch die Zähne, was wirklich nahezu wie ein Raubvogel klang und buckerte dann hühnermäßig vor sich hin, während sie die Decken ausbreitete. Allmählich driftete sie in die alberne Phase... Zeit wirklich zu schlafen.
Jordan schälte sich aus dem Mehlwurmkostüm und kroch in Unterhemd und Shorts unter die Decken. Etwas kratzig, aber es roch irgendwie vertraut. Ein bisschen wie die Wolldecken auf der Ranch ihrer Familie, nach Schaf und ein wenig nach Rauch. Sie vergrub ihre Nase tief hinein und fühlte sich ein bisschen mehr aufgehoben als in dieser Taverne.
Drehen. Auf dem Rücken ausstrecken, die Arme hinter den Kopf verschränkt. Sie lauschte dem Knarren der Dielen oben und den Geräuschen von Sokolovs Bett. Dem fremden Haus, in dem bei genauerem Hinhören irgendwo ein Holzwurm nagte. So still war es. So still, dass man wahnsinnig werden konnte, weil man nur sich selbst denken und den Holzwurm bohren hörte. Der Kerl schnarchte nicht mal... Gut, vielleicht schlief er noch nicht, der Herr Wichtig. Herr Poker-mit-dem-Regenten-Spieler. Oder was spielte man hier, während man rauchte und wichtige Dinge besprach? Der Regent. Der Komtur dieser irren Kreuzritter. Doch, sie war beeindruckt, aber sie war relativ gut darin, das nicht zu zeigen. Und da wollte er sie als Gattin vorführen? Er musste völlig gaskrank sein. Nicht das sie eine Sekunde gemeint hatte, ihn bewusst rein zu reiten - so lief das bei ihr wie schon bemerkt nicht. Sie war halt nicht Scarlett oder nein, sie war Scarlett und nicht Melanie. Eher schneidig als adrett und sittsam. Er war aber auch nicht gerade ein Ashley Wilkes.
Ochotnik hatte er sich genannt. Die Chaos-Queen und der Jäger. Was für ein Duo.
Aber was machte sie sich Gedanken über ungelegte Eier. Greifeneier.
Drehen. Wieder auf die Seite, Rücken zur Wand. So ein Greif, das würde Jahre dauern, aber ihr kam schon eine andere Idee. Vor kurzem war da ein Artikel in dieser Zeitschrift gewesen, die sie im Vorzimmer des Docs durchstöbert hatte, während sie darauf wartete, Blut abgenommen zu bekommen und sich bei der Urinprobe auf die Hand zu pissen. Routine halt. Jedenfalls war da ein Artikel gewesen von einem Typen, der ein Gerät gebaut hatte, das er Rogallo-Drache nannte. Kam irgendwie aus Richtung NASA. Der Typ war von einem Berg in Europa abgesprungen und mit diesem Ding geflogen. Gesegelt, sogar gestiegen und nicht nur gelandet. Sie versuchte sich an die Konstruktion zu erinnern, aber ihr Hirn war so träge. Morgen vielleicht.
Nochmal öffnete sie die Augen. Holzwürmchen war inzwischen auch stille. Dunkel war es. Schwarz wie im Bärenarsch.
Wieder schloss Jordan die Augen und diesmal driftete sie wirklich weg, ließ es zu, dass der Schlaf kam, künstlich vertieft durch die Chemie in ihrem Blut und aus diesem Grund dankenswerter Weise traumlos, auch wenn immer ein vages Gefühl des Schwebens mit dem Einschlafen einher ging.
Als sie wieder aufwachte, war da kurz noch der Eindruck des Fallens, aber der verflog und zurück blieb grenzenlose Erschöpfung. Jordan lag auf dem Bauch, eine Hand hing vom Sofa und lag auf den Holzdielen.
Lauschen.
Erst bewegen, wenn die Lage klar war. Irgendwann hatte sie das mal gelernt. Im Trainingscamp für Vietnam.
Stille.
Blödsinn. Das hier war kein Bootcamp und auch kein Kriegsgebiet. Zumindest nicht so richtig. Jordan rappelte sich auf und ließ die Beine vom Sofa rutschen, stellte die bloßen Füße auf das alte Holz. Jede Faser schien sich in ihre Fußsohlen zu graben und das Profil aus Ästen und Jahresringen war deutlich an den tastenden Zehen zu spüren. Es war immernoch dunkel, aber ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie etwas mehr als zwei Stunden geschlafen hatte. Zumindest wenn die Mechanik noch ihren Dienst tat und nicht durch irgendwelche komischen Effekte langsamer oder schneller lief.
Schlafen würde sie nun sowieso nicht mehr können, als konnte sie auch aufstehen und mal nachschauen, ob sie sowas wie ein Frühstück zusammen braten konnte. Braten im warsten Sinne, denn eine wirklich begnadete Köchin war sie nicht. Sie sagte immer, dass sie es sogar schaffte, Nudelwasser anzubrennen. Aber erstmal anziehen. Mehlwurm. Verflixt, dagegen musste sie echt auch was tun. Sie war ja echt nicht das Trendgirl, aber zumindest passen durften die Sachen schon und irgendwie nach was aussehen. Ihre Uniformen waren immer akkurat gewesen und sie fand, das Dunkelblau der Airforce stand ihr ganz gut. Alles nicht mehr greifbar.
Mehlwurm also.
Immernoch barfuß, die Stiefel in der Hand, schlich sie die Treppe hinunter. Als Kind, das in einem alten Haus aufgewachsen war, kannte sie den einen, todsicheren Trick, knarzfrei eine alte Holztreppe hinunter zu kommen: auf dem Geländer rutschend. Seitlich sitzend glitt sie fast elegant abwärts und wäre nur unten fast abgestürzt, fing sich aber noch rechtzeitig mit einer Hand am Treppenpfosten. Unten trat sie auf die Nagelstellen, aber das Erdgeschoss war bei den wenigsten Häusern das Problem. Man konnte auf die Idee kommen, dass Jordan einiges an Erfahrung darin hatte, sich aus dem Haus zu schleichen. Oder hinein.
Die Stiefel gesellten sich zu den anderen Schuhen am Eingang und Jordan suchte ihre schwarze Tasche. Zwei Pillen fanden ihren Weg - die eine ein Hormonpräparat, die andere Koffein. Sie war so verflucht müde nach dieser Einlage heute Nacht. Sie sammelte auch den PDA auf und entzündete die Lampe, die der Hausherr hatte stehen lassen.
Als nächstes durchsuchte sie die Küche. Sie fand ein paar Vorräte, darunter Mehl und ein einsames Ei. Leider keine Milch, aber Pancakes konnte man auch mit Wasser machen. Bestimmt. Da war Honig und Marmelade. Allerdings gab es keinen Kühlschrank und sie äugte misstrauisch in die Gefäße. Da war auch Butter, aber die hatte ihre Mom auch nie in der Kühlung gehabt. Mit der Butter konnte sie improvisieren. Also Schüssel her. Nein, erst den Herd - Feuer schüren. Immer deutlicher wurde ihr bewusst, dass ihre Kindheit auf einer Ranch hier von Wert sein konnte. Sie wusste wie man auf einem Holz gefeuerten Herd arbeitete, wie man diesen feuerte und Holz hackte. Wie man mit Tieren umging und notfalls auch, wie man eine Sau abstach oder ein Rind bolzte und beides dann zerlegte. Dahingehend war sie jetzt doch froh, kein Stadtkind zu sein.
Während es also im Ofen knisterte, schlug sie das Ei auf, schnupperte skeptisch daran und rührte es dann mit einem Quirl auf. Die Küche war werkzeugseitig ziemlich gut ausgestattet - ob Ochotnik nicht nur Jäger sondern auch Hobbykoch war? Mehl dazu, Butter schmelzen und rein, Wasser, Mehl und ein Kleks Honig. Während die Pfanne auf dem Ofen heiß wurde, suchte sie das Lied auf dem PDA (das was zwar arg nach Musiktheater klang, aber trotzdem irgendwas ausgelöst hatte) und ließ es erneut laufen. Und nochmal und nochmal.
Bald roch es nach Kaffee und Pancakes. Und wenn der Herr des Hauses davon nicht wach wurde, dann von der im herben Kontrast zum Original eher rauchigen Stimme, die das wenige mitsang, was Jordan vom Text verstand und den Rest mit DuDu und DingDing und Lalala auffüllte. "Wie ein Nigger.", hatte ihre Musiklehrerin immer abfällig gesagt, aber Jordan nie vom Singen abhalten können. Dunkel und rauchig und irgendwie ungewohnt, aber meistens traf sie die Töne.
Inzwischen war sie bester Laune, drehte Pancakes und türmte sie in einem Topf, der ebenfalls auf dem Ofen stand und sie warm hielt. Auf dem Tisch stand Kaffee, der Honig, Butter und die Marmelade.
Wenn sie sich schon mitten in der Nacht einlud, dann wollte sie sich auch erkenntlich zeigen.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 11. Januar 2024, 13:22
von Vyacheslav Sokolov
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von: in der Wohnung, nur von oben in die Küche
Datum: Früher morgen, gegen 4 oder 5 Uhr - 15. August 1278, Sonntag
betrifft: Pandora
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Slava war nach oben gegangen, hatte sich aufs Bett fallen lassen nachdem er noch den Bademantel abgelegt hatte, und hatte eigentlich gedacht, dass er sofort schlafen würde.
Was sich schnell als Irrtum erwies.
Er lag noch lange wach, drehte sich hin und her, nicht weil er vor schmerzen nicht schlafen konnte, dies waren fast weg, eine innere Unruhe hatte ihn fest im Griff und dieses mal gelang es ihm nicht, das Gedankenkarussell abzustellen.
Nicht einmal so sehr wegen Pandora.
Es war der Pakt mit dem Feind, der ihm keine Ruhe ließ, und der Fein, das waren hier nicht mehr die Amerikaner sondern Nilfgard.
Er wusste ja, was er die letzten Tage ausgehandelt hatte, mit wem. Aber was auf dem Spiel stand war mehr. Und wenn es schief ging riss er heute schon genug andere Existenzen mit in den Abgrund, und täglich wurden es mehr. Jetzt auch noch die Amerikanerin. Aber sollte er sie alle von sich stoßen nur weil es notwendig war, dass er hoch pokerte?
Er saß eben an einem Angelpunkt, das hatte er begriffen, er konnte Dinge verändern, also musste er das auch tun. Wie es immer schon war. Und wenn es unbequem war, auch egal. Dazu war er geformt worden, das zu tun, was kein anderer tun wollte weil man dafür durch die Scheiße musste. Sei es metaphorisch oder buchstäblich.
Und das hielt ihn noch eine Weile wach. Gefühlt die ganze Nacht, aber tatsächlich musste er doch irgendwann eingeschlafen sein. Alleine, ohne Jarel, ohne einen Ersatz. Wach wurde er tatsächlich wohl erst spät. Vielleicht ein wenig von den ungewohnten Geräuschen unten, jedoch ohne dass er genau sagen konnte, was es gewesen war. Ob es komplett lautlos war, wenn man versuchte ein steiles Geländer runter zu rutschen und lautlos zu landen und dann die Schränke durchsuchte sei dahingestellt. Aber er blieb noch wach liegen, lauschte und versuchte seinen Tag zu sortieren.
Er würde früh die Hexer an den Docks treffen, und während sie tauchten oder auch danach, je nachdem wie lange es dauerte, hatte er noch eine Verabredung in einem der Lager an den Docks.
Er seufzte, davor graute ihm ein wenig.
Zu viel konnte schief gehen, zu viele Unwägbarkeiten.
Aber es war wie es eben war.
Dann kleidete er sich an, kein Morgenmantel mehr, auch wenn er lieber leger herumgelümmelt hätte, aber er musste wohl bald aufbrechen. Auch wenn es von unten nach Bliny duftete.
Er legte eine seiner üblichen Kombinationen an, dieses mal aus einer dunkeln blaugrauen Hose und Hemd und Jacke, hochgeschlossen und mit dezenten Stickereien versehen. Ein Kompromiss aus dem was sein Stand erforderte und seiner Abneigung gegen viele bunte Farben und den Prunk und Protz, wie ihn andere niedere Adlige so gerne an den Tag legten, vor allem die Ratsherren, von denen einige um jeden Preis auffallen wollten. Deren Säume dann mit Goldfäden durchwirkte waren und mit bunten Stickereien exotischer oder nur falsch dargestellter Tiere um die wette funkelten.
Jeder Mensch seiner Zeit hätte das für Clownskostüme gehalten, mit etwas Wissen zur historischen Einordnung ahnte man wohl, dass man jeden freien Raum ausnutze um teure Fäden, Stoffe und Schneidertechniken zu vereinenden, als litte man unter einem fortgeschrittenen Horror Vacui.
Wenn er im Rat saß, dann konnte man ihn meist schon aus der Ferne als einen dunkleren meist einfarbigen Fleck ausmachen, damit hätte er vermutlich viel besser in die Reihen der Nilfgarder gepasst, er war aber nun einmal im Norden gestrandet.
Langsam kam er die Treppe runter. Langsam, nun nicht mehr dem Schmerz geschuldet, denn noch wirkte die Tablette nach, langsam, weil er die ungewohnte Lage sondierte. Diese Amerikanerin machte tatsächlich Bliny. Und sang. Und er war etwas ratlos, wie er sie nun begrüßen sollte.
Er blickte sich um... Eindeutig, Bliny.
Vermutlich nannte sie es anders... Pancakes, oder? Für ihn waren es Bliny.
Und der Tisch war gedeckt, mit allem was seine Vorratskammer hergab. Ungewohnt, vor allem wenn Jarel nicht da war.
Er Lächelte als er unten an der Treppe ankam. Auch Jarel kochte und ihm war sicherlich auch die Küchenausstattung zu verdanken, oder der Köchin, die sein Vormieter dabei gehabt hatte. Ihm selbst jedenfalls nur zu einem verschwindend geringen Teil.
"Hab ich gestern was verpasst...?" gevögelt hatten sie jedenfalls nicht, daran hätte er sich erinnert.
"Guten morgen jedenfalls. Du scheinst ja schon beste Laune zu haben."
Er setzte sich zu einer der Kaffeetassen. Ein wenig war es wie zu Beginn der Jäger in Pripyat, seine Fraktion, seine Leute, ein eingeschworener Haufen - und manchmal saßen auch sie zusammen und jemand machte eben Bliny oder Baursaki oder auch mal Hvorost, zum Mittag dann einen Plow oder auch einfach Pelmeni... Es war nur eine kurze Zeit gewesen, aber an diese Momente erinnerte man sich gerne, und nicht daran, wie jemand sie später systematisch dezimiert hatte.
Zurück in die Gegenwart.
Der Tag schien ja noch einiges bereit zu halten.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Dienstag 16. Januar 2024, 12:47
von Pandora
Jordan war nicht nur gut gelaunt, sie war schon wieder schrecklich aufgekratzt. Teilweise begründet aus der ganzen Situation heraus - fremdes Land, falsche Zeit, im Haus eines verdammten Iwan - und zum anderen Teil aus ihr selbst. So war sie einfach, wenn sie eigentlich viel zu wenig geschlafen hatte und dann die Koffeinpillen ihren Dienst taten. Ein Zustand, in dem sie Spitzenleistungen in einem Cockpit abliefern konnte, weil sie seltsamerweise trotz all der Hibbeligkeit alles im Blick hatte und verdammt schnell reagierte. Also war es kein Wunder, dass der Hausherr nicht unbemerkt blieb, als er herunter kam, allerdings vorerst irgnoriert wurde, bis er am Tisch saß und das Wort an die - ja okay, fremde Frau in SEINER Küche richtete. Was hatte sie sich nur dabei wieder gedacht? Ehrlich? Nix! Hauptsächlich war da Hunger und ein leiser Drang sich erkenntlich zu zeigen.
Das zugeben? Fehlanzeige.
Jordan drehte sich feixend halb um und erwiderte: "Keine Sorge, wenn wir gevögelt hätten, wär ich nicht mehr hier.", las sie schon wieder unbeabsichtigt seine Gedanken. Aber das war auch irgendwie zu einfach, zumindest in diesem Kontext. Immerhin war es doch die Wahrheit. Zumindest von ihrer Seite. Sie hasste diese Beklemmung, die sich nach einem One-Night-Stand einschlich und darum mied sie es tunlichst, diesem morgens zu begegnen. Nicht das sie in ihren Leben schon hunderte gehabt hätte. Dazu waren ihre Vorlieben wohl doch etwas zu speziell und ihre Libido zu unterentwickelt. Sie wendete den letzten Pancake und quasselte einfach weiter. "Ich hab dich gestern - heute? - Nacht aus dem Bett geworfen und mit den beschissenen Details meines Lebens wach gehalten, dann deine Couch blockiert und gestern deinen Zuber und deinen Tomatenfresser, also dachte ich, es wär ja zumindest mal eine Revanche fällig. Auch wenn ich hier gerade deine Vorräte ruiniere und dein Holz verbrenne. Also so eine richtige Wiedergutmachung ist es demnach nicht, zumal man bei mir nie weiß, ob ich einen füttern oder vergiften will, aber weißt du, bei uns gab es die Regel: wer kocht muss nicht Klarschiff machen, also kocht jeder irgendwann mal und wenn's Nudeln mit Ketchup sind. Was heißt Kukushka?" Themenschwenk, quer übers Feld und das am frühen Morgen und vor dem ersten Kaffee. Aber hey, es war seine Muttersprache, das bekam er schon hin. Kuckuck war die Antwort. So. Kuckkuck, Kuckuck... Was hatte ein Kuckuck mit Steinen und Sternen zu tun? Künstler.
Nachdenklich fischte sie ein Stück Pancake vom Herd und steckte es sich in den Mund. Sofort spuckte sie es wieder in die Hand und sah das Stückchen an, als hätte sie ein Insekt erwischt. Jesus, waren die schrecklich. Ohne Zucker und nur mit Honig kam das daher wie diese Fries, die man im Ofen statt in heißem Öl machte. Innen sehr weich, außen eher hart. Mit einem Schulterzucken warf sie sich den Brocken wieder in den Mund. "Ich bedaure Freiherr von Sokolov, aber ihre Auserwählte kann nicht kochen. Aber Kalorien sind drin und an dir ist echt verdammt wenig dran." Sie nahm den Topf, in dem sie die Pancakes warm hielt und trug ihn eilig zum Tisch. Topflappen waren noch nicht erfunden oder von Jordan nicht gefunden, auf jeden Fall stellte sie die Fracht schnell mit einem: "Schwerschwer!" auf ein Brett auf dem Tisch und pustete sich über die Finger, während sie selbst Platz nahm. Wieder ein Schulterzucken. "Sorry, du warst gestern abend eher leicht bekleidet und ich kann da einfach nicht weg schauen. Trainierst du noch? Du hast mal trainiert, das seh ich. Solltest du wieder. Sieht auch besser aus und ist bestimmt gut für die Gesundheit und so. Oder verbrennen die einen hier auch, wenn man Joggen geht?" Sie schenkte Kaffee aus, obwohl man berechtigte Zweifel daran haben konnte, dass es eine gute Idee war, diesem Squirrel noch mehr Koffein zu geben.
Sie klatschte sich ein Pancake auf den Holzteller. Nicht lecker hieß ja nicht, dass man sie nicht essen konnte. Jordan hatte mit den Jahren gelernt, dass man einfach alles essen konnte. Mit Ketchup sowieso.
Kurz betrachtete sie das Machwerk amerikanischer Nicht-Kochkunst und hob dann den Blick.
"Alllso - danke. Das hab ich vergessen, in all dem Durcheinander." Hoffentlich kam nicht gleich sein Ritter zur Tür rein. Das wär blöd.
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Sonntag 21. Januar 2024, 12:22
von Vyacheslav Sokolov
Wieder grinste Slava, nun über die Unbefangenheit, mit der diese Amerikanerin auch eigentlich unangenehme Themen einfach lässig ansprach. So kannte er ihre Landsleute tatsächlich nicht. Diejenigen, mit denen er zu tun gehabt hatte redeten oft lange und ermüdend um den heißen Brei ehe sie zur Sache kamen oder überhaupt nie, aus Scheu, etwas beim Namen zu nennen. So strickten sie ihre Filme und das fand man durchaus so in der Realität wieder. Aber sicher gab es da Unterschiede im regionalen Temperament. Dieses Exemplar jedenfalls war erfrischend ehrlich und konnte sich vorstellen, sie zu mögen.
So sparte er sich auch einen dummen Konter wie: 'wenn wir gevögelt hätten wärst du gar nicht mehr gegangen.'
Er hatte sich solche Machosprüche in der Zone angewöhnt, weil man es erwartete. Man war kein Mann wenn man keine dermaßen hohe Meinung vom eigenen Können hatte dass man es nicht überall hinausposaunte. Tatsächlich war das aber nicht seine Art. Und langsam legte er auch diese Rolle ab, jeden Tag ein wenig mehr. Jakob hatte das Machoarschloch noch kennengelernt und hasste ihn dafür. Er konnte es jetzt nicht mehr ändern. Er hätte jetzt mit der Schulter gezuckt, wenn seine Gedanken zur aktuellen Unterhaltung gepasst hätte, aber Jordan hätte es wohl nicht einordnen können.
"Ist wohl besser." War statt dessen die simple Antwort.
Dass sie seine Gedanken erraten hatte gab ihm auch noch kurz zu denken, aber vermutlich war es naheliegend gewesen. Es brachte ihr allerdings einen Eintrag in der imaginären Akte ein, die Slava zu praktisch jeder Person in seiner Umgebung führte: 'Überraschend Scharfsinnig' war hier nun zu lesen.
Überhaupt sprach er weniger als noch gestern Abend, nicht unbedingt weil er sich nun für das gesagte schämte, aber er war auf merkwürdige Weise entspannt, hatte gute geschlafen und hatte kaum Schmerzen.
Er lachte auch nur kurz und verhalten und winkte ab zu Holz verbrenne und Vorräte ruinieren. Davon gab es genug, für ihn jedenfalls. Wo andere am Hungertuch nagten hatte er es geschafft. Dabei sah er sich nun nicht als Wohltäter, er strapazierte die die Toleranz der hiesigen Bevölkerung ausreichend mit seinen Umstrukturierungen und seinen Ideen, da musste er nicht auch noch geizig mit seinen Mitteln sein. Sei es die Versorgung mit Essen oder mal einem falsch gelieferten Sack Kohlen. Und Essen und Luxus für sich zu behalten war ohnehin noch nie sein Bestreben gewesen, also konnte er auch teilen.
Etwas anderes war die Macht.
Aber Mehr und Eier und Honig... drauf gesch... Wieder zurück an den Tisch.
Kurz blieb er an dem Begriff 'Tomantenfresser' hängen, dann aber waren die Erzeugnisse des morgens schon auf dem Tisch.
Einen kurzen konsternierten Blick erntete Pandora, als sie einen Teil des Pancakes ausspuckte um ihn dann doch noch zu essen. Ein Kommentar blieb aber auch hier aus. Natürlich hatte er auch eine Rolle parat mit fürchterlichen Manieren, aber hier zeigte sich die Erziehung seiner Familie. Kein echter Adel, aber die strenge Schule sowjetischen Armee Standes, vor allem Seitens der Großeltern.
Ihr Verhalten stimmte ihn nicht gerade optimistisch, aber er probierte. Tatsächlich waren sie dann nicht so schlimm wie befürchtet.
Etwas teigig, aber immerhin außen knusprig. Mit Marmelade gar nicht schlecht. Und Honig statt Zucker zu nehmen, das fiel ihm gar nicht auf, das war in seiner Welt gar nicht unüblich gewesen.
"Ich finde sie gut. Es fehlt vielleicht etwas Soda, ich gebe zu, das hatte ich nicht. Wird aber besorgt. Wenn du sonst Wünsche hast... nur Ketchup fürchte ich gibt es noch nicht, den musst du erst erfinden."
Also aß er, und sogar mit gutem Appetit. Er hatte tatsächlich abgenommen die letzten Tage. Zu viel Stress, zu wenig Zeit.
Nudeln mit Ketchup. Das Amerikanische Pendant zu Pelmeni mit Schmand. Musste man vielleicht auch erfinden, oder die Currywurst.
"Kuckuck." antwortete er ganz automatisch zwischendrin.
Kurz sprang ein Alarm an, die Muttersprache entlarvte man immer schnell, indem man wahllos Fragen in eine Unterhaltung einstreute, so schnell dass man sie nicht bewusst sondern unbewusst beantwortete. Teil seines Trainings, geistesgegenwärtig genug zu sein um das zu erkennen und adäquat zu reagieren je nach Legende. Jetzt war es nicht nötig. Aber er ahnte, was ihn pausenlos so sehr unter Stress setzte, das sein Herz ausgesetzt hatte. Dazu brauchte er auch gar kein Fitnesstrackerarmband.
"Ich bin mir nur nicht sicher ob er wirklich das Tier meint, oder die finnischen Heckenschützen im 2ten Weltkrieg, die hat mach auch so genannt. Er... also Viktor Zoi, von dem das Lied stammt..." Nicht die Frau, die es in diesem Cover sang.
Dann sprach sie das Training an, gestern war er im fast offenen Bademantel neben ihr gesessen.
"Wenn jemand joggt könnte es wirklich sein, dass die Wachen folgen und fragen vor wem du wegläufst und dich einsperren weil sie denken du hast irgendwo gestohlen. Man läuft nicht einfach ohne Grund, außer auf dem Kasernenplatz oder bei der Wache."
Auch er nahm Nachschlag.
"Ich muss auch wieder anfangen, hast absolut Recht. Mit 20 war ich ein Wandschrank, aber das kann man fast nicht aufrecht erhalten und es hat mich sozusagen direkt aus der Reha hier her versetzt. Bin noch nicht dazu gekommen, mir einen neuen Workout Plan zu erstellen." Er lachte wieder darüber hinweg.
"Hier trainiert man mit dem Schwert, aber die Dinger sind unhandlich und ich hab mich dermaßen dumm angestellt, Das ist einfach nichts für mich."
Er wollte ihr jetzt nicht von dem Herzinfarkt erzählen, das war zu nahe, zu konkret und das was ein viel schlimmeres Zeichen von Schwäche als alles was er gestern offenbart hatte. Hier lag die Grenze der Offenheit, dafür schämte er sich nämlich tatsächlich. Sein Körper hatte nicht gehorcht und es war auch nicht nicht vorbei, er war verwundbar.
"Aber die Hexer trainieren wohl außerhalb der Stadt, wenn du fit werden willst... schließ dich ihnen an. Aber wunder dich nicht. Mit denen kommt kein normaler Mensch mit." die Hälfte des Satzes geriet leiser, denn er wurde unterbrochen.
"Hey Mann, ich bin fit wie ein Turnschuh und werd's auch bleiben." Wer redete von werden? Auf der Schiene konnte man sie schneller zum Kratzen bringen als bei dummen Kommentaren unter der Gürtellinie, denn da lag die eine Schwäche, die einfach immer da war. Der große Nachteil den Männern gegenüber und darauf reagierte Jordan direkt und höchst angriffslustig. Das passierte einfach automatisch, weil sie das ihr ganzes Leben lang schon mit sich rum schleppte und immer dagegen ankämpfte. Beweisen, beweisen und immer wieder beweisen. Ständig auf Konfrontationskurs und zugleich Selbstoptimierung um jeden Preis. Mithalten, komme was wolle. Und wenn die Latte hier die Hexer waren, dann würde sie sich auch nach dieser strecken, so utopisch das auch wäre. Das gebot ihr einfach der ungesunde Ehrgeiz.
Er hatte das Wespennest registriert. das 'Fit-werden' hatte absolut keine Bewertung sein sollen, es war so dahingesagt und er würde in Zukunft vorsichtig sein.
"Das war nicht abwertend gemeint, jedenfalls nicht dir gegenüber. Ich weiß dass mich so einer mit links in die Tasche steckt, dabei ist er locker doppelt so alt wie ich. Verdammt Mutanten... Egal.. Du musst mir übrigens nicht danken."
Ein Danke kann man nicht in die Hosentasche stecken - war ein russisches Sprichwort.
Tatsächlich erwartete er nichts, aber natürlich hofft er, sich so Loyalität aufzubauen.
Was aber nicht der Grund war, weswegen er mit großem Appetit noch eines der flachen Gebäcke aß. Er hatte wirklich Hunger und auch wenn ihn süßes sonst weniger reizte, aber die Mischung aus Honig, Kohlenhydraten und Fett war gerade genau das richtige.
"Wir gehen dann direkt zum Hafen, also wenn du mitkommen willst. Dort treffen wir die beiden Hexer. Sie haben sich darauf vorbereitet zu deinem Flugzeug zu tauchen und es genau unter die Lupe zu nehmen. Es würde helfen, wenn du ihnen erklären kannst worauf sie achten sollen. Den Flugschreiber können sie vielleicht holen oder Kleinigkeiten."
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Mittwoch 24. Januar 2024, 13:52
von Pandora
War sie besonders taktlos? Jordan provozierte gern, das definitiv und sie kollidierte inzwischen schon so routiniert mit den Konventionen, dass sie gar nicht mehr merkte, was Konvention war und was ein Bruch damit. Zum Glück brach er das Ganze ab, bevor es zur Schaukel wurde.
'Du wärst nicht gegangen.' - 'Mich hältst du doch gar nicht durch.' - 'Lass es auf einen Versuch ankommen.' - 'Du holst dir wunde Eier.' Und so weiter und so fort. Statt dessen 'Ist wohl besser.' Jordan stimmte innerlich zu. War tatsächlich besser. Wenn sie so vor dem geistigen Auge durch ihre Bekanntschaften blätterte, dann führte sie die besten Beziehungen mit Männern, die nicht versuchten, sie ins Bett zu kriegen. Das waren meistens solche, die in der Lage waren, mehr an ihr zu sehen, als einen Arsch und zwei Titten. Noch besser war es mit denen, die respektieren konnten, was sie war, was sie geleistet hatte und zu leisten im Stande war. Und alle anderen schoss sie vom Himmel und zwar so lange, bis sie es auch kapiert hatten. Wie das hier allerdings gehen sollte, hatte sie noch keine Ahnung. Was war sie hier schon? Ohne Manieren jedenfalls, das sagte der Blick, den sie bemerkte und geflissentlich ignorierte wie sie das bei ihrer Mom zu tun pflegte. Innerlich machte sie eine Notiz: der Herr ist zartfühlig in seinen Umgangsformen.
Darüber, dass er auch zartfühlig war, was gewisse Fallen anging, die man einem verdeckten Ermittler in fremden Ländern stellen konnte, machte sie sich keinen Kopf. Dafür taugte sie nicht und darum hatte sie auch keinen Schimmer, dass man jemanden mit so unauffälligen Stolpersteinen aus der Rolle bringen konnte. Sie hatte es schlicht wissen wollen. Kuckuck. Heckenschützen. Jordan krauste die Stirn und nickte nachdenklich, schaute auch weiterhin skeptisch, als er übers Joggen spekulierte. Und über die Hexer. Hexer. Das wording war schräg und fast wäre die Stimmung umgeschlagen. Wording. Darauf lief es doch immer wieder hinaus, aber dieser Sokolov war gut, zumindest was den Umgang mit Jordan anging. Er fing sie schnell wieder ein. Stimmte zu, dass er Fitnessübungen nötiger hatte und lenkte die Problematik Hexer eher auf sich. Die steckten ihn also in die Tasche.
Typen wie der stiegen normalerweise doch nicht so einfach auf. Der war in seiner Art zu reden viel zu smooth, eher wie ein Politiker. Und für einen Iwan war er viel zu nett. Jordan machte das misstrauisch, trotzdem konnte sie nicht anders, als sich besänftigt zu fühlen und ihn trotzdem weiter zu mögen.
Gerade noch starrte sie ihn herausfordernd an, dann war scheinbar wieder alles gut und ihre Augen suchten verschiedene Punkte. Raus aus der Konfrontation, zurück zum Gespräch.
Als Wandschrank konnte Jordan sich den Mann vor sich nicht so richtig vorstellen, vor allem nicht in der edlen Klamotte, durch die er noch ein bisschen schmaler wirkte. Und blasser. Überhaupt sah er ein ungesund aus, aber das mochte am Typ liegen - jedenfalls langte er ordentlich zu, als würde man ihn hier hungern lassen und das bei voller Vorratskammer.
Noch mal gedanklich zurück. Schwertkampf also.
Sie gestikulierte mit dem Messer, das sie benutzte, um ihre Pancakes zu zerstückeln und in Honig zu ersäufen. "Du meinst in echt Schwerter? So lange Eisenprügel, die nach zwei Schlägen stumpf sind und eher zum tothauen taugen, als zum aufschlitzen? Jesus, gibt's hier keine Flinten?" Eine gute Ladung Schrot und Diskussion vorbei. Genauso, wie dieses Frühstück und das Gespräch. Jordan war Schnellfutterer, denn gerade im Dienst galt: Schaufeln, weil man gleich wieder los musste und nichts war ätzender, als Hunger schieben, wenn man leisten sollte. Daher war man Knopfdruckhungrig, genau wie Knopfdruckmüde.
Sie trank ihren Kaffee aus, legte das Messer weg und signalisierte mit einer typischen Handbewegung 'Startklar, Abflug.'
"Klar komm ich mit. Auf die Typen bin ich echt mal gespannt.", grinste sie am letzten Stück Pancake kauend. "Sollen wir deine Karte mitnehmen? Oder wie finden die den Ort? Der Eimer ist sicher auch nicht senkrecht gesunken. Bin mal gespannt ob sie überhaupt mehr finden als Trümmer." Finden war wohl der schwierigste Punkt. Hafenwasser und Flussmündungen waren nicht gerade für ihre glasklaren Unterwasserbedingungen bekannt. Aber hey, wenn das Superheldenmutanten waren, dann hatten sie dafür bestimmt auch eine Lösung. Ein bisschen klang das ja schon nach den perfekten Kampftaucher. Stark und wasserdicht, mal sehen wie es im Kopf so aussah. Naja und aufblasbar bis 5 atm...
Ob Frau Feldwebel auch wieder zum Zanken vorbei schaute?
Re: Privatwohnung | Nowigrad/Silberstein - Ein Privathaus mit Büro
Verfasst: Donnerstag 25. Januar 2024, 09:44
von Vyacheslav Sokolov
Hinsichtlich Geschlechtergleichheit konnte man Slava durchaus nachsagen, er wäre progressiv. Er nannte es pragmatisch. Er war durchaus nicht für eine komplette Gleichstellung, es gab Unterschiede und zwar mehr als genug. Aber er hatte die Menschen immer schon hinsichtlich ihrer Eignung instrumentalisiert. Jeder war in etwas anderem gut und es brachte ihm keinen Vorteil, sie alle über einen Kamm zu scheren. So betrachtete er so gut wie jeden Individuell, wo es eben sinnvoll war, natürlich damit auch Frauen und Männer. Er war in der Hinsicht auch nicht generell gegen Frauen in der Armee. In manchem waren sie Männern überlegen, viele waren deutlich zäher, ausdauernder, jammerten nicht so schnell, waren oft viel gerissener. In manchem waren sie auch unterlegen, schwächer vor allem. Beides musste nur adäquat eingeplant werden.
Dass er damals in der Zone dennoch strikt gegen weibliche Agenten gewesen war hatte den einfachen Grund. Weniger die möglichen und sogar sehr wahrscheinlichen Vergewaltigungen, das konnte zum einen auch Männern passieren und das war das Problem der einzelnen Frau. Wenn sie sich freiwillig meldete musste sie eben damit rechnen, wie bei jedem Einsatz gab es ganz akute Gefahren.
Der Hauptgrund waren die Spätfolgen. Jede Frau trug nun einmal den Kompletten Satz an Eizelle für ihre Nachkommenschaft bereits seit der Geburt mit sich herum und die würde auch zur Gänze mit verstrahlt werden. Bei Männer war es egal, auch ob sich einer der Bastarde hinterher nicht mehr reproduzieren konnte war ihm egal, aber er wollte nur nicht dafür verantwortlich sein, wenn später haufenweise behinderte Kinder zur Welt kamen, oder schlimmer, wie sich gezeigt hatte. Über die Mutanten seiner Welt verlor keiner ein Wort. Wenn sie sich freiwillig sterilisieren ließ war es etwas anderes, aber verlangt hätte er dass niemals.
Jedenfalls schwieg er und setzte seine Beobachtungen fort. Er würde auch diese Frau nach ihren Eignungen bewerten und einsetzen, alles andere schien ihm komplett widersinnig.
"Ja, Schwerter. Lang und unhandlich. Die Billigeren sind Prügel mit denen man nach zwei oder dreimal zuschlagen sägen kann, aber es gibt auch richtig gute Klingen. ...und auch Leute, die damit umgehen können. Ist schon schön anzusehen, wie im Film... Und mit denen kann man dann so gut wie alles halbieren. Holz, Schädel, Monster. Ich werde das aber nicht mehr lernen."
Vielleicht auch weil er zu stur war in einer Disziplin wieder den Anfänger geben zu müssen, und zwar ohne dass es gespielt war.
"Es gibt nur die paar AK's, die meine Leute und ich selber mitgebracht haben, und die hab ich zur Sicherheit in Verwahrung. Kommen nur im Notfall zum Einsatz."
Wenn sie um Beispiel zu zweit ein Lager Nilfgarder niedermachen mussten.
"Schusswaffen die auf Schwarzpulver basieren sind noch nicht erfunden. In ein paar Jahren werd ich diesen Missstand vielleicht beseitigen."
Ein paar Ideen geisterten da in seinem Kopf herum, aber er musste lange genug nachdenken um die weitreichenden Konsequenzen nicht aus dem Blick zu verlieren.
"Was es gibt ist die Armbrust. Hab mir eine Spezialanfertigung zugelegt, ist einigermaßen präzise und nicht ganz so schwer und die Reichweite ist vertretbar. Sperrig ist das Ding halt wie ein Kasten Bier, das trägt man nicht jeden Tag mit sich herum."
Er trank auch den Kaffee aus, der längst lauwarm war, schluckte runter. Er konnte lange beim Frühstück sitzen, aber wenn er dann irgendwann wusste, womit es konkret weiterging, dann blieb auch er nicht mehr gern ruhig sitzen, darin ähnelten sie sich. Und er nahm die Armbrust eben wirklich selten mit. Vor allem nicht wenn er in der Stadt unterwegs war. Zu auffällig. Warum er es sich erlauben konnte, augenscheinlich unbewaffnet zu gehen, das würde sich etwas später zeigen.
Dank der Pillen kam er an diesem Morgen auch gut hoch und stand der erneuten Begegnung mit den Hexern mit weniger Vorbehalten gegenüber wie sonst. 90igjährige, die so fit waren... Er beneidete sie einfach. Mit jedem von ihnen hätte er gerne getauscht, und was sie so erzählten, von wegen Kräuterprobe, schlimmer als seine Ausbildung konnte das auch kaum sein. Er nickt noch zu dem Vorschlag und packte die Skizze ein, auf der die Position des Fluggerätes angegeben war.
"Ich hoffe einfach, dass die beiden einen einigermaßen guten Orientierungssinn haben. Es wird auch noch ein Kartograph zugegen sein, Sie werden es schon finden."
Er klang zuversichtlich.
Ein wenig räumte er noch beiseite, packte ein was er brauchte. Die Tokarev trug er bereits unter der Jacke, Geld hatte er dabei, zur Sicherheit auch den PDA und Zigaretten, sein Siegel, welches ihm den Ausweis ersetzte und was man eben bei sich trug.
Seine Wohnung schloss er von außen ab, aber das wäre sogar unnötig gewesen, denn mittlerweile wurde sie bewacht.
Ihnen folgten schon bald ein paar Leibwächter, immer einige Schritt entfernt, gerade so, dass sie noch eingreifen konnten aber in der Menge untergingen. Was jedoch nicht immer lückenlos zu bewerkstelligen war. Gute Leute, das wurde er nicht müde zu betonen, engagiert und bemüht, bereit wirklich jeden Befehl zu befolgen aber nur mäßig geschickt in der Tarnung. Für hiesige Verhältnisse reichte es, aber wer ein wenig Übung hatte fand sie recht schnell. Dennoch war er mittlerweile froh, sie zu haben.
<geht am Hafen weiter>