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Re: Auf der Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Häuser der Ritterschaft

Verfasst: Montag 7. November 2022, 09:31
von Jarel Moore
Der Anblick Slavas, der seinen Blick mit einer Träne im Augenwinkel erwiderte verschob Jarels Bild seines Liebsten ein Stück. Die gefühllose und kalte Art des Spions war mehr Maske als gedacht.
Halb halb verlegenes, halb überwältigtes Lächeln huschte über das raue, bärtige Gesicht.
Gedankenverloren – und ganz im Gegensatz zu seiner üblichen Art – legte der Schattenläufer das Musikinstrument auf dem Boden ab, empfing den Kuss, erwiderte ihn, zog den Russen mit sich hinunter auf das Fell.
Konnte man die erste Nummer durchaus als hitzig und vom Trieb befeuert beschreiben, bahnte sich nun etwas anderes an. Ein langsames, hingebungsvolles, von Pheromonen geflutetes Ringen, bei dem Slavas Hand auf Jarels Lippen mehr als einmal zum Einsatz kam.
Am Morgen lagen dann zwei völlig erschöpfte und ausgebrannte Männer auf dem Widderfell.
Einer von beiden hatte es noch geschafft die Decke vom Bett zu zerren und über beide auszubreiten.
Und dann…
Ein kurzes Klopfen. Sofort war Jarel hellwach. „Kacke…“, raunte er leise und sprang auf.
Jemand betätigte die Klinke. Der Ritter griff nach dem Leinenhemd auf seinem Herrendiener und versuchte es anzuziehen. Die Schnürung am Hals landete hinten.
Hrmpf…“ Ein weiteres Klopfen. Fordernder, beinahe hektisch.
Fast hätte sich der Schattenläufer völlig im naturfarbenem Stoff verstrickt und schaffte es dann doch, das Knielange Kleidungsstück passend herunter zu ziehen.
"Jarel? Jarel... He, aufwachen!". Die Stimme seines Knappen.
„Jakob…“, keuchte Jarel und trat an die Tür, sah sich nach Slava um, der ebenfalls sofort hellwach gewesen war und schob den Riegel zurück.

*****
Weiter gehts hier.
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Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Dienstag 13. Dezember 2022, 09:56
von Jarel Moore
Er atmete so tief ein, wie er konnte. Gegen den Wiederstand hin, dem ihm sein Körper bot, gegen den Widerwillen seiner Muskeln, gegen den Schmerzen, aus dem seine ganze Welt zu bestehen schien.

Rechts von ihm, über dem Meer, dessen Gischt er in Schein der aufgehenden Sonne golden schimmern sah, riefen Möven und begrüßten den jungen Tag, untermalt vom Knarren der beiden Taue über ihm, die von daran hängenden Körper straff gezogen wurden.
Das Salz in der Luft sang ein Lied von Feuchtigkeit, das Rauschen der Brandung untermalte die Melodie mit einem Versprechen von Kühle und Schwerelosigkeit.

Langsam strömte sein Atem zurück. Es war fast als würde er von allein aus seinen Lungen gepresst, die sich vehement weigerten, gefüllt zu bleiben. Als stünde sein Körper unter Druck, als wäre er bereits in den Tiefen der See gefangen.
Er wünschte sich dorthin. Ins Wasser. Damit die See ihn umarmen konnte, forttragen, mit hinunter nehmen in die kühle Stille. Und die Dunkelheit.

Einatmen. Noch ein mal. Zäh. Mühsam, die nicht mehr vorhandene Kraft raubend.


Beinahe war es idyllisch hier, am Rande des Dschungels. Zu seiner Linken wurde der Bestand der Palmen dichter und floss in nicht einmal vierzig Schritt Entfernung zu einer massiven grünen, lebendigen Wand zusammen, aus der ständig irgendein Vogel rief oder ein Tier schrie.
Vor und hinter ihm erstreckte sich bis zum Horizont einsame, schneeweiße Sandstrände, nur gelegentlich von der einen oder anderen Palme unterbrochen. Als hätte jemand vom Himmel aus das Speerwerfen geübt und selbstvergessen die wunderschöne Umgebung betrachtend seine Waffen nicht wieder eingesammelt.

Er schloss die Augen, wollte nicht mehr sehen. Die Verheißung von Freiheit nicht mehr, die Unendlichkeit nicht mehr. Unwillkürlich meldete ihn sein Geruchssinn eine wahrhafte Kakophonie von Gerüchen und Gestank. Der Rauch der nahen Feuer, im Begriff zu verlöschen, weil niemand den Flammen mehr Nahrung zukommen ließ, das Meer mit seinen leeren Versprechungen und dann noch: Getrocknetes Blut. Urin. Eiter. Wundflüssigkeit. Brandiges Fleisch. Samen. Kurzum: Der Tod. Sein Tod.

Ausatmen. Kurz. Hektisch. Keuchend.

Anfangs war gelegentlich einmal einer von ihren vor ihn getreten und hatte ihm etwas eingeflößt.
Zu dem Zeitpunkt wollte ihm sein Stolz die Aufnahme der Flüssigkeit verwehren, roch er doch deutlich, dass es sich nicht um Trinkwasser handelte, sondern um etwas viel später in der Reihe der Verdauung.
Zu dem Zeitpunkt hatte er noch Hoffnung gehabt, hier irgendwie lebend raus zu kommen.

Einatmen. So zäh. So anstrengend. Als müsse er eine riesige Faust auseinander stemmen, die seinen Oberkörper presste wie eine reife Frucht.

Nun, da sie kaum noch nach ihm sahen musste er einsehen, dass er für sie uninteressant geworden war. Niemand kam mehr. In den ersten Tagen hatten sie sich noch darum geprügelt, wer sich erstes mit dem neuen Spielzeug vergnügen durfte. Wer hinter ihn treten und sich an ihm vergehen durfte.
Einer der Halbstarken hatte ihn nach unten gezogen. Mit seinem eigenen Körpergewicht, in dem er seine Beine um seine Taille geschlungen und an ihm geschaukelt hatte, als wäre er ein Spielzeug. Kein Lebewesen.
In dem Moment, als das Gelenk seiner linken Schulter seinen Dienst verweigerte und mit einem Geräusch, dass er nie mehr vergessen würde, auseinanderglitt wusste er: Hier kam er nicht mehr lebend raus. Und als ihn Schmerz und Schwäche das Bewusstsein raubten war er froh darüber.
Nichts war einfacher als sterben. Dachte er.

Ausatmen. In einem einzigen, kurzem Zug.

Als er, ganz gegen seine Hoffnung, wieder erwachte, war es Nacht. Im Schein der nahen Feuer tanzen schlanke Gestalten zum Dröhnen der Trommel einen hypnotischen, schamanischen Tanz.
Sein ganzer Körper stand in Flammen, brannte lichterloh wie das Freudenfeuer unweit von ihm, nur in seinem Fall vor Schmerz.
Seltsamerweise vermochte er sich auf ein anderes Gefühl zu fixieren. Das Gefühl von klebriger Kühle an seinen Zehen. Sie hatten ihn direkt nach seiner Gefangennahme entkleidet und zwischen zwei Palmen hochgezogen. Eines der Seile um sein linkes, eines um sein rechtes Handgelenk gebunden, hoch gezogen zu einem Menschlichen Ypsilon, fast zehn Finger breit über dem Boden.
Nun spielten seine Zehen im Sand. Und es waren weder die Palmen die nachgegeben hatten, noch die Seile.

Einatmen. Dieses eine Mal noch.

Irgendwann – er wusste längst nicht mehr wie viele Tage er hier hing – war es ihm egal gewesen sich einzupissen. In der am Tag sengenden Sonne hatte es sich sogar kühl angefühlt, während es an seiner roten, großflächig von Blasen übersäten Haut entlang in den Sand lief.
Und irgendwann ging sogar das nicht mehr. Zu weit lagen die Momente auseinander, in denen sie ihm - was auch immer - einflößten. Da hätte er schon alles getrunken. Und wäre noch dankbar gewesen.
Wie viele Tage er hier hing wusste er nicht mehr. Aber um welche Tageszeit es sich handelte, konnte er immer genau sagen. Weckte ihn das Gleißen auf der Gischt rechts von ihm, war es morgen. Verbrannte ihm die Sonne Kopf, Arme und Schultern, handelte es sich um die Mittagszeit und wenn die Geräusche des Dschungels so laut wurden, dass es seinen Verstand wegreißen wollte brach die Nacht an.

Ausatmen. Fast schon Erleichterung.

Anfangs waren die Nächte das schlimmste gewesen, denn dann waren seine Peiniger am aktivsten. Dann kam regelmäßig jemand zu ihn. Um ihn zu schneiden, zu stechen, ihre Experimentierlust zu stillen. Um ihn zu verhöhnen. Oder – besonders im Falle der halbstarken Männer – mit ihm zu spielen, sich an ihm zu vergehen.
Jetzt, als es zu Ende ging, war der Tagesablauf zu einem einzigen formlosen Brei zerlaufen. Längst war es ihm unmöglich zu sagen, wann ein Datum endete und wann das nächste begann.
Sogar der Schmerz trat in den Hintergrund. Die Geräusche wurden leiser, verschwammen zu einem Rauschen. Nur die gnädige, erflehte Bewusstlosigkeit wollte sich einfach nicht einstellen.
Sein Körper war zu stur zum Sterben. Im Gegensatz zu seinem Geist. Der erflehte das Ende.

Einatmen. Ruckartig. Halbgar. Schwach.

Jemand trat vor ihn. Er vermochte den Kopf nicht zu heben, einzig die Augen hochzurollen, gegen einen zähen, körnig brennenden Widerstand unter den papiertrockenen Liedern an.
Vor ihm stand einer der Halbstarken. Mehr als zwei Schritt hoch, violette Haut, muskelbepackte Beine, ebenso starke Arme, nur mit einem Lendenschurz und einer Unzahl an Armreifen bekleidet.
Auf den riesigen Hauern, die aus dem langen spitzen Gesicht ragten und sich beinahe bis zum Ansatz der flammroten, wirr hochstehenden Haare zurückgebogen wuchsen befanden sich keine Ringe, keine Kerben, kein Schmuck. Noch nicht das Ritual des Erwachsenwerdens vollzogen. Noch nicht in die Kaste der Krieger aufgenommen.
Sein Blick senkte sich unwillkürlich wieder. Das Farbspiel der violenten Füße, deren drei wuchtigen langen Zehen im schneeweißen Sand spielten lenkte ihn einen Moment ab, bis ihn eine dreifingrige Hand die Sicht nahm. Der Halbstarke wollte spielen, verspottete ihn. Er verstand die Worte nicht, aber zusammen mit der Geste war klar: Es ging um den Schwanzvergleich. Mit dem, was bei einem Dschungeltroll zwischen den Beinen baumelte, konnte sich kein Mensch messen. Das Lachen hörte er kaum noch.
Er wollte schon wegdriften, sich gehen lassen, mit dem Geist den geschundenen Körper verlassen, als er erkennen musste, er konnte DOCH noch Schmerzen zu fühlen in der Lage war.
Der Halbstarke spielte an dem Bolzen herum, dessen Überreste knapp oberhalb des rechten Beckens einen halben Finger breit aus seinem Fleisch ragten. Es hätte bluten sollen. Tat es aber nicht. Schon lange nicht mehr.

Ausatmen.

Und dann…griff der Halbstarke mit den kraftvollen Fingerspitzen zu, und riss den Fremdkörper aus seinem Fleisch. Ein kurzer Schmerz, das Gefühl, dass etwas zäh und kühl über sein Becken rann und endlich…endlich umfing ihn die Schwärze und Kälte, nach der er sich so sehr sehnte.

Sein letzter Gedanke galt seinem Gefährten.

‚Farewell, Liebster. Leb wohl.‘

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 15. Dezember 2022, 21:09
von Vyacheslav Sokolov
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von: Zuhause --> Jarels Haus in der Komturei
Datum: etwas später am Abend des 6. August 1278
betrifft: Slava, der Sanitäter, Jarel
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Es war immerhin nicht weit, aber nicht weniger gefährlich und vor allem nach dem letzten Tag war er bekannter geworden, vor allem bei der Stadtwache. Und nun besaß er auch einen Adelsbrief der ihn als Freiherr auswies, irgendetwas kompliziertes von wegen verschollener und in Ungnade gefallener Erbe und von Gnaden des Grafen Dijkstra wieder in den Adelsstand erhoben und so... er musste es sich noch durchlesen, seine neue Legende, aber dazu hatte ihm die Geduld gefehlt.
Nun stand er am Tor der Tempelinsel. Es war spät genug am Abend, um nicht mehr jeden Zivilisten durchzulassen, aber ihn ließ man ein. Er dachte nicht über die Konsequenzen nach oder konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Wie Dijkstra bemerkt hatte, er wußte viel, hatte beachtliche Fähigkeiten aus seiner Welt mitgebracht, aber wie diese tickte hatte er noch nciht zur Gänze begriffen und begegnete ihr auch noch immer mit einer gewissen Arroganz.
Vor Jarels Haus hielt er inne, blickte erst durch die Fenster, konnte jedoch nichts erkennen. ein schwacher Schein einer Öllampe, es war also jemand Zuhause. Oder War Jakob entlassen?
Er zog noch einmal sein Wams gerade und klopfte dann an die Türe.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 15. Dezember 2022, 21:38
von ERZÄHLER
Jemand öffnete. Jemand, der nicht Jarel war.
Einer der guten Brüder des Ordens, den Slava noch nicht kannte. Der hagere Mann mittleren Alters ging ihm bis zur Schulter, er trug schlohblondes, wirr abstehendes dichtes Haar, helle, beinahe farblose Augen und war irgendwie…verbaut. Das Gesicht nicht zu einhundert Prozent symmetrisch, eine Schulter hing noch niedriger als die andere und auch die Beine wirkten nicht gleich lang.
Die hellen Augen jedoch strahlten scharfe Intelligenz aus, ebenso der Blick, mit denen er den Besucher durch den Spalt, den er die Tür aufgeschoben hatte, maß.
„Ja?“ Die Stimme des Mannes wirkte etwas heiser, aber sonst unauffällig.
Hinein sehen ließ er den Ankömmling nicht, dafür war die Tür nicht weit genug offen.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 15. Dezember 2022, 22:24
von Vyacheslav Sokolov
Und Slava blieb fast das Herz stehen, im übertragenen sinne, tatsächlich war er mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass seine Pumpe doch unverwüstlich sein musste.
Das war nicht Jarel und wer es auch immer war, er war in dessen Haus. Kurz vergewisserte er sich, dass er an der richtigen Türe geklopft hatte. Scheiße.
Aber solche Situationen hatten schon immer seine Kreativität angeregt, dafür war er gemacht worden.
Den Moment der Verwirrtheit nutzte er.
"Seid ihr Klingenmeister Moore?"
Er legte seine ganze Überzeugung in die Frage, den leichten Zweifel der Erscheinung des Mannes geschuldet.
Zumindest war Jarel so aus der Schusslinie.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Donnerstag 15. Dezember 2022, 22:36
von ERZÄHLER
„Seh ich so aus? Seid ihr der Bote mit den Medikamenten?“, fragte der Kerl misstrauisch.
Der Mann war keiner seiner Brüder. Weder von hier, noch aus Wyzima. Die kannte er alle.
Und der halb verhungerte Junge, der sonst die Medikamente brachte war das auch nicht.
„Meister Moore ist unpässlich. Wer bei der ewigen Flamme Wärme seid ihr?“
Mit vor Misstrauen funkelnden Auge versuchte Bruder Holtmann an Slava vorbeizusehen. War eine der Wachen in der Nähe, die er im Notfall rufen konnte? Besonders wehrhaft war er nicht. Ganz offensichtlich. Aber notfalls würde er sich halt mit dem Skalpell wehren.
Ungeduldig starrte er Slava an.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 16:05
von Jarel Moore
„Stabil.“, erklärte der Medicus nüchtern, ohne sich vom Hocker zu erheben. „Hatte vor zwei Stunden Atemprobleme und eine Art Krampfanfall, seitdem ist allerdings der Blutdruck stetig gestiegen und schon beinahe normal.“ Holtmann nickte zuversichtlich. „Kommt durch.“
Dass er diese Tatsache nicht sich selber zuschrieb, grenzte an ein Wunder.
„Ist der Klingenmeister so wichtig, dass es euch den Schlaf verdirbt, oder geht es um die Zusammenarbeit mit dem Handelsrat?“ Auf Wenzels fragendes Gesicht hin wurde Holtmann hellhörig.
Ohooo! Der Großkomtur wusste nicht von der Zusammenarbeit. Sofort fühlte sich Holtmann überlegen. Großartig. Jetzt wurde es interessant.
Holtmann setze sich besonders gerade – für seine Verhältnisse zumindest - auf den Hocker und hätte die Beine übereinandergeschlagen, wenn da nicht das Problem mit der Beweglichkeit gewesen wäre.
„Gestern erschien jemand hier. Nach dem Abendgebet noch und erkundigte sich nach dem Klingenmeister. Fragte um Unterstützung bei der Befragung einiger Häretiker an. Wurde unverschämt als ich ihm mitteilte, Meister Moore sei unpässlich.“
Wie ein wedelnder Hund – nur vollkommen reglos und mit betont neuraler Mine – wartete Hermann ‚Holzhammer‘ Holtmann auf die nun folgende Frage. Er hätte auch von allein weiterreden können. Würde er aber nicht.

Dem sich schlafend stellenden Jarel bleib fast das Herz stehen. Konnte es sein das...Slava?
Er war hier her gekommen? Um nach ihm zu sehen?
Hatte er sich Sorgen gemacht? So große Sorgen, dass er mit dem Kopf voran in diese Schlangengrube sprang? Da war doch Wahnsinn.
Jarel versuchte sein Wachsein weiter zu verbergen um mehr zu erfahren.
Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 20:24
von ERZÄHLER
Wenzels Blick ruhte einen Moment länger auf dem ungesund grauen Gesicht Jarels. Bei Antworten auf die eben von ihm gestellte Frage, schätzte er Direktheit durchaus, auch wenn er wusste, dass Holtmann diese Direktheit allem und jedem gegenüber anwandte. Wie eine Axt im Walde, pflegte Welfenberg zu sagen, aber sonst ein guter Medicus. Der Großspittler wusste den Guten Bruder einzusetzen und die Ergebnisse sprachen meist für sich. Wenzel nickte knapp, auch wenn ihm die Worte 'Atemnot' und 'Krampfanfall' durch Mark und Bein gingen. Wie knapp mochte es gewesen sein? Er stellte fest, dass er Jarel nie gefragt hatte, ob er sich einen Tod im Bett oder einen im Feld vorstellte, wenn er je die Wahl hätte. Ob er seinen sterblichen Körper den Flammen übergeben würde - was erwartet wurde, aber Wenzel wusste, das glaubende Herz des Ritters vor ihm schlug in zwei Tönen. Was in seinen Augen in Ordnung war, so lange die zweite Saite im Stillen klang. Moore war sicher nicht der Einzige, der aus einem anderen Glauben gewechselt war und diesen nie ganz abgelegt hatte.
Das silberne Augenpaar kehrte zu Holtmann zurück, als dieser frech wurde. "Mir sind meine Räte wichtig, Holtmann.", erwiderte er kühl, doch er rechnete nicht damit, dass der in Sachen Menschlichkeit unterbelichtete Tropf den Klang wahrnahm oder auch nur die Worte zu deuten versuchte. Statt dessen palaverte er weiter und weckte nun doch Wenzels Aufmerksamkeit. Handelsrat? Leicht krausten sich die Brauen des Großkomturs, als er der weiteren Berichterstattung lauschte und versuchte neutrale Miene zu wahren. Schon als Kind hatte er Petzen gehasst und als Erwachsener mochte er keine Speichellecker. Dennoch winkte er ungeduldig, als Holtmann endete und ihn listig aus seinem schiefen Gesicht anstierte.
"Weiter Bruder, lasst Euch nicht alles aus der Nase Ziehen. Hat er sich vorgestellt? Beschreibung?", wobei er bei Letzterem wenig Hoffnung hatte. Auch da hatte Welfenberg den passenden Ausspruch gehabt, als er sagte, man könnte den Patienten mit Fratzen beschnitzte Kürbisse auf den Kopf setzen, es würde Holtmann nicht auffallen - es sei denn, es ging um ein entzündetes Auge. Aber vielleicht hatte er ja irgendetwas Hilfreiches. Ausgerechnet der Handelsrat, der sowieso gerade in Aufruhr war und wieso vernahmen die plötzlich Herätiker? In Wenzel reifte ein Verdacht, den er allerdings zuletzt mit Holtmann teilen wollte. Da war doch eine Razzia angeordnet worden, ohne den Orden zu konsultieren - vom Regenten persönlich, so hieß es. Den Grund versuchten seine Leute gerade noch aus all den Gerüchten heraus zu filtern.
Während Holtmann sich weiter erging, legte Wenzel seinen Mantel ab und warf ihn achtlos zuoberst auf den Herrendiener. In Ermangelung einer anderen Sitzgelegenheit nahm er auf der Bettkante zu Jarels Füßen Platz und beobachtete diesen noch einen Moment, dann sagte er: "Danke, Eure Dienste werden heute nicht mehr gebraucht. Ich bleibe, bis er aufwacht." Und der Blick, der dann auf Holtmann herum schwenkte, würde selbst diesem ins Gehirn nageln, dass Widerworte weder erwünscht noch geduldet wären.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 21:03
von ERZÄHLER
Holtmann blinzelte. Da war etwas in der Stimme seines Großkomturs…nur kam er nicht dahinter, was es bedeutete.
Nur dass er jetzt kleinere Brötchen backen sollte begriff er. Unzufrieden setze er noch einmal am Anfang an.
„Ein Mann verlangte nach Einlass. Keiner als zwei Schritt, ausgesuchte Kleidung, keine Rangzeichen, keine Uniform.“ Eine bessere Erklärung würde es nicht geben. Das war schon das höchste der Gefühle, dass der Medicus zustande brachte.
Er stellte sich als Freiherr Sockenoff vor und verlangte den Klingenmeister zu sehen. Wollte seine Dienste bei der Befragung mehrerer Häretiker in Anspruch nehmen. Nahm an, der Ausdruck ‚unpässlich‘ wäre eine Verschleierung für einen Alkoholrausch.“
Hermann Holtmann atmete durch. Wenn er schon richtigstellte, dann wenigstens vollständig.
„Der Zusammenhang zum Rat war eine Schlussfolgerung meinerseits. Die Zusammenarbeit mit einem Gremium außerhalb des Ordens seitens des Klingenmeisters…ist bekannt?“, hakte er nach.
„Und der Freiherr Sockenoff. Der Name sagt euch etwas?“
Erst als er seine Antworten hatte…oder was auch immer er bekam, war er bereit zu gehen.
Unzufrieden wegen des Mangels an Beachtung seiner Leistung, aber gehorsam. Was blieb ihm auch anderes übrig.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 21:11
von Jarel Moore
Jarel wartete ab. Als er der Meinung war, der Abstand zu Holtmanns Verschwinden war lange genug, begann er mit dem Schauspiel des Aufwachens.
Leises Stöhnen, schwache Regungen, zögerliches Öffnen der Augen. Orientierungsloses Umsehen.
Und abwarten, was geschah.
Das alles fiel ihm mehr als leicht, entsprach es doch genau dem, was er fühlte. Selbst wenn sie ihn allein ließen, er würde nicht in der Lage sein, Slava aufzusuchen.
Das nächste Stöhnen war nicht gestellt. Und die Übelkeit auch nicht.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 21:48
von ERZÄHLER
Wenzels Verstand arbeitete auf Hochtouren. Sokenoff. Sokonoff. Nein, der Name war anders, aber er ahnte, wen der Medicus meinte. Noch konnte er sich keinen Reim darauf machen, aber er würde das nicht mit einem Guten Bruder erörtern und schon gar nicht mit diesem. Mit immer noch leicht unterkühltem Ton, doch sehr ruhig erwiderte er nur: "Selbstverständlich. Und nun lasst uns unsere Arbeit tun und tut Ihr die Eure." Offen lassend, welche von beiden Fragen damit beantwortet war oder ob es gar beiden waren. Der Komtur beobachtete Holtmann dabei, wie er seine Gerätschaften zusammen packte und sich dann missmutig davon machte. Auch an die Unhöflichkeiten dieses Menschen war von Herrenloh inzwischen gewöhnt, dennoch atmete er unhörbar auf, als er endlich fort war.
Wenzel blieb sitzen, wo er saß und sah Jarel eine Weil an, verfolgte, wie dieser aus der Bewusstlosigkeit aufzutauchen schien. "Er ist weg, kein Grund mehr für das Schauspiel." Doch seine Stimme hatte schlagartig eine andere Färbung als noch kurz zuvor Holtmann gegenüber.
"Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mir deinen Knappen so zeitnah aufhalsen wolltest, alter Freund.", rügte er Jarel milde.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Samstag 17. Dezember 2022, 22:30
von Jarel Moore
Verdammt.
Wenzel kannte ihn zu gut.
Noch immer in Zeitlupe – und das war nicht gespielt – drehte er sich auf den Rücken und legte schwer atmend die Hände auf dem Bauch zusammen.
„Es ist morgen, richtig? Du verpasst die Morgenmesse.“, murmelte er matt. Er war sich selber noch immer nicht klar, was geschehen war. Einzig, dass er Wenzel entweder so wichtig war, seine eigentlichen Pflichten zurückzustellen, oder dass ihn das neuerliche Versagen seines ehemaligen Knappen so misstrauisch gemacht hatte, dass er die Klärung der Situation nicht mehr aufschieben wollte.
Woran genau erinnerte er sich? Er hatte sich mit Jakob überworfen. Er hatte Jakob allein gelassen.
Und dann? Hatte er wirklich unterbewusst versucht, sich umzubringen? Nein…er hatte jeden Grund zu Leben. Er hatte die Liebe gefunden. Und selbst wenn Jakob ihn nun abwies, hieß dass noch lange nicht, dass er nicht seine Hand über den Jungen halten würde. Es sei denn, er würde fliehen müssen. Oder im Kerker landen.
Und beides war in diesem Moment durchaus eine greifbare Möglichkeit.
Und gerade, dass er Wenzel nicht einmal vorspielen konnte noch in der Bewusstlosigkeit zu verweilen zeigte ihm: Er konnte seinen Freund nicht belügen. Egal wie viel Mühe er sich gab.
Was blieb ihm also?
„Wenzel…ich habe keine Ahnung was passiert ist. Vielleicht war ich abgelenkt und habe nicht ausreichend auf die Dosierung geachtet. Oder es lag an einer anderen…Unpässlichkeit…“
Er schluckte, atmete durch. „Ich erinnere mich nicht.“, gab er offen zu.

Und nun? Er war auf Gedeih und Verderb seinem Schwertherrn ausgeliefert. Mögen die Schatten Jakob, Slava und ihm beistehen. Erstaunlich ruhig sah der Ritter zur Decke.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Sonntag 18. Dezember 2022, 13:45
von ERZÄHLER
Aufmerksam verfolgte er jede Bewegung des Mannes im Bett, machte ihm letztlich doch Platz, um sich auf den Stuhl am Kopfende zu setzen, den Holtmann dort platziert hatte. "Zhelin wird die Messe lesen." Während er sprach schenkte er ungefragt Wasser in einen Becher. "Ich konnte dich nicht länger mit Holzhammer allein lassen. Bei ihm hat man immer das Gefühl, er lauere nur darauf, dass man endlich zum Göttlichen geht und er mit dem Skalpell nachschauen kann, was denn nun eigentlich das Problem war.", zerstreute er die Sorge Jarels, es könnte mangelndes Vertrauen sein - wenn auch unwissentlich. Er war niemand, der mit seinen Gefühlen hausierte, aber ähnlich wie Jarel keine zehn Elefanten aufhalten würden, wenn es Jakob nicht gut ginge, so würde auch Wenzel immer zum Teil den Knappen in dem Mann sehen, der doch eigentlich fast so alt war wie er und sich um ihn sorgen. Außerdem war er ihm ja schon tags zuvor wegen der Verwundung auffällig geworden und einmal mit der Nase in einer Fährte, ließ der alte Bluthund auch so schnell nicht mehr von dieser ab.
Wenzel ließ Jarel Zeit, seine Gedanken zu sortieren, hielt sich nur bereit, falls der sture Esel versuchen sollte, sich aufzusetzen. Unpässlichkeit. Wieso redeten heute alle von Unpässlichkeiten? Aber er erinnerte sich nicht oder behauptete es zumindest. Der Großkomtur ließ diese Aussage zunächst so stehen. Er wirkte recht entspannt auf dem Stuhl, gekleidet als sei er an einem freien Abend in seinen Privatgemächern und so wirkten die folgenden Worte äußerst deplatziert. "Hast du getrunken? Das hat zumindest der Herr vom Geheimdienst vermutet, der hier war, um deine Expertise anzufragen.", setzte er alles auf eine Karte, ließ es aber beiläufig klingen. Dennoch beobachtete er Jarel genau. Der Handelsrat, wie Holtmann vermutet hatte, schloss sich für Wenzel aus, wenn es um Vernehmungen und Herätiker ging. Und die Stadtwache trug Uniform und andere Ränge. Blieb also nur noch eine Gruppe, denn einer seiner Ritter war es defintiv auch nicht. Einen Freiherrn hatte der Hierarch den Neuen zwar nicht genannt, aber das konnte sich schnell ändern.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Sonntag 18. Dezember 2022, 16:49
von Jarel Moore
Wie nah Wenzel mit seiner Überlegung um Bruder Holtmann der Wahrheit kam, würde er hoffentlich nie erfahren.
In Zeitlupe schloss Jarel die Augen. Seine Lieder waren schwer wie Blei. Sein Herz auch.
‚Der Herr vom Geheimdienst…‘. Er sollte endlich aufhören, Wenzel zu unterschätzen.
‚…hat vermutet …getrunken…‘ Der Schattenläufer konnte nicht verhindern, dass er schwer schluckte.
Dachte Slava das wirklich? Dass er rückfällig geworden war? Dass er ihn für einen Rausch alles über Bord geworfen hatte? Das er schwach geworden war beim Anblick einer Flasche? Jarel erwischte sich bei dem Gedanken, dass eine Flasche Rum in diesem Moment tatsächlich verlockend war. Verdammt verlockend. Warum sollte Slava es also nicht denken? Er wollte nur noch eines. Zu ihm um das zu klären. Sich für sein Versagen entschuldigen. Ihn in die Arme nehmen…
Ebenso langsam öffnete er die Augen wieder, zog die Ellenbögen an und wollte sich aufsetzen.
Bei dem, was kam, wollte er seinem Schwertherrn wenigstens in die Augen sehen. Wenzel war augenblicklich bei ihm und griff zu, half ihm, schweigend und selbstverständlich.
Dankbar ließ Jarel es zu, lehnte sich schwer atmend an die Mauer, zog das rechte Knie an um seine Finger davor zu verschränken. Noch einmal ging er kurz in sich. Hatte er getrunken? Mühsam warf er einen Blick aus dem Augenwinkel auf das Regal an der Rückseite. Nein. Dort standen noch beide vollen Phiolen. Die hatte er nicht angerührt. Er hatte also weder getrunken noch versucht sich umzubringen.
„Kein Alkohol.“, versicherte er und suchte Wenzels Blick. Lügen hatte keinen Sinn. Also blieb nur die Wahrheit. Den richtigen Teil der Wahrheit zu wählen war schon schwer genug. Zu gerne hätte er einfach mit allem ausgepackt. Doch wo das enden konnte, hatte er mit Jakob zu spüren bekommen.
„Keine Drogen.“, fuhr er nach einem tiefen Atemzug fort.
„Es muss das Medikament gewesen sein. Ich war unaufmerksam. Nehme ich an.“ Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich übers Gesicht und sah sich kurz um. Allein der Blick zum Becher reichte und sein Großkomtur drückte ihm den ohne großes Federlesen in die Hand. Behutsam nahm der Schattenläufer einen Schluck und bemerkte dann erst den aufbrandenden Durst. Wenn er es nicht besser wüsste, er hätte selber gedacht es war ein Rückfall.
Und dann…redete er von ganz allein weiter. Tacheles. Karten auf den Tisch. Einen Teil der Karten zumindest.
„Sokolov kenne ich von meiner Suche nach einem Knappen. Bin regelrecht über ihn gestolpert. Ein Reisender. Andere Welt. Nicht Azeroth.“ Erstaunlich, wie gut es tat, es einfach auszusprechen.
Wenzel wusste bereits viel schlimmere Dinge als das. Und auch wenn Jarel da falsch lag. NACH diesem Gespräch würde er es wissen.
„Brillanter Stratege. Überragender Nahkämpfer. Meine erste Wahl auf der Suche nach Unterstützung im Kampf gegen die Hexe.“
Und genau dies war der Teil der Wahrheit, den er arg beschnitt. Und tief in sich betete, der Großkomtur wurde den Köder schlucken.
„Wir stellen einen Trupp zusammen. Wenn Faslan vorher schon mächtig war, ist es nun noch schlimmer. Ein beauftragter Hexer kam gerade so mit dem Leben davon. Der nächste Schlag muss sitzen. Und bedarf einer akribischen Vorbereitung.“
So angenehm die Wahrheit vorher gewesen war, so scheußlich fühlte sich diese Halbwahrheit an.
Bei der Schatten kühler Umarmung. Er wollte aus dieser Situation raus. Nach Slava sehen. Bei Jakob sein. Die Schwäche abwerfen. Und endlich mit der Lüge aufhören.
Von allein senkte sich sein Blick matt nach unten.
Er fühlte sich leer. Furchtbar leer.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 10:26
von ERZÄHLER
Der Mann auf dem Bett erregte Wenzels Mitleid, doch er zeigte nichts davon, blieb nur aufmerksam und half, wo er helfen konnte.
Kein Alkohol, keine Drogen, dafür Unaufmerksamkeit.
"So kenne ich dich nicht. Du weißt, ich habe immer ein offenes Ohr und du kannst mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles anvertrauen, was dich belastet." Unter diesem Siegel war es sogar belanglos, dass er der Komtur war - Konsequenzen waren rein religiöser Natur, solange es nicht um Hochverrat am Orden ging.
Wenzels Worte hatten etwas ausgelöst und dies wiederum sagte ihm, dass er Recht hatte mit seiner Vermutung. Allerdings konnte ihn nichts darauf vorbereiten, was als nächstes kommen sollte. Stumm hörte er zu, stand dann auf und ging die wenigen Schritte zwischen Tür und gegenüber liegender Wand, dann zurück und so weiter. Langsam, sich dabei den kurzen Bart streichend und mit undeutbarer Miene.
Sokolov.
Genau, das war der Name gewesen. Der 'Emporkömmling' wie der Hierarch ihn zu nennen beliebte. Ein Reisender also. Noch einer, aber nicht aus Jarels Heimat und voller nützlicher Eigenschaften wie ihm der Ritter versicherte. Bis auf den Punkt, dass er eben für Dijkstra arbeitete. Das konnte ein Problem werden. Nicht für ihn persönlich - Wenzel schätzte Effektivität - aber der Hierarch würde es nicht gern sehen, wenn irgendwer Brücken über die säuberlich gezogenen Gräben zimmerte. Und zu einem Teil war da auch beim Großkomtur immer ein gewisses Misstrauen gegen die Leute Dijkstras, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte.
Er stoppte seine Wanderung, das Regal betrachtend. "Alles schön und gut, Jarel, nur hättest du ihn auch gleich für uns anwerben sollen." Wenzel wandte sich um und musterte den Mann auf dem Bett. "Die Weisung des Hierarchen war eindeutig: vor Dijkstras Emporkömmling, womit er wohl diesen Freiherrn von Sokolov meint." Er atmete durch, strich sich noch einmal über den Bart. Regungen, die der Mann sonst streng unter Kontrolle hielt. Diese Sache war heikel - er konnte Jarel verstehen, aber wenn der Hierarch davon erfuhr, wurde es kompliziert.
Wenzel verschränkte die Arme vor der Brust, gestikulierte aber mit einer Hand leicht. "Egal wie du es anstellst, diese Hexe muss in unseren Gewahrsam und auf einen unserer Scheiterhaufen. Und da dein neuer Freund nun schon mal hier war und von weiß das Licht wem gesehen wurde, will ich ihn kennen lernen. Ganz offiziell." Kenne deinen Feind, sofern er wirklich einer war. Vielleicht war er ja sogar nützlich.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 11:26
von Jarel Moore
Jarel konnte nicht verhindern, dass seine Augenbrauen eine Spur nach oben wanderten.
Wenzel wollte Slava kennenlernen.
Kurz wurde ihm so schwindelig, dass er schwer atmend um sein Bewusstsein kämpfte, der Becher entglitt seinen Fingern und landete auf seinem Schoß. Zum Glück leer. Sein Blick fand sekundenlang keinen Fokus uns rollte wie eine fallengelassene Kanonenkugel auf Deck einen schlingernden Kahns durch den Raum. Er brauchte eine gefühlte Ewigkeit sich zu fangen.
Bei allen Schatten. Hoffentlich verstand Wenzel das nicht falsch. Nein. Hoffentlich verstand er das nicht richtig!
Atmen. Konzentration. Haltung. Auch hier nein…die Sache mit der Haltung war schon längst am Arsch.
„Sokolov fehlt es am Glauben, Wenzel. Er würde zum Orden passen wie ein Schneemann nach Serrikanien.“, hob er Minuten später die Stimme wieder.
Wieder schluckte Jarel. Sie steckten in der Scheiße. Beide. Bis zum Kragen. Fliehen? Durchbrennen? Abhauen?
Nein. Jakob. Er konnte Jakob nicht im Stich lassen. Und er gehörte hierher. Er gehörte zu seinen Brüdern. Es musste einen Ausweg geben.
„Sokolov ist an der Stelle an der sich jetzt befindet maximal nützlich.“ Mit beiden Händen rieb sich Jarel über das Gesicht.
Ich werde ihm deinen Vorschlag unterbreiten. Aber auch er muss aufpassen, dass diese Kooperation nicht auffliegt.“ So wie er aufgeflogen war. So wie ALLES auffliegen würde, wenn er auch nur einen einzigen weiteren Fehler machte.
Kurz wollte ein Lachen in Jarels Kehle aufsteigen. Kein Gutes. Kein Fröhliches. Sein Verstand saßen in einer mit irrwitziger Geschwindigkeit voranschießenden gnomischen Raketenbahn ohne Bremsen und in sichtbarer Nähe fehlte mitten in einer Kurve ein Stück der Schienen.
Das
konnte
nur
schiefgehen.

„Wir werden die Hexe stellen. Und wir werden sie besiegen.“, versicherte Jarel und versuchte seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen. „Und was auch immer von ihr übrig bleibt, wird der Ewigen Flamme überführt.“
Er hob den Blick und sah seinem Schwertherrn in die Augen. „Lass mich nur meinen Jungen noch einmal sehen, bevor wie losschlagen.“ Eine weitere Pause. „Und sag ihm nicht, was wir planen.“
Hoffentlich verstand Wenzel seinen jetzigen Zustand auf diese Aussage hin als Sorge um Jakob.
Er betete in seinem Inneren um Vergebung der Göttin für all den Betrug, all den Missbrauch und all die Lügen.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 20:56
von ERZÄHLER
Von einem Moment auf den anderen war es, als wasche jemand den Rest Farbe aus Jarels Gesicht, der dort bis eben noch gewesen war. Angesichts der Umstände deutete Wenzel es ganz simpel: sitzen sollte der sture Mann einfach noch nicht, das machte sein Kreislauf nicht mit. Folglich war er schnell bei ihm, nahm ihm den Becher aus dem Schoß und bugsierte den sich fahrig wehrenden Ritter kommentarlos und unbeugsam wieder in die waagerechte. Er knüllte ihm sogar die Decke unter der Knie und während Jarel murrte, Sokolov fehle es an Glauben, prüfte der Komtur die Temperatur des Anderen - im Nacken, nicht auf der Stirn. Fast hätte er geschmunzelt bei der Erinnerung, wer ihm das beigebracht hatte. Als Knappe und Ritter waren sie ein seltsames Duo gewesen, denn der eine hatte fast ebenso viel gelernt wie der andere und Wenzel hatte Jarel in Rekordzeit in den Ritterstand erhoben.
Der Großkomtur saß nun wieder auf der Bettkante und hatte eine steile Sorgenfalte auf der Stirn, während Jarel redete und redete - ungewöhnlich genug. Um Kopf und Kragen? Worum ging es hier? Doch die ungesunde Gesichtsfarbe des anderen Mannes bewirkte, dass Wenzel sich etwas zurück nahm und als der Blick Jarels seinen endlich wieder suchte, legte er ihm - wie er hoffte - beruhigend die Hand auf die Schulter. Der Knappe mal wieder. Wenzel würde allerdings einen Teufel tun, Jarel jetzt auch noch damit zu belasten, dass der es aktuell scheinbar vorzog, ganz ohne Gesellschaft zu sein. Und ohne Wasser.
"Ich verbiete dir nicht, deinen Knappen zu sehen. Wie kommst du darauf? Und bevor du auf irgendwas losschlägst, kommst du auf die Beine. Bevor Betrand nicht seine Zustimmung gibt, lasse ich dich sowieso nicht aus der Komturei." Jedenfalls nicht durchs Tor, aber von anderen Möglichkeiten ging Wenzel aktuell noch nicht aus. Er setzte sich etwas zurück und vertrieb das Gefühl von Sorge, dass ihn kurz übermannt hatte mit einem Strecken der Schultern. Er musste nachdenken. Sicher war dieser Sokolov gut in was auch immer, sonst hätte Dijkstra ihn nicht da, wo er ihn hatte. Fragte sich nur, ob es das Risiko wirklich wert war. Denn wenn sie zusammen arbeiten würden, hieße das, jeder Schritt wäre Dijkstra bekannt wie er ihm bekannt wäre. Und wenn der Hierarch Lunte roch...
Er hatte keine Wahl. Das Bott saß bereits in der Strömung.
"Was den Freiherrn angeht - ja, überbringe ihm meine Einladung zu öffentlichen Andacht. Danach können wir reden und vielleicht entdeckt er ja doch ein Fünkchen Glaube. Denn wenn ihr diese Hexe jagt, bedarf es göttlichen Beistands." Die öffentlichen Andachten wurden von vielen Menschen der Stadt besucht, vor allem von jenen, die auf sich hielten. Ein Sehen und Gesehen werden, wie es wohl bei allen Veranstaltungen dieser Art immer auch war. Auch dass anschließend wichtige oder sich für wichtig haltende Leute das Gespräch mit Zhelin, Wenzel oder Robert de Ardh suchten, war normal. Ein besseren Rahmen konnte der Komtur Jarel und sich selbst gerade nicht bieten.
"Nur nicht, wenn der Hierarch zugegen ist. Aber das wissen wir erst am Mittag des Tages - seine Gicht." Er verfiel automatisch in einen Plauderton, damit Jarel sich wieder etwas entspannte. Gedanklich hing er aber immer noch der Frage nach, wieso sein Klingenmeister sich darauf einließ und ob es das wirklich wert war. Nun, er würde es erfahren. Auf die eine oder andere Weise.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Komturei in Nowigrad

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 21:51
von Jarel Moore
Slava. Zur öffentlichen Andacht.
Jarel ging das gesagte in Gedanken noch einmal durch. Und noch einmal.
Wenzel schlug einen vertraulichen Ton an. Tröstlich. Da war er wieder, der scharfe Biss seines Gewissens. Trotzdem blieb sein Gesicht reglos.
Ich würde Jakob gern in der Klausur aufsuchen. Er war vor der Strafe schon nicht stabil. Nennen wir es…ein Bauchgefühl.“
Natürlich. ER hatte ihn destabilisiert. ER hat ihm von einem Trauma ins nächste gestoßen. Es war kein Bauchgefühl, es war das Wissen das etwas nicht stimmte. Nur würde er das Wenzel verschweigen. Die nächste Lüge. Das würde er nie wieder gut machen können.
„Ich werde Sokolov die Einladung persönlich überbringen.“, versicherte er rang sich ein schwaches Lächeln ab.
„Eine hervorragende Idee mit der Andacht. Morgen… Mittag also?“ Bis dahin war er auf den Beinen. Hatte er soeben beschlossen. Nur Bertrand würde nicht ganz so einfach zu überzeugen sein.
Und heute…würde er Slava noch eine Nachricht zukommen lassen. Ganz offiziell sogar.
Welch seltsame Wendung.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Häuser der Ritterschaft

Verfasst: Dienstag 20. Dezember 2022, 11:16
von ERZÄHLER
Jakob. Immer wieder der Junge. Dafür, dass Jarel anfänglich keine besonderen Gefallen an der Idee eines Knappen gefunden hatte, hing er inzwischen deutlich mehr an diesem, als Wenzel das von den meisten anderen Ritterbrüdern kannte. Er wusste nur von einer handvoll, die so verschworen waren und es auch später blieben. Trotz aller Bruderschaft herrschte doch oft auch ein gewisser Konkurrenzkampf und wenn es nur darum ging, wer dem Drachen zuerst den Kopf abschlug. Im übertragenen Sinne verstand sich.
Wenzel überlegte. Nicht stabil hatte er im Angesicht der Anklage eigentlich nicht gewirkt, aber nach dem, was Bruder Kebal ihm am Abend zuvor berichtet hatte, war er sich nun nicht mehr so sicher. Er beschloss, erst einmal nachzuforschen, wie der aktuelle Stand der Aufregung war, bevor er Jarel dem aussetzte. Wenn er diesem jetzt sagte, sein Schützling habe sich verbarrikadiert, würde er nur Mühe haben, ihn hier im Bett zu halten. Eine gute Ausrede musste her.
Er seufzte bewusst. "Ich kann dich ja ohnehin nicht davon abhalten.", schmunzelte er. Sicher konnte er, aber die Mittel wären von größerem Kaliber. "Eine Bedingung: du ruhst dich aus und tust zur Abwechslung mal, was Welfenberg und Holzhammer sagen. Zum Abend kannst du Jakob dann meinetwegen anstelle Bruder Kebal das Fastenmal bringen." Es gab Momente, da hatte Wenzel den Eindruck, eine Horde zu groß gewordener Kinder dirigieren zu müssen.
"Und morgen dann Sokolov. Die Einladung sollte diskret erfolgen. Unsere Unterhaltung hier wird genügend Aufmerksamkeit wecken." Und kurz wirkte er doch, als zweifle er daran, dass das eine gute Idee war. Aber nein, er wollte keine heimlichen Treffen mit Agenten des Geheimdienstes anfangen. Das konnte nur auffallen. Die beste Tarnung war immer noch das Offensichtliche - ein neuer Freiherr, der sich seine Stellung unter den Oberen der Stadt erarbeitete. Er notierte sich innerlich, Ealco loszuschicken, ein paar Fakten über den Mann sammeln. Kurz zuckten seine Lippen, als ihm der Gedanke kam, den Freiherrn mit der Gräfinwitwe Helbel bekannt zu machen, doch nein, für Kasteiung lag noch keine ausreichende Tat vor.
"Ich schicke dir einen Anwärter der Guten Brüder. Er soll dir zur Hand gehen.", sagte er plötzlich seltsam gut gelaunt, erhob sich und schenkte noch einmal Wasser in den Becher, bevor er seinen Mantel nahm.

Re: Stadtteil | Tempelinsel - Der Orden der Flammenrose - die Häuser der Ritterschaft

Verfasst: Dienstag 20. Dezember 2022, 13:02
von Jarel Moore
Der Schattenläufer atmete noch einmal durch. Und lächelte.
„Danke.“ WIE dankbar er war, konnte und sollte er besser nicht in Worte fassen. Er durfte zu Jakob gehen. Ganz offiziell. Egal wie der Junge nun zu ihm stand. Egal ob er sich einen anderen Rittervater suchen wollte. Er würde nach ihm sehen.
Der Anblick von Jakobs Rücken und das ihm nur allzu gut bekannte Muster hatten sich scharf in seine Erinnerung geprägt. Und was noch viel schlimmer war: Er konnte ihn sogar verstehen.
Kurz huschte Jarels Blick zur linken Ecke des Regals, während Wenzel ihm den gefüllten Becher in Reichweite platzierte.
Auf Holzhammer Holtmann zu hören…nun…wenn das der Preis war, dann würde er brav sein. Insgeheim hoffte er jedoch, Welfenberg würde erscheinen. Der sah einen wenigstens nicht an, als wäre man Schlachtvieh oder noch schlimmer, einfach durch einen hindurch.
Ich werde auf die Brüder hören.“, versprach er dunkel brummend, warm und durchaus nachgiebig.
Wenzel ging und Jarel sah ihm lange nach. Er hatte wirklich Glück mit seinem ehemaligen Rittervater, war so angenommen worden wie er war, mit all seinen Seltsamkeiten und Fehlern.
Und mit einer Vergangenheit, die ihn eigentlich an den Galgen gebracht hätte, und nicht in die Position des nächsten Anwärters zum Großkomtur. Er war hier richtig. An dieser Stelle. So lange er es nicht verbockte.
Gedankenverloren starrte er an die Decke, bis zu dem Zeitpunkt, bis der ihm zugewiesene Anwärter erschien um ihm zur Hand zu gehen.
Ein kräftiges Kerlchen mit kurzem, widerspenstigem schwarzem Haar, breiten Schultern und ungewöhnlich hellen wasserblauen Augen. Mislav war ein sehr ruhiger, gehorsamer und aufmerksamer Anwärter, strahlte Ruhe regelrecht aus. Wohl der Grund, warum Wenzel ausgerechnet ihn schickte.
Ob es nun an Anwärter lag oder am Klingenmeister selber, Jarel ließ sich mit ebensolcher Ruhe aufhelfen, schrieb einen Brief und schickte den jungen Mann dann mit dem verschlossenen und gesiegelten Umschlag los. Der arme Junge hatte zwar die Anweisung bei dem angeschlagenem Ritter zu bleiben, doch ein paar erstaunlich scharfe Worte des Klingenmeisters später eilte der Anwärter doch los, spurtete regelrecht. Flink wie er war schaffte es gerade noch rechtzeitig vor Holzhammer Holtmanns Eintreffen zurück zu sein.
Den Rest des Nachmittags hatte der junge Mann er nicht viel zu tun. Moore verhielt sich ruhig, hörte auf Holtmann, schlief, aß, trank.

Erst kurz vor dem Abendleuten bekam er wieder zu tun. Holtmann war bereits wieder fort und der Ritter ließ sich zum Abort geleiten, beim Waschen und ankleiden helfen.
Er bedankte sich sogar, bevor er ihn fortschickte. Ein durchaus angenehmer Tag für Mislav.
Besser als Dienst in der Küche oder Latrinenputzen auf jeden Fall.


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